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OGH vom 31.03.2003, 5Ob44/03m

OGH vom 31.03.2003, 5Ob44/03m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Gemeinde H*****, vertreten durch Dr. Georg Scheichenbauer, öffentlicher Notar in Feldkirchen, betreffend Eintragungen im Grundbuch *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom , AZ 2 R 10/03b, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirchen/Kärnten vom , TZ 2853/02, bestätigt wurde,

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

"Auf Grund des Kaufvertrages vom samt Nachtrag vom , des Teilungsplans des Dipl.-Ing. Eberhard Riha vom , GZ 5007/01, des Bescheides des Vermessungsamtes Klagenfurt vom , GZ P-849/01, werden nach Einsicht in die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes Klagenfurt vom , Erfassungsnummer 302.330/2002, im Grundbuch ***** folgende Eintragungen bewilligt:

I. In der Einlage EZ 47

1. die Unterteilung des Grundstücks 519 in die Grundstücke 519/1 und 519/2;

2. die Unterteilung des Grundstücks 520 in das Grundstück 520 und ein Trennstück im Ausmaß von 399 m2, das gleichzeitig in das Grundstück 519/2 einbezogen wird;

3. die Abschreibung des Grundstücks 519/2 unter Mitübertragung der in Punkt II. 2. angeführten bücherlichen Lasten;

4. die Löschung des Grundstücks 519;

5. bei C-LNR 1 die Eintragung des Grundstücks 519/1 anstelle des Grundstücks 519.

II. Eröffnung einer neuen Einlage für das abzuschreibende Grundstück 519/2 und in dieser Einlage ... GB *****

1. die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Gemeinde H*****

2. die Mitübertragung der in der Einlage EZ 47 GB ***** zu C-LNR 2 und C-LNR 3 einverleibten Lasten.

Das Mehrbegehren der Antragstellerin, bei der Einverleibung des Eigentumsrechts der Gemeinde H***** in der neu zu eröffnenden Grundbuchseinlage den Beisatz "öffentliches Gut" einzutragen, wird abgewiesen.

Hievon werden verständigt:

1. Mag. Georg Leo T*****

2. Erika T*****

3. Gemeinde H*****, mit den Originalurkunden des Kaufvertrages und des Nachtrags;

4. Dr. Georg Scheichenbauer, öff. Notar, 9560 Feldkirchen, mit dem Original der Trennungsbewilligung;

5. Dipl.-Ing. Dr. Herbert T*****

6. K*****-Aktiengesellschaft, *****

7. Gemeindeamt *****

8. Vermessungsamt 9020 Klagenfurt zu GZ P 849/01;

9. Finanzamt 9010 Klagenfurt;

10. Agrarbezirksbehörde 9020 Klagenfurt, Bahnhofsplatz 5, zu Zl 798/1/02."

Text

Begründung:

Das Erstgericht hat das aus dem Spruch ersichtliche (dort mit geringen sprachlichen Modifikationen wiedergegebene und um die amtswegige Löschung des nicht mehr existierenden Grundstücks 519 der KG 72316 ergänzte) Eintragungsbegehren der Antragstellerin mit der Begründung abgewiesen, dass die beantragte Übertragung des Grundstücks 519/2 KG 72316 ins öffentliche Gut den urkundlichen Nachweis eines formgerechten Widmungsaktes erfordert hätte.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

In der schon vom Erstgericht zitierten Entscheidung des Landesgerichtes Innsbruck (2 R 26/83 = RPflSlgG 1990) sei die Rechtsauffassung vertreten worden, dass die Zuschreibung von bisher im Privateigentum stehenden Teilflächen ins öffentliche Gut erst nach Widmung dieser Flächen für den Gemeingebrauch erfolgen könne. Ein privatrechtliches Rechtsgeschäft ersetze diese Widmung nicht. Es bedürfe vielmehr eines Verwaltungsakts, auch wenn die vertragliche Abtretung der Grundstücksteile nur zum Zweck der Widmung für das öffentliche Gut erfolge. Ex lege werde ein vertraglich abgetretenes Grundstück nämlich nicht in das öffentliche Gut, dh in das Eigentum der Gemeinde unter der Auflage der Widmung zum Gemeingebrauch übertragen. Dass einem Tausch- oder Kaufvertrag mit Beschluss des Gemeinderats zugestimmt wurde, sei kein Widmungsakt.

Dem sei auch im gegenständlichen Fall beizutreten. Die vorgelegte Titelurkunde enthalte zwar einen Passus, dass der Beschluss zum Abschluss des vorliegenden Kaufvertrages vom Gemeinderat der Gemeinde H***** am ordnungsgemäß gefasst worden sei, und darüber hinaus sei der Vertrag auch in Entsprechung des § 71 der Kärntner allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl 1998/66, unterfertigt worden, doch ändere dies nichts daran, dass damit lediglich der ordnungsgemäß Abschluss des privatrechtlichen Verfügungsgeschäfts, nicht aber der davon völlig getrennte Widmungsakt zum Gemeingebrauch, der ebenfalls durch Gemeinderatsbeschluss zu erfolgen habe, bescheinigt sei. Das Erstgericht habe den Grundbuchsantrag daher zu Recht abgewiesen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle nämlich höchstgerichtliche Judikatur zur maßgeblichen Rechtsfrage.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs vertritt die Antragstellerin den Rechtsstandpunkt, dass der von den Vorinstanzen vermisste Nachweis einer Widmung des Grundstücks 519/2 KG 72316 sehr wohl dem vorgelegten Kaufvertrag zu entnehmen sei. Sowohl in der Präambel als auch Punkt 1 des Vertrages sei nämlich erwähnt, dass die Gemeinde H***** das Grundstück in ihrer Eigenschaft als Verwalterin des öffentlichen Guts übernehme. Dass der vom Rekursgericht zitierte Gemeinderatsbeschluss nur den Abschluss des Verfügungsgeschäftes decke, treffe nicht zu, weil er sich auf den gesamten Kaufvertrag beziehe. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die begehrten Grundbuchshandlungen zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Ergebnis zu einem Großteil auch berechtigt.

Die dem Grundbuchsgericht vorgelegten Urkunden dokumentieren einen Kaufvertrag, demzufolge die Gemeinde H***** in ihrer Eigenschaft als Verwalterin des öffentlichen Gutes das durch die Teilung und Zusammenlegung von Grundstücken entstandene Grundstück 519/2 KG 72316 von Mag. Georg Leo T***** "kauft und in ihr Eigentum übernimmt". Die Aufsandungserklärung deckt die Übertragung dieses Grundstücks in das öffentliche Gut (wobei zunächst die völlig lastenfreie Ab- und Zuschreibung zu einer anderen Liegenschaft der Gemeinde H***** beabsichtigt war, dann aber die Eröffnung einer neuen Grundbuchseinlage für das Kaufobjekt unter Mitübertragung einzelner bücherlicher Lasten vereinbart wurde) "bzw. die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Gemeinde H*****".

§ 287 ABGB unterscheidet zwischen den dem Gemeingebrauch gewidmeten Sachen des Staates und jenem Staatseigentum, das zur Bedeckung der Staatsbedürfnisse bestimmt ist; § 288 ABGB führt die gleiche Unterscheidung für das Gemeindeeigentum durch (Klang in Klang II2, 4). Eine Gebietskörperschaft kann demnach Eigentümerin von Liegenschaften sein, die dem Gemeingebrauch gewidmet und dementsprechend dem öffentlichen Gut bzw Gemeindegut zuzurechnen sind; ihr können aber auch Liegenschaften gehören, die keiner Beschränkung durch den Gemeingebrauch unterliegen (vgl 1 Ob 268/01w = immolex 2002/85).

Die für das Grundbuchsrecht wesentliche Unterscheidung zwischen öffentlichem Gut und Staatsvermögen liegt darin, dass ersteres (grundsätzlich) nur auf Antrag in das Grundbuch aufzunehmen ist (§ 1 Abs 2 AllgGAG) und selbst dabei lediglich die Eigenschaft der Liegenschaft als öffentliches Gut im Eigentumsblatt ersichtlich zu machen ist, sofern nicht der Eigentümer überdies seine Eintragung beantragt (§ 12 Abs 1 AllgGAG).

Die bloße Ersichtlichmachung der Zugehörigkeit einer Liegenschaft zum öffentlichen Gut, die wiederum auf die Beschränkung des Eigentümers durch den bestehenden Gemeingebrauch hinweist (zur rechtlichen Qualifikation dieser Beschränkung siehe 6 Ob 54/00k = MietSlg 52.220 mwN), erklärt sich daraus, dass der konstitutive Akt für das Entstehen dieses Rechtszustandes in einem außerbücherlichen Vorgang liegt. Die Begründung des Gemeingebrauchs, die einer im Eigentum einer Gebietskörperschaft stehenden Liegenschaft die Qualifikation des öffentlichen Gutes verleiht, bedarf eines besonderen Widmungsaktes, für den Gesetze, Verordnungen (etwa Einreihungsverordnungen) und individuelle Verwaltungsakte, nach Judikatur und überwiegender Lehre aber auch die rechtsetzende Wirkung einer der Ersitzung entsprechenden langjährigen Übung in Frage kommen (vgl 4 Ob 523/68 = SZ 41/48; 5 Ob 106/97t = MietSlg 49/41; 1 Ob 268/01w = immolex 2002/85). Wegen dieser außerbücherlichen Änderung des Rechtszustandes ist es möglich, dass an einer im Grundbuch als öffentliches Gut ausgewiesenen Liegenschaft kein Gemeingebrauch besteht (die Liegenschaft also in Wahrheit gar kein öffentliches Gut sein) und umgekehrt. Ist aber im Grundbuch die Zugehörigkeit einer Liegenschaft zum öffentlichen Gut ersichtlich gemacht, spricht die Vermutung dafür, dass der Eigentümer den Verfügungsbeschränkungen unterliegt, die ihm der Gemeingebrauch aufbürdet (vgl § 5 Abs 2 des oö StraßenG 1991, wonach Grundstücke, die im Grundbuch als öffentliches Gut eingetragen sind und allgemein für Verkehrszwecke benützt werden, bis zum Beweis des Gegenteiles als öffentliche Straße im Sinne dieses Landesgesetzes gelten).

Dies beachtend wurde bereits judiziert, dass privatrechtliche Verfügungen über öffentliches Gut, die den Gemeingebrauch beeinträchtigen, die Aufhebung der Widmung zum Gemeingebrauch voraussetzen und dass zur Verbücherung derartiger Verfügungen ein entsprechender urkundlicher Nachweis vorgelegt werden muss (5 Ob 90/99t = SZ 72/65 mwN; aA Merli, Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch, 388). Einige Instanzgerichte (etwa das LG Innsbruck in der bereits zitierten Entscheidung RPflSlgG 1990) und ein Teil der Lehre (Feil, das öffentliche Gut und seine Verbücherung, ÖJZ 1957, 62 [64]) fordern einen entsprechenden Nachweis (dass eine rechtswirksame Widmung des betreffenden Grundstücks zum Gemeingebrauch vorliegt) auch für den umgekehrten Fall der Zuschreibung einer Liegenschaft zum öffentlichen Gut.

Ob letzteres uneingeschränkt gilt (etwa auch dann, wenn der bücherliche Eigentümer öffentlichen Gutes die Zuschreibung eines Grundstücks zu seiner Einlage beantragt und dadurch die Rechtsfolge des § 25 Abs 2 LiegTeilG auslöst), kann hier dahingestellt bleiben. Auch für Ersichtlichmachungen (also Anmerkungen iSd § 8 Z 3 GBG), die - wie im gegenständlichen Fall - einen Antrag voraussetzen, gilt jedoch, dass sie gemäß § 94 Abs 1 Z 3 und Z 4 GBG durch den Inhalt formgültiger Urkunden begründet erscheinen müssen. Demnach wäre, um dem Begehren auf Ersichtlichmachung "öffentliches Gut" im Eigentumsblatt der für das Grundstück 519/2 KG 72316 neu zu eröffnenden Einlage entsprechen zu können, der urkundliche Nachweis zu erbringen gewesen, dass das Grundstück dem Gemeingebrauch gewidmet ist. Ein solcher Nachweis fehlt. Dass die Gemeinde H***** den verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag "in ihrer Eigenschaft als Verwalterin des öffentlichen Gutes" abschloss, besagt lediglich, dass sie beim Ankauf des Grundstücks privatrechtliche Agenden iSd § 290 ABGB in Anspruch nahm. Die in Punkt 10 der Titelurkunde erwähnte ordnungsgemäße Befassung des Gemeinderats von H***** mit dem "vorliegenden Kaufvertrag" (in seiner Gesamtheit) wiederum kann schon deshalb kein urkundlicher Beleg über eine rechtswirksame Widmung des Kaufobjekts für den Gemeingebrauch sein, weil in ihm von einer Widmung gar keine Rede ist. Für die begehrte Ersichtlichmachung der Zugehörigkeit des Grundstücks 519/2 KG 72316 zum öffentlichen Gut besteht daher das Eintragungshindernis des § 94 Abs 1 Z 3 GBG.

Das hindert jedoch nicht die Eintragung des Eigentumsrechts am verfahrensgegenständlichen Grundstück für die Antragstellerin. Diese Eintragung ist beantragt und durch die beigebrachten Urkunden auch gedeckt. Da der Gemeingebrauch den daran interessierten Personen keine subjektiven Rechte verleiht ( = ZfVB 2000/801 mwN) und außerdem das Grundbuchsgericht grundsätzlich nur zum Schutz bücherlicher Rechte berufen ist (§ 94 Abs 1 Z 1 GBG), könnte sich ein das ganze Grundbuchsgesuch erfassendes Eintragungshindernis im Hinblick auf die abgelehnte Ersichtlichmachung, dass das Grundstück 519/2 KG 72316 zum öffentlichen Gut gehört (und damit dem Gemeingebrauch gewidmet ist), nur daraus ergeben, dass der Verkäufer die Zuschreibung des Grundstücks zum öffentlichen Gut zur Bedingung oder Auflage gemacht hätte. Das ist jedoch nach den vorliegenden Urkunden nicht der Fall. Es hat vielmehr lediglich die Antragstellerin die Ersichtlichmachung des Zusatzes "öffentliches Gut" bei der Einverleibung ihres Eigentumsrechts beantragt; die Eigentumseinverleibung ohne diesen Zusatz ist kein aliud iSd § 96 Abs 1 GBG, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.