OGH vom 27.05.2020, 7Ob65/20i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch die Dr. Gerhard Horak Mag. Andreas Stolz Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, und deren Nebenintervenientin H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alma Steger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B***** A.S., *****, vertreten durch Mag. Jürgen Zahradnik, Rechtsanwalt in Lambach, wegen 43.163 EUR sA, über den (Revisions)Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 126/19w48, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 58 Cg 9/19p41, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der (Revisions-)Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und der Nebenintervenientin die mit jeweils 2.216,16 EUR (darin jeweils 369,36 EUR USt) bestimmten Kosten der (Revisions-)Rekursbeantwortungen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei. Zur Frage, ob ein Beweisantrag, der in einer gemäß § 412 ZPO neu durchgeführten Verhandlung in Reaktion auf eine in dieser Tagsatzung ebenfalls erfolgte Erörterung der Beweislastverteilung gestellt werde, wegen grob schuldhafter Verspätung gemäß § 179, 275 Abs 2 ZPO zurückgewiesen werden dürfe, bestehe keine oberstgerichtliche Rechtsprechung. Ebenso wenig sei höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorzufinden, ob die verschließbare Hecktüre eines Sattelaufliegers zumindest auch teilweise der Sicherung des Ladeguts dient und damit eine nicht ordnungsgemäß geschlossene Hecktüre oder ein Mangel des Verschließmechanismus einen Umstand darstelle, der mit dem Transportgeschehen im Zusammenhang stehe und erfahrungsgemäß geeignet sei, sich schädigend auszuwirken.
Rechtliche Beurteilung
Der (Revisions-)Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage wird weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel aufgezeigt:
1.1. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 179 ZPO als gegeben angesehen werden können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0036739 [T1]), sodass sich eine erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nicht stellt.
1.2. Ein Vorgehen des Prozessgerichts im Sinn des § 179 Abs 1 ZPO darf nur dann erfolgen, wenn das neue (verspätete) Vorbringen (Beweisanbot) insbesondere im Hinblick auf die Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens (§ 182a ZPO), grob schuldhaft nicht früher vorgebracht wurde und seine Zulassung die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde. Die Präklusion des Vorbringens iSd § 179 ZPO greift – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – erst nach der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens der Parteien in der vorbereitenden Tagsatzung (vgl RS0119743).
1.3. Das Erstgericht hat nach Richterwechsel erstmals die Beweislastverteilung eingehend erörtert. Bei einem daraufhin – von der Klägerin – gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ist das Streben nach einer Verfahrensverzögerung üblicherweise nicht anzunehmen (vgl 6 Ob 168/17z). Überdies ist zweifelhaft, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens vor den erst bei der betreffenden Tagsatzung erfolgten Partei- und Zeugeneinvernahmen überhaupt sinnvoll gewesen wäre, sodass auch die Eignung dieses Beweisantrags zur Verfahrensverzögerung nicht auf der Hand liegt. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen die Zurückweisung des Beweisantrags nach § 179 ZPO für nicht zulässig erachtete, dann bedarf diese Beurteilung im vorliegenden Einzelfall keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.
2.1. Die Beklagte führte den eingetretenen Schaden auf die fehlerhafte Verladung zurück. Es ist anerkannt, dass der Haftungsbefreiungsgrund des Art 17 Abs 4 lit c CMR nicht nur Schäden betrifft, die beim Verladen selbst entstehen, sondern auch solche, die als Folge mangelhafter Verladung oder Stauung später während der Beförderung eintreten. Der Verfügungsberechtigte kann dagegen beweisen, dass nicht ein Verladefehler, sondern etwa ein Fahrzeugmangel schadensursächlich war (1 Ob 663/87 mwN).
2.2. Der Begriff des Fahrzeugmangels im Sinn des Art 17 CMR ist weit auszulegen (3 Ob 2006/96p). Die Klägerin hat ein mangelhaftes Verschließen oder ein technisches Gebrechen der Ladetür des Sattelaufliegers und damit einen solchen Fahrzeugmangel behauptet. Dessen rechtliche Relevanz folgt schon aus der insoweit eindeutigen Rechtslage (Art 17 Abs 3, Abs 4 lit c und Abs 5 CMR), sodass sich in diesem Punkt keine erhebliche Rechtsfrage stellt (vgl RS0042656). Ob ein solcher Fahrzeugmangel mit dem Transportgeschehen im Zusammenhang stand und sich schädigend auszuwirken konnte, ist nicht Rechts-, sondern – nicht vom Obersten Gerichtshof zu klärende – Tatfrage.
3.1. Die Beklagte macht insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Das Rechtsmittel ist daher nicht zulässig und zurückzuweisen.
3.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 50 ZPO. Die Klägerin und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00065.20I.0527.000 |
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