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OGH vom 30.08.1995, 3Ob552/95

OGH vom 30.08.1995, 3Ob552/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt *****, ***** vertreten durch Dr.Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing.Josef D*****, ***** ***** vertreten durch Dr.Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 48 R 524/93-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom , GZ 3 C 3617/91-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.248,64 (darin S 541,44 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei kündigte dem Beklagten mit der am zugestellten Aufkündigung die von ihm gemietete Wohnung auf, weil sie nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses verwendet werde.

Der Beklagte erhob gegen die Aufkündigung fristgerecht Einwendungen und brachte vor, daß er die Wohnung nach wie vor mit seiner Familie benütze. In seinem Kleingartenhaus halte er sich nur in den Sommermonaten auf. Er sei auf die Wohnung angewiesen, weil es ihm auf Grund des Gesetzes nicht möglich sei, das Haus in der Zeit von November bis März zu benützen, und weil in dieser Zeit auch die Wasserzufuhr abgesperrt werde.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Der Beklagte ist seit 1972 Mieter der den Gegenstand der Aufkündigung bildenden Wohnung, die eine Nutzfläche von 74 m2 hat und aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einem Kinderzimmer, einer Küche und den Nebenräumen besteht. Er ist ferner seit 1977 Unterpächter einer Kleingartenfläche, auf der sich ein Haus befindet, mit dessen Bau um 1980 begonnen und das 1988 fertiggestellt wurde. Es hat eine Grundfläche von 35 m2 und verfügt über eine ausgebaute Mansarde, in der sich ein Schlafraum befindet, eine Wohnküche, einen Vorraum sowie Bad und WC. Das Haus ist vollständig eingerichtet und mit einer elektrischen Heizung beheizbar und es befindet sich dort im Gegensatz zur Wohnung auch eine Waschmaschine. Auf Grund seiner Beschaffenheit ist es zur ganzjährigen Benützung geeignet, nach dem Unterpachtvertrag ist jedoch das ganzjährige Bewohnen untersagt. Von Ende November bis Anfang März gibt es auch keine Versorgung mit Wasser, weil die Wasserleitung zur Vermeidung von Frostschäden abgesperrt ist.

Zumindest seit der zweiten Hälfte der 80er-Jahre halten sich der Beklagte, seine Ehefrau und seine beiden Töchter ab der Öffnung der Wasserzufuhr bis zu deren Absperrung nicht in der Wohnung, sondern im Kleingartenhaus auf. Während dieser Zeit kommen der Beklagte oder seine Ehefrau nur alle paar Wochen einmal in die Wohnung, um Postsendungen abzuholen, Reklamesendungen von der Eingangstüre zu entfernen und sonst nach dem Rechten zu sehen. Sie haben außerdem für die Post einen Nachsendeauftrag an die Anschrift des Kleingartenhauses erteilt.

Im Winter halten sich sowohl der Beklagte als auch seine Ehefrau nur teilweise in der Wohnung auf und nächtigen dort nur einige Tage in der Woche, wobei sie sich auch an diesen Tagen tagsüber und an den anderen Tagen die ganze Zeit im Kleingartenhaus aufhalten. Die Wasserversorgung wird im Winter mit einem Kanister durchgeführt. Eine der beiden Töchter des Beklagten zog bereits 1986 aus der Wohnung aus, die andere wohnt oft bei Freunden oder bei ihrer Schwester und benützt die Wohnung auch im Winter nur gelegentlich.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Wohnung zwar vom Beklagten und seinen Angehörigen nicht mehr regelmäßig zu Wohnzwecken benützt werde, daß er aber trotzdem ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses habe, weil das Kleingartenhaus über keine Winterwasserleitung verfüge und überdies nach dem Unterpachtvertrag nicht ganzjährig bewohnt werden dürfe.

Das Berufungsgericht erklärte infolge Berufung der klagenden Partei die Aufkündigung für rechtswirksam und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Wohnung werde vom Beklagten und seinen Angehörigen im Jahr zusammengerechnet bestenfalls während zweier Monate und deshalb nicht während eines beachtlichen Zeitraumes zu Wohnzwecken verwendet. Der Beklagte habe auch kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, weil von ihm und seinen Angehörigen auch im Winter überwiegend das Haus benützt werde. Ohne Bedeutung sei, ob dies dem Gesetz entspreche, weil es auf die tatsächliche Verwendung der Wohnung und des Hauses ankomme. Eine Änderung der Lebens- und Wohngewohnheiten sei in naher Zukunft nicht zu erwarten.

Die vom Beklagten gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil die hier bedeutsame Lösung der Frage, ob ein Kleingartenhaus mit zeitweise fehlender Wasserzufuhr zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses ausreicht, wegen der Vielzahl der in Betracht kommenden Fälle in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgeht und hiezu eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

In der Revision wird eine für die Entscheidung wesentliche Aktenwidrigkeit nicht geltend gemacht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG, auf den die klagende Partei die Aufkündigung stützt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur gegeben, wenn die vermietete Wohnung weder vom Mieter noch von einer eintrittsberechtigten Person regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet wird und wenn diese Personen kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses haben, weil ihr Wohnbedürfnis anderweitig angemessen befriedigt wird und daher kein dringendes Wohnbedürfnis an der vermieteten Wohnung besteht (WoBl 1991, 193 ua; 5 Ob 564/94). Eine regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken ist nur gegeben, wenn die Wohnung während eines beachtlichen Zeitraums im Jahr als wirtschaftlicher und familiärer Mittelpunkt ausgenützt wird (WoBl 1993, 139; ImmZ 1992, 297 je mwN). Selbst die Benützung mehrerer Wohnungen erfüllt noch nicht den Kündigungstatbestand, solange der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liegt (ImmZ 1992, 297 mwN). Das Vorhandensein eines eigenen Hauses schließt aber regelmäßig das Wohnbedürfnis für eine zusätzliche Mietwohnung aus (WoBl 1994, 27). Beweispflichtig für das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung ist der Vermieter (WoBl 1993, 139). Hat der Vermieter die nicht regelmäßige Benützung nachgewiesen, so ist es Sache des Mieters zu beweisen, daß er in nächster Zukunft in die Wohnung zurückkehren wird, die Nichtbenützung also eine absehbare, nur vorübergehende Unterbrechung darstellt (WoBl 1995, 25; EWR I/30/71 ff; WoBl 1991, 193 ua).

Nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ist der klagenden Partei aber der Beweis gelungen, daß die Wohnung in dem maßgebenden Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (und im übrigen offensichtlich auch später) nicht regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet wurde. Dies gilt selbst für die kältere Jahreszeit, weil auch während dieser Zeit die Wohnung nur zum gelegentlichen Übernachten diente und sich daher auch während dieser Zeit der wirtschaftliche und familiäre Mittelpunkt im Kleingartenhaus befand, zumal bloßes Schlafen nicht ein Wohnen in dem darstellten Sinn bedeutet (vgl WoBl 1993, 139).

Entscheidend ist also, ob das Wohnbedürfnis durch die Wohnmöglichkeit im Kleingartenhaus angemessen befriedigt wird. Hiebei kommt es in erster Linie auf die subjektive Meinung des Mieters und der eintrittsberechtigten Personen an. Sehen sie ihr Wohnbedürfnis durch die Wohnmöglichkeit, in der sich der Mittelpunkt ihrer Lebensführung befindet, als zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses ausreichend und angemessen an, so fehlt ihnen ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es ohne Bedeutung, daß in dem Kleingartenhaus während mehrerer Monate kein Fließwasser zur Verfügung steht, weil dies vom Beklagten und seinen Angehörigen, wie die Weiterbenützung des Hauses zeigt, nicht als wesentlicher Mangel empfunden wird. Ohne Bedeutung ist ferner, daß nach dem Unterpachtvertrag das ganzjährige Bewohnen des Hauses verboten ist. Die ganzjährige Benützung wurde schon bisher vom Unterverpächter hingenommen und der Beklagte hat nicht einmal behauptet, daß sich hieran in Zukunft etwas ändern wird. Hiefür könnte auch von Bedeutung sein, daß nach der Wiener Kleingartengesetznovelle 1992 LGBl 31 in bestimmten Kleingartengebieten das ganzjährige Wohnen unter bestimmten Voraussetzungen, wozu allerdings gemäß § 6 Abs 5 lit a des Wiener Kleingartengesetzes idF der Novelle eine frostsichere Trinkwasserversorgung gehört, nunmehr gestattet ist. Dies könnte aber zur Folge haben, daß das im Unterpachtvertrag enthaltene Verbot auf Grund der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (vgl SZ 60/42; JBl 1986, 721; JBl 1986, 197; 3 Ob 502/94; 3 Ob 513/94 ua) nicht mehr wirksam ist. Der Beklagte, der, wie bereits erwähnt wurde, in diesem Punkt die Beweis- und damit die Behauptungslast trifft, hat nicht vorgebracht, es sei wenig wahrscheinlich, daß für den von ihm in Unterpacht genommenen Kleingarten die Voraussetzungen für das ganzjährige Wohnen gegeben sind.

Da der Beklagte nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen hat, daß die vermietete Wohnung in absehbarer Zeit wieder zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses oder des dringenden Wohnbedürfnisses von eintrittsberechtigten Personen verwendet werden wird, hat das Berufungsgericht die Aufkündigung zutreffend als wirksam erkannt.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.