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OGH vom 11.05.2011, 3Ob71/11d

OGH vom 11.05.2011, 3Ob71/11d

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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Heidi D*****, vertreten durch Dr. Johann Gelbmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei Romana T*****, vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, wegen 13.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 11/11m 80, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 13 E 4745/07v 77, aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Exekutionsverfahrens aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird dem fortzusetzenden Verfahren vorbehalten.

Text

Begründung:

Mit der gegenständlichen Exekutionssache, die mit einem am gestellten Antrag eingeleitet worden war, war der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach befasst.

In der Vorentscheidung vom , 3 Ob 26/08g, stellte der Oberste Gerichtshof den Beschluss des Erstgerichts wieder her, mit dem die Pfändung eines der verpflichteten Partei gehörenden Miteigentumsanteils an einem in Form eines Bordells betriebenen Unternehmen bewilligt wurde (auch die betreibende Partei ist daran beteiligt). An die verpflichtete Partei wurde das Gebot erlassen, sich jeder Verfügung über ihren Miteigentumsanteil, über den diesem zugrunde liegenden Betrieb und die zu demselben gehörigen Einrichtungsgegenstände zu enthalten.

In der Folge stellte die betreibende Partei am (ON 11) den Antrag auf Verwertung des gepfändeten Miteigentumsanteils durch Zwangsverwaltung und machte einen Zwangsverwalter namhaft. Das Erstgericht wies den Verwertungsantrag ab. Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht auf, sich mit der persönlichen Eignung des namhaft gemachten Zwangsverwalters zu befassen und die Anteilsverhältnisse bereits im Verwertungsverfahren festzustellen. Mit Beschluss vom , 3 Ob 126/09i, gab der Oberste Gerichtshof dem Rekurs der verpflichteten Partei nicht Folge.

Zuletzt blieb eine Oppositionsklage der hier Verpflichteten und des Christian T***** (ihres ehemaligen Gatten) gegen die hier betreibende Partei erfolglos (siehe 3 Ob 29/10a). Sie war gegen den Anspruch der betreibenden Partei aus dem Urteil vom gerichtet, in dem das Erstgericht den beiden Oppositionsklägern aufgetragen hatte, der betreibenden Partei die Ausübung ihrer Anteilsrechte am Unternehmen „Club *****“ zu gestatten, insbesondere das jederzeitige und ungehinderte Betreten der Unternehmensräumlichkeiten, die Wahrung der Geschäftsaufsichts- und Kontrollrechte sowie ihrer Rechte auf Gewinnentnahme (Punkt 1.); weiters war Christian T***** verurteilt worden, sich jedweder Geschäftsführertätigkeit für das Unternehmen „Club *****“ zu enthalten.

Mit Beschluss vom stellte das Erstgericht die Exekution durch Zwangsverwaltung des Miteigentumsanteils der Verpflichteten an der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (GesBR) gemäß § 334 Abs 2 EO in Verbindung mit § 129 Abs 2 EO mit der Begründung ein, dass die Zwangsverwaltung des Anteils bisher zu keinen Erträgnissen geführt habe. Christian T*****, der das Unternehmen betreibe, sei nicht bereit, selbst oder über seine Mitarbeiter Einnahmen an den Zwangsverwalter herauszugeben. Um Erträgnisse zu erzielen, seien daher weitere Schritte notwendig. Der Zwangsverwalter sei allerdings nicht befugt, unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt auszuüben oder anzuordnen. Die in der EO für solche Fälle vorgesehenen Zwangsmittel würden nicht weiterhelfen, weil in erster Linie gegen die faktische Geschäftsführung des Christian T***** vorgegangen werden müsste. Dies könne nur durch eine Räumungsklage wegen titelloser Benützung erfolgen. Ein Erfolg einer solchen sei binnen Jahresfrist wenig wahrscheinlich.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung auf. Christian T***** sei es gerichtlich untersagt worden, die Unternehmensräumlichkeiten zu betreten oder sich an der Geschäftsführung des Unternehmens zu beteiligen. Wenn dieser nun faktisch die Erzielung von Erträgnissen hintertreibe, könne dies nicht zu Lasten der betreibenden Partei gehen. § 129 Abs 2 EO sehe vor, dass der betreibende Gläubiger bei mangelnden Einkünften den nötigen Geldbetrag vorzuschießen habe, wolle er nicht Gefahr laufen, dass die Exekution eingestellt werde. Eine diesbezügliche Aufforderung an die betreibende Partei sei nicht ergangen. Im Rekurs werde ausdrücklich festgehalten, dass die betreibende Partei zur Zahlung von Kosten bereit sei. Es sei dem Rekursvorbringen beizupflichten, dass einerseits ein Gesellschaftsanteil ein werthaltiges Vermögensobjekt darstelle, andererseits der Zwangsverwalter nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, um Erträgnisse zu erzielen. Es gehe nicht an, dass faktische Hindernisse dazu führten, eine Rechtsdurchsetzung vereiteln zu können.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem Fall wie diesem gebe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Einstellungsbeschlusses.

Die betreibende Partei beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwecks Klärung der Voraussetzungen einer Einstellung der Exekution nach § 129 Abs 2 EO zulässig; er ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

In ihrem Revisionsrekurs macht die verpflichtete Partei im Wesentlichen geltend, dass die Voraussetzungen des § 129 Abs 2 1. und 2. Fall EO nicht kumulativ vorliegen müssten. Vielmehr reiche es für eine Einstellung der Exekution aus, wenn eine der beiden Voraussetzungen wie im vorliegenden Fall die fehlende Erwartbarkeit von Erträgnissen innerhalb eines Jahres (2. Fall) zu bejahen sei. Eine Aufforderung an die betreibende Partei, Kostenvorschüsse zu erlegen, habe daher unterbleiben können. Im Übrigen sei nicht davon auszugehen, dass die betreibende Partei den erforderlichen Geldbetrag vorschießen würde.

Dazu wurde erwogen:

1. § 331 EO regelt in seinem Abs 1 die Pfändung und im Abs 2 die Verwertung eines sonstigen Vermögensrechts des Verpflichteten. Die in § 341 Abs 1 EO angesprochene Vollstreckung auf „gewerbliche Unternehmungen ...“ ist nach herrschender Ansicht ein Sonderfall der Exekution nach den §§ 331 ff EO (vgl 3 Ob 114/98f). Als Verwertungsart kommen hier nur die Zwangsverwaltung und die Zwangsverpachtung in Betracht. Auf die Zwangsverwaltung sind subsidiär die Bestimmungen über die Zwangsverwaltung von Liegenschaften sinngemäß anzuwenden (§ 334 Abs 2 EO).

1.1. Der von den Vorinstanzen herangezogene § 129 EO wurde in seinen Abs 1 3 mit der EO-Novelle 2008, BGBl I 2008/37, geändert. Die Neuregelung ist gemäß § 410 Abs 3 EO anzuwenden, „wenn der Exekutionsantrag nach dem bei Gericht einlangt“. Nähere Erläuterungen dazu sind den Gesetzesmaterialien (ErlRV 295 BlgNR 23. GP 25) nicht zu entnehmen. Im Sinne der §§ 3 und 54 EO ist unter Exekutionsantrag der der Exekutionsbewilligung vorangehende verfahrenseinleitende Schritt des betreibenden Gläubigers zu verstehen.

1.2. Im vorliegenden Fall wurde die Exekution durch Pfändung des Miteigentumsanteils an dem Unternehmen „Club *****“ am beantragt; der Antrag auf Verwertung durch Zwangsverwaltung wurde am gestellt. Maßgebliches Datum im Sinne der Übergangsvorschrift ist der , sodass noch § 129 Abs 2 EO in der Fassung vor der EO-Novelle 2008 anzuwenden ist.

2. Nach § 129 Abs 2 EO in der Fassung vor der EO-Novelle 2008 kann die Einstellung der Zwangsverwaltung von Amts wegen oder auf Antrag angeordnet werden,

(1. Fall) wenn die Fortdauer der Zwangsverwaltung besondere, aus den Liegenschaftseinkünften nicht bestreitbare Kosten erfordern würde und der betreibende Gläubiger den nötigen Geldbetrag nicht vorschießt, oder

(2. Fall) wenn nach den Verhältnissen die Erzielung von Erträgnissen, welche zur Befriedigung des betreibenden Gläubigers verwendet werden könnten, überhaupt nicht oder doch für längere Zeit nicht zu erwarten ist.

Die Neuregelung mit der EO-Novelle 2008 stellt im Wesentlichen nur eine Präzisierung für bis zur Novellierung offene Fragen und keine substanzielle Neuerung dar (siehe ErlRV 295 BlgNR 23. GP 16).

2.1. Für eine Einstellung der Exekution müssen die beiden in § 129 Abs 2 EO geregelten Einstellungsgründe (keine Kostendeckung, keine Forderungstilgung) nicht kumulativ vorliegen; die Exekution ist von Amts wegen oder auf Antrag einzustellen, wenn einer der beiden Einstellungsgründe vorliegt (siehe nun zu § 129 Abs 2 in der Fassung der EO-Novelle 2008 Angst in Angst 2 § 129 EO Rz 4).

3. Während das Erstgericht die Einstellung erkennbar auf den 2. Fall des § 129 Abs 2 EO wenn auch in der novellierten Fassung stützte („Dass … Klage plus [Räumungs-]Exekution binnen eines Jahres erfolgreich bewerkstelligt werden können ...“), sah das Rekursgericht als maßgeblich an, dass das Erstgericht vor der Einstellung nicht die betreibende Partei zum Erlag eines Kostenvorschusses aufgefordert hatte.

Durch den Erlag eines Kostenvorschusses kann allerdings die Einstellung nur im 1. Fall des § 129 Abs 2 EO verhindert werden, während im 2. Fall dieser Einstellungsgrund stimmt weitgehend mit dem des § 39 Abs 1 Z 8 EO überein (3 Ob 203/88) die Einstellung vom nicht zu erwartenden Ertrag abhängt.

4. Ob einer der beiden Einstellungsgründe vorliegt, kann derzeit nicht beurteilt werden. Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstellung der Exekution (als contrarius actus zur Exekutionsbewilligung) die verpflichtete Partei trifft; Unklarheiten gehen daher zu ihren Lasten.

4.1. Der Einstellungsgrund nach § 129 Abs 2 2. Fall EO (in der Fassung vor der EO-Novelle 2008) setzt voraus, dass durch die Zwangsverwaltung die betriebene Forderung an Kapital und Zinsen überhaupt nicht oder für längere Zeit nicht vermindert werden kann. Für die Fortführung der Exekution reicht es aus, wenn zumindest ein Teil der laufenden Zinsen aus den Erträgnissen berichtigt werden kann ( Angst in Angst 1 § 129 EO Rz 7 mwN). Entscheidend sind nicht die tatsächlichen Eingänge, sondern die konkrete Eignung der Zwangsverwaltung, Erträgnisse zu erzielen, die zur Gläubigerbefriedigung verwendet werden können (nach Heller/Berger/Stix , EO 4 , 1065 reicht die bloß abstrakte Möglichkeit besserer Bewirtschaftung zur Einstellung).

In diesem Sinn ist vor einer Exekutionseinstellung zu klären, ob die GesBR überhaupt Einnahmen zu erzielen vermag. Ob diese von Christian T***** oder Mitarbeitern rechtswidrig zurückgehalten oder missbräuchlich entnommen werden, ist für die Frage, ob die Exekution einzustellen ist, ohne Bedeutung. Zutreffend verweist das Rekursgericht darauf, dass ein möglicherweise rechtswidriges faktisches Verhalten eines Beteiligten, der die Herausgabe von Erträgnissen hintertreibt, nicht zu einer Einstellung der Exekution führen darf. Auch die bisherigen Berichte des Zwangsverwalters (siehe etwa ON 68 und 76) lassen keine ausreichende Beurteilung über die Ertragssituation zu.

4.2. In Bezug auf den Einstellungsgrund nach § 129 Abs 2 1. Fall hat das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass das Erstgericht bisher die betreibende Partei nicht aufgefordert hat, einen (weiteren) Kostenvorschuss zu erlegen. Die Begründung des Erstgerichts, es sei nicht zu erwarten, dass die betreibende Partei einen Kostenvorschuss erlegen werde, greift unzulässigerweise dem Ergebnis vor.

5. In Ansehung beider möglicher Einstellungsgründe ist das Verfahren (in Richtung einer Exekutionseinstellung) nicht spruchreif, die Aufhebung zur Fortsetzung der Exekution und zur Verfahrensergänzung im aufgezeigten Sinn also berechtigt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 EO in Verbindung mit § 52 ZPO.