OGH vom 19.12.2012, 7Ob64/12f

OGH vom 19.12.2012, 7Ob64/12f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch Kosesnik-Wehrle Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 32/12d 11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 39 Cg 118/10m 7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die beklagte Bank bietet ihre Leistungen bundesweit an und verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) folgende Klauseln, die sie ihren „Kapitalsparbuch“-Verträgen zugrunde legt:

„ 1. Bei Teilabhebungen (ab 100 Euro in vollen 10-Euro-Beträgen zuzüglich Zinsen möglich) oder bei gesamter Rückzahlung werden Zinsen nur für volle Monate der tatsächlichen Einlagedauer berechnet.

2. Die Auszahlung (Kapital einschließlich Zinsen und Zinseszinsen) erfolgt laut Tabelle. Die in der Tabelle enthaltenen Rückzahlungswerte gelten pro 100 Euro eingelegtem Kapital.

Sie erhalten je EUR 100,- Einzahlungsbetrag:

Anzahl der Monate EUR

1 100,01

2 100,01

3 100,02

4 100,02

5 100,03

6 100,03

7 100,04

8 100,04

9 100,05

10 100,05

11 100,06“

Der Kläger, ein zur Unterlassungsklage nach § 28 KSchG berechtigter Verein, begehrt die Unterlassung der Verwendung der beiden Klauseln und Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt, weil die Klauseln von den zu Gunsten der Sparer relativ zwingenden Bestimmungen des § 32 Abs 7 und 8 BWG zum Nachteil der (Bank-)Kunden abwichen und daher der Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil AGB-Klauseln wie die vorliegenden in aller Regel einen größeren Personenkreis beträfen (hier: mehr als 50 % aller Spareinlagen bei der Beklagten, insgesamt mehrere Millionen „Kapitalsparbücher“) und bei notwendiger Beurteilung bisher noch nicht geprüfter AGB „grundsätzlich“ eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliege.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof auch zur Auslegung von Klauseln in AGB nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nicht schon der Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt (1 Ob 224/06g; 3 Ob 72/07w; 2 Ob 75/07d; 2 Ob 210/08h). Die Auslegung von Klauseln in AGB bestimmter Geschäftsbranchen, etwa von Banken, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt sind, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren, und die fragliche Regelung nicht so eindeutig ist, dass nur eine Möglichkeit der Beurteilung in Betracht kommt (10 Ob 25/09p; 6 Ob 128/09f; 1 Ob 43/11x; 7 Ob 240/11m; RIS-Justiz RS0121516 [T17]). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden.

§ 32 BWG trifft in den Abs 7 und 8 folgende Regelungen, die wie die Revision zugesteht - „relativ zwingend zugunsten der Verbraucher sind“ (nur „für den Verbraucher günstigere“ abweichende Regelungen wären zulässig):

„ (7) Die Verzinsung der Einzahlungen auf Spareinlagen beginnt mit dem Wertstellungstag (§ 37 BWG), wobei der Monat zu 30 und das Jahr zu 360 Tagen zu rechnen ist. Beträge, die innerhalb von 14 Tagen nach Einzahlung wieder abgehoben werden, sind nicht zu verzinsen, wobei Auszahlungen aus Spareinlagen stets zu Lasten der zuletzt einbezahlten Beträge zu erfolgen haben. Bei Auszahlungen aus Spareinlagen sind die Zinsen für den ausbezahlten Betrag bis einschließlich dem der Auszahlung vorangegangenen Kalendertag zu berechnen.

(8) Spareinlagen können auf eine bestimmte Laufzeit gebunden werden. Vor Fälligkeit geleistete Zahlungen sind als Vorschüsse zu behandeln und zu verzinsen. Für diese Vorschüsse ist 1 vT pro vollem Monat für die nicht eingehaltene Bindungsdauer zu berechnen. Es ist jedoch an Vorschusszinsen nicht mehr zu berechnen, als insgesamt an Habenzinsen auf den hereingekommenen Betrag vergütet wird, wobei auch bereits ausbezahlte Habenzinsen des Vorjahres im erforderlichen Ausmaß rückzuverrechnen sind, wenn die Habenzinsen des laufenden Jahres nicht ausreichen. Laufzeitbindungen können nach dem nur dann vereinbart werden, wenn zuvor die Identitätsfeststellung gemäß § 40 Abs 1 erfolgt ist. “

§ 32 Abs 7 BWG sieht für die Verzinsung von Einzahlungen auf Spareinlagen also die Berechnung des Monats immer zu 30 Tagen und des Jahres immer zu 360 Tagen , vor (sog „30/360-Berechnungsmethode“ [8 Ob 31/12k P 4.1. mit Anm Butschek , ÖBA 2012/1844, 696 und Verweis auf Lukits , Zinsenberechnung im österreichischen Zivilrecht, ÖJZ 2011/32, 293 f]). Demgegenüber legt die erste strittige Klausel fest, dass Zinsen nur für „ volle Monate der tatsächlichen Einlagedauer berechnet“ werden. Die Nachteiligkeit dieser Bestimmung zu Lasten der Kunden liegt auf der Hand.

Gleiches gilt für die vor Fälligkeit gebundener Spareinlagen geleisteten Zahlungen, die nach dem Gesetz als „Vorschüsse“ zu behandeln und zu verzinsen wären, wobei für solche Vorschüsse nach dem klaren Wortlaut des § 32 Abs 8 BWG ein Promille (= 1 vT) pro vollem Monat für die nicht eingehaltene Bindungsdauer zu berechnen ist:

Die Revision zieht gar nicht in Zweifel, dass sich (auch) nach der Tabelle zur zweiten Klausel in den von den Vorinstanzen durchgerechneten Beispielen letztlich eine geringere als die in § 32 Abs 8 BWG vorgesehene Verzinsung ergibt. Eine sachliche Rechtfertigung hiefür oder Vorteile für den Kunden vermag die Beklagte nicht aufzuzeigen: Sie verweist lediglich darauf, dass der Kunde im Vergleich zu anderen Sparprodukten eine höhere Verzinsung dann erhalte, wenn er sein Kapital bis zum Ende der Laufzeit unbehoben lasse, relativiert dieses Argument aber selbst damit, dass eine bestimmte Laufzeit nur aus nicht näher dargelegten „Praktikabilitätsgründen“ vorgesehen sei. Insgesamt fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, weshalb die beiden Klauseln wie die Beklagte meint „für den Verbraucher günstigere“ (vom Gesetz abweichende) Regelungen sein sollten.

Demgemäß ist der Revisionsbeantwortung darin beizupflichten, dass sich erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht stellen, wenn sich wie hier schon durch den einfachen Vergleich der anzuwendenden Normen (§ 32 Abs 7 BWG zur Zinsenberechnung und § 32 Abs 8 BWG zum Ausmaß der Vorschusszinsen) mit den Klauseln eindeutig (ohne jegliche Auslegungszweifel) ergibt, dass die Klauseln zum Nachteil der Kunden vom Gesetz abweichen und schon deshalb unzulässig sind.

Im Übrigen verneint die Revisionswerberin noch die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 32 Abs 7 und Abs 8 BWG auf die vorliegenden Klauseln, trägt aber auch damit keine erhebliche Rechtsfrage vor. Die Beklagte beruft sich insoweit darauf, es liege eine eigene Veranlagungsform ohne Bindung vor. Damit entfernt sie sich jedoch von den im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen:

Danach betreffen die Klauseln nämlich das Produkt „Kapitalsparbuch“, bei dem der Kunde einen Einmalerlag für eine im Vorhinein bestimmte Laufzeit tätigt und dafür typischerweise höhere garantierte Zinsen als bei sonstigen gebundenen Einlagen erhält. Auf dieser Grundlage ist der Tatbestand des § 32 Abs 8 BWG, der die Verzinsung von Vorschüssen ohne weitere Differenzierung, also ganz allgemein für alle „Spareinlagen“ regelt, die „auf bestimmte Laufzeit gebunden werden“, klar erfüllt. Das Sparprodukt der Beklagten unterliegt ohne Rücksicht darauf, wie es von ihr bezeichnet wird so lange dem § 32 Abs 8 BWG, als eine Laufzeitbindung der Spareinlage besteht. Davon abgesehen setzt § 32 Abs 7 BWG eine solche Bindung gar nicht voraus, sondern regelt generell, wie die Zinsenberechnung von Einzahlungen auf Spareinlagen zu erfolgen hat.

Angesichts der unzweifelhaften Verstöße gegen die wie die Revisionsbeantwortung festhält auch nach Auffassung der Revision (jedenfalls) einseitig zugunsten der Verbraucher zwingenden Bestimmungen des § 32 Abs 7 und Abs 8 BWG (idS auch Zawischa/Krichbaumer in Dellinger [Hrsg] BWG § 32 Rz 40) ist darauf, ob die Klauseln (auch) gegen § 879 Abs 3 und § 864a ABGB sowie gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoßen, nicht weiter einzugehen. Mangels erheblicher Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO ist das Rechtsmittel daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.