OGH vom 30.06.1998, 1Ob90/98m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei und Gegners der gefährdeten Partei Walter D*****, vertreten durch Dr.Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wider die beklagte und gefährdete Partei Rumiana D*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Berger, Dr.Christine Kolbitsch, Dr.Heinrich Vana und Dr.Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung (hier: Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 886/97f-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 2 C 26/97k-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.871,04 S (darin 811,84 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind in Scheidung lebende Ehegatten; ihrer am geschlossenen Ehe entstammen keine Kinder. Der 1941 geborene Kläger und Gegner der gefährdeten Partei (Antragsgegner, im folgenden nur Kläger) ist derzeit ohne Beschäftigung, die 1962 geborene, aus Bulgarien stammende Beklagte und gefährdete Partei (Antragstellerin, im folgenden nur Beklagte) ist Verkäuferin. Die Streitteile schlafen auf Wunsch der Beklagten in getrennten Zimmern der Ehewohnung, einer dem Kläger vermieteten Gemeindewohnung.
Im August 1996 versetzte der Kläger der Beklagten zwei Ohrfeigen, weil er duschen wollte und die bereits unter der Dusche stehende Beklagte seinem Wunsch, ihn vor ihr duschen zu lassen, nicht nachkommen wollte. Ob die Beklagte dadurch verletzt wurde, ist nicht feststellbar. Beim nächsten Vorfall zu Weihnachten 1996 machte der Kläger seinem Unmut über den Besuch seiner Schwiegermutter dadurch Luft, daß er öfters, auch nachts, die Türen zuschlug. Als der Kläger eines Abends, als die Beklagte bereits im Bett lag, wieder "einen Wirbel machte", stand diese auf und trat gegen die Zimmertür des Klägers, wodurch deren Schloß zersplitterte. Darauf entstand zwischen dem Kläger, der über das Verhalten der Beklagten erbost war, und dieser ein "Gerangel". Im Zuge dessen "packte" der Kläger die Beklagte an den Haaren und "am Körper", wogegen die Beklagte dem Kläger "zumindest gegen die Hüfte oder die Hoden trat". Die Beklagte erlitt bei dieser Rangelei blaue Flecken an der Innenseite ihres rechten Oberarms, an der Hüfte "bzw" am Gesäß; ob auch der Kläger verletzt wurde, ist nicht feststellbar. Im Winter 1996/97 drehte der Kläger in der Ehewohnung die Heizung zurück, weil er der Ansicht war, daß es zu warm sei und die Heizung zu viel koste. In diesem Zusammenhang holte die Beklagte auch die Polizei, damit diese den Kläger veranlasse, die Heizung höher zu drehen. Am erhob der Kläger die Scheidungsklage aus dem Alleinverschulden der Beklagten, die sich nicht scheiden lassen will. Mitte Juni 1997 wollte der bereits alkoholisierte Kläger von der Beklagten eine zweite Flasche Wein, was diese verweigerte, worauf die beiden in Streit gerieten. Als die Beklagte vor dem Streit in ihr Zimmer flüchtete und die Tür mit einem zwischen "die Rahmen geklemmten Besenstiel" verbarrikadierte, trat der Kläger derart gegen diese Tür, daß der Besenstiel zersplitterte und die Tür aufflog. Als ihm die Beklagte mit der Polizei drohte, ließ er "davon" ab. Nicht feststellbar ist, daß der Kläger dabei die Beklagte mißhandelt oder zu mißhandeln versucht habe. Einen oder einige Tage später wollte sich die Beklagte mit ihrer Schwester durch das (offene) Küchenfenster im 1.Stock unterhalten; dem Kläger war dies nicht recht. Er schlug das Fenster zu und traf damit die Beklagte am Gesäß, die vor Schmerz zurückwich und gleichzeitig von ihm auch "weggezerrt" wurde. Dann schlug der Kläger das Fenster neuerlich zu, wodurch die Scheibe zu Bruch ging. Daß die Beklagte bei diesem Vorfall verletzt worden sei bzw der Kläger die Beklagte habe verletzen wollen, ist nicht feststellbar.
Wenn die Klägerin oder ihr Sohn (aus ihrer ersten Ehe) nach Hause kommen, ist häufig der Riegel der Wohnungstüre vorgeschoben, sodaß sie mit ihren Schlüsseln nicht aufsperren können und anläuten müssen; es dauert dann meistens einige Minuten, bis der Kläger die Wohnungstür öffnet. Daß der Kläger die Beklagte oder ihren Sohn absichtlich warten lasse oder die Verzögerung auf andere Gründe zurückzuführen sei, ist nicht feststellbar. Dieses Verhalten begründet der Kläger damit, daß er vermute, die Beklagte habe ihren Verwandten, insbesondere ihrem Neffen, der eine Zeitlang bei den Streitteilen gewohnt habe, Wohnungsschlüssel ausgefolgt. Der Kläger legte öfters, wenn die Beklagte nicht zu Hause war, den Telefonhörer neben die Gabel oder meldete sich mit falschem Namen. Er urinierte einmal zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt aus nicht feststellbaren Gründen ins Vorzimmer. Die Beklagte brachte ihren Sohn Mitte Juni 1997 bei ihrer Schwester unter, weil sie dem Kind das weitere Zusammenleben mit dem Kläger nicht mehr zumuten wollte. Nicht feststellbar ist, daß der Kläger dies von der Beklagten verlangt hätte. Der Kläger sagte Ende Juni/Anfang Juli 1997, als das Kind einmal vorbeikam, "es komme" ihm nicht mehr in die Wohnung. Nicht feststellbar ist, ob der Kläger das Kind der Beklagten tatsächlich nicht wieder einziehen lassen würde.
Am kam es zwischen den Streitteilen neuerlich zu einer Auseinandersetzung über die Benützung der Ehewohnung; dabei warfen beide jeweils Sachen des anderen absichtlich zu Boden. Der Kläger versetzte der Beklagten sodann einen Stoß, wodurch diese einen blauen Fleck am Gesäß erlitt. Nicht feststellbar ist, daß die Beklagte sonstige Verletzungen erlitten habe. Die Beklagte erstattete über diesen Vorfall Anzeige bei der Polizei, was sie dem Kläger nach ihrer Rückkehr in die Wohnung auch mitteilte. Der Kläger wurde auf diese Mitteilung "weder mit Worten noch durch einen körperlichen Angriff" aggressiv. Nachdem die Beklagte am nächsten Tag mit ihren Verwandten Rücksprache gehalten hatte und diese meinten, ein weiteres Zusammenleben mit dem Kläger sei unzumutbar, verließ sie die eheliche Wohnung und kehrte nach dem Aktenstand erst nach Erlassung der einstweiligen Verfügung durch die zweite Instanz zurück. Nicht feststellbar ist, daß der Kläger die Beklagte mit dem Umbringen bedroht und in Anwesenheit ihres Sohns Pornofilme angesehen habe.
Die Beklagte hat in Wien keine andere Wohnmöglichkeit.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag der Beklagten, dem Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Scheidungsverfahrens aufzutragen, 1) die näher bezeichnete (Ehe)Wohnung sofort nach Erhalt des Beschlusses zu verlassen und die Wohnung sowie die nähere Umgebung, insbesondere das näher genannte Wohnhaus, in welchem die Wohnung liegt, nicht wieder zu betreten, sowie 2) jegliche Kontaktaufnahme zur Beklagten zu unterlassen, nach Anhörung des Klägers ab. Es vertrat die Auffassung, die beiden Ohrfeigen im August 1996 fielen nicht ins Gewicht, weil sie schon ein Jahr zurücklägen und danach das Verhältnis zwischen den Streitteilen bis Weihnachten 1996 wieder "in Ordnung" gewesen sei. Gleiches gelte für den Umstand, daß die Beklagte von dem Fenster, das der Kläger zugeschlagen habe, getroffen worden sei, weil weder eine Verletzung der Beklagten noch eine Verletzungsabsicht des Klägers feststellbar sei. Der Vorfall zu Weihnachten 1996 sei von der Beklagten "mitprovoziert" worden; es sei aber nicht feststellbar gewesen, daß der Kläger die Beklagte habe verletzen wollen bzw daß deren Verletzungen nicht im Zuge des "Gerangels" entstanden seien, an dem sie durch das "Hintreten" auf den Kläger beteiligt gewesen sei. Auch beim Vorfall vom handle es sich um eine der nach den übereinstimmenden Angaben beider Streitteile "schon fast alltäglichen Provokationen und Streitereien", die durch das "Zutun" beider Teile eskaliert sei. "Die allgemein gespannte und insbesondere" von der Beklagten als quälend empfundene Atmosphäre während des anhängigen Scheidungsverfahrens im Haushalt der Streitteile sei zwar "nachzuvollziehen", die sicher zu einem nicht unbeträchtlichen Teil durch den Kläger verursacht würde. "Aufgrund der Gesamtumstände" sei aber das weitere Zusammenleben der Beklagten mit dem Kläger nicht unzumutbar, "weil im Grunde nur ein körperlicher Angriff mit vergleichsweise geringen Folgen" vorliege und "vor allem kein neuer körperlicher Angriff" des Klägers "zu drohen" scheine, habe er sich doch gerade nach der Anzeigeerstattung durch die Beklagte ruhig verhalten. Umstände, die die Beklagte als Schikane empfinde (wie das Vorschieben des Türriegels und das Öffnen der Wohnungstür erst "nach Läuten mit längerem Warten", Abheben des Telefonhörers ua), seien nicht in einer solchen Weise festzustellen gewesen, daß sich daraus ableiten ließe, die psychische Gesundheit der Beklagten sei erheblich beeinträchtigt und ihr sei ein weiteres Zusammenleben unzumutbar, vor allem, weil sie sich gar nicht scheiden lassen wolle und daher offensichtlich bereit sei, trotz des von ihr geschilderten Verhaltens des Klägers die Ehe fortzusetzen, zu der wohl ein zumindest in der Zukunft gemeinsames Zusammenleben gehören werde.
Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Aus der Chronologie der Vorfälle sei eindeutig zu erkennen, daß zumindest ab der Einbringung der Scheidungsklage im Februar 1997 die Gewaltbereitschaft des Klägers zugenommen habe. Hätten auch die einzelnen körperlichen Mißhandlungen - die Beklagte habe nur den Vorfall vom angezeigt - nicht regelmäßig stattgefunden, so sei dennoch "eine klare Steigerung der Gewaltbereitschaft" des Klägers zu erkennen, "die durch die vom Erstgericht angenommene teilweise Provozierung" durch die Beklagte "jedenfalls dort nicht entschuldigt werden" könnte, "wo sie zu Gewaltakten gegen Sachen und Personen eskalierten". Auch die täglichen Schikanen des Klägers seien in letzter Zeit immer häufiger und auch massiver geworden. Auch wenn der Kläger, nachdem ihm die Beklagte nach dem Vorfall vom von ihrer Anzeige bei der Polizei Mitteilung gemacht habe, weder mit Worten noch durch einen körperlichen Angriff gegen die Beklagte noch sonstwie aggressiv geworden sei, könne nicht davon ausgegangen werden, daß ein neuer körperlicher Angriff des Klägers nicht drohe, nur weil er sich gerade nach dieser Anzeigeerstattung ruhig verhalten habe. Betrachte man die einzelnen tätlichen Angriffe des Klägers im Zusammenhang mit seinem sonstigen Verhalten, so erscheine ein weiteres Zusammenleben der Beklagten mit ihm iSd § 382b EO unzumutbar. Insbesondere sei zu befürchten, daß der Kläger sein bedrohliches und aggressives Verhalten gegenüber der Beklagten in Zukunft (zumindest bis zur Beendigung des anhängigen Scheidungsverfahrens) nicht ändern werde, weil es schon jetzt - seit Einbringung der Scheidungsklage - zu einer klar erkennbaren Häufung der Vorfälle mit Steigerung der Intensität der Beeinträchtigungen, die in einer Körperverletzung gipfelten, gekommen sei.
Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
a) Zu Recht hat die zweite Instanz von einem Bewertungsausspruch Abstand genommen. Zwar weist der Entscheidungsgegenstand einer Regelung nach § 382b EO auch geldwerte Aspekte auf, doch wird er im wesentlichen durch den nicht geldwerten Gehalt, der in der Änderung der Lebensgestaltung der betroffenen Familienangehörigen (hier: Eheleute) liegt, charakterisiert (vgl 1 Ob 608/93 zu § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO aF). Das Verfahren über den Sicherungsantrag richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen der EO (§ 382c und 382d EO) und den nach diesem Gesetz anwendbaren Bestimmungen der ZPO. Zufolge § 402 Abs 1 EO iVm § 521a ZPO ist das Provisorialverfahren in dritter Instanz zweiseitig.
b) Auf das vorliegende Sicherungsverfahren, das am mit dem Antrag der Beklagten eingeleitet wurde, sind die Bestimmungen der EO idF des Art II Z 5 des am in Kraft getretenen Bundesgesetzes zum Schutz vor Gewalt in der Familie, BGBl 1996/759 (GeSchG), anzuwenden. Nach der Übergangsbestimmung des Art IV § 1 trat Art II, somit auch § 382b EO mit in Kraft. Die neuen Bestimmungen sind danach auf Verfahren anzuwenden, die - wie hier - nach dem anhängig gemacht worden sind. Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und vorher erworbene Rechte keinen Einfluß. Die Bestimmung legt den zeitlichen Geltungsbereich eines kundgemachten Gesetzes fest. Es sind demnach nur die nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen, vorher geschehene Handlungen und analog sonstige Sachverhalte sind wie vorher entstandene Rechte weiterhin dem alten Gesetz zu unterwerfen (Bydlinski in Rummel2, § 5 ABGB Rz 1 mwN). Der Gesetzgeber kann aber bei Erlassung eines neuen Gesetzes die Rückwirkung ausdrücklich anordnen; diese muß sich jedoch aus dem Gesetz selbst ergeben (JBl 1986, 390; JBl 1994, 822 ua) und muß mit dem Gleichheitsgebot vereinbar sein (Posch in Schwimann2, § 5 ABGB Rz 1 f mwN). Die hier zu beurteilende gesetzliche Regelung enthält für die nach dem anhängig gemachten Verfahren in Ansehung der vor dem Stichtag erfolgten Vorfälle eine solche ausdrückliche und mit dem Gleichheitsgebot vereinbare Rückwirkung. Es sind daher alle von den Tatsacheninstanzen festgestellten Vorfälle unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen und der Beurteilungskriterien des neuen Gesetzes zu prüfen.
c) Die inhaltlichen Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung regelt § 382b EO:
(1) Das Gericht hat einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf dessen Antrag
1. das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und
2. die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten, wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient.
(2) Das Gericht hat einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf dessen Antrag
1. den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten und
2. aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktsaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden, soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen.
§ 382c EO enthält die verfahrensrechtlichen Vorschriften, § 382d EO die Vollzugsbestimmungen. Mit den §§ 382b bis 382d EO traten somit neue Bestimmungen an die Stelle der früher in § 382 (Abs 1) Z 8 lit b und Abs 2 EO enthaltenen Regelungen über die Ausweisung eines Ehegatten und nun auch anderer Personen aus der Wohnung und deren unmittelbaren Umgebung zum Schutz eines nun größeren Personenkreises als nach der alten Regelung (§ 382b Abs 3 EO). Hier sind die neuen Bestimmungen indes an - in Scheidung lebenden - Ehegatten zu messen. Beurteilungsmaßstab bei Regelungsverfügungen gegen Gewalt in der Familie ist nun nicht mehr der strenge Maßstab der Unerträglichkeit, sondern jener der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens (Abs 1) und eines weiteren Zusammentreffens (Abs 2) mit dem Antragsgegner. Die materiellrechtlichen Grundlagen der einstweiligen Verfügungen gegen Gewalt in der Familie bilden unter Ehegatten die Pflicht zur anständigen Begegnung (§ 90 ABGB) und die absolut wirkenden Rechte des Einzelnen auf Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und Integrität (§ 16 ABGB). Der Gesetzgeber hat mit Einführung des neuen § 382b EO einen unbestimmten Gesetzesbegriff ("Unerträglichkeit" gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit b EO aF), durch den das Verhalten des Antragsgegners im Sicherungsverfahren umschrieben wurde, durch einen anderen unbestimmten Gesetzesbegriff ("Unzumutbarkeit" nach § 382b EO) ersetzt, wenigstens in den Materialien wurde aber klargestellt, daß ein effektiver körperlicher Angriff oder die Drohung mit einem solchen die Ausweisung des Antragsgegners aus der Wohnung rechtfertige und darüber auch ein sonstiges Verhalten ("Psychoterror") die Ausweisung ermöglichen solle, wenn es eine Schwere erreiche, die die strenge Maßnahme der einstweiligen Verfügung angemessen erscheinen lasse. Zutreffend wies die zweite Instanz darauf hin, daß weder das Gesetz selbst noch die Materialien zur EO-Novelle (gemeint: im GeSchG) deutliche Abgrenzungskriterien hiefür anböten, daß aber jedenfalls die Voraussetzungen für die Ausweisung des Antragsgegners gegenüber der bisherigen Gesetzeslage vermindert, die Schwelle für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf das in § 92 Abs 2 ABGB maßgebliche Niveau herabgesetzt (Hopf/Kathrein, Eherecht, § 382b EO Anm 3) und daher die erforderliche Gewaltintensität verringert worden seien (Neuhauser, Der gesetzliche Schutz vor Gewalt in der Familie und dessen Auswirkungen auf den Jugendwohlfahrtsträger, ÖA 1997, 45 ff).
Nach der alten Rechtslage mußte das Zusammenleben für die gefährdete Partei unerträglich sein; es mußte zu befürchten sein, daß in Zukunft die körperliche bzw die psychische Sicherheit erheblich beeinträchtigt wird. In der Rspr wurde wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß das festgestellte Verhalten zwar unzumutbar, nicht aber auch schon unerträglich sei. Die Unerträglichkeit wurde nach der Rspr bei jeder Art von ernstlicher Bedrohung der seelischen oder körperlichen Gesundheit, der Unversehrtheit des Lebens oder der Freiheit sowie der Ehre oder auch des Vermögens, insbesondere bei erheblichen körperlichen Verletzungen oder Bedrohungen, Angriffen gegen die gefährdete Person, ihre Kinder oder eine mit ihr verwandter Person bejaht. Als "nur" unzumutbar galten - zur Klarstellung der erforderlichen Abgrenzung durch die Gerichte - etwa einmalige Entgleisungen oder milieubedingte Beschimpfungen, Unmutsäußerungen sowie Kurzschlußhandlungen (Mottl, Alte und neue rechtliche Instrumente gegen Gewalt in der Familie in ÖJZ 1997, 542 ff, 544 mwN). Ebenso wurde schon bisher zum Begriff der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens als Voraussetzung zur Erlaubnis einer gesonderten Wohnungsnahme nach § 92 Abs 2 ABGB in Entscheidungen Stellung genommen und dabei das Zusammenleben dann als unzumutbar angesehen, wenn seine Fortsetzung unter Ehegatten vom belasteten Partner bei objektiver und umfassender Interessenabwägung billigerweise nicht verlangt werden kann (EFSlg 42.510 ua; Schwimann in Schwimann2, § 92 ABGB Rz 9). Außer der im Gesetz demonstrativ erwähnten körperlichen Bedrohung hat die Rspr, soweit im Zusammenhang mit Gewaltausübung hier von Interesse, Unzumutbarkeit etwa bei schweren oder wiederholten Mißhandlungen durch den Partner, bei erheblicher Gefährdung der körperlichen oder seelischen Integrität des Partners, bei heftigen, mit Tätlichkeiten und Verletzungen verbundenen Auseinandersetzungen, Alkoholismus, Zerstörung der Vertrauensbasis und Hervorrufung einer psychischen Dauerbelastung angenommen (Hopf/Kathrein aaO § 92 ABGB Anm 10 mwN; Mottl aaO 549; vgl auch den umfangreichen Katalog bei Schwimann aaO Rz 10). Während § 92 Abs 2 ABGB einem Ehegatten die vorübergehende gesonderte Wohnungsnahme gestattet, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist, muß nach § 382b EO der von Gewalt bedrohte Ehegatte die Wohnung selbst nicht verlassen, sondern kann die Ausweisung des gewalttätigen Ehegatten verlangen. Die Voraussetzungen für die Rechtfertigung der gesonderten Wohnungsnahme einerseits und für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen Gewalt in der Familie andererseits sind allerdings nicht völlig deckungsgleich, weil § 382b Abs 1 und 2 EO die Unzumutbarkeit an - auch bloß drohende - physische oder psychische Gewalttätigkeiten knüpft. Zwar wird die in § 92 Abs 2 ABGB demonstrativ hervorgehobene körperliche Bedrohung nicht nur eine gesonderte Wohnungsnahme rechtfertigen, sondern auch eine einstweilige Verfügung gegen Gewalt in der Familie, in denjenigen Fällen jedoch, in denen sich die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens aus anderen Gründen als wegen Gewalttätigkeiten ergibt, kommt eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO wohl nicht in Frage (Hopf/Kathrein aaO § 382b EO Anm 3). Bei der Lösung der Frage nach der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens von Ehegatten, mögen sie auch in Scheidung leben, ist auch, soweit es um Anwendungsfälle des § 382b EO geht, zu berücksichtigen, daß nicht eine bloße Wohngemeinschaft zu beurteilen ist, sondern eine eheliche Hausgemeinschaft als räumlicher Ausdruck der Ehegemeinschaft, also der spezifisch persönliche Dauerkontakt zusammenwohnender Ehegatten. Der erkennende Senat billigt in diesem Zusammenhang die Auffassung Schwimanns (aaO Rz 9) zu § 92 Abs 2 ABGB, daß Ehegatten auf der einen Seite geduldiger und nachsichtiger, vielleicht sogar opferbereiter sein müssen, daß sie aber auf der anderen Seite wegen der Besonderheit des ehelichen Zusammenwohnens auch empfindlicher sein dürfen als sonstige Wohngenossen. Wegen der Besonderheiten des Unzumutbarkeitsbegriffs gehen Lehre und Rspr davon aus, daß die Gründe für die Unzumutbarkeit verschuldensunabhängig sind (JBl 1979, 86 ua; Pichler in Rummel2, § 92 ABGB Rz 5; Schwimann aaO Rz 9).
Die von der Rspr entwickelten Grundsätze, unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatten das Recht zur gesonderten Wohnungsnahme nach § 92 Abs 2 ABGB wegen Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens wegen Gewalttätigkeiten des anderen Teils in Anspruch nehmen kann, sind im allgemeinen auch die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der Voraussetzungen von Verfügungen nach § 382b EO zumindest insoweit, als es sich um Ehegatten handelt. Die Gründe für die Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO sind verschuldensunabhängig. Die gerichtliche Provisorialentscheidung hat auf die künftig zu gewärtigende Situation abzustellen. Objektiver Beurteilungsmaßstab sind die Umstände des Einzelfalls. Maßgeblich sind dabei Ausmaß, Häufigkeit und Intensität der bereits - auch schon länger zurückliegenden - angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe sowie bei - ernst gemeinten und als solche verstandenen - Drohungen die Wahrscheinlichkeit deren Ausführung. Je massiver das dem Antragsgegner zur Last fallende Verhalten in die körperliche und seelische Integrität des Opfers eingewirkt hat, je schwerer die unmittelbaren Auswirkungen und die weiteren Beeinträchtigungen des Antragsgegners sind und je häufiger es zu solchen Vorfällen gekommen ist, desto eher wird unter den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens auszugehen sein. Je leichtere Folgen das Verhalten des Antragsgegners gezeitigt hat, je länger es - ohne weitere "einschlägige" Vorkommnisse - zurückliegt und je mehr sich der Antragsgegner in der Folge bewährt hat, desto eher wird man dem betroffenen Ehegatten das weitere Zusammenleben zumuten können (Hopf/Kathrein aaO § 382b EO Anm 4). Von Bedeutung ist ferner das Milieu, aber nicht iSd gesellschaftlichen Stellung der Eheleute, kommt doch Gewalt in der Familie in allen gesellschaftlichen Schichten vor (Mottl aaO 542), sondern in dem Sinn, unter welchen konkreten Lebensumständen die Eheleute miteinander leben. Dazu gehört auch die Persönlichkeit beider Ehegatten. In diesem Zusammenhang kann im Einzelfall, regelmäßig wohl nur bei bloß singulären Vorfällen, in einem gewissen Umfang der Provokation durch den Angegriffenen oder Bedrohten Bedeutung zukommen.
Die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens geht in der Regel nicht dadurch verloren, daß der eine Teil das unzumutbare Verhalten des anderen Teils eine Zeit lang hinnimmt (vgl MietSlg 30.002, 38.818; RIS-Justiz RS0009481).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erweist sich die rechtliche Beurteilung der Erstrichterin auch angesichts der Tatsache, daß nicht nur ein einzelner Vorfall zu beurteilen ist, als zutreffend. Wenn auch zwei unmotivierte Ohrfeigen (hier: unter der Dusche) im allgemeinen ein weiteres Zusammenleben als unzumutbar erscheinen lassen können, geht doch der Gesetzgeber vom Ideal der Gewaltfreiheit - nicht nur zwischen Ehegatten - aus, so muß hier doch berücksichtigt werden, daß dieser Vorfall schon längere Zeit zurückliegt und von der Beklagten offenbar verziehen wurde. Beim hier zu beurteilenden Sachstand scheint daher die Wohnungsausweisung vor allem deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte trotz der Vorkommnisse an der Ehe festhalten will, was voraussetzt, daß sie in der Folge doch wieder mit dem Kläger zusammenleben will.
d) Auf die weitere Voraussetzung eines dringenden Wohnbedürfnisses der Beklagten - insoweit trat materiellrechtlich durch die Neuregelung keine Änderung der bisherigen Rechtslage ein - muß nicht mehr eingegangen werden.
Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und in Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung der Beschluß des Erstgerichts wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung fußt auf dem § 393 Abs 2 EO idFd Art II Z 8 GeSchG iVm §§ 41, 50 ZPO.