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OGH vom 10.06.2008, 4Ob75/08w

OGH vom 10.06.2008, 4Ob75/08w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Sophie K*****, vertreten durch Dr. Günter Niebauer und Dr. Karl Schaumüller, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Prim. Dr. Gunter S*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen 20.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 25.000 EUR), infolge Rekurses der klagenden Partei (Rekursinteresse 35.000 EUR) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 202/07i-74, mit dem das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 6 Cg 56/04x-66, im Umfang der Anfechtung aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, hat die Mutter der Klägerin während ihrer Schwangerschaft mit der Klägerin betreut und am in der 37. Schwangerschaftswoche die Entbindung mittels einer lege artis vorgenommenen sectio durchgeführt.

Die seit ihrer Geburt behinderte Klägerin begehrte 20.000 EUR sA Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen Folgen aus dem Geburtsvorgang vom und den vorangegangenen Behandlungen. Dem Beklagten sei die Vorerkrankung ihrer Mutter, eine chronische Niereninsuffizienz, bekannt gewesen. Es habe sich um eine Risikoschwangerschaft gehandelt. Ungeachtet des Verdachts auf beginnende Gestose bei der Mutter der Klägerin habe der Beklagte keine hinreichenden Kontrollen und nur mangelhafte Ultraschallmessungen durchgeführt. Ursache der Behinderung der Klägerin sei eine verspätete Entbindung durch den Beklagten. Spät- und Dauerfolgen seien eingetreten.

Der Beklagte wendete ein, die behaupteten Leidenszustände der Klägerin stünden in keinem Zusammenhang mit seiner Behandlung. Er habe alle medizinisch erforderlichen Kontrollen mängelfrei durchgeführt. Es habe sich um eine Risikoschwangerschaft gehandelt. Da er am eine gute Entwicklung des Kindes festgestellt habe, habe er der Mutter empfohlen, in drei Wochen unter folgender Auflage wieder zu kommen: „Zwei Mal wöchentlich medizinische Untersuchung durch den Internisten oder den Hausarzt, zwei Mal wöchentlich Kontrolle Bluthochdruck und klinische Kontrolle sowie Labor, alle Werte insbesondere Nierenfunktion“. Er habe der Mutter auch mitgeteilt, bei persönlichen Beschwerden welcher Art auch immer möge sie ihn sofort aufsuchen. Dies habe die Mutter bis zum nicht getan. An diesem Tag sei die Mutter in einem völlig auffälligen Zustand, klinisch dekompensiert, bei ihm erschienen. Nach sofortiger Aufnahme in das Krankenhaus sei eine Notsectio durchgeführt worden. Eine Schädigung der Klägerin alleine durch das fehlende Wachstum, hervorgerufen durch eine Plazentainsuffizienz, sei unwahrscheinlich.

Das Erstgericht sprach mit Teil- und Zwischenurteil aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe und gab dem Feststellungsbegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:

Zu Beginn der Schwangerschaft wog die Mutter der Klägerin circa 50 kg. Sie litt an einer chronischen Niereninsuffizienz und hatte „grenzwertige Blutdruckwerte“. Aufgrund dieser Parameter handelte es sich um eine Risikoschwangerschaft, was ihr von Beginn an bekannt war. Als Geburtstermin wurde der berechnet. Während der Schwangerschaft und auch bereits vorher wurde die Mutter der Klägerin vom Beklagten ärztlich betreut. Die im Hinblick auf das bestehende Risiko vom Beklagten angesetzten vierwöchigen Kontrolltermine hielt die Mutter der Klägerin ein, ohne einen Termin zu verpassen. Eine vom Beklagten am (34. Schwangerschaftswoche) durchgeführte Untersuchung ergab, dass die Mutter 18 kg zugenommen hatte und deren Blutdruck deutlich erhöht (146/96) war; Albuminurie und Ödemneigung waren hoch. Nach einer Ultraschalluntersuchung stellte der Beklagte aufgrund des Zurückbleibens des Kindeswachstums die Diagnose einer beginnenden Gestose und einer Wachstumsretardierung. Er vereinbarte mit der Mutter der Klägerin den nächsten Kontrolltermin für den und ordnete die Durchführung internistischer Kontrollen sowie von Laborkontrollen bis dahin an. Nach einer internistischen Kontrolle und Laborkontrolle der Mutter der Klägerin am fand eine weitere Kontrolluntersuchung beim Beklagten am (37. Schwangerschaftswoche) statt. Dabei ergab sich, dass die Mutter 19 kg an Gewicht zugenommen hatte und der Blutdruck stark erhöht war (153/93). Es bestand weiterhin eine starke Ödemneigung und eine ausgeprägte Albuminurie. Das Kind war seit der 34. Schwangerschaftswoche nicht mehr gewachsen. Der Beklagte ließ daraufhin die Mutter der Klägerin mit der Diagnose „Plazentainsuffizienz, Retardierung und Fruchtwasserreduktion“ in stationäre Behandlung aufnehmen und führte noch am selben Tag einen Kaiserschnitt durch, der lege artis erfolgte.

Bereits am lag bei der Mutter der Klägerin eine chronische Niereninsuffizienz „mit kindlicher Retardierung“ vor. Dabei kommt es zu einer sich langsam entwickelnden Minderfunktion des Mutterkuchens, die mit einer Minderdurchblutung des Kindes verbunden ist und zu dessen Minderversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen führt. Dies bewirkt eine Verminderung des Wachstums des Kindes insgesamt, aber auch eine Verminderung des Wachstums der einzelnen Organe. Bei der Mutter der Klägerin war die Entwicklung eines derartigen Zustands von vornherein aufgrund der bekannten Nierenfunktionsstörung sehr wahrscheinlich. Die Problematik einer solchen, sich langsam entwickelnden Plazentafunktionsstörung beginnt etwa ab der 28. bis 30. Schwangerschaftswoche. Der Geburtshelfer muss sich dann bemühen, einerseits die Reifung des Kindes weitgehend zu ermöglichen und so eine zusätzliche Schädigung des ohnehin schon wegen der verminderten Plazentafunktion vorgeschädigten Fetus durch eine Frühgeburt im Wege einer Entbindung möglichst erst nach der 34. Schwangerschaftswoche zu vermeiden; andererseits hat er auch die bereits vor der 34. Schwangerschaftswoche bestehende geringe uterine Versorgung des Fetus und - daraus resultierend - die Möglichkeit einer Schädigung des Kindes aufgrund dieser Unterversorgung zu berücksichtigen. Aus medizinischer Sicht hätte der Beklagte bei der Untersuchung am geburtshilfliche Kontrollen und Ultraschalluntersuchungen in Abständen von maximal zehn Tagen anordnen müssen. Die Maßnahmen hätten auch kardiotokographische Untersuchungen und Doppler-Ultraschall-Untersuchungen umfassen müssen. In diesem Fall wäre es aufgrund der dann vorliegenden Untersuchungsergebnisse vermutlich schon früher zur operativen Entbindung gekommen. Vorteilhaft wäre zudem die Herbeiführung einer Lungenreifung ab der 30./31. Schwangerschaftswoche gewesen, um für den Fall eines Akuteingreifens, mit dem jederzeit gerechnet werden musste, eine Verbesserung der Ausgangssituation herbeizuführen. Die sectio am erfolgte verspätet. Bei Entbindung in der 34. Schwangerschaftswoche oder - bei entsprechender Indikation nach Durchführung kurzfristiger Kontrolluntersuchungen - davor wäre die schwere fetale Retardierung und Schädigung der Klägerin mit großer Wahrscheinlichkeit in geringerem Ausmaß eingetreten. Die Geburt eines gesunden Kindes bei einer Entbindung vor der 37. Schwangerschaftswoche ist aber sehr unwahrscheinlich.

Seit ihrer Geburt leidet die Klägerin an einer kombinierten Diparese mit Hemiparese rechts. Sie ist seit ihrem 3. Lebensmonat in physiotherapeutischer Behandlung und konnte am noch nicht bzw nur mit einem Rollator gehen. Sie hat beiderseits einen Spitzfuß. Klinisch-neurologisch besteht rechts eine deutliche Paraplegie, an beiden oberen Extremitäten eine spastische Parese. Die Klägerin verkrampft sich bei Bewegungen, sie hat seit ihrer Geburt Stuhlprobleme. Es findet sich eine massive Eiweißverminderung im Blut, eine nicht ausreichende Sauerstoffsättigung und eine Einschränkung der Nierenfunktion. Die Klägerin ist in der Erscheinungsform einer massiven Spastizität neurologisch erheblich geschädigt. Dieser Zustand ist auf eine Schädigung des Zentralnervensystems zurückzuführen, das sowohl intrauterin als auch postpartal durch verschiedene Einflüsse in Mitleidenschaft gezogen wurde. Zukünftige, derzeit nicht absehbare Folgen aus der mangelhaften ärztlichen Betreuung können nicht ausgeschlossen werden. Der Zustand der Klägerin ist aus medizinischer Sicht als schwer krank zu bezeichnen.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass der Beklagte aufgrund des Behandlungsvertrags auch gegenüber der Klägerin verpflichtet gewesen sei, die geburtshilfliche Begleitung der Mutter lege artis vorzunehmen. Diese Verpflichtung habe der Kläger dadurch verletzt, dass die sectio aufgrund der zu weitmaschigen Kontrollen verspätet vorgenommen worden sei, was ihm als Verschulden anzulasten sei. Er hafte daher der Klägerin für alle aus diesem Fehlverhalten verursachten Schäden, weshalb dem Feststellungsbegehren in vollem Umfang und dem Leistungsbegehren jedenfalls dem Grunde nach stattzugeben sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil in seinem angefochtenen Teil (soweit das Zahlungsbegehren mit mehr als 10.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt und dem Feststellungsbegehren stattgegeben wurde) auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach „allfälliger“ Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof (OGH) zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei Zusammentreffen von schuldhaftem Verhalten und vom Geschädigten zu vertretendem Zufall als Ursachen für den Gesamtschaden infolge „summierter Einwirkungen“ eine Schadensteilung nach den Grundsätzen der §§ 1302, 1304 ABGB vorzunehmen sei. Einerseits habe die Klägerin den Beweis für das Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers erbracht, andererseits stehe aber auch fest, dass die Geburt eines gesunden Kindes selbst bei einer Entbindung vor der 37. Schwangerschaftswoche sehr unwahrscheinlich gewesen wäre, womit der Beklagte bewiesen habe, dass sein Behandlungsfehler die nachteiligen Folgen - den Geburtsschaden der Klägerin - nicht allein verursacht habe. In Fällen alternativer Kausalität, zu welchen auch die Konkurrenz zwischen einem schuldhaften Verhalten einerseits und einem sich in der Person des Geschädigten ereignenden Zufall, den dieser gemäß § 1311 Satz 1 ABGB zu tragen habe, andererseits zählten, vertrete der OGH in seiner jüngeren Rechtsprechung, dass das aus § 1302 ABGB ableitbare Prinzip der Anerkennung möglicher Verursachung als Zurechnungselement und der aus § 1304 ABGB gewonnene Grundgedanke der Schadensteilung anzuwenden seien. Der OGH habe auch schon wiederholt ausgesprochen, dass ein Schaden beim Zusammentreffen schuldhaften Handelns des Schädigers mit vom Geschädigten zu vertretenden Umständen (Zufallsereignisse und sonst in den Bereich des Geschädigten fallende Ereignisse) als Schadensursachen gemäß § 1304 ABGB zu teilen sei. In entsprechender Anwendung des Kerngedankens dieser Bestimmung sei der Schädiger mit jenem Schadensteil zu belasten, der seinem Verursachungsanteil entspreche. Ließen sich die Verursachungsanteile nicht festsetzen, so hätten den Schaden mehrere mögliche Verursacher nach § 1304 ABGB zu gleichen Teilen zu tragen. Im Anlassfall liege keine alternative Kausalität vor, weil feststehe, dass beide maßgebenden Ursachen (die Schädigung der Klägerin während der Schwangerschaft aufgrund der schweren Nierenerkrankung ihrer Mutter und die zu spät durchgeführte sectio) in ihrem Zusammenwirken kausal für den letztlich eingetretenen Gesamtschaden gewesen seien; im Schrifttum werde in diesem Kontext von „summierten Einwirkungen“ gesprochen. Eine unmittelbare Anwendung der §§ 1302, 1304 ABGB komme nicht in Betracht, weil weder eine Mehrheit von möglichen Schädigern, noch ein „Mitverschulden“ der Klägerin vorlägen. Auch im vorliegenden Fall summierter Einwirkungen sei der aus § 1304 ABGB gewonnene Grundgedanke des Prinzips der Schadensteilung entsprechend anzuwenden, wäre es doch unbillig, den Schädiger, der den Gesamtschaden nicht allein verursacht habe, zum vollen Ersatz zu verpflichten. Der Beklagte sei deshalb nur mit jenem Schadensteil zu belasten, der seinem Verursachungsanteil entspreche; lasse sich der Verursachungsanteil nicht feststellen, so sei der Schaden von Schädiger und Geschädigtem zu gleichen Teilen zu tragen. Da das Erstgericht keine (Negativ-)Feststellung zu den Verursachungsanteilen getroffen habe, sei eine abschließende rechtliche Beurteilung noch nicht möglich. Die Klägerin werde das Feststellungsbegehren überdies im fortgesetzten Verfahren dahingehend zu präzisieren haben, dass es sich nur auf die Verspätung des Geburtsvorgangs, nicht dagegen auch auf dessen Durchführung selbst beziehe. Das folge aus dem bisherigen erstgerichtlichen Vorbringen; Fehler beim Geburtsvorgang selbst habe die Klägerin nicht behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zur Fortentwicklung des Arzthaftungsrechts zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, eine schadensbegünstigende Konstitutionsschwäche des Geschädigten könne den Schädiger -ausgenommen im hier nicht gegebenen Fall inadäquater Folgen seines schuldhaften Verhaltens - nicht teilweise entlasten. Der Beklagte müsse sich die präexistierende Konstitution der Klägerin mangels einer schuldhaften Einwirkung der Klägerin auf den eingetretenen Schaden zur Gänze zurechnen lassen.

1.1. Bei alternativer Kausalität kommen Handlungen oder Unterlassungen mehrerer Personen, die je für sich als voller Haftungsgrund geeignet sind, als Schadensursache in Frage, ohne dass feststellbar ist, wer der (alleinige) Täter war (F. Bydlinski, Haftungsgrund und Zufall als alternativ mögliche Schadensursachen, in Enzinger/Hügel/Dillenz [Hrsg], Aktuelle Probleme des Unternehmensrechts, FS Frotz [1993], 3 ff; Koziol/Welser II13 334). In diesem Fall kommt es analog § 1302 ABGB zur Solidarhaftung aller Beteiligten, obwohl man weiß, dass nur einer von ihnen den Schaden verursacht hat (hM; Nachweise bei Koziol/Welser aaO); für alle herrscht „Kausalitätsverdacht“, der dazu führt, dass auch jene Beteiligten für den Schaden einzustehen haben, die ihn nicht verursacht haben (vgl Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 3/56).

1.2. Trifft bei alternativer Kausalität ein haftbar machendes Ereignis mit einem Zufall zusammen, so führt dies nach Teilen des Schrifttums zu einer Haftung des neben einem Zufall alternativ kausalen Schädigers, wenn dieser durch einen erheblichen Kausalitätsverdacht und grobes Verschulden belastet wird; der starke Kausalitätsverdacht bildet zusammen mit dem schweren Verschulden einen gewichtigen Haftungsgrund. Entsprechend dem Grundgedanken des § 1304 ABGB hat es nach dieser Ansicht jedoch zu einer Schadensteilung zwischen dem verantwortlichen Täter und dem Geschädigten zu kommen (F.Bydlinski aaO; ders, Haftung bei alternativer Kausalität, JBl 1959, 1 ff; Koziol aaO Rz 3/57).

1.3. Können mehrere Ereignisse (Ursachen) für sich genommen den Schaden nicht allein, sondern nur durch ihr Zusammenwirken herbeiführen, spricht man von summierten Einwirkungen (Koziol aaO Rz 3/84; 1 Ob 175/01v; LG St. Pölten RIS-Justiz RSP0000052).

1.4. Die besonderen Verursachungsprobleme summierter Einwirkungen bei einer Mehrheit von Schädigern wurden im Schrifttum bisher insbesondere im Zusammenhang mit der nachbarrechtlichen Haftung bei summierten Immissionen diskutiert (Nachweise bei Koziol aaO Rz 3/84).

Der OGH (3 Ob 591/87 = SZ 61/273 = JBl 1989, 578; RIS-Justiz RS0010538) hat dazu die Auffassung vertreten, dass von mehreren Schädigern emittierte Schadstoffe, die je für sich allein noch nicht die eingetretene Schädigung eines Dritten bewirkt hätten, jedoch in ihrem Zusammenwirken zu einem bestimmten Gesamtschaden führten, in sinngemäßer Anwendung des § 1302 ABGB eine solidarische Haftung aller Verursacher für diesen Schaden auslösen, weil jeder von ihnen eine conditio sine qua non für den Gesamtschaden gesetzt hat.

Für den Fall einer linearen Schadenssteigerung, bei der die Schadensbeiträge der mehreren, unabhängig agierenden Schädiger einander nicht beeinflussen, sondern sich addieren, wird im Schrifttum vertreten, dass jeder der Täter gemäß § 1302 ABGB nur für den verursachten Anteil haftet (Koziol aaO Rz 3/86 mwN).

2.1. Hier steht fest, dass der schadensstiftende körperliche Zustand der Klägerin auf das Zusammenwirken von zwei Ursachen zurückzuführen ist, nämlich den - im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittigen - haftungsauslösenden Behandlungsfehler des Beklagten einerseits und einen von der Klägerin gemäß § 1311 ABGB zu vertretenden Zufall (ihre intrauterine Vorschädigung) andererseits, wobei beide Ursachen den Gesamtschaden in seiner konkreten Gestalt nicht jeweils selbstständig herbeigeführt hätten, dieser Schaden ist vielmehr eine Folge additiv wirkender Ursachen.

Es liegt deshalb - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - kein Fall alternativer Kausalität vor (ebenso im Ergebnis bei ähnlicher Problemstellung 7 Ob 648/89 = EvBl 1990/74 = JBl 1990, 524 [abl Holzer]), sondern ein solcher summierter Einwirkungen, bei denen ein ärztlicher Behandlungsfehler des Beklagten auf eine intrauterine Vorschädigung der Klägerin traf.

2.2. Es handelt sich ferner nicht um einen sogenannten „Anlagefall“, wenn also im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bereits eine dem Geschädigten innewohnende (konstitutionelle) Schadensanlage bestand, die später zum gleichen Schaden geführt hätte, oder eine durch den Schädiger unmittelbar herbeigeführte Verletzung (erst) zusammen mit einer besonderen Veranlagung des Geschädigten für die Schwere der Verletzungsfolgen bestimmend war. Diese Fälle sind unter dem Gesichtspunkt der Adäquanz zu beurteilen und werden in Lehre und ständiger Rechtsprechung dahin gelöst, dass der Schädiger selbst dann, wenn zwei Umstände nur zusammen die Schwere des Verletzungserfolgs bedingen, für den gesamten Schadenserfolg verantwortlich ist (RIS-Justiz RS0022684, RS0022746, RS0022600).

3.1. Voraussetzung jeder Schadenszurechnung ist die Verursachung des Schadens durch den Schädiger (Karner in KBB² § 1295 Rz 3). Der natürliche Kausalzusammenhang zwischen der Handlung des Schädigers und dem Schadenserfolg muss erwiesen sein (vgl zum Arzthaftungsrecht: 2 Ob 544/85 = JBl 1986, 576 [Deutsch]; Giesen, Arzthaftungsrecht4 Rz 181).

3.2. Geiß/Greiner (Arzthaftpflichtrecht5 143) weisen zutreffend darauf hin, dass ein Patient in der Regel bereits erkrankt ist, wenn er einen Arzt einschaltet. Dieses Krankheitsrisiko wird nicht durch die Übernahme der Behandlung zum Risiko des Arztes. Soweit Schäden aus der Grunderkrankung herrühren, hat sie der Patient zu tragen. Nur soweit die fehlerhafte Behandlung zu (weiteren) Schäden führt, haftet der Arzt (ähnlich Giesen aaO Rz 192).

Frahm/Nixdorf (Arzthaftungsrecht³ 93) rechnen einem Arzt bei bloßer Mitursächlichkeit für einen Schaden allein seinen Schadensbeitrag zu, sofern dieser Teil des Schadens abgrenzbar ist.

Der deutsche Bundesgerichtshof (, VI ZR 10/96= VersR 1997, 362) stellt im Fall eines Schadens, der seine natürliche Ursache in einem ärztlichen Versagen oder einer intrauterinen Vorschädigung des Geschädigten haben kann, darauf ab, ob abgrenzbare Ursachenzusammenhänge feststellbar sind; nur in diesem Fall haftet der Arzt zufolge der durch seinen Fehler möglichen Schadensverursachung nicht für den Gesamtschaden, sondern nur für jenen Schaden, der abgrenzbar als weiterer Schaden durch sein Fehlverhalten auf die infolge Plazentainsuffizienz bereits zuvor eingetretene intrauterine Schädigung „aufgepfropft“ worden sei.

3.3. Im Anlassfall hat der Beklagte durch den ihm unterlaufenen Behandlungsfehler nur eine Mitursache für den Schaden in seinem konkreten Ausmaß gesetzt, während die Klägerin die Folgen ihrer intrauterinen Vorerkrankung selbst zu tragen hat. Für die Schadenszurechnung in einem solchen Fall summierter Einwirkungen, bei dem haftungsbegründendes Verhalten des Beklagten mit einem den Geschädigten selbst belastenden schicksalhaften Geschehen schadensstiftend zusammenwirkt, ist daher nach den voranstehenden Erwägungen, die der Senat auch auf dem Boden der österreichischen Rechtsordnung für zutreffend hält, danach zu unterscheiden, ob jener Schadensbeitrag zum Gesamtschaden, für den das Verhalten des Beklagten teilkausal war, abgrenzbar ist oder nicht.

Im Fall eines abgrenzbaren Teilschadens ist dem Beklagten nur jener Schadensbeitrag zuzurechnen, den er selbst verursachte (vgl 7 Ob 160/01g).

Ist hingegen eine Aufgliederung der Schadensfolgen je nach den für den Gesamtschaden ursächlichen mehreren Zurechnungsgründen nicht möglich, so hat - anders als nach der zuvor zitierten Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs - analog der Zweifelsregel in § 1304 ABGB eine Schadensteilung Platz zu greifen. Dabei muss die im Schrifttum (siehe oben 1.2.) und in der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0027286) für den Fall alternativer Konkurrenz eines haftungsbegründenden Verhaltens mit Zufall vertretene Lösung um so mehr dann gelten, wenn - wie hier - bereits feststeht, dass beide maßgebenden Ursachen schadensstiftend zum Gesamtschaden beigetragen haben, ihr jeweiliger Anteil daran jedoch unaufgeklärt bleiben sollte.

4. Die voranstehenden Erwägungen sind daher in folgender Weise zusammenzufassen:

Verursachen eine körperliche Vorschädigung des Patienten und ein ihr nachfolgender ärztlicher Behandlungsfehler einen bestimmten Gesamtschaden, der durch keine dieser Ursachen allein, sondern nur durch ihr Zusammenwirken herbeigeführt werden konnte, so haftet der Arzt nicht für die Folgen einer schon vor Behandlungsbeginn bestehenden Grundschädigung, sondern nur für jenen weiteren Schaden, der durch sein Fehlverhalten verursacht wurde, soweit insofern in ihren natürlichen Ursachenzusammenhängen abgrenzbare Teilschäden feststellbar sind; andernfalls haben den Gesamtschaden der Arzt und der Geschädigte analog § 1304 ABGB zu gleichen Teilen zu tragen.

5. Die dem angefochtenen Beschluss zu Grunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist nach allen voranstehenden Erwägungen zutreffend. Mangels Feststellungen zu den Verursachungsanteilen ist die Streitsache für eine abschließende Erledigung noch nicht entscheidungsreif.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.