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OGH vom 24.06.2020, 1Ob85/20m

OGH vom 24.06.2020, 1Ob85/20m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 48.594,68 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 56/19m13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 3 Cg 12/18a9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das unterbrochene Revisionsverfahren wird fortgesetzt.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.:

Das Revisionsverfahren war bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Ablehnung der Mitglieder des Berufungssenats unterbrochen (1 Ob 108/19t) und ist nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses (1 Ob 28/20d), mit dem die Ablehnung zurückgewiesen wurde, fortzusetzen.

Zu 2.:

2.1. An den in Rechtskraft erwachsenen Beschluss über die Ablehnung ist das Rechtsmittelgericht im Hauptverfahren gebunden (RIS-Justiz RS0042079 [T2]). Die von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 (Z 1) ZPO liegt somit nicht vor.

2.2. Aufgrund der Verfassung und der einfachgesetzlichen Rechtslage ist das Amtshaftungsgericht keine Kontrollinstanz für die Rechtmäßigkeit der gesamten hoheitlichen Vollziehung, sondern hat gemäß Art 23 Abs 1 und 4 B-VG sowie § 1 Abs 1 AHG nur über jenen Schaden zu erkennen, den die als Organe des haftpflichtigen Rechtsträgers handelnden Personen durch ein rechtswidriges Verhalten in Vollziehung der Gesetze wem immer schuldhaft zufügten (1 Ob 8/95 = SZ 68/191). Art 23 Abs 1 B-VG bildet im Zusammenhalt mit dem Amtshaftungsgesetz erst die materiell-rechtliche Grundlage dafür, um Rechtsträger für schuldhaftes Fehlverhalten ihrer Organe in Anspruch zu nehmen (1 Ob 151/98g mwH zur Judikatur des VfGH). Die Ansicht der Klägerin, die (behauptete) unrichtige Entscheidung des Berufungsgerichts im Anlassfall (unrichtige Zurückweisung ihres Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO) begründe einen „unbedingten Amtshaftungsanspruch“, weil „es diesbezüglich wegen der Bestimmung des Art 83 Abs 2 B-VG aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig sein kann, unrichtige Entscheidungen zu tolerieren, durch welche eine Staatsbürgerin ihren gesetzlichen Richtern entzogen“ werde, zeigt keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Inwiefern aus Art 83 Abs 2 B-VG (Recht auf gesetzlichen Richter) ein verschuldensunabhängiger Amtshaftungsanspruch resultieren soll, vermag die Revisionswerberin nicht darzulegen, zumal auch die von ihr zitierte Judikatur zum Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Amtshaftungsprozess (RS0022911) hier nicht einschlägig ist.

Die Revisionswerberin vermengt in unzulässiger Weise die Rechtsmittelbeschränkungen der ZPO mit der Frage nach dem Recht auf den gesetzlichen Richter. Zu dessen Bestimmung verweist Art 83 Abs 1 Satz 1 BVG auf die Regelung durch das einfache Gesetz. Wenn nun § 508 ZPO für einen bestimmten Streitwertbereich dem Berufungsgericht die Kompetenz zuweist, endgültig über die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs zu entscheiden (§ 508 Abs 4 ZPO), ist dieses insoweit „gesetzlicher Richter“. Eine Fehlbeurteilung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Unzulässigkeitsausspruch könnte unter den allgemeinen Haftungsvoraussetzungen zu Amtshaftungsansprüchen der dadurch betroffenen Partei führen. Es gibt aber keinen Grund vom Erfordernis des Verschuldens und der Kausalität abzusehen, wie dies die Klägerin anstrebt. Amtshaftung könnte nur eintreten, wenn der Ausspruch des Berufungsgerichts auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht und eine Zulassung der Revision zudem zu einem für die Partei günstigeren Prozessergebnis geführt hätte.

2.3. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausführte, ist im Amtshaftungsverfahren nicht – wie in einem Rechtsmittelverfahren – zu prüfen, ob die in Betracht kommende Entscheidung oder das zu beurteilende Organverhalten richtig war, sondern ob die Entscheidung bzw das Verhalten auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruhte (RS0049955 [T8]; RS0050216 [T7]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0110837). Anderes gilt nur, wenn dem Berufungsgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit wahrzunehmende Fehlbeurteilung der Vertretbarkeit unterlaufen wäre (RS0049955 [T10]). Einen solchen Fall vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen; sie beschränkt sich weitgehend darauf, Passagen aus ihrer Berufungsschrift (einschließlich ihres Antrags auf nachträgliche Zulässigerklärung der Revision im Anlassverfahren) wörtlich wiederzugeben, ohne sich aber inhaltlich mit den Argumenten des Berufungsgerichts auseinanderzusetzen.

2.4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00085.20M.0624.000

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Fundstelle(n):
OAAAD-66193