OGH vom 14.04.2011, 6Ob68/11k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** H*****, als gemäß § 6 Abs 2 MRG bestellter Verwalter der Liegenschaft ***** in *****, vertreten durch Kopp Wittek, Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei M***** S*****, vertreten durch Korn Gärtner, Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Aufkündigung (Streitwert 6.747 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 481/10d, 22 R 482/10a 86, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 32 C 1385/07k 75, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Parteienbezeichnung der klagenden Partei wird auf „E***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Kopp Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg“ berichtigt.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 299,57 EUR (darin 49,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Liegenschaft EZ *****, GB *****, samt dem darauf Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Mehrparteienhaus befindet sich seit 2007 im Alleineigentum der E***** Gesellschaft mbH. Die beklagte Partei ist dort seit 1986 Mieterin einer ca 52 m² großen Wohnung. Das Objekt befindet sich in einem baufälligen Zustand, ist aber nach Durchführung von Sofortmaßnahmen derzeit nicht mehr akut einsturzgefährdet. Die Bauwerkspfahlgründung ist nicht ausreichend standsicher und es besteht Setzungsgefahr.
Außer der von der beklagten Partei bewohnten Wohnung sind alle anderen Wohnungen leer und verfügen weder über sanitäre Einrichtungen noch eine Heizmöglichkeit. Das Haus ist nicht an den öffentlichen Kanal angeschlossen. Vor einer entsprechenden Gesamtsanierung ist es nicht möglich, weitere Wohnungen zu vermieten. Mit Bescheid vom wurde die Abbruchbewilligung erteilt. Die Durchführung der Arbeiten, um das Objekt auf den aktuellen Stand im sozialen Wohnbau zu bringen, erfordert zumindest 414.000 EUR netto. Die Kosten für die unbedingt notwendigen Arbeiten betragen zumindest 370.875 EUR netto. Dazu kommen noch die Kosten für die Bereitstellung einer Ersatzwohnmöglichkeit für die beklagte Partei. Am Verwalterkonto befand sich ein Guthaben von 68.081,61 EUR. Die Betriebskosten belaufen sich derzeit auf rund 3.000 EUR jährlich.
Mit Sachbeschluss des Erstgerichts vom wurden zahlreiche Arbeiten festgestellt, die eine Mietzinserhöhung rechtfertigen, die Kosten dieser Erhaltungsarbeiten mit 246.567 EUR festgestellt und eine Erhöhung des Mietzinses für die Wohnung der beklagten Partei auf 455,21 EUR sowie für eine zweite, damals noch vermietete Wohnung auf 204,19 EUR monatlich bewilligt. Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am stellte die beklagte Partei beim Erstgericht einen Antrag auf Bestellung eines „Zwangsverwalters“. Mit Beschluss vom wurde der Kläger zum Verwalter der Liegenschaft gemäß § 6 Abs 2 MRG zum Zweck der Durchführung der im Sachbeschluss vom aufgetragenen Erhaltungsarbeiten, der Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals bestellt.
Am kündigte der Verwalter das mit der beklagten Partei bestehende Mietverhältnis aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 14 MRG auf und begehrte, ihr die Räumung und Übergabe des Mietgegenstands bis aufzutragen. Hinsichtlich des Hauses sei sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Abbruchreife gegeben, weil das baufällige Gebäude eine Gefährdung darstelle und nur mehr durch wirtschaftlich nicht zumutbare Ausbesserungsarbeiten benutzbar erhalten werden könne.
Die beklagte Partei erhob fristgerecht Einwendungen.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 14 MRG vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung gegeben sei. Die Entscheidung über das Räumungsbegehren und das Kostenersatzbegehren wurde dem Endurteil vorbehalten.
Der geltend gemachte Kündigungsgrund liege vor, weil im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung eine rechtskräftige Abbruchbewilligung vorgelegen habe und die ordnungsgemäße Erhaltung des Mietshauses aus den Hauptmietzinsen einschließlich der zur Deckung eines erhöhten Erhaltungsaufwands zulässigen erhöhten Hauptmietzinse weder derzeit noch auf Dauer sichergestellt werden könne.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab.
Auch wenn die Bestimmungen der EO über die Zwangsverwaltung sinngemäß anzuwenden seien, könnten sich die Befugnisse zur Aufkündigung nicht gegen denjenigen richten, der die Sanierung gerichtlich betrieben und die dafür nötige Bestellung eines Verwalters überhaupt erst erwirkt habe. Es würde dem Gesetzeszweck des § 6 MRG widersprechen, wenn der Verwalter, der über Antrag einer Mieterin zur Durchführung von Sanierungsarbeiten bestellt werde, diese einzige Mieterin nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG mit der Begründung kündigen könne, dass die aufgetragenen Erhaltungsarbeiten nur durchgeführt werden können, wenn zuvor das Mietverhältnis aufgelöst werde.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Aktivlegitimation des Verwalters nach § 6 Abs 2 MRG zur Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG iVm § 111 EO fehle.
Zwischenzeitig wurde die Verwaltung gemäß § 6 Abs 3 Z 2 MRG eingestellt. Diese Entscheidung ist aufgrund der Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses (5 Ob 3/11v) in Rechtskraft erwachsen. Die Liegenschaftseigentümerin erklärte daraufhin, in das Verfahren einzutreten.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.1. Eine nach § 18f MRG ergehende rechtskräftige Entscheidung schafft in Ansehung der vom Vermieter durchzuführenden Erhaltungsarbeiten einen nach § 6 Abs 2 MRG vollstreckbaren Exekutionstitel (RIS Justiz RS0069305 [T3]).
2.2. Der Entscheidung über den Antrag nach § 6 Abs 2 MRG ist die Sachlage im Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen (RIS Justiz RS0069303). Das Verfahren ist als Fortsetzung des Titelverfahrens zu betrachten, sodass insbesondere auch allfällige Einstellungsgründe zu prüfen sind (vgl Hausmann/Vonkilch , Österr. Wohnrecht § 6 MRG Rz 23). Gemäß § 6 Abs 3 Z 2 MRG ist die Zwangsverwaltung nach Einvernehmung der Parteien einzustellen, wenn sich erweist, dass die aufgetragenen Arbeiten wegen mangelnder Finanzierbarkeit oder aus sonst unüberwindbaren Hindernissen nicht durchgeführt werden können. Dazu kann auch die nachträglich hervorkommende Unfinanzierbarkeit zählen ( Haybäck/Heindl in Schwimann, ABGB² § 6 MRG Rz 12).
2.3. Die Vollstreckung eines Auftrags nach § 6 Abs 2 MRG erfolgt ausschließlich durch die Bestellung eines Verwalters, der sich von der Zwangsverwaltung nach den §§ 97 bis 132 EO nicht durch ein anderes Verfahren, sondern auch durch ein anderes Ziel, nämlich die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, unterscheidet. Dem Verwalter obliegt mit dieser Zweckbestimmung grundsätzlich die ordentliche Verwaltung der Liegenschaft. Er ist ab Übergabe der Liegenschaft befugt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zur Durchführung der Zwangsverwaltung erforderlich sind. Dazu zählen auch notwendige Klagsführungen (RIS Justiz RS0123165, RS0120151, RS0036051).
3. § 6 Abs 2 MRG zählt die Befugnisse des Verwalters auf und normiert, dass auf das Verfahren im Übrigen die §§ 98, 99, 103, 108 bis 121, 130 und 132 EO sinngemäß anzuwenden sind. §§ 110 bis 112 EO zählen die dem Zwangsverwalter zustehenden Geschäftsbefugnisse und Berechtigungen auf. Dabei sind auf den vorliegenden Sachverhalt noch die Bestimmungen in der Fassung vor der EO Novelle 2008 anzuwenden. Demnach ist der Zwangsverwalter grundsätzlich zur Aufkündigung einer Wohnung berechtigt (RIS Justiz RS0002660). Eine gerichtliche Genehmigung (§ 112 EO) ist nicht erforderlich; die Kündigung von Bestandverträgen gehört zur ordentlichen Verwaltung bzw zum gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb ( Angst in Angst , EO² § 112 Rz 5).
4. Im vorliegenden Fall erfolgte die Bestellung des klagenden Verwalters ausschließlich gemäß § 6 Abs 2 MRG. Zweck der Bestellung des Klägers zum Verwalter war die Durchführung der im Sachbeschluss vom aufgetragenen Erhaltungsarbeiten, Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und die ordnungsgemäße Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung. Nach ständiger Rechtsprechung reichen die Befugnisse des Verwalters nur soweit, als diese zur Zielerreichung notwendig sind, im vorliegenden Fall also zur Durchführung der aufgetragenen Erhaltungsarbeiten. Aus diesem Grund kommt dem Kläger im vorliegenden Fall nicht die Legitimation zur Aufkündigung wegen Abbruchreife nach § 30 Abs 2 Z 14 MRG zu. Damit würde wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nicht die Erhaltung des Objekts, sondern ein diametral entgegengesetztes Ziel angestrebt. Eine allfällige Unfinanzierbarkeit der erforderlichen Arbeiten könnte höchstens einen Antrag auf Einstellung der Exekution nach § 6 Abs 3 Z 2 MRG rechtfertigen, nicht jedoch die Aufkündigung der die Durchführung der Erhaltungsarbeiten betreibenden beklagten Partei.
5. Frei von Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht erkannt, dass die Aufkündigung der beklagten Partei durch den Kläger mit dem Ziel der Bestellung des Klägers zum Verwalter gemäß § 6 Abs 2 MRG unvereinbar ist. Damit erweist sich das angefochtene Urteil aber als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
7. Die von der klagenden Partei mitgeteilte rechtskräftige Beendigung der Verwaltung gemäß § 6 MRG (5 Ob 3/11v) führte zu einem Parteiwechsel, sodass die Bezeichnung der klagenden Partei spruchgemäß richtigzustellen war.