OGH vom 29.08.2019, 1Ob85/19k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH, Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 724.254,20 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 80/18i-19, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 32 Cg 7/17k-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende GmbH stellt Betonbaustoffe her und benötigt dafür Schotter. In Erwartung der Erschöpfung des Schottervorkommens ihrer Schottergrube stellte sie am beim Landeshauptmann der Steiermark den Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung der Nassbaggerung in einer anderen Schottergrube. Ihr wurde diese Bewilligung letztlich erteilt. Das Verfahren endete aber erst mit dem (unbekämpft gebliebenen) Berufungsbescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Weiteren: Berufungsbehörde) vom .
Zuvor war der von der Behörde erster Instanz (im ersten Rechtsgang) erteilte Bewilligungsbescheid von der Berufungsbehörde aufgehoben worden und die (im zweiten Rechtsgang) erneut erteilte Bewilligung über die Berufungen einer Stadtgemeinde und einer Mineralwasser herstellenden Gesellschaft (mit der Begründung, dass notwendige Unterlagen nicht nachgereicht worden seien) in eine Zurückweisung des Antrags abgeändert worden. Dieser Zurückweisungsbescheid war aber seinerseits vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben worden, bevor letztendlich die Berufungen mit dem zuvor genannten Bescheid abgewiesen wurden.
Die Klägerin, die bereits (während des Berufungsverfahrens) zweimal Säumnisbeschwerde erhoben hatte, rief im April 2011 den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an. Dieser sprach in seiner Entscheidung vom (zu AZ 24143/11) aus, dass mit der Dauer des Verwaltungsverfahrens von sieben Jahren und drei Monaten [gerechnet von der Einbringung der Berufung am bis zur Zustellung des Berufungsbescheids am ] Art 6 Abs 1 EMRK verletzt worden sei. Er verurteilte den Bund zum Ersatz von 3.000 EUR an immateriellem Schaden und von 2.000 EUR an Kosten des Beschwerdeverfahrens, verneinte aber sowohl einen Ersatz für den geltend gemachten sonstigen (materiellen) Schaden als auch den Zuspruch weiterer Kosten; Ersteres deswegen, weil die Klägerin den kausalen Zusammenhang zwischen der festgestellten Verletzung und dem Vermögensschaden nicht nachgewiesen habe (Rn 61: „… the applicant company failed to prove that there had been a causal link between the violation found and the pecuniary damage alleged.“); Zweiteres mit der Begründung, die vor inländischen Behörden und Gerichten („domestic proceedings“) aufgelaufenen Kosten seien – als jedenfalls erwachsen – nicht im Zusammenhang mit einer Verletzung des Art 6 Abs 1 der Konvention gestanden (Rn 65: „… as these costs would have arisen in any event and therefore were not related to the violation of Art 6 § 1 of the Convention.“).
Die begehrt mit ihrer am eingebrachten Amtshaftungsklage Ersatz für den ihr durch die überlange Verfahrensdauer entstandenen (Verzögerungs-)Schaden. Dieser sei von der Berufungsbehörde und dem von dieser beigezogenen Amtssachverständigen rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt worden. Vom Klagebetrag von 724.254,20 EUR sA habe sie von dem ihr entstandenen (Gesamt-)Schaden in Höhe von 729.254,20 EUR (der sich aus den Mehrkosten durch Schotterzukauf für den Zeitraum April 2006 bis , frustrierten Aufwendungen für nicht nutzbare Maschinen und Geräte, Kosten der Verschmelzung der zahlungsunfähig gewordenen Gesellschaft zur Schottergewinnung und Rettungsaufwand für Privatgutachten und Probebohrungen sowie Vertretungskosten zusammensetzt) den vom EGMR zugesprochenen Betrag von 5.000 EUR bereits in Abzug gebracht.
Die von ihr erhobenen Vorwürfe sind: Schlichte Untätigkeit in bestimmten Zeiträumen, wesentliche Verfahrens und auch Entscheidungsfehler der Behörde und Anmaßung einer in Wahrheit nicht gegebenen Fachkompetenz durch den Amtssachverständigen. Die Berufungsbehörde habe nach Einbringung der (ersten) Berufung erst einmal dreizehn Monate gar nichts getan und die Klägerin erst am um Ergänzung der Projektunterlagen ersucht. Der wesentliche (und die überlange Verfahrensdauer hauptsächlich verursachende) Verfahrensfehler sei in der Beiziehung eines Sachverständigen, dem es an Fachkompetenz gefehlt habe, gelegen. Wie sich im Jahr 2010 gezeigt habe, wäre der Berufungsbehörde bei Beiziehung eines fachlich kompetenten hydrogeologischen Sachverständigen binnen eines Monats ein schlüssiges und vollständiges Gutachten vorgelegen, das sie in die Lage versetzt hätte, binnen eines weiteren Monats einen positiven Bescheid zu erlassen). Obwohl alle im Zuge des Verfahrens zu beurteilenden Fragen den Fachbereich Hydrogeologie betroffen hätten und sie in ihren Eingaben bestritten habe, dass der ihr nicht bekannte und „von der Berufungsbehörde verschwiegene“ Gutachter überhaupt einer Fachrichtung angehört, die ihn zu einem fachlich korrekten Urteil befähigt, habe die Berufungsbehörde nur einen nicht ausreichend fachkundigen Sachverständigen (aus dem Fachgebiet Wasserbautechnik), aber keinen (anderen) zur Beantwortung der sich stellenden Fachfragen kompetenten Sachverständigen beigezogen und den wasserbautechnischen Sachverständigen „sinnlos weiterbeschäftigt“. Dieser habe mangels Fachkenntnis die unrichtige Auffassung vertreten, dem eingereichten Projekt fehlten verschiedene – tatsächlich aber für die Beurteilung nicht notwendige – Unterlagen. Der Entscheidungsfehler der Berufungsbehörde liege in der rechtswidrigen Zurückweisung ihres Antrags mit (dem später als rechtswidrig aufgehobenen) Bescheid vom , wiewohl der von dieser zuvor erteilte Verbesserungsauftrag, dem sie angeblich nicht entsprochen habe, nicht ausreichend konkretisiert gewesen und die Behörde auf ihre Stellungnahmen vom und überhaupt nicht eingegangen sei.
Dem beigezogenen Amtssachverständigen wirft sie vor, er habe sich eine Kompetenz angemaßt, habe er doch nicht über ausreichende Fachkenntnis verfügt, um den vorliegenden Fall als Sachverständiger beurteilen zu können. Erst nach achtjähriger Verfahrensdauer habe die Berufungsbehörde einen hydrogeologischen Amtssachverständigen beigezogen, der dann umgehend zu dem Schluss gekommen sei, dass durch die (in Aussicht genommenen) Nassbaggerungen weder eine Beeinträchtigung des Kohlensäureaustauschs noch der tieferen Grundwasserhorizonte zu erwarten sei, woraufhin die Berufungen umgehend abgewiesen worden seien.
Sie selbst habe ihrer Mitwirkungspflicht im Verfahren immer schnell und vollständig entsprochen und auch versucht, das Verfahren durch zwei Säumnisbeschwerden zu beschleunigen.
Der verteidigte sich damit, dass der von der Berufungsbehörde beigezogene Sachverständige aufgrund seiner Berufserfahrung tatsächlich kompetent und in der Lage gewesen sei, die anstehenden Fragen zu beantworten. Es habe aber das Verfahren ein wasserwirtschaftlich hochsensibles Gebiet betroffen und sei äußerst komplex gewesen. Die Verfahrensdauer erkläre sich durch die mangelhafte und unvollständige Vorlage der eingereichten Projektunterlagen. Die Klägerin habe von Anfang an die notwendigen Erkundungsbohrungen nicht durchgeführt. Erst nachdem sie im Jahr 2010 diese doch habe durchführen lassen, sei der Berufungsbehörde auf Basis der dadurch gewonnenen Ergebnisse die Beurteilung, dass eine Gefährdung der Mineralwasserquellen ausgeschlossen werden könne, möglich gewesen. Der Aufhebungsbescheid vom könne die Klägerin schon deshalb nicht in ihren Rechten verletzt haben, weil sie diese Verfahrensentscheidung ausdrücklich selbst beantragt habe. Die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof könne der Berufungsbehörde nicht angelastet werden. Aufgrund der vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Fristerstreckungen könne von einer rechtswidrigen Verzögerung keine Rede sein und liege jedenfalls kein schuldhaftes Organverhalten vor, weil die Berufungsbehörde in beiden Säumnisbeschwerdeverfahren in der Sache gelegene Gründe nachweisen habe können, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheids unmöglich gemacht hätten. Andernfalls hätte der Verwaltungsgerichtshof die Fristerstreckungen nicht gewährt.
In weiteren Ausführungen, die im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht relevant sind, trat er dem geltend gemachten Schadenersatzanspruch auch mit der Bestreitung des Verhaltens seiner Organe als kausal für die behaupteten (und erst zu beweisenden) Schäden entgegen und relevierte die Verletzung von Schadensminderungspflichten.
Zuletzt wandte er ein, allfällige Schadenersatzansprüche seien längst verjährt, weil von der Klägerin selbst ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren für die Erteilung der Bewilligung angesetzt werde und ihr daher angesichts des Fremdeinkaufs am vorgeworfen werden müsse, dass sie zu diesem Zeitpunkt gewusst habe, dass der Primärschaden bereits eingetreten sei. Sie habe zudem am Säumnisbeschwerde eingebracht und sei damit in Kenntnis der ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Verzögerung gewesen. Auch die Schadensursache der Beiziehung eines nicht ausreichend fachkundigen Sachverständigen [die der Bund aber bestreitet] sei ihr bereits ab Dezember 2006 bekannt gewesen.
Darauf erwiderte die , dass ihr – als sie Säumnisbeschwerde im September 2006 erhoben habe – nur klar gewesen sei, dass das Berufungsverfahren objektiv „recht lange“ dauere, die Gründe dafür seien ihr zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht bekannt gewesen. Dies sei auch für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde nicht notwendig gewesen. Der Name des Amtssachverständigen sei ihr verschwiegen worden, sie habe ihn erst im November 2008 erfahren und sei erst ab diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen, zu überprüfen, ob der beigezogene Sachverständige tatsächlich über (k)eine Kompetenz und Fachkenntnis auf dem Gebiet der Hydrogeologie verfüge. Ihr Verdacht habe sich dann letztlich erst mit Übermittlung des Gutachtens des im Jahr 2010 beigezogenen weiteren Sachverständigen am bestätigt. Die frühestens am in Gang gesetzte Verjährungsfrist sei durch die Einbringung der Beschwerde beim EGMR am unterbrochen worden. Nach Zugang von dessen Entscheidung am habe sie umgehend am die Klage bei Gericht eingebracht.
Der Bund entgegnete wiederum, die Auskunft über den Amtssachverständigen sei nicht verweigert worden und wäre durch Akteneinsicht feststellbar gewesen [knüpfte daran aber keine weiteren Konsequenzen].
Das schloss das Beweisverfahren ohne den Geschäftsführer der Klägerin und die beantragten Zeugen einzuvernehmen oder einen Sachverständigen beizuziehen. Es hielt im Urteil aufgrund der vorgelegten Urkunden den Gang des Verwaltungsverfahrens fest, gab dabei insbesondere auszugsweise den Inhalt der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von der Klägerin abgegebenen Stellungnahme vom wieder und legte auf der Tatsachenebene zu Grunde (weil unbeachtlich ist, an welcher Stelle im Urteil Tatsachen festgestellt werden [vgl RISJustiz RS0043110 {T2}]), dass „der Klägerin (bzw deren Rechtsvertreter, dessen Kenntnis der Klägerin zuzurechnen ist)“, spätestens bei Verfassung der Stellungnahme vom auch die Schadensursache der Beiziehung eines ungeeigneten Sachverständigen bekannt gewesen sei.
Rechtlich beurteilte es den geltend gemachten Schaden als einen, der sich nur wegen der Fortdauer des schädigenden Verhaltens vergrößert habe, sodass voraussehbare Folgeschäden rechtlich eine Einheit mit dem Primärschaden bildeten. Wiederholte oder fortgesetzte Handlungen hätten dagegen nicht vorgelegen. Der Klägerin sei mit Beginn ihres Schotterzukaufs der Eintritt des Primärschadens bekannt gewesen – also bereits im April 2006. Dieser Schaden habe sich in der Folge durch Zeitablauf nur vergrößert. Da ihr spätestens im Zeitpunkt der Verfassung der Stellungnahme im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof auch die Schadensursache der Beiziehung eines fachlich nicht geeigneten Sachverständigen bekannt gewesen sei und der Verjährungsbeginn nicht bis zur völligen Gewissheit über einen Prozesserfolg hinausgeschoben werden könne, habe der Lauf der Verjährungsfrist zu dieser Zeit begonnen. Die Kenntnis der Klägerin vom Namen des Amtssachverständigen hätte ihre Aussicht auf einen Prozessgewinn nicht erhöht und sei nicht erforderlich gewesen, um mit ausreichender Sicherheit auf das Verschulden irgendeines Organs des beklagten Rechtsträgers schließen zu können, weswegen der Einwand der Verjährung auch nicht rechtsmissbräuchlich erhoben werde. Dass ihr der Name erst später – spätestens im November 2011 – bekannt geworden wäre, sei rechtlich nicht relevant. Grundsätzlich komme der Antragstellung bei den Behörden der EMRK die Wirkung der Unterbrechung der sonst drohenden Anspruchsverjährung zu, sofern der Verletzte mit seinen dort geltend gemachten Entschädigungsansprüchen – soweit sie nicht vom EGMR zuerkannt würden – in angemessener Frist den Rechtsweg beschreite. Hier habe es aber dazu nicht (mehr) kommen können, weil die dreijährige Verjährungsfrist bereits vor der Antragstellung beim EGMR am abgelaufen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung in die erste Instanz zurück. Es pflichtete dem Erstgericht zur Verneinung einer Rechtsmissbräuchlichkeit bei Einwendung der Verjährung bei, habe doch die Behörde durch eine unterbliebene Bekanntgabe des Namens des Amtssachverständigen (in den Unterlagen) die Klägerin weder geradezu von der Klagseinbringung abgehalten, noch ein Verhalten gesetzt, aus dem diese hätte ableiten dürfen, dass später geltend gemachten Amtshaftungsansprüchen nur mit Einwendungen in der Sache entgegengetreten werde. Anders als das Erstgericht verneinte es aber eine Kenntnis der Klägerin von einer fehlenden Fachkompetenz des Sachverständigen und ging nicht davon aus, dass sie – auch wenn sie in ihrer Stellungnahme vom behauptet habe, der Sachverständige sei nicht fachkompetent – tatsächlich Kenntnis von objektiven Anhaltspunkten für dessen fehlende fachliche Eignung gehabt habe. Dass sie mit dem Wirken des von der Berufungsbehörde ursprünglich herangezogenen Amtssachverständigen offensichtlich unzufrieden gewesen sei und an seiner Stelle einen anderen gewünscht habe, bedeute nicht, dass sie aus damaliger Sicht konkrete Hinweise auf die Unvertretbarkeit seiner Beiziehung gehabt hätte, die über seine letztlich nicht ausschlaggebende bloße Bezeichnung als Wasserbautechniker hinausgegangen wären. Von einer offenkundigen Rechtswidrigkeit, die auf ein Verschulden hingedeutet hätte, könne keine Rede sein. Dazu – wie auch zu einer allfälligen Verletzung von Erkundigungsobliegenheiten der Klägerin – habe die behauptungs- und beweisbelastete Beklagte auch kein Vorbringen erstattet. Die Verjährungsfrist habe daher nicht schon am zu laufen begonnen. Da die Klägerin aber selbst einräume, dass sie per in Gang gesetzt worden sei, hänge die Frage der Verjährung davon ab, ob durch die Anrufung des EGMR am die Verjährungsfrist unterbrochen worden sei. Wie schon das Erstgericht befand auch das Berufungsgericht, dass ein vor dem Europäischen Gerichtshof geführtes Verfahren die Verjährungsfrist unterbreche. Es schloss sich den Erwägungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 1 Ob 27/90 (= SZ 63/223 = JBl 1992, 49 = RS0034862) an, wonach die Einbindung des Verfahrens vor den Konventionsbehörden in die innerstaatliche Rechtsordnung vor allem deshalb geboten sei, um den Verletzten vor Rechtsnachteilen im innerstaatlichen Bereich – insbesondere auch der Verjährung – zu schützen, wenn er die ihm von der Konvention gewährten Rechtsbehelfe in Anspruch nehme. In dieser Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof nicht auf die materielle Grundlage der geltend gemachten Ansprüche abgestellt. Es sei auch nicht ersichtlich, warum die zuvor angesprochenen Erwägungen nur für einen durch die EMRK nach Art 5 Abs 5 selbst begründeten Ersatzanspruch gelten sollten. Gehe man mit dem Obersten Gerichtshof davon aus, dass der Gesetzgeber den in seinen Rechten Verletzten mit dem Beitritt zur Konvention nur zusätzlichen Rechtsschutz habe angedeihen lassen wollen, sei vom Geschädigten nicht zu verlangen, über Ersatzansprüche, die er nach Art 41 EMRK im Rahmen einer Beschwerde an den EGMR geltend mache(n könne), zur Abwendung innerstaatlicher Verjährung parallel auch vor einem nationalen Gericht ein Gerichtsverfahren zu führen. Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, wie sie der Amtshaftungsklage zugrunde lägen, kämen im Beschwerdeverfahren vor dem EGMR nach Art 41 grundsätzlich in Betracht. Die Klägerin habe zwar in ihrer Klage vorgebracht, dass sie in ihrer Beschwerde nach Einschränkung zuletzt einen Gesamtschaden von 750.554,15 EUR geltend gemacht habe; aus welchen wie hoch veranschlagten Einzelpositionen sich der Gesamtanspruch zusammengesetzt habe, sei aus dem Vorbringen in erster Instanz aber nicht ersichtlich. Da aber durch die Anrufung des EGMR nicht die Verjährung schlechthin dem Grunde nach unterbrochen werde, sondern nur hinsichtlich (der Höhe) des konkret geltend gemachten Anspruchs eintreten könne, bedürfe es konkreten Vorbringens der in diesem Punkt behauptungs- und beweisbelasteten Klägerin und darauf basierender Feststellungen des Erstgerichts über Grund und Höhe der vor dem EGMR erhobenen Forderungen. Da dieser Punkt erkennbar übersehen worden und bisher unerörtert geblieben sei, sei es als Berufungsgericht, weil es mit einer darauf gestützten Klageabweisung die Klägerin überraschen würde, zur Aufhebung verpflichtet, um den Parteien Gelegenheit zur Erörterung zu geben. Sollten auf dieser Grundlage Ansprüche der Klägerin nicht verjährt sein, werde über deren Berechtigung in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden sein. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Unterbrechung der Verjährung durch die Geltendmachung anderer als aus Art 5 Abs 5 EMRK abgeleiteter Ansprüche im Rahmen einer Beschwerde nach Art 34 EMRK vom Obersten Gerichtshof bisher nicht behandelt worden sei.
Der gegen diese Entscheidung erhobene, vom Bund beantwortete Rekurs der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Verjährung von Amtshaftungsansprüchen im Allgemeinen:
1.1. Nach § 6 Abs 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 AHG grundsätzlich in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der durch rechtswidriges Organverhalten verursachte Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist. In § 6 AHG ist – im Gegensatz zu den Verjährungsbestimmungen des ABGB – die Kenntnis der Person des Schädigers nicht gefordert, weil bei Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen ein bestimmtes Organ nicht genannt werden muss. Wenn die Schadensverursachung durch ein Organ des Rechtsträgers nicht auf der Hand liegt, beginnt die Verjährung erst zu laufen, wenn dem Geschädigten außer dem Schadenseintritt auch der Umstand hinreichend bekannt geworden ist, dass das Verschulden irgendeines Organs des Rechtsträgers schadenskausal war (RS0050394; RS0050355; Schragel, AHG3 Rz 223).
1.2. Auf die Verjährung ist aber nicht von Amts wegen Bedacht zu nehmen (RS0034326 [T2]). Derjenige, der sie einwendet, hat die dafür maßgeblichen Tatsachen deutlich vorzubringen und zu beweisen (RS0034198 [T1, T 2, T 4]; RS0034326 [T3, T 7]; RS0034456 [T4]); dies gilt auch für den Beginn der Verjährungsfrist, insbesondere etwa für die „relevante Kenntnis“ zu einem bestimmten Zeitpunkt (s RS0034326 [T9]; RS0034456 [T3]).
2. Zur Verjährung der Ansprüche der Klägerin vor der Erhebung der Individualbeschwerde beim EGMR:
2.1. Der Bund berief sich im Verfahren erster Instanz zur Verjährung (nur) darauf, dass die Klägerin Kenntnis vom Eintritt des Primärschadens im April 2006 und davon, dass eine – ihrer Meinung nach – rechtswidrige Verzögerung vorliege, am (bei Einbringung der Säumnisbeschwerde) gehabt habe. Zur Kenntnis auch der Schadensursache der (behaupteten, aber nach dem Vorbringen des Bundes tatsächlich nicht gegebenen) Beiziehung eines nicht ausreichend fachkundigen Sachverständigen behauptete er, diese sei ihr jedenfalls bereits ab Dezember 2006 bekannt gewesen. Zum Nachweis dafür stützte er sich allein auf Urkunden, und zwar auf die Stellungnahmen der Klägerin vom (zum Gutachten des [namentlich nicht genannten] Amtssachverständigen im Berufungsverfahren) und vom (zur Gegenschrift der Berufungsbehörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof). Sachsubstrat (etwa fachliche Darlegungen, aus denen objektiv auf das fehlende Wissen eines [wenn auch namentlich nicht bekannten] Fachmanns hätte geschlossen werden können) dazu, behauptete er nicht. Auch auf die Verletzung einer Erkundigungsobliegenheit hat sich der Bund – wie das Berufungsgericht völlig richtig hervorhebt – nicht gestützt und dazu ebenfalls kein Tatsachensubstrat vorgetragen.
2.2. Die „Kernvorwürfe“ der Klägerin, dass der von der Berufungsbehörde beigezogene Sachverständige nicht über die (ausreichende) Fachkunde verfügt habe, um die anstehenden Fragen beurteilen zu können, und dass es für die Frage einer (allfälligen) Beeinträchtigung der betroffenen Gewässerkörper durch die von ihr angestrebten Maßnahmen keines Nachweises einer ausreichenden Mächtigkeit der Trennschicht zwischen diesen bedurft hätte (deren Notwendigkeit vom Bund aber nach wie vor behauptet wird und wozu im Verwaltungsverfahren der Projektwerberin Erkundungsbohrungen abgefordert wurden), sind im Verfahren noch nicht geklärt worden. Es steht also noch gar nicht fest (was der Bund auch vehement bestreitet), dass der Sachverständige nicht über ausreichende Fachkenntnisse verfügte, um die anstehenden Fragen fachlich richtig beantworten zu können, und er (deswegen) unnötige Unterlagen abgefordert hätte. Insofern es also bei der Verjährung um die Frage ausreichender Kenntnis (nicht bloß einer Vermutung) der Klägerin von der Schadensursache (und den daraus resultierenden Folgen) geht, ist ein Mangel von Fachkenntnissen des Sachverständigen von den Vorinstanzen bei ihrer Beurteilung (auf Basis des Vorbringens der Klägerin) vorerst als gegeben unterstellt worden.
2.3. Ob jemand von einer bestimmten Schadensursache Kenntnis hat – oder aber nur zu haben meint –, ist eine Tatfrage, weil es dabei um eine innere Tatsache geht, nämlich um die innere Gewissheit über das Vorliegen eines Umstands oder die Einschätzung einer Situation in einer bestimmten Richtung.
Das Erstgericht ging auf der Sachverhaltsebene davon aus, dass der „Klägerin (bzw deren Rechtsvertreter, dessen Kenntnis der Klägerin zuzurechnen ist)“, spätestens bei Verfassung der Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom auch die Schadensursache [der Beiziehung eines ungeeigneten Amtssachverständigen gleich welchen Namens] bekannt war; demgegenüber legte das Berufungsgericht diese Kenntnis der Klägerin gerade nicht zugrunde. Hat aber das Berufungsgericht ein Wissen der Klägerin (oder ihres Rechtsvertreters) darum, dass ein ungeeigneter Amtssachverständiger beigezogen worden war, auf der Tatsachenebene nicht angenommen, kann der Bund den vom Berufungsgericht – auch für den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist (RS0043814; RS0123663; RS0042903 [T10] ua), bindend – zugrunde gelegten Sachverhalt (der im vorliegenden Fall allein aus der Würdigung von Urkunden gewonnen wurde [vgl dazu 10 Ob 36/13m; RS0118509; RS0042533]) im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht erfolgreich angreifen; dies ist auch im Verfahren über den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht möglich (RS0043817 [T4]; RS0043814; RS0069246 [T1, T 2]).
2.4. Da sich der Bund im Verfahren erster Instanz auf eine Erkundigungsobliegenheit und deren Verletzung nicht berufen hat, nützt ihm auch der Verweis auf die Rechtsprechung dazu, dass der Geschädigte, der wisse, dass er, ohne selbst tätig zu werden, seinen Wissensstand über ein allfälliges Organverschulden nicht mehr erhöhen könne, auch verpflichtet sei, sachverständigen Rat einzuholen, nichts.
2.5. Zwischenergebnis ist damit, dass die Ansprüche der Klägerin vor Einbringung der Individualbeschwerde beim EGMR nicht verjährt waren.
3. Zur Unterbrechungswirkung der Antragstellung beim EGMR:
3.1. Da auch der Bund – zu Recht – gar nicht anzweifelt, dass die Klägerin mit ihrer nach dem Urteil des EGMR vom am eingebrachten Klage binnen angemessener Frist den Rechtsweg beschritten hat, ist die Klärung der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage, ob der Antragstellung bei Behörden der EMRK Unterbrechungswirkung auch bei Geltendmachung anderer als aus Art 5 Abs 5 EMRK abgeleiteter Ansprüche zukommt, von zentraler Bedeutung.
3.2. Dazu steht der Bund auf dem Standpunkt, dass eine Unterbrechungswirkung nur bei „aus der EMRK selbst abgeleiteten Ansprüchen“ eintreten könne. Die zum konventionswidrigen Freiheitsentzug ergangene Rechtsprechung lasse sich nicht analog auf eine allfällige Schädigung wegen Verfahrensverzögerung anwenden, weil nur für erstere in Art 5 Abs 5 EMRK selbst ein Anspruch vorgesehen sei. Der von ihr für diese Auffassung herangezogene und zu 1 Ob 7/95 (= SZ 68/102) entschiedene Fall ist aber mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar. Der damalige Kläger stützte sich primär auf eine als konventionswidrig beurteilte (einfachgesetzliche) Bestimmung des Invalideneinstellungsgesetzes als Ursache für seinen Entgang von Entlohnungsansprüchen. Da er wegen der konventionswidrigen Gesetzeslage seine Kündigung nicht habe anfechten können, hafte der Bund „analog zu Art 5 Abs 5 EMRK“. Nur zusätzlich bemängelte er, dass sein auf die Suspendierung bezogenes Verfahren nicht binnen angemessener Frist erledigt worden sei. Zu diesem hatte der EGMR ausgesprochen, dass Art 6 Abs 1 EMRK verletzt worden sei; zum einen, weil die von den Verwaltungsbehörden zu treffende Entscheidung über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung eines Invaliden in der Mehrheit der Fälle keiner wirksamen Überprüfung durch die Gerichte unterlegen sei, sodass kein Zugang zu Gericht, wie er in Art 6 Abs 1 EMRK verlangt werde, vorgelegen habe, zum andern aber auch, weil die bürgerlichen Rechte und Pflichten des Klägers nicht innerhalb eines zumutbaren Zeitraums festgestellt worden seien. Nur in Beantwortung der Rechtsansicht des damaligen Klägers, Art 5 Abs 5 EMRK sei, obwohl er sich [ausdrücklich] nur auf konventionswidrigen Freiheitsentzug beziehe, „im Sinne einer Gesamtanalogie“ auch „auf seinen viele Jahre dauernden Kampf ums Recht in persönlicher Freiheit zu erstrecken“, erwiderte der 1. Senat, dass sich Art 5 Abs 5 EMRK nicht auf diese Art extensiv auslegen oder durch Analogie präzisieren lasse, und verneinte einen verschuldensunabhängigen Anspruch wegen einer allfälligen Schädigung aus einer Verfahrensverzögerung. Da die Verfahrensverzögerungen in jenem Fall durch die in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs überbundenen Rechtsansichten (unter Abgehen von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage, ob die Aufhebung einer Suspendierung von der Kündigung und deren Rechwirksamkeit von der Zustimmung des Invalidenausschusses abhängt) verursacht worden waren, wurden Amtshaftungsansprüche wegen § 2 Abs 3 AHG ausgeschlossen.
3.3. Eine analoge Anwendung des Art 5 Abs 5 EMRK haben die Vorinstanzen im vorliegenden Fall nicht angenommen. Das Berufungsgericht zog die zu 1 Ob 27/90 (= SZ 63/223 = RS0034862) ergangene und eine Haftentschädigung nach Art 5 Abs 5 EMRK betreffende Entscheidung (nur) insofern als vergleichbar heran, als es die Auffassung vertrat, dass, wenn ein „Belangen“ der Republik vor dem EGMR wegen eines auf Art 5 Abs 5 EMRK gegründeten Anspruchs ausreiche, um für diesen Zeitraum den später im Inland gestellten Anspruch nicht verjähren zu lassen, dies auch für andere Ersatzansprüche gelten müsse. Dies erachtet der erkennende Senat für zutreffend, soweit der Staat beim EGMR (auch) wegen Ansprüchen belangt wird, deren Zuspruch im Rahmen eines solchen Beschwerdeverfahrens möglich ist.
3.4. § 1497 ABGB bestimmt nämlich, dass Ersitzung und Verjährung unterbrochen werden, wenn der Berechtigte seinen Gegner „belangt“. Als „Belangen“ gilt nach gefestigter Rechtsprechung nicht nur das Erheben der Klage gegen den Gegner; es kann auch auf andere Art erfolgen, etwa durch einen Privatbeteiligtenanschluss im Strafverfahren (RS0034631). Im Kern geht es bei diesem „Belangen“ – soweit es Schadenersatz betrifft – um die Frage, ob der Schädiger – im Vergleich mit dem späteren Zivilprozess – vom Berechtigten in einem zur Durchsetzung eines bestimmten Anspruchs vorgesehenen und zeitlich zuerst geführten Verfahren (6 Ob 14/01d) wegen des gleichen Vermögensnachteils in Anspruch genommen wurde (RS0041512) und dieser Vermögensnachteil (dort) ausreichend konkretisiert und individualisiert wurde (10 Ob 45/17s mwN uva). In diesem Sinne hat etwa der 6. Senat ein „Belangen“ iSd § 1497 ABGB durch die Erhebung (allein) einer Privatanklage verneint, weil darin keine Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche liegt (6 Ob 14/01d = RS0115082).
Das (verjährungsrechtliche) Gleichhalten des zuvor gesetzten Verfolgungsschritts mit der späteren Klage ist darin begründet, dass ein Geschädigter/Anspruchsberechtigter seine Ansprüche gegenüber dem Schädiger/Anspruchsverpflichteten zwar binnen gebotener Frist und in einem dazu vorgesehenen Verfahren verfolgen muss; er soll aber nicht gezwungen werden, mehrere Verfahren, die im Kern dasselbe Ziel zum Inhalt haben, führen zu müssen. Dass nicht nur der Anrufung einer nationalen Einrichtung die Wirkung der Unterbrechung zukommt, sondern auch der Antragstellung bei den Behörden der EMRK (sofern der Verletzte mit seinen dort geltend gemachten Entschädigungsansprüchen, soweit sie nicht vom EGMR zuerkannt wurden, in angemessener Frist den Rechtsweg beschreitet), wurde ebenfalls vom Höchstgericht bereits ausgesprochen (RS0034862; s auch M. Bydlinski in Rummel3§ 1497 Rz 11; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1497 Rz 66; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek4, § 1497 ABGB Rz 40; vgl im Übrigen zur Zuerkennung der Unterbrechungswirkung der bei einem nicht offenbar unzuständigen Gericht eingebrachten und wegen des Fehlens der internationalen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesenen „Auslandsklage“ [bei Anwendung österreichischen Sachrechts und Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 1497 ABGB]10 Ob 113/07a; s auch RS0045270).
3.5. Der Bund zweifelt im hier zu beurteilenden Fall ein Belangen iSd § 1497 ABGB durch die Antragstellung beim EGMR deswegen an, weil Ersatzansprüche nach Art 41 EMRK verschuldensunabhängig seien und der EGMR nach Billigkeit entscheide, während es für Amtshaftungsansprüche eines Verschuldens bedürfe. Dabei wird von ihm übersehen, dass es – soweit ein Zuspruch durch den EGMR möglich ist – um die Abdeckung desselben Schadens aus dem Sachverhalt „Verzögerung des Verfahrens“ geht. Sowohl mit der Beschwerde vor dem EGMR als auch mit der späteren Klage verfolgt(e) die Klägerin den Ersatz eines ihr (behauptetermaßen) aus der Dauer des Verwaltungsverfahrens entstandenen Vermögensnachteils. Dass für einen Erfolg für das (innerstaatliche) Verfahren nach dem AHG (zusätzlich) schuldhaftes Organverhaltens erforderlich ist, ändert nichts daran, dass – soweit wegen der Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren durch den EGMR ein Zuspruch erfolgen könnte – mit dem Begehren auf Entschädigung dafür und einem Ersatzanspruch nach dem AHG die Abdeckung desselben Schadens, verursacht durch dieselbe (konventionswidrige und behauptetermaßen auch „schlicht“ rechtswidrig und schuldhaft verursachte) Verfahrensverzögerung angestrebt wird, also ansonsten eine doppelte bzw parallele Verfolgung vorläge. Auch beim Privatbeteiligtenanschluss im Strafverfahren wird auf die Verfolgung eines Ersatzes für den durch einen bestimmten Lebenssachverhalt herbeigeführten Schaden abgestellt. Es reicht für die geforderte Individualisierung aus, dass sich ex ante ein Zusammenhang zwischen der vorgeworfenen Tat und dem geltend gemachten Anspruch ableiten lässt, während unerheblich ist, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten vorliegt oder ob es überhaupt zu einer Verurteilung kommt (1 Ob 32/18i mwN).
3.6. Der EGMR stellt Konventionsverletzungen deklaratorisch fest (Rassi in Fasching/Konecny3, § 180 ZPO Rz 78). Als mögliche Rechtsfolge einer unangemessen langen Verfahrensdauer kommt neben dieser Feststellung die Gewährung einer „gerechten Entschädigung“ in Betracht (R. Klaushofer, Grundrechtliche Organisations- und Verfahrensgarantien, in Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hrsg] Handbuch der Grundrechte VII/1, Grundrechte in Österreich § 18 Rz 78; Grabenwarter/Pabel EMRK6§ 15 Rz 7). Auch juristische Personen des Privatrechts wie die Klägerin sind parteifähig (Peukert in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar3, Art 34 Rz 12, 18) und können „Opfer“ einer Konventionsverletzung und damit zur Erhebung der Individualbeschwerde berechtigt sein (Meyer-Ladewig/Harrendorf/König in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK Handkommentar4, Art 34 Rz 18, 29; Grabenwarter/Pabel aaO)., wovon der EGMR ersichtlich auch im Fall der Klägerin ausgegangen ist. Erfolgreichen Beschwerdeführern spricht der EGMR – nach Billigkeit und nur wenn dies beantragt wurde (Grabenwarter/Pabel aaO Rz 1 ff) – eine „gerechte Entschädigung zu, wenn dies erforderlich ist“ (Art 41 EMRK). Diese Entschädigung – die keinen Strafcharakter hat (Meyer-Ladewig/Brunozzi in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK Handkommentar4, Art 41 Rz 4; Grabenwarter/Pabel aaO Rz 7) – kann zum einen Ersatz für (materiellen oder immateriellen) Schaden und zum anderen Ersatz für Kosten und Ausgaben im Verfahren umfassen (Grabenwarter/Pabel aaO). Regelmäßig prüft der Gerichtshof die Frage einer gerechten Entschädigung auch dann, wenn nach innerstaatlichem Recht eine Entschädigung möglich ist (Meyer-Ladewig/Brunozzi aaO Rz 5 f). Dass nach innerstaatlichem Recht ein Entschädigungsanspruch gegeben ist, schließt also die Anwendung des Art 41 EMRK im Anschluss an die Feststellung einer Konventionsverletzung nicht aus (Peukert aaO Art 41 Rz 3). Wird eine Konventionsverletzung (die jedenfalls Voraussetzung für die Zuerkennung einer Entschädigung ist) festgestellt, kann der EGMR eine gerechte Entschädigung für materiellen und immateriellen Schaden sowie Ersatz für Verfahrenskosten zubilligen, wenn die – nach innerstaatlichem Recht an sich mögliche „völlige Wiedergutmachung“ (restitutio in integrum) – bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch nach Art 41 EMRK nicht erfolgt ist (Peukert aaO; Meyer-Ladewig/Brunozzi aaO). Zum materiellen Schaden zählt der EGMR alle Vermögenseinbußen, die durch die Konventionsverletzung verursacht wurden, wie etwa auch bisherigen und künftigen Erwerbs- und Nutzungsausfall, den Verlust einer „realen Möglichkeit“ oder (insbesondere bei überlanger Verfahrensdauer) Zins- und Inflationsverluste (Peukert aaO Rz 9). Dabei hat der Beschwerdeführer nachzuweisen, dass ein Schaden eindeutig durch die festgestellte Konventionsverletzung entstanden ist. Meyer-Ladewig/Brunozzi (aaO Rz 10, 13 und 16) weisen im Zusammenhang mit überlanger Dauer des Verfahrens auf die Schwierigkeit dieses Nachweises (für den Ersatz des materiellen Schadens) hin, weil der ursächliche Zusammenhang vom EGMR häufig wegen eines fehlenden „klaren“, „direkten“ oder wegen eines „nicht hinreichenden“ Kausalzusammenhangs abgelehnt werde, während er regelmäßig einen mit der Überlänge in „hinreichendem Zusammenhang“ stehenden immateriellen Schaden bejahe. Auch wenn es der EGMR in manchen Fällen bei der Feststellung der Konventionsverletzung belässt (wenn seiner Ansicht nach diese Feststellung [der Konventionsverletzung] als Entschädigung ausreicht [Meyer-Ladewig/Brunozzi aaO Art 6 Rz 210, Art 41 Rz 26]), erkennt er immer wieder Entschädigungen für Verzögerungsschäden wegen überlanger Verfahrensdauer zu (Grabenwarter/Pabel aaO Rz 7), und zwar nicht nur (wenn auch häufiger) Entschädigung für immateriellen Schaden (vgl nur , Romaniak gegen Polen, 53284/99; , Hall gegen Österreich, 5455/06; , Emel Boyraz gegen Türkei, 61960/08 sowie etwa auch im vorliegenden Fall ua), sondern auch für materiellen Schaden (, Probstmeier gegen Deutschland, 125/1996/744/943, EuGRZ 1997, 405 = NJW 1997, 2809; , Pammel gegen Deutschland = 48/1996/667/853 = EuGRZ 1997, 310 = ÖJZ 1998/19 [MRK]; Ersatz des geschätzten Schadens wegen „entgangener realer Möglichkeiten“ und im Ergebnis offenbleibend, ob nur immaterieller oder auch materieller Schaden zuerkannt wurde: , König gegen Deutschland, 6232/73 = EGMR-E 1, 311 = NJW 1979, 477). Ebenso wie etwa das Strafgericht bei Verweisung auf den Zivilrechtsweg entscheidet also auch der EGMR letztlich nicht in jedem Fall über die vom Verletzten geltend gemachten Entschädigungsansprüche inhaltlich und kann es beim Ausspruch einer Konventionsverletzung bewenden lassen oder sich darauf beschränken, dem Verletzten bloß einen Teil der geltend gemachten Entschädigung zuzusprechen (so schon 1 Ob 27/90).
3.7. Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass aufgrund der behaupteten (und dann später auch festgestellten) Konventionsverletzung ein Zuspruch der von der Klägerin mit ihrer Beschwerde geltend gemachten materiellen Schäden (bei Nachweis ihrer Verursachung) möglich war, was der Bund auch gar nicht bezweifelt. Die Klägerin hat folglich mit ihrer an den EGMR gerichteten Beschwerde ein Verfahren angestrengt, das (wie auch das innerstaatliche Verfahren über ihre Klage) dafür geeignet ist, Ersatz von Verzögerungsschäden zuzuerkennen.
3.8. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in Ansehung von Entschädigungsansprüchen, die ein (späterer) Kläger zuvor mit einer an den EGMR gerichteten Beschwerde, in der die Ansprüche individualisiert worden sind, geltend gemacht hat, die Antragstellung vor dem EGMR ein „Belangen“ iSd § 1497 ABGB darstellt und die Verjährungsfrist unterbrochen wird, wenn ihm vom EGMR gemäß Art 41 EMRK eine Entschädigung zugesprochen hätte werden können und er seine Entschädigungsansprüche (soweit sie ihm nicht oder nur teilweise zuerkannt wurden) binnen angemessener Frist mit Klage weiterverfolgt.
Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass allfällige Ersatzansprüche soweit nicht verjährt sind, als die Klägerin das Begehren (auch der Höhe nach) ausreichend konkretisiert und individualisiert bereits im Verfahren vor dem EGMR geltend gemacht hat.
4. Zur Fristverlängerung durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Säumnisbeschwerde:
Zuletzt sei auf die Argumentation des Bundes eingegangen, es folge aus den vom Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Säumnisbeschwerden der Klägerin gewährten Fristverlängerungen, dass eine rechtswidrige Verzögerung ausgeschlossen sei, (und daher die Klage schon jetzt abzuweisen sei) weil die Berufungsbehörde in beiden Säumnisbeschwerdeverfahren habe nachweisen können, dass in der Sache gelegene Gründe vorgelegen seien, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich gemacht hätten. Der Bund berücksichtigt dabei allerdings nicht, dass der Verwaltungsgerichthof bei Beurteilung einer Fristverlängerung für die Erlassung des nach § 36 Abs 2 VwGG (in der vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I 2013/33, anzuwendenden Fassung) infolge nachgeholten Bescheids (vgl VwSlg 5111 F/1977; zuletzt Ro 2017/03/0019) – wie bei jeder Entscheidung – auf die Verfahrenslage (und Rechtslage) im Zeitpunkt seiner Entscheidung (hier: einer Prognoseentscheidung) abzustellen hatte. Dass der Berufungsbehörde zu diesem Zeitpunkt das Erlassen der Entscheidung nicht (binnen der ursprünglich nach § 36 Abs 2 VwGG aF aufgetragenen Frist) möglich ist, könnte eine bereits davor eingetretene rechtswidrige und schuldhafte Säumnis nicht mehr beseitigen. Voraussetzung für die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs mit Säumnisbeschwerde nach Art 132 B-VG (BGBl 1930/1 in der damals anzuwendenden Fassung BGBl 1988/685) war nur, dass – soweit für den vorliegenden Fall von Interesse – die oberste im Instanzenzug (hier durch Berufung) angerufene Behörde im Verwaltungsverfahren nach § 27 Abs 1 VwGG (BGBl Nr 10/1985 idF BGBl I 1998/158 [erstes Säumnisbeschwerdeverfahren und BGBl I 2008/4 [zweites Säumnisbeschwerdeverfahren]) nicht binnen sechs Monaten entschieden hatte. Anders als für die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nach § 73 Abs 2 AVG war es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ohne Belang, ob die Verzögerung auf ein Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen war oder das Verhalten des Beschwerdeführers die Erlassung des versäumten Bescheids unmöglich gemacht hat (VwGH 2002/11/0133 mwN); umgekehrt war aber Voraussetzung für die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs eine – aus welchen Gründen auch immer – eingetretene Säumnis nach § 27 VwGG. Ob ein Verschulden der Behörde an dieser (bis dahin) unterbliebenen Bescheiderlassung vorlag oder nicht, war damit vom Verwaltungsgerichtshof keiner Prüfung zu unterziehen. Der Ablauf des Vorverfahrens war vielmehr im Gesetz (starr) vorgegeben. Der Behörde war vom Berichter – nach Prüfung des Vorliegens der Säumnis nach § 27 VwGG – freizustellen, anstelle der Einbringung einer Gegenschrift (in der die Behörde anzugeben gehabt hätte, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorlag) den Bescheid innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten zu erlassen (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit 150 f). Bei Verlängerung dieser Frist (die der Bund hier anspricht) war– wiederum – nur auf die im Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Fristverlängerungsantrag gegebenen Umstände Bedacht zu nehmen. Hätte nun aber die im Zeitpunkt der Fristerstreckung während des Säumnisbeschwerdeverfahrens noch bestehende Anhängigkeit des Verfahrens über die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung (mit all ihren noch zu prüfenden Konsequenzen) ihre Ursache in einer schon zuvor eingetretenen (rechtswidrigen und schuldhaften) Säumnis der Berufungsbehörde gehabt, machte dieser Umstand den Bund für die daraus entspringenden Folgen haftbar. Auch dann, wenn die Bescheiderlassung in dem vom Verwaltungsgerichthof einer Prüfung zu unterziehenden Zeitpunkt über eine Verlängerung der Frist nach § 36 Abs 2 VwGG aF nicht binnen der ursprünglich aufgetragenen Frist möglich gewesen sein sollte (etwa wegen einer notwendigen Erweiterung der Entscheidungsgrundlage oder der Wahrung des rechtlichen Gehörs zu deren Ergebnissen) und es allenfalls nach anfänglichen Verzögerungen später im Verfahren zu keinen weiteren gekommen sein möge, könnte auch eine Fristerstreckung eine durch rechtswidrige und schuldhafte Verzögerungen davor verursachte unangemessen lange Dauer und die daraus entspringenden Schäden nicht (mehr) beseitigen. Eine Haftung für die Folgen einer rechtswidrigen und schuldhaften Unterlassung (was hier erst zu prüfen ist) wäre (wegen fehlender Kausalität) nur insoweit zu verneinen, als der Nachteil, auf dessen Ersatz der Bund in Anspruch genommen wird, auch bei pflichtgemäßem positiven Tun (durch eine von Anfang an gebotene rasche Verfahrensführung bei Unterlassung von unvertretbaren Verfahrensfehlern) eingetreten wäre (siehe dazu 1 Ob 129/17b mwN).
5. Zum behaupteten Verfahrensmangel:
Der vom Bund behauptete Verstoß gegen § 496 ZPO, der darin liegen soll, dass durch die Aufhebung des Ersturteils (und Zurückverweisung) der Klägerin angeblich in unzulässiger Weise die Gelegenheit gegeben werde, Vorbringen nachzuholen, das sie längst hätte erstatten müssen, liegt nicht vor. Er macht mit seiner Formulierung „hätte klar sein müssen“ (dass ein Vorbringen, welche Ansprüche der Höhe nach zu welcher Position vor dem EGMR geltend gemacht wurden, fehlte) ohnehin selbst deutlich, dass eine Erörterung bisher nicht stattgefunden hat. Erstmals das Berufungsgericht thematisierte, dass es auf die konkret vor dem EGMR geltend gemachte Höhe der einzelnen Teilbegehren ankommt. Die Aufhebung zur Darlegung dieser erst von ihm als erheblich angesehenen Umstände war wegen der Pflicht, Überraschungsentscheidungen – vor allem im Stadium des Berufungsverfahrens – zu vermeiden (RS0037300 [T38]) angezeigt.
6. Die vom Berufungsgericht angeordnete Zurückverweisung in die erste Instanz zur Erörterung und Klärung der Übereinstimmung der vor dem EGMR verfolgten Positionen mit den nun geltend gemachten Ansprüchen erweist sich damit als richtig. Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.
7. Der Kostenvorbehalt für das Rekursverfahren beruht auf § 52 ZPO. Das Rechtsmittel des Beklagten hat zur Klarstellung der Rechtslage beigetragen (RS0035976; RS0036035).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00085.19K.0829.000 |
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