Suchen Hilfe
OGH 07.07.2008, 6Ob75/08k

OGH 07.07.2008, 6Ob75/08k

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan P*****, vertreten durch Dr. Horst Brunner, Dr. Emilio Stock und Mag. Gerhard Endstrasser, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in Innsbruck, und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. Rolf F*****, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Fieberbrunn, wegen Zahlung und Feststellung (Revisionsinteresse 57.600 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 289/07w-95, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 8 Cg 16/04k-90, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung von 2.400 EUR samt 4 % Zinsen ab wendet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung, die in ihrem aufhebenden Teil (Punkt I 2 des Spruchs) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil in seinem Punkt 1. als Teilurteil unter Einschluss des mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat wie folgt:

„a) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen vierzehn Tagen den Betrag von 83.980 EUR samt 4 % Zinsen aus 25.000 EUR vom bis , aus 81.580 EUR vom bis und aus 83.980 EUR seit zu bezahlen.

b) Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei zu 100 % für die künftigen Schäden aus ihrer ärztlichen Fehlbehandlung (zu geringe antibakterielle Dosierung ab ) haftet.

c) Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger weitere 5.820 EUR sA zu bezahlen, wird abgewiesen."

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1938 geborene Kläger stürzte am bei einem Schiunfall mit seiner linken Schulter auf eine Eisplatte. Wegen anhaltender Schmerzen im Schulterbereich suchte er am die beklagte Partei, eine Tagesklinik für Unfallchirurgie, auf, wo vorerst nur eine konservative Behandlung durchgeführt wurde. Nachdem sich die Schulterschmerzen nicht gebessert hatten, wurde am ein tageschirurgischer Eingriff in Form einer Arthroskopie durchgeführt. Am erfolgte aufgrund weiterer vom Kläger behaupteter Schmerzen eine Punktation der linken Schulter. Am erfolgte eine Zweitoperation. Dabei wurde eine ausgiebige Spülung mit Zugabe von Antibiotika durchgeführt. Kurz vor diesem Eingriff wurde im Bereich der linken Schulter des Klägers der Austritt von Eiter festgestellt. In der Folge kam es zu einer Ausbreitung der Infektion. Schließlich erfolgte am eine offene Revision durch den Schulterspezialisten Dr. G*****. Er fand ein ausgeprägtes Schadensbild aufgrund einer fortgeschrittenen Infektion im Bereich des linken Oberarmkopfes und der dortigen Gelenkspfanne vor. Die Infektion konnte zum Stillstand gebracht werden, gewisse Schäden aber nicht mehr behoben werden.

Der beklagten Partei unterlief am  insofern ein Behandlungsfehler, als nicht die stationäre Aufnahme des Klägers mit dann möglicher hochdosierter Antibiotikagabe veranlasst wurde bzw nicht mehrfach arthroskopische Spülungen vorgenommen wurden, um eine weitere Ausweitung der Infektion zu verhindern. In diesem Fall hätte eine weitere Schädigung der linken Schulter des Klägers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können.

Der Kläger ist seit Pensionist. Zuvor war er selbständiger Zimmermeister. Nach seiner Pensionierung führte sein Sohn den Betrieb weiter. Der Kläger und seine Ehegattin bezogen 1980 ein Haus. Im Sommer 2001 wurde dieses aufgestockt. Den Innenausbau hätte der Kläger selbständig bewerkstelligen wollen. Wegen seiner Schulterkomplikation musste er dies seinen Sohn machen lassen, der hiefür drei seiner Arbeiter einsetzte.

Der Kläger begehrte 25.000 EUR Schmerzengeld, 57.600 EUR Verdienstentgang, 840 EUR Behandlungskosten und 7.200 EUR Pflege- und Betreuungsaufwand.

Das Erstgericht sprach 57.040 EUR sA zu; das Mehrbegehren von 33.600 EUR sA wies es ab. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Haftung der beklagten Partei wegen nicht ausreichender Antibiotikabehandlung dem Grunde nach. Für die dem Kläger zusätzlich entstandenen Baukosten sei ein Betrag von 46.000 EUR berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - dahingehend ab, dass es das Begehren auf Ersatz der Umbaukosten abwies. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits Pensionist gewesen, sodass er einen Verdienstentgang im klassischen Sinn gar nicht mehr erleiden habe können. Darüber hinaus scheide ein Verdienstentgangsanspruch des Klägers auch deshalb aus, weil er durch die beabsichtigte Tätigkeit, nämlich den Innenausbau des aufgestockten Bungalows, nicht für sich selbst Vermögen hätte schaffen können; Eigentümer des Hauses sei nicht er, sondern seine Ehegattin. Es habe auch keine gesetzliche oder vertragliche Rechtspflicht des Klägers bestanden, den Innenausbau im Haus seiner Ehegattin vorzunehmen. Die eheliche Beistandspflicht beinhalte keine Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung beim Hausbau oder Hausumbau des Partners. Der Kläger habe daher keinen ersatzfähigen Schaden erlitten.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, ohne dies - abgesehen von einem Hinweis auf § 502 Abs 1 ZPO - zu begründen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er die Abweisung des Begehrens auf Ersatz der Umbaukosten in Höhe von 57.600 EUR bekämpft, ist zulässig und berechtigt.

1. Gemäß § 1325 ABGB muss der Schädiger dem Verletzten unter anderem den entgangenen und den künftig entgehenden Verdienst ersetzen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt, wenn die Verfügbarkeit der individuellen Arbeitskraft des Verletzten unfallskausal beeinträchtigt wird, der entgehende Wert der Arbeitskraft einen Verdienstentgang dar (2 Ob 56/95; 2 Ob 221/06y). Für die Bemessung sind in der Regel die Kosten einer entsprechenden Ersatzkraft heranzuziehen. Der Verdienstentgang liegt bereits in der mangelnden Verfügbarkeit und Verwendbarkeit der eigenen Arbeitskraft des Verletzten (2 Ob 56/952 Ob 221/06y). Der Schaden infolge Verdienstentgangs entsteht bereits durch den Verlust oder die Beeinträchtigung der Arbeitskraft in allen Bereichen, in denen der Verletzte nach dem - von ihm zu behauptenden und zu beweisenden - gewöhnlichen Lauf der Dinge seine Arbeitskraft ohne den Unfall und dessen Folgen eingesetzt hätte.

2. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 56/95 Ersatz für den Schaden zuerkannt, der dem Verletzten dadurch entstanden ist, dass er seine Arbeitskraft nicht mehr beim gemeinsam mit der Ehegattin geplanten Bau eines Hauses einsetzen kann (ähnlich bereits zuvor 2 Ob 110, 111/81 = ZVR 1982/188). Auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse am Haus kommt es dabei nicht an, weil der Schaden des Klägers bereits darin liegt, dass er in der Verfügung über seine Arbeitskraft in gleicher Weise wie vor dem Unfall durch die unfallsbedingten Verletzungsfolgen beeinträchtigt ist (2 Ob 110, 111/81).

3. Die Entscheidung 2 Ob 50, 51/77 = SZ 50/77 besagt lediglich, dass unter den Verdienstentgang nicht nur die Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit fällt, sondern jede Tätigkeit, durch die der Verletzte für sich selbst Vermögen schafft, wie dies beim Bau eines Hauses auf eigenem Grund der Fall ist. Im Sinne der zitierten neueren Judikatur wird dadurch jedoch die Ersatzfähigkeit für den Entgang von Arbeitsleistungen zum Ausbau eines der Ehegattin des Verletzten gehörenden Hauses nicht ausgeschlossen.

Im vorliegenden Fall ist auch nach den Feststellungen des Erstgerichts geklärt, dass die Mitwirkung am Ausbau des Hauses von vornherein geplant war und der (Lebens-)Planung des Klägers entsprach (dazu 2 Ob 56/95 = ZVR 1999/33).

4.1. Der Kläger hat daher auch Anspruch auf Ersatz der Beträge, die er seinem Sohn dafür bezahlen musste, dass dieser diejenigen Innenausbauarbeiten vornahm, die ohne den von der beklagten Partei zu vertretenden Kunstfehler der Kläger selbst vorgenommen hätte. Nach den Feststellungen des Erstgerichts fielen hier 1.150 Facharbeiterstunden zu je 40 EUR, insgesamt sohin 46.000 EUR, an. Dass die - ausdrücklich zusätzlich in Rechnung gestellte - Umsatzsteuer nach dem Parteiwillen endgültig nicht zu bezahlen ist, hat das Erstgericht nicht festgestellt, sodass auch die auf diesen Betrag entfallende Umsatzsteuer zuzusprechen war (vgl auch § 11 Abs 12 UStG). Darauf, ob die Umsatzsteuer bisher tatsächlich bezahlt wurde, kommt es nicht an. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichts (US 16 f) ohnedies zweimal je 360.000 ATS bezahlte. In Hinblick auf das detaillierte Vorbringen des Klägers liegt auch die von der beklagten Partei behauptete Unschlüssigkeit nicht vor.

4.2. Der Kläger übersieht allerdings, dass das Erstgericht einen Betrag von 2.400 EUR (Differenz zwischen den begehrten 1200 Facharbeiterstunden à 40 EUR und den zuerkannten 1150 Facharbeiterstunden zuzüglich USt) abgewiesen hat und diese Abweisung insoweit unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist. Die im Berufungsverfahren unterbliebene Anfechtung der Abweisung dieses Betrags kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden. Insoweit erweist sich die Revision daher als unzulässig.

Im Übrigen waren die Urteile der Vorinstanzen im Anfechtungsumfang spruchgemäß abzuändern. Die Abänderung erfordert auch eine neue Kostenentscheidung für das gesamte Verfahren. Der hier ausgesprochene Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan P*****, vertreten durch Dr. Horst Brunner, Dr. Emilio Stock und Mag. Gerhard Endstrasser, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in Innsbruck, und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. Rolf F*****, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Fieberbrunn, wegen Zahlung und Feststellung (Revisionsinteresse 57.600 EUR), über Antrag der klagenden Partei den Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Urteil vom , 6 Ob 75/08k, wird dahingehend berichtigt, dass der dritte und vierte Absatz des Spruchs wie folgt zu lauten haben:

„Die angefochtene Entscheidung, die in ihrem aufhebenden Teil (Punkt I 2 des Spruchs) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil in seinem Punkt 1. als Teilurteil unter Einschluss des mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat wie folgt:

„a) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen vierzehn Tagen den Betrag von 83.980 EUR samt 4 % Zinsen aus 25.000 EUR vom bis , aus 81.580 EUR vom bis und aus 83.980 EUR seit zu bezahlen.

b) Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei zu 100 % für die künftigen Schäden aus ihrer ärztlichen Fehlbehandlung (zu geringe antibakterielle Dosierung ab ) haftet.

c) Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger weitere 5.820 EUR sA zu bezahlen, wird abgewiesen."

Die Kosten des Berichtigungsantrags sind weitere Verfahrenskosten. Um die Durchführung der Berichtigung wird das Erstgericht ersucht.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Auf Seite 7 des Urteils vom wurde ausgeführt, dass dem Kläger als Ersatz für 1.150 Facharbeiterstunden zu je 40 EUR ein Betrag von 46.000 EUR zustünde. Dabei sei auch die auf diesen Betrag entfallende Umsatzsteuer zuzusprechen. Aufgrund eines Rechenfehlers wurde der Zuspruch des Berufungsgerichts jedoch nur um den Nettobetrag von 46.000 EUR erhöht. Der zugesprochene Betrag von

74.780 EUR setzt sich nämlich wie folgt zusammen:

Umbaukosten 46.000 EUR

Schmerzengeld 25.000 EUR

Betreuungsleistungen 3.480 EUR

Fahrtkosten 300 EUR

Summe 74.780 EUR

Daraus ist zu ersehen, dass der Betrag von 20 % USt aus 46.000 EUR, sohin 9.200 EUR, entgegen dem Entscheidungswillen des Obersten Gerichtshofs nicht berücksichtigt wurde. Insoweit war daher das Urteil des Obersten Gerichtshofs gemäß § 419 ZPO spruchgemäß zu berichtigen.

Um die Durchführung der Berichtigung war das Erstgericht zu ersuchen (2 Ob 57/77; 6 Ob 25/06d; RIS-Justiz RS0041379 [T2] und [T5]). Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00075.08K.0707.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAD-67578