OGH vom 26.06.2007, 1Ob88/07h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. R*****, und 2. Dr. C*****, vertreten durch Mag. Andreas Fritz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 54.269,45 sA und Feststellung (Streitwert EUR 5.000), infolge Revision der zweitklagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 7.500) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 156/06y-11, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 32 Cg 3/06f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die zweitklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 554,72 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Ehegatte der (Zweit-)Klägerin wurde wegen des Verdachts des Diebstahls von Gegenständen erheblichen Werts am auf Grund eines gerichtlichen Haftbefehls in Verwahrungshaft genommen und nach der gerichtlichen Vernehmung am gegen Gelöbnis enthaftet. Das Strafverfahren endete am durch Einstellung nach § 109 StPO.
Die Klägerin begehrte an Schmerzengeld aus dem Titel der Amtshaftung EUR 5.000 samt Zinsen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftigen Schäden der Klägerin aus der rechtswidrigen Verhaftung ihres Gatten und aus dem zu Unrecht gegen diesen geführten Strafverfahren. Die Verhaftung sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil den maßgeblichen Organwaltern bereits vor der Verhaftung bekannt gewesen sei, dass ihr Ehegatte über eine Vollmacht der angeblich Bestohlenen verfügt habe und schriftliche Schenkungsvereinbarungen vorgelegen seien. Ein objektiv nachvollziehbarer Tatverdacht habe nicht bestanden. Das Strafgericht habe in der Folge rechtskräftig festgestellt, dass die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 2 Abs 1 lit a, Abs 3 StEG vorlägen. Auch die Fortführung des Strafverfahrens nach der Enthaftung sei rechtswidrig gewesen, weil der Staatsanwalt verpflichtet gewesen wäre, das Begehren auf strafgerichtliche Verfolgung zurückzuziehen, zumal kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung gegeben gewesen sei. Das erst später eingeholte Sachverständigengutachten über den Geisteszustand der angeblich Bestohlenen habe keine rechtlich relevanten Erkenntnisse bringen können. Das Verhalten der Organwalter der Beklagten, sowohl der ermittelnden Kriminalbeamten als auch von Gericht und Staatsanwaltschaft, sei als grob fahrlässig zu qualifizieren. Die Klägerin habe einen schweren Schock erlitten, als sie von der Festnahme ihres Ehegatten erfahren habe. Sie leide seither an Existenzängsten und Depressionen mit Krankheitswert. Dies sei einerseits darauf zurückzuführen, dass sie mit ihrem Gatten eine tiefe Gefühlsgemeinschaft und besondere persönliche Verbundenheit verbinde, andererseits darauf, dass die gesamte Familie - einschließlich der beiden Kinder - auf das Einkommen des Ehemanns angewiesen gewesen sei. Durch den erlittenen Schock mit nachfolgenden Depressionen von Krankheitswert sei die Klägerin in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt worden und damit als unmittelbar Geschädigte anzusehen. Die Rechtswidrigkeit ihrer Gesundheitsschädigung sei zwar nicht aus dem Schutzzweck bestimmter Verhaltensvorschriften abzuleiten, wohl aber aus der bei der Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung. Die gegen ihren Ehemann und Familienerhalter gesetzten Verletzungshandlungen seien objektiv betrachtet im hohen Maß geeignet, bei nahen Angehörigen einen Schockschaden mit nachfolgenden Depressionen von Krankheitswert auszulösen. Auf Grund ihrer persönlichen Verbundenheit zu ihrem Ehegatten seien die von Organen der Beklagten gesetzten Verletzungshandlungen für die Klägerin selbst gefährlich gewesen, sodass eine deliktische Schadenszufügung vorliege.
Die Beklagte bestritt die Rechtswidrigkeit des von ihren Organen gesetzten Verhaltens. In Ansehung der Klägerin handle es sich um einen nicht ersatzfähigen Drittschaden. Der nicht unmittelbar betroffenen Klägerin sei kein „Schockschaden" zuzuerkennen, weil ein solcher in Fällen von Freiheitsentziehung bzw bei bloßer Führung eines Strafverfahrens gegen einen nahen Angehörigen nicht gebühre. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach der Rechtsprechung gebühre zwar auch nahen Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten Schockschaden mit Krankheitswert Schmerzengeld, weil diese „Dritten" durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen seien. Ein solcher Ersatzanspruch sei aber bisher weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung im Fall eines gegen einen Angehörigen geführten Strafverfahrens bzw auf Grund dessen Verhaftung angewendet worden. Es sei zwar einmal die Haftung für den Schockschaden eines bei einem Unfall nicht anwesenden Kindes eines bloß Verletzten bejaht worden, doch nur unter der Voraussetzung, dass das Verhalten des Schädigers gerade auch für diesen Dritten besonders gefährlich gewesen sei, also die Verletzungshandlung im hohen Maße geeignet war, einen Schock-(Fernwirkungs-)schaden herbeizuführen. Dies sei hier nicht gegeben. Eine Ausweitung der Schadenersatzpflicht auf Fälle wie hier sei nicht vorgesehen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Schadenersatzbegehren der Klägerin lasse sich weder auf Art 5 Abs 5 EMRK noch auf Art 7 PersFrG stützen. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut dieser beiden Bestimmungen habe nur der rechtswidrig Festgehaltene selbst Anspruch auf den Ersatz immateriellen Schadens. Art 8 EMRK sehe bei Verletzungen des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens mangels einer dem Art 5 Abs 5 EMRK vergleichbaren Sonderbestimmung nicht einmal eine Entschädigung vor. Die neuere Judikatur zu § 1325 ABGB gewähre nahen Angehörigen eines Getöteten für den durch die Todesnachricht verursachten Schockschaden mit Krankheitswert einen Anspruch auf Schmerzengeld, weil sie durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und daher als unmittelbar Geschädigte anzusehen seien. Die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung werde dabei zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern soll, wohl aber aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung abgeleitet. Die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung werde dadurch eingegrenzt, dass es nach dieser Rechtsprechung eines besonders starken Zurechnungsgrundes bedürfe, die Verletzungshandlung also im hohen Maß geeignet erscheinen müsse, einen Schockschaden des Angehörigen herbeizuführen. Der Schock müsse im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein. In diesem Sinne werde von der Judikatur insbesondere die Todesnachricht eines nahen Verwandten anerkannt, weil bei einer besonders engen persönlichen Verbundenheit die Erstschädigung (Tötung) auch für den dritten Schockgeschädigten so gefährlich sei, dass von einem deliktischen Zufügen des Schockschadens gesprochen werden könne. Ob ein derartiger Schockschaden mit Krankheitswert nicht nur bei der Tötung, sondern auch im Fall schwerster Verletzung naher Angehöriger zu ersetzen sei, sei vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden. Nach der Lehre seien seelische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert nur bei schwersten Verletzungen naher Angehöriger - so etwa bei deren lebenslänglichen Pflegebedürftigkeit - ersatzfähig, was auch dem Meinungsstand in Deutschland sowie den einschlägigen Empfehlungen des Europarats entspreche. Selbst unter Berücksichtigung dieser „noch nicht in eine höchstgerichtliche Judikatur gegossenen Lehre" sei daher die Klägerin weit davon entfernt, die Voraussetzungen für den Ersatz eines Schockschadens zu erfüllen. Eine nur zwei Tage währende Anhaltung des Ehegattens in Verwahrungshaft - so bitter und psychisch belastend dies für sie auch gewesen sein möge - könne in ihrer Eignung, einen Schockschaden herbeizuführen, nicht im Entferntesten mit einer Tötung oder einer lebenslangen Pflegebedürftigkeit infolge schwerster Verletzungen gleich gesetzt werden. Insbesondere unterscheide sich eine Freiheitsentziehung von den in der Judikatur anerkannten Fällen schon dadurch, dass sie reversibel sei und keinen unwiderruflichen Einschnitt in das Leben des Betroffenen und seiner Angehörigen bedeute. Die ordentliche Revision sei wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Zuerkennung von Schmerzengeld an Angehörige eines zu Unrecht Verhafteten zulässig. Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Erstmals im Rechtsmittelverfahren stützte die Klägerin ihren Ersatzanspruch auch auf eine Verletzung des Art 8 Abs 1 EMRK. In der Revision vertritt sie dazu die Auffassung, diese Bestimmung stelle ein Schutzgesetz iSd § 1311 Satz 2 ABGB dar. Beschreibe eine Norm gebotenes oder verbotenes Verhalten genau und ergebe sich aus der Norm, das sie gerade den Schutz bestimmter Interessen im Auge habe, so liege ein Schutzgesetz vor. Art 8 Abs 1 EMRK verbiete - nicht durch dessen Abs 2 gedeckte - staatliche Eingriffe in das Privat- und Familienleben und schütze dabei insbesondere die körperliche und geistige Befindlichkeit eines jeden Menschen und damit insbesondere auch dessen körperliche Unversehrtheit. Hiezu ist festzuhalten:
Art 8 Abs 1 EMRK räumt zwar verschiedene Grundrechte ein, bestimmt aber keineswegs gebotenes bzw verbotenes Verhalten genau, sodass kein „Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht" (iSd § 1311 Satz 2 ABGB), vorliegt. Darüber hinaus zielt Art 8 Abs 1 EMRK mit seiner Bezugnahme auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz deutlich auf den Schutz anderer Rechtsgüter als jenem der Gesundheit ab. Nur in Konstellationen, bei denen die Verletzung der genannten Rechte bei typisierender Betrachtung auch unmittelbar eine Verletzung der körperlichen Integrität bzw der geistigen Gesundheit nach sich zieht, kann der Schutz der zuletzt genannten Rechtsgüter als mitumfasst betrachtet werden; nur solche Fälle (zB zwangsweise Blutabnahme) werden auch in der in der Revision zitierten Literaturstelle (Berka,
Die Grundrechte - Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich, Rz 457 f) erwähnt. Die Voraussetzungen dafür, dass die gesundheitliche Integrität der Klägerin durch Art 8 Abs 1 EMRK geschützt werden sollte, liegen hier nicht vor, richtete sich doch der staatliche Eingriff (unmittelbar) gegen den Ehegatten der Klägerin und dessen Freiheit - dafür ist Art 5 EMRK einschlägig -, wogegen sich die behauptete Beeinträchtigung der Klägerin als bloße Nebenwirkung darstellt.
Zu prüfen bleibt daher, ob ein - im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich geltend gemachter - rechtswidriger und schuldhafter unmittelbarer Eingriff in die gesundheitliche Integrität der Klägerin vorliegt, der der Norm des § 1325 ABGB zu unterstellen wäre. § 1325 ABGB sieht bei Verletzungen am Körper die Zahlung von Schmerzengeld auch als Ersatz für den ideellen Schaden, der im Zusammenhang mit der körperlichen Verletzung entsteht, vor. Unter Körperverletzung ist jede Beeinträchtigung der leiblichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit zu verstehen (JBl 2001, 659 uva). Nun brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, sie habe einen schweren Schock erlitten, als sie von der Verhaftung ihres Ehegatten erfahren habe; sie würde seither an Existenzängsten und Depressionen mit Krankheitswert leiden. Nach der älteren Rechtsprechung (SZ 44/39 uva) wurde Schadenersatz für eine durch den Tod eines nahen Angehörigen verursachte gesundheitliche Beeinträchtigung (häufig einen Schock) mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um einen nicht ersatzfähigen Drittschaden handle. Von dieser Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof erstmals in 2 Ob 45/93 (= ZVR 1995/46) abgegangen. Dieser Entscheidung lag ein Autounfall zugrunde, bei welchem die Mutter der zum Zeitpunkt des Unfalls 20 Monate alten dortigen Klägerin schwerste Verletzungen erlitt. Der dadurch bedingte abrupte Beziehungsabbruch des Kindes zu seiner Mutter während des Zeitraums des Krankenhausaufenthalts hatte gravierende seelische Auswirkungen mit Krankheitswert auf die dortige Klägerin. Dazu wurde ausgesprochen, für seelische Schmerzen, die nicht auf einer Verletzung des eigenen Körpers beruhen, stehe zwar kein Schmerzengeld zu, wohl aber für eine dadurch hervorgerufene Krankheit. Erleide jemand auf Grund eines Unfalls einen Nervenschaden, so werde er in seinem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und sei als unmittelbar Geschädigter anzusehen. Der Oberste Gerichtshof hielt in der Folgeentscheidung 2 Ob 99/95 (= ZVR 1997/75) an dieser Rechtsprechung fest. Dem dortigen Kläger, der bei einem Verkehrsunfall miterleben musste, wie der Lenker des Fahrzeugs, in welchem er selbst Beifahrer war, sein Bruder und sein Cousin am Unfallort verstarben und seine Mutter schwerst verletzt wurde, wurde auf Grund seiner dadurch ausgelösten psychischen Erkrankung, die medizinisch behandlungsbedürftig war, unter Anwendung der in der Entscheidung 2 Ob 45/93 dargelegten Grundsätze Schmerzengeld auf Grundlage des § 1325 ABGB zuerkannt.
Durch die Entscheidung 2 Ob 79/00g (= JBl 2001, 659), die sich von den zuvor judizierten Fällen dadurch unterscheidet, dass der Kläger den Unfall, bei dem sein Sohn getötet wurde, nicht selbst miterlebte, der Auslöser für die erlittene psychische Erkrankung aber die Todesnachricht war, wurde die Gewährung von Schadenersatzansprüchen auf Grund eines „Schockschadens" mit der Begründung ausgeweitet, dass bei nahen Verwandten - neben dem Auslösungsfaktor des unmittelbaren Miterlebens - auch der durch die unfallkausale Trauer entstandene Schockschaden mit Krankheitswert deren direkten Schmerzengeldanspruch begründen könne. Die Rechtswidrigkeit einer solchen Körperverletzung ergäbe sich zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern sollte, aber aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung. Der hohe Rang des vom Schockschaden betroffenen Rechtsgutes könne für eine Ersatzpflicht ins Treffen geführt werden, doch wiege die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung doch so schwer, dass sich der Ausgleich des Fernwirkungsschadens nur bei Hinzutreten eines besonders starken Zurechnungsgrundes rechtfertigen lasse; ein solcher liege dann vor, wenn das Verhalten gerade auch gegenüber dem Dritten besonders gefährlich ist, also die Verletzungshandlung in hohem Maß geeignet erscheint, einen Schockschaden herbeizuführen. Der Schock müsse im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein. In der Entscheidung 2 Ob 120/02i (= JBl 2004, 176) wurde der dortigen Klägerin, die auf Grund eines von ihr nicht verschuldeten Verkehrsunfalls eine behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung mit Krankheitswert erlitt, weil sie miterleben musste, dass eine ihr entgegenkommende Motorradfahrerin, die das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls trug, an der Unfallstelle verstarb, Schmerzengeld wegen des erlittenen Schockschadens zugesprochen, obwohl es sich bei der Verstorbenen um keine Angehörige der Klägerin gehandelt hatte. Von einer ersatzfähigen Gesundheitsschädigung sei nach der Rechtsprechung jedenfalls dann auszugehen, wenn körperliche Symptome vorliegen, die als Krankheit anzusehen sind. Entscheidend sei daher, ob die psychische Beeinträchtigung behandlungsbedürftig oder wenigstens ärztlich diagnostizierbar und damit medizinisch fassbar ist. Die Entscheidung 2 Ob 53/05s (= ZVR 2006/178) befasste sich mit der Frage, ob psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert der Ehefrau eines Buslenkers, der ohne sein Verschulden in einen Unfall mit zahlreichen Toten und Schwerverletzten involviert war und infolge dessen eine posttraumatische Belastungsstörung mit überprotektiven Verhaltensweisen ihr und ihren Kindern gegenüber entwickelte, ersatzfähig seien. Der zweite Senat kam zum Ergebnis, dass der Ehefrau des Buslenkers für ihre eigene in der Folge aufgetretene depressive Störung mit Krankheitswert nur unter der Voraussetzung Schmerzengeld zustünde, dass der Ehemann selbst schwerste (einem Pflegefall gleichkommende) Verletzungen durch den Unfall erlitten hätte, was in diesem Fall jedoch nicht zutraf.
Der Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger (= Trauerschaden), der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung iSd § 1325 ABGB geführt hat, kommt nach der jüngeren Judikatur nur dann in Betracht, wenn der Schädiger vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat (dazu jüngst Hinghofer-Szalkay, Zak 2007, 166 ff). Bei leichter Fahrlässigkeit oder bei bloßer Gefährdungshaftung fehlt es hingegen an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes (SZ 74/90; SZ 2005/59 ua). In der Entscheidung 2 Ob 18/06w wurde ausgesprochen, dass zu den Voraussetzungen der Ersatzfähigkeit eines reinen Trauerschadens bei Vorliegen von grober Fahrlässigkeit bzw Vorsatz gesicherte Rechtsprechung vorliege und selbst die Ausweitung dieser Rechtsprechung auf Fälle schwerster Verletzung von nahen Angehörigen grobes Verschulden des Schädigers voraussetzen würde. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den bisher judizierten Fällen, in denen auf Grund eines „Schockschadens" Schmerzengeld zugesprochen wurde, dadurch, dass eine psychische Störung mit Krankheitswert nicht durch den Tod oder eine schwere Verletzung eines nahen Angehörigen oder eines Dritten, sondern dadurch verursacht worden sein soll, dass der Ehemann der Klägerin zu Unrecht inhaftiert wurde. Bereits vom Berufungsgericht wurde ausgeführt, dass die Klägerin „weit davon entfernt" sei, die Voraussetzungen für den Zuspruch von Schmerzengeld wegen eines „Schockschadens" zu erfüllen. Wie oben dargestellt, wurde bislang nur in jenen Konstellationen Schmerzengeld auf Grund eines derartigen Schadens zugesprochen, bei denen der unmittelbar Geschädigte starb oder zumindest schwer verletzt wurde und die psychische Störung mit Krankheitswert eine Folge dieses Ereignisses war. Der Oberste Gerichtshofes hat wiederholt betont (2 Ob 79/00g; RIS-Justiz RS0116865), dass die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung so schwer wiegt, dass sich der Ausgleich des Fernwirkungsschadens nur bei Hinzutreten eines besonders starken Zurechnungsgrundes rechtfertigen lässt; ein solcher liegt dann vor, wenn das Verhalten gerade auch gegenüber dem betroffenen Dritten besonders gefährlich ist, also die Verletzungshandlung in hohem Maß geeignet erscheint, bei diesem Gesundheitsschäden herbeizuführen. Nun ist durchaus nachvollziehbar, dass die zwei Tage währende Anhaltung des Ehegatten und die Durchführung eines Strafverfahrens für die Klägerin psychisch belastend war. Dieser Sachverhalt kann jedoch - bei objektiv-typisierender Betrachtung - in seiner Eignung, einen „Schockschaden" herbeizuführen, nicht mit der Tötung eines Angehörigen bzw eines Dritten oder mit schwersten Verletzungen eines - deshalb pflegebedürftigen - Angehörigen gleichgesetzt werden. Die psychische Beeinträchtigung wegen der Inhaftierung des Ehegatten lässt sich nicht mit der Intensität jenes Schocks, den Angehörige erleiden, wenn sie den Tod oder eine schwere Verletzung eines Angehörigen miterleben müssen bzw die Nachricht vom Tod eines nahen Angehörigen übermittelt bekommen, vergleichen, und auch nicht mit jenem Schock, den etwa die Klägerin im Verfahren 2 Ob 120/02i durch das Miterleben eines Unfalls mit Todesfolge erlitt. Angesichts der (zitierten) höchstgerichtlichen Judikatur ist der Anwendungsbereich von Schmerzengeldansprüchen „Drittgeschädigter" insoweit eingegrenzt, als nur dann Schmerzengeld auf Grund einer psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert gebührt, wenn diese durch den Tod eines nahen Angehörigen, die schwerste Verletzung eines solchen, oder durch das Miterleben des Todes eines Dritten ausgelöst wurde. Eine Ausweitung der Haftung des Schädigers auf Fälle, in denen nicht der Tod oder eine schwerste Verletzung des unmittelbar Geschädigten verursacht wurde, würde die Ersatzpflicht des Schädigers unangemessen und unzumutbar erweitern.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Schmerzengeld an die - insoweit nur mittelbar geschädigte - Klägerin nicht vor. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.