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OGH vom 17.03.2010, 7Ob25/10t

OGH vom 17.03.2010, 7Ob25/10t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** P*****, vertreten durch Dr. Claus Hildebrand, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, und die Nebenintervenientin H***** GmbH, *****, vertreten durch Gratl Anker Rechtsanwaltspartnerschaft in Innsbruck, wegen 84.348,73 EUR (sA) und Feststellung, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 228/09z-94, den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der Kläger ließ durch die Nebenintervenientin ein Zweifamilienhaus errichten und schloss bei der Beklagten im Rahmen einer Eigenheimversicherung „Optimal-Schutz“ für die Liegenschaft eine Haftpflichtversicherung ab, der unter anderem die AHVB 1997 und EHVB 1997 zugrundegelegt wurden. Infolge mangelhaften Hangsicherungsarbeiten traten ab Oktober 1999 durch Hangrutschungen bei den Nachbarliegenschaften T***** und N***** Schäden auf. Im Frühjahr 2000 wurde bei Baggerarbeiten ein wasserführendes Rohr beschädigt, was zu Hangrutschungen auf der Nachbarliegenschaft N***** führte. Der Kläger, der von den genannten Nachbarn in Anspruch genommen wurde, begehrt aus der Versicherung den Ersatz der an diese Nachbarn geleisteten Zahlungen und die Feststellung der Deckungsverpflichtung der Beklagten.

Das Berufungsgericht bestätigte die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts im Wesentlichen aus zwei Gründen:

1.) Die Beklagte habe den Versicherungsantrag des Klägers vom am angenommen, womit der Versicherungsvertrag zustandegekommen sei. Da als Versicherungsbeginn der vereinbart worden sei, liege eine Rückwärtsversicherung im Sinn des § 2 VersVG vor. Abs 2 leg cit normiere, dass der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei sei, wenn der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrags wisse, dass der Versicherungsfall schon eingetreten sei. Diese Voraussetzung für die Leistungsfreiheit der Beklagten liege hier vor, weil der Kläger bereits bei Stellung des Antrags auf Abschluss des Versicherungsvertrags am Abend des von den ersten Rissbildungen gewusst und bei Annahme des Versicherungsantrags am von der Vergrößerung dieser Risse bei beiden Nachbarhäusern auch Kenntnis gehabt habe. Das Auftreten der Risse stelle den in Art 1.1 der AHVB 1997 definierten Versicherungsfall dar, also ein Schadensereignis, das dem versicherten Risiko entspreche und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen könnten . Auf den Zeitpunkt der Erhebung von Ansprüchen durch die Geschädigten komme es hingegen für die Definierung des Zeitpunkts, wann der Versicherungsfall eintrat, nicht an, es sei denn, dem Versicherungsnehmer wäre das Schadensereignis vor Erhebung von Ansprüchen durch die Geschädigten nicht bekannt gewesen. Dies treffe hier nicht zu, da der Kläger bereits am Morgen des von den ersten Rissbildungen verständigt worden und auch in den folgenden Tagen laufend von den neu festgestellten und sich vergrößernden Rissen in Kenntnis gesetzt worden sei.

2.) Das weitere Schadensereignis, nämlich die bei Baggerarbeiten erfolgte Beschädigung eines Rohres, die zu Hangrutschungen auf der Liegenschaft N***** führte, sei erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags eingetreten. Die Eheleute N***** seien an den Kläger wegen des Ersatzes der dadurch verursachten Schäden bereits mit Schreiben vom herangetreten und hätten ihn insbesondere auch aufgefordert, seinen Versicherer und die Polizzennummer bekannt zu geben. Seitens des Klägers sei aber erstmals am eine Schadensmeldung an die Beklagte erfolgt, also fast ein Jahr später. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass sich die Geschädigten selbst an die Beklagte gewandt hätten, weil dies hinsichtlich der (von diesem Schaden aber gar nicht betroffenen) Eheleute T***** erst ein halbes Jahr später erfolgt sei und die Eheleute N***** betreffend überhaupt nicht. Es liege daher eine Obliegenheitsverletzung des Klägers im Sinn des § 6 Abs 3 VersVG vor, hinsichtlich welcher Leistungsfreiheit des Versicherers vereinbart worden sei (Art 8 Z 1 AHVB 1997). Es sei von einer (schlichten) vorsätzlichen Verletzung der Meldeobliegenheit durch den Kläger auszugehen. Der diesbezüglich daher mögliche Kausalitätsgegenbeweis sei dem Kläger aber jedenfalls nicht gelungen, sodass die Beklagte auch hinsichtlich des durch die Beschädigung des wasserführenden Rohres entstandenen Schadens auf der Liegenschaft der Nachbarn N***** leistungsfrei sei.

Darauf, ob noch weitere Gründe für eine Leistungsfreiheit der Beklagten vorlägen, insbesondere weit über 6 Mio S liegende Baukosten oder die von der Beklagten behauptete Wahl einer billigeren, jedoch schadensträchtigeren Hangsicherungsmethode, brauche daher nicht mehr eingegangen zu werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich bei der Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfragen auf die zitierte einhellige höchstgerichtliche Judikatur habe stützen können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber verweist zur Frage der Zulässigkeit seines außerordentlichen Rechtsmittels bloß auf seine Mängel- und Rechtsrügen. Darin wird aber ein tauglicher Zulassungsgrund nicht aufgezeigt:

In der Mängelrüge macht der Revisionswerber geltend, dass der Akt 11 Cg 123/03s des Landesgerichts Innsbruck, auf den er sich (fälschlich als Akt „11 Cg 122/03s“ bezeichnet) zum Beweis einer von ihm behaupteten Tatsache berufen hat, zu Unrecht nicht beigeschafft worden sei. Das Berufungsgericht hat sich mit der deshalb auch schon in zweiter Instanz erhobenen Mängelrüge auseinandergesetzt und hat die vom Kläger behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens verneint. Der Mangel kann daher nach ständiger Rechtsprechung in dritter Instanz nicht mehr gerügt werden (RIS-Justiz RS0043086; RS0043144).

In seiner Rechtsrüge behauptet der Revisionswerber einleitend, dass das Berufungsgericht „bei genauerer Betrachtung“ von oberstgerichtlicher Judikatur abgewichen sei, ohne aber auch nur eine einzige oberstgerichtliche Entscheidung, mit der die vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansichten im Widerspruch stehen soll, zu nennen.

Im Einzelnen geht der Revisionswerber zunächst unrichtig davon aus, dass das Berufungsgericht bei der Lösung der Rechtsfrage, ob der Versicherungsfall in den zeitlichen Anwendungsbereich der Versicherung falle, auf die Polizzierung durch die Beklagte am abgestellt habe, was im Lichte der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu den Themen „vorläufige Deckungszusage“, „Unterversicherungsverzicht“ sowie „Rückwärtsversicherung“ nicht vertretbar sei. Wie bereits ausgeführt, ist das Berufungsgericht aber ohnehin von einer Rückwärtsversicherung mit Versicherungsbeginn bereits am ausgegangen und hat ungeachtet des Umstands, dass nach § 2 Abs 2 VersVG der Abschluss des Vertrags den maßgeblichen Zeitpunkt darstellt, betont, dass der Kläger schon zu diesem Termin Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls hatte.

Weiters wendet sich der Revisionswerber gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Mitarbeiter der Beklagten C***** M***** sei nicht berechtigt gewesen, verbindliche Anbote und verbindliche Annahmeerklärungen namens der Beklagten abzugeben, sondern es sei ihm nach § 43 Abs 2 VersVG lediglich gestattet gewesen, Anträge auf Abschluss eines Versicherungsvertrags entgegenzunehmen oder auch die vom Versicherer ausgefertigten Versicherungsscheine auszuhändigen. Als Versicherungsagent gemäß § 43 VersVG sei er auch nicht zur Abgabe einer vorläufigen Deckungszusage bevollmächtigt gewesen. Der Revisionswerber will offenbar aus den Umständen, dass die Niederlassung der Beklagten, über die der Versicherungsfall abgewickelt wurde, immer als „Geschäftsstelle S*****“ und der Zeuge M***** als deren „Oberinspektor“ bezeichnet worden sei, einen „groben Fehler“ des Berufungsgerichts bei der Auslegung des § 43 VersVG herleiten, ohne dies aber plausibel begründen zu können.

Weiters wendet sich der Revisionswerber dagegen, dass die Beklagte leistungsfrei sein soll, weil er bereits bei Antragstellung am von den ersten Rissbildungen gewusst habe. Seine Ausführungen dazu, aus den Feststellungen ergebe sich, dass er am noch keine konkrete Kenntnis von Rissen am Haus T***** gehabt habe, weil er sonst die ihm gestellte Frage, ob ihm Schäden bekannt seien, nicht mit „nein“ beantwortet hätte, weichen jedoch vom festgestellten Sachverhalt ab und ist die Rechtsrüge insoweit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Ferner wird vom Revisionswerber zum Thema „Obliegenheitsverletzungen“ ausgeführt, das Berufungsgericht unterscheide nicht klar zwischen „Schadensfall“ und „Versicherungsfall“. Hiezu ist auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu Art 1.1 der AHVB 1997 zu verweisen, wonach es nach dem Wortlaut dieser Bestimmung für den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls nicht auf die Erhebung von Ansprüchen durch den Geschädigten ankommt, sondern darauf, ob dem Versicherungsnehmer aus einem versicherten Risiko Schadenersatzverpflichtungen erwachsen könnten .

Der Revisionswerber beanstandet weiters noch die Verletzung einer sich aus § 6 Abs 1 VersVG ergebenden „Rügeobliegenheit“. Der Versicherer habe nach dieser Bestimmung im Fall der Kenntnis der Verletzung einer Obliegenheit das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrags. Kündige er jedoch innerhalb eines Monats in Kenntnis der Obliegenheitsverletzung nicht, so könne er sich gemäß § 6 Abs 1 VersVG auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen. Ohne dies ausdrücklich zu sagen, will sich der Revisionswerber damit wohl darauf berufen, dass die Beklagte den Versicherungsvertrag nicht gekündigt hat, nachdem sie ein halbes Jahr nach dem ersten Schadenseintritt von den Eheleuten T***** über die Schäden auf deren Liegenschaft informiert wurde. Der Revisionswerber unterliegt dabei zwei Irrtümern: Erstens übersieht er, dass § 6 Abs 1 VersVG vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheiten betrifft, während die hier in Rede stehende Meldeobliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen ist. Zweitens war von den Hangrutschungen aufgrund des Rohrschadens nicht die Liegenschft T*****, sondern die Liegenschaft N***** betroffen. Dass sich die Ehegatten N***** deshalb vor Schadensmeldung durch den Kläger an die Beklagten gewandt hätten, wurde aber gar nicht festgestellt. Im Übrigen konnte der Kläger Kenntnis von der Verletzung der Meldeobliegenheit denklogisch erst nach Schadenseintritt erlangen; dies schließt aber nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls (etwa bei Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten) den Kündigungszwang des § 6 Abs 1 VersVG aus (RIS-Justiz RS0080523; vgl zuletzt 7 Ob 33/09t).

Schließlich hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die aus den angeführten Gründen gegebene Leistungsfreiheit der Beklagten auf die Themen „Höhe der Baukosten“ und „Wahl einer schadensträchtigen Hangsicherungsmethode“ nicht mehr eingegangen werden muss. Die betreffenden Revisionsausführungen müssen schon deshalb ins Leere gehen.

Insgesamt vermag der Revisionswerber einen Widerspruch der angefochtenen Entscheidung zu oberstgerichtlicher Judikatur und damit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen. Sein demnach unzulässiges außerordentliches Rechtsmittel ist zurückzuweisen.