OGH vom 17.12.2009, 6Ob69/09d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN ***** eingetragenen Antragstellerin W***** K***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, mit dem Sitz in *****, vertreten durch Lattenmayer Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Eintragung einer Satzungsänderung in das Firmenbuch, über den Revisionsrekurs der Genossenschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 36/09h-7, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom , GZ 10 Fr 1722/08g-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Eintragungsgesuch vom stattgegeben und dem Erstgericht die Eintragung der Änderung des Firmenwortlautes und der Satzung aufgetragen wird.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist eine mit Genossenschaftsvertrag vom gegründete Genossenschaft mit beschränkter Haftung. Ihre Generalversammlung vom beschloss eine Änderung der Satzung in deren § 1 dahin, dass die Firma der Gesellschaft in Hinkunft „W***** K***** eG" lauten solle.
Beide Vorinstanzen wiesen den Antrag auf Eintragung der geänderten Firma ins Firmenbuch ab. Zwar lasse der Wortlaut des § 4 GenG für den Rechtsformzusatz „eingetragene Genossenschaft" grundsätzlich auch die Verwendung anderer Abkürzungen als „e.Gen." zu, die von der Antragstellerin gewählte Kurzform sei aber in mehrfacher Hinsicht geeignet, bei den beteiligten Verkehrskreisen unrichtige Vorstellungen über die Rechtsform und die Haftungsverhältnisse zu erwecken. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass diese Abkürzung in Deutschland für eingetragene Genossenschaften die einzige gesetzlich mögliche sei.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil sich das Höchstgericht mit der Frage der Eintragungsfähigkeit der von der Genossenschaft angestrebten Abkürzung für den Rechtsformzusatz „eingetragene Genossenschaft" bisher nicht auseinandergesetzt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
Nach § 4 GenG idF des HaRÄG muss die Firma der Genossenschaft, auch wenn sie nach § 22 UGB oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft" enthalten; die Bezeichnung kann abgekürzt werden, insbesondere mit „e.Gen.". Die Verwendung des Wortes „insbesondere" lässt keinen Zweifel aufkommen, dass neben der vorgeschlagenen - und damit wohl vom Gesetzgeber präferierten - Kurzform auch andere Abkürzungen zulässig sind. Welche dies im Einzelnen sein können, muss sich nach Wesen und Funktion der damit ausgedrückten Information richten.
Der Zweck des Rechtsformzusatzes einer AG oder GmbH ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl jüngst 6 Ob 46/09x) und der herrschenden Lehre (vgl etwa Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung6 [2008] Rz 59; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 5 Rz 9; Ratka in Straube, GmbHG [2008] § 5 Rz 41) die Information des Geschäftsverkehrs über die Haftungsverhältnisse der Gesellschaft, nämlich, dass ihm nur das Gesellschaftsvermögen haftet.
Diese für die Kapitalgesellschaften unbestrittenen Grundsätze gelten ebenso für den Rechtsformzusatz einer Genossenschaft. Die Regierungsvorlage zum HaRÄG nennt als Gründe für die Änderungen im § 4 GenG eine notwendige Anpassung an die Liberalisierung der Firmenbildungsvorschriften und die Aktualisierung der Bezeichnung „registrierte Genossenschaft". Auf die Angabe der Beschaffenheit im Firmenwortlaut solle künftig zur Vermeidung unnötiger Schwerfälligkeit verzichtet werden, weil in der Praxis ohnehin fast ausschließlich Genossenschaften mit beschränkter Haftung bestünden und der Rechtsverkehr daher nicht von einer anderen Haftungssituation ausgehe (RV 1058 Beil 22. GP 75).
Gerade wegen dieses Verzichts auf eine konkrete Bezeichnung der Haftungsverhältnisse ist allerdings umso mehr zu fordern, dass zumindest die Rechtsform der Genossenschaft als solche im Firmenwortlaut unzweideutig zu erkennen ist, um eine Verwechslung mit anderen Gesellschaftsformen hintanzuhalten.
Die Frage, wann eine beantragte Eintragung geeignet ist, eine Täuschung über die Art und den Umfang des Geschäfts herbeizuführen, ist in keiner gesetzlichen Vorschrift ausdrücklich gelöst (RIS-Justiz RS0087525). Der Geschäftsverkehr muss auf eindeutige Abkürzungen, sofern solche gewählt werden, vertrauen können. Dabei spielen auch die gelebte Praxis und eine jahrzehntelange Übung eine Rolle (6 Ob 46/09x).
Hier verweist der Revisionsrekurs zunächst richtig darauf, dass die Abkürzung „eG" für eine Genossenschaft im österreichischen Firmenbuch tatsächlich bereits wiederholt eingetragen wurde (zB FN 94807y, FN 93359v [HG Wien]; FN 79319x, FN 79066z [LG St. Pölten]; FN 111038t ua [LG Ried im Innkreis]; FN 121242y [LG Steyr]; FN 51037f ua [LG Salzburg]; FN 114997p [LG Klagenfurt]; FN 40290a [LG Innsbruck]). Es kann daher nicht mehr davon gesprochen werden, dass diese Kurzform für den Rechtsverkehr völlig neu und überraschend wäre.
Bereits das Rekursgericht hat auch hervorgehoben, dass das deutsche Genossenschaftsgesetz in seinem § 3 als Abkürzung für die - nunmehr auch in Österreich geltende - Vollbezeichnung „eingetragene Genossenschaft" ausschließlich die Buchstabenfolge „eG" zulässt. Daraus folgt aber, dass diese Abkürzung im größten Teil des deutschen Sprachraums seit langem als Bezeichnung für eine Genossenschaft eindeutige Verkehrsgeltung in Anspruch nehmen kann (vgl die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung des BGH vom , I ZR 126/98).
Das österreichische Gesellschaftsrecht kennt keine Rechtsform der „eingetragenen Gesellschaft". Dem Revisionsrekurs ist daher beizupflichten, dass eine allfällige Fehlinterpretation der Abkürzung „eG" in dieser Richtung kaum zu einer konkreten Verwechslung mit einer anderen zulässigen Gesellschaftsform geeignet wäre, für die jeweils andere, allgemein geläufige Abkürzungen bestehen, sondern ins Leere führen würde. Der vom Rekursgericht in diesem Zusammenhang angesprochene Teilnehmer am Rechtsverkehr, dem detaillierte Kenntnisse der einschlägigen gesetzlichen Regelungen fehlen, könnte wohl darüber verunsichert sein, welche Rechtsform sich hinter einer „eG" verbirgt - was eine Erkundigungsobliegenheit nach sich ziehen würde -, aber deswegen nicht gutgläubig einer Verwechslung mit einer bestehenden anderen Gesellschaftsform unterliegen.
Auf die weiterführende Überlegung des Rekursgerichts, die Zulassung der Abkürzung „eG" könnte in Hinkunft zum Anlass für die Inanspruchnahme einer Kombination „eGmbH" für „eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung" genommen werden, die dann aber nicht hinreichend von der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu unterscheiden wäre, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an. Gegenstand der Entscheidung ist nur die Eintragungsfähigkeit der Abkürzung „eG", deren Bejahung eine allfällige Verwechslungsfähigkeit und damit Unzulässigkeit anderer, daraus entwickelter Buchstabenkombinationen nicht ausschließt.
Ein Missverständnis des Kürzels „eG" als „europäische (Aktien-)Gesellschaft" ist zwar nach Buchstabenfolge und Klang vorstellbar, allerdings nicht schutzwürdig. Zunächst einmal könnte genauso auch die im GenG vorgeschlagene Abkürzung „e.Gen." von nicht einschlägig informierten Adressaten als „europäische Genossenschaft" missverstanden werden. Hinzu kommt aber generell, dass die internationale Erweiterung der für den Rechtsverkehr zur Verfügung stehenden Gesellschaftsformen zwangsläufig die Anforderung an die beteiligten Verkehrskreise mit sich bringt, sich mit den gesetzlich eindeutig definierten gesellschaftsrechtlichen Abkürzungen vertraut zu machen.
Es trifft zwar zu, dass auch eine Nichtzulassung der Abkürzung „eG" die mit „insbesondere" eingeleitete Wortfolge des § 4 GenG nicht gänzlich eines Anwendungsbereichs berauben würde, dieser Umstand spricht aber weder für noch gegen die begehrte Eintragung.
Den Ausführungen des Rekursgerichts, der Antragstellerin drohe durch die Verweigerung der begehrten Eintragung kein ersichtlicher Nachteil im Wirtschaftsleben, ist die ernstzunehmende Möglichkeit einer Behinderung bei der Teilnahme am internationalen Wirtschaftsverkehr, speziell in Deutschland, entgegenzuhalten. Auch wenn Rechtsformzusätze an sich farblos und für die Individualisierung der Firma ohne relevante Bedeutung sein mögen (vgl 6 Ob 222/00s), kann es nicht ausgeschlossen werden, dass die Verwendung der in Deutschland für Genossenschaften ausschließlich zulässigen Abkürzung insofern eine Erleichterung bei Vertragsbeziehungen mit deutschen Unternehmen bewirkt, als diese mit der vertrauten Abkürzung sofort konkrete - zutreffende - Vorstellungen verbinden können.
Insgesamt erachtet der erkennende Senat die zu Gunsten der beantragten Eintragung sprechenden Überlegungen für gewichtiger als die dagegen bestehenden Bedenken, sodass dem Revisionsrekurs Folge zu geben war. Der Vollzug der bewilligten Eintragung ist dem Erstgericht vorzubehalten.