OGH vom 14.06.2012, 3Ob76/12s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 300.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 121/11b 54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 54 Cg 37/11m 49, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt als Kunde Schadenersatz von der beklagten (früheren) Bank, weil sie nicht dafür Sorge getragen habe, dass ein von ihm am um die Mittagszeit, rechtzeitig im Sinn der Fonds-Bedingungen für eine Rücklösung Ende Oktober/Anfang November 2008 erteilter Auftrag zum Verkauf von Anteilen an einem Hedge Fonds bis 17:00 Uhr MEZ desselben Tages beim zuständigen Administrator (Verwalter) einlangte. Bei ordnungsgemäßer Ausführung des Auftrags wäre dem Kläger der später eingetretene totale Wertverlust der Wertpapiere aufgrund eines Anlagebetrugs nicht entstanden, weil eine vorherige Rücklösung möglich gewesen wäre.
Die Beklagte wendete ua ein, der Verkaufsauftrag wäre verspätet gestellt und von der Fondsleitung für eine Rücknahme Ende Oktober/Anfang November 2008 nicht mehr angenommen worden, weil die dafür im „Privatplatzierungs-Memorandum“ vorgesehene Frist von 20 Bankarbeitstagen sowohl in New York als auch in der Schweiz und in den Niederlanden nicht eingehalten worden sei. Der Auftrag hätte spätestens am bis 17:00 Uhr MEZ beim Administrator eingelangt sein müssen.
In diesem Zusammenhang blieb zwischen den Parteien ua strittig, ob der , auf den in den USA auch in New York der „Columbus Day“ fiel, als Bankarbeitstag zu qualifizieren ist oder nicht.
Das Erstgericht wies die Klage ab, weil dem Kläger der ihm obliegende Kausalitätsbeweis wegen der verbliebenen Unklarheiten auf Tatsachenebene zur Einschätzung des Columbus Day als Bankarbeitstag durch den Administrator des Fonds nicht gelungen sei. Diese Beurteilung erfolgte auf Basis der Negativfeststellungen, dass nicht festgelstellt werden könne, ob der Administrator den „Columbus Day“ als Bankarbeitstag angesehen hätte und ob bei Einlangen des Verkaufsauftrags bei ihm am vor 17:00 Uhr eine Rücklösung der Fondsanteile zum möglich gewesen wäre.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil unter Übernahme der darin vertretenen Rechtsansicht. Darüber hinaus vertrat es die Ansicht, der beim Kläger aufgrund eines strafrechtlich relevanten Verhaltens eines Dritten eingetretene Schaden sei nicht vom Schutzzweck des zwischen den Parteien bestehenden Vermögensverwaltungsvertrags umfasst, weshalb der Adäquanzzusammenhang zu verneinen sei. Überdies verneinte es eine schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu, weil Rechtsfragen der im § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität nicht zu lösen gewesen seien.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revison des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung iSd Stattgebung der Klage, hilfsweise Aufhebung in die erste Instanz. Er macht neben Nichtigkeit des Berufungsurteils nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ua einen Bedarf an Leitlinien zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Festlegung des herabgesetzten Beweismaßes in Kausalitätsfragen bei Unterlassungen und dazu die unrichtige Abgrenzung zwischen Tat- und Rechtsfragen durch die Vorinstanzen geltend. Es gelingt ihm aber aus folgenden, kurz darzulegenden Gründen (§ 510 Abs 3 ZPO) nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, weshalb sich die Revision als nicht zulässig erweist:
1. Der in der Revision erhobene Vorwurf, das Berufungsurteil sei mangels nachvollziehbarer Begründung (vor allem zur Frage der Kausalität von Unterlassungen) nichtig (oder mangelhaft), trifft nicht zu. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung entweder gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie nicht überprüfbar ist (RIS-Justiz RS0007484). Das ist hier nicht der Fall, weil die Überlegungen des Berufungsgerichts ungeachtet der gewählten knappen Formulierung nachvollziehbar sind und seine Begründung daher ausreichend ist.
2. Erfolgt die (angebliche) Schädigung durch ein Unterlassen, so ist Kausalität dann anzunehmen, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte (RIS-Justiz RS0022913).
2.1. Die Kausalität der der Beklagten als rechtswidrig vorgeworfenen/zugerechneten Unterlassungen könnte daher nur dann bejaht werden, wenn der vom Kläger erteilte Auftrag zum Verkauf von Anteilen an einem Hedge Fonds rechtzeitig im Sinn der Fonds-Bedingungen ( „Private Placemant Memorandum“ ) für eine Rücklösung Ende Oktober/Anfang November 2008 gestellt wurde, wenn also der noch fristwahrend gewesen sein sollte. Zur Beantwortung dieser vorweg zu klärenden Rechtsfrage bedarf es der Auslegung der Fonds-Bedingungen, die dafür das Einlangen des schriftlichen Rücknahmeersuchens „vor 17 Uhr MEZ zwanzig (20) Bankarbeitstage vor dem nächsten Rücknahmetag“ vorsehen. Der Bankarbeitstag wird wie folgt definiert: „Jeder Tag, an dem Banken in New York, der Schweiz und den Niederlanden für das Geschäft geöffnet haben.“
2.2. Die Fonds-Bedingungen sind als Allgemeine Vertragsbedingungen anzusehen, die nach gesicherter Rechtsprechung grundsätzlich objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut so auszulegen sind, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen; zudem muss der erkennbare Zweck der Klausel beachtet werden (9 Ob 52/10b; RIS-Justiz RS0008901; vgl RIS-Justiz RS0112256).
Offenkundiger Zweck der auf die Geschäftstätigkeit von Banken abstellenden Zwanzigtagesfrist ist es, der Fonds-Verwaltung einen ausreichenden Zeitpolster zu verschaffen, um alle in Frage kommenden Bankgeschäfte an den genannten Orten, die alle einen Bezug zum Fonds aufweisen, möglichst uneingeschränkt vornehmen zu können, die für die Vorbereitung und Durchführung der Rücklösung einschließlich der Sicherstellung der Verfügbarkeit des Rücknahmebetrags erforderlich sind. Damit steht zunächst der Wortlaut der Definition eines Bankarbeitstags eindeutig soweit im Einklang, als auf Banken „in New York, der Schweiz und den Niederlanden“ abgestellt wird, was eine kumulative Aufzählung dieser Orte darstellt und die erkennbar angestrebte Flexibilität des Vorgehens garantiert. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, ein Bankarbeitstag liege daher nur dann vor, wenn die Banken an allen drei Orten kumulativ für das Geschäft geöffnet haben, ist daher nicht zu beanstanden.
Die weitere Formulierung „an dem Banken in … geöffnet haben“ lässt zwar auch die Deutung nicht ausgeschlossen erscheinen, es genüge, dass an jedem Ort irgendeine Bank für das Geschäft geöffnet habe; das stünde aber mit der offenkundig verfolgten Absicht im Widerspruch, möglichst frei und flexibel an allen drei Orten agieren zu können. Der zu beachtende erkennbare Zweck der Vertragsklausel verlangt daher ein Verständnis dahin, dass es auf Tage ankommt, an denen an den drei Orten gewöhnlich alle, zumindestens aber die Mehrzahl der Banken für Geschäftstätigkeit geöffnet haben. Auf einen Bankfeiertag, der nur von manchen Banken eines Orts oder Landes missachtet und zur Geschäftstätigkeit genutzt wird, trifft das aber nicht zu.
2.3. In diesem Sinn ist aber die Feststellung des Erstgerichts zu verstehen, der Columbus Day (am ) wurde nicht von allen Banken in den USA (einschließlich New York) als Feiertag geführt, sodass manche Banken geöffnet hatten. Der kann daher nicht als Bankarbeitstag in New York angesehen werden, weshalb der bereits auf den 19. Bankarbeitstag vor dem nächsten Rücknahmetag () fiel, was in tatsächlicher Hinsicht unstrittig ist. Der vom Kläger an diesem Tag erteilte Auftrag zum Verkauf von Anteilen am Hedge-Fonds kann somit nicht als rechtzeitig im Sinn der Fonds-Bedingungen für eine Rücklösung Ende Oktober/Anfang November 2008 angesehen werden. Der eingeklagte, aus der unterbliebenen Rücklösung zu diesem Termin abgeleitete Schaden des Klägers wäre also auch bei Vornahme jener aktiven Handlungen, deren Unterlassung der Kläger der Beklagten als rechtswidrig vorwirft/zurechnet, eingetreten.
Angesichts der Negativfeststellung zur Tatfrage, ob der für die Durchführung der Rücklösung verantwortliche Fonds-Administrator den als Bankarbeitstag und als Folge davon den Antrag vom für eine Rücklösung Ende Oktober/Anfang November 2008 als rechtzeitig angesehen hätte, hat der Kläger den ihm obliegenden Nachweis nicht erbracht, sein Verkaufsauftrag wäre ungeachtet seiner Verspätung dennoch ausgeführt worden, wenn er noch am bis 17:00 Uhr MEZ beim Fonds-Administrator eingelangt wäre.
3. Ein Erfolg der vorliegenden Klage scheitert daher bereits auf der Ebene der Kausalität, was schon die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend erkannt haben. Den weiteren in der Revision angesprochenen Rechtsfragen kommt deshalb keine Präjudizialität mehr zu, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).