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OGH vom 14.04.2011, 6Ob65/11v

OGH vom 14.04.2011, 6Ob65/11v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer ua Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 31.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 289/10i 10, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 35 Cg 257/09x 6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.751,04 EUR (darin 291,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin beauftragte die Beklagte (früher: C***** AG), über Vermittlung einer AWD Beraterin mit dem Erwerb von 200 Anteilen des von der Lehman Brothers Treasury Co. BV emittierten und von Lehman Brothers Holding Inc. garantierten Wertpapiers „Dragon FX Garant“ zum Kurswert von 20.000 EUR und Spesen von 1.000 EUR. Die Beklagte überließ ihren Vertriebspartnern, darunter auch dem AWD, eine Werbebroschüre, in der dem Wertpapier „100%ige Sicherheit“ und „100 % Kapitalgarantie“ bescheinigt wurde. Sowohl die Emittentin des Zertifikats als auch die in der Werbebroschüre nicht genannte Garantin gehörten dem Konzern der Investmentbank Lehman Brothers (USA) an. Die Investmentbank Lehman Brothers geriet Ende September 2008 mitsamt den mit ihr verbundenen Unternehmen (darunter die Emittentin und die Garantin) in die Insolvenz, was auch für Fachkreise überraschend war. Die von der Klägerin erworbenen Wertpapiere wurden daher praktisch wertlos. Der Klägerin war es lediglich wichtig, dass es sich um ein kapitalgarantiertes Produkt handle. Darauf, dass die Kapitalgarantie im Fall einer Insolvenz der Garantin wertlos sei, wurde sie von der Beraterin nicht aufmerksam gemacht. Um nähere Details kümmerte sich die Klägerin nicht.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung des Vertrags über den Ankauf von Wertpapieren und die Zahlung von 31.500 EUR samt Zinsen Zug-um-Zug gegen die Rückstellung der Wertpapiere. Zusammengefasst brachte sie vor, dass die Beklagte das Wertpapier im Verkaufsprospekt in irreführender Weise als sichere Anlage beworben und das wahre Risiko verschwiegen habe. Insbesondere sei sie über das Insolvenzrisiko nicht aufgeklärt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die zu beurteilende Werbebroschüre einer Vielzahl von Anlegern übergeben worden sei und die von der Berufung aufgeworfenen Rechtsfragen damit über den Einzelfall hinaus Bedeutung hätten.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die von der Klägerin erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Zu der auch hier entscheidenden Rechtsfrage, ob die Klägerin unrichtig informiert wurde, weil sie von der Beklagten weder mündlich noch schriftlich im Werbeprospekt auf die Gefahr der Insolvenz der Emittentin oder der Garantin hingewiesen worden sei, hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der einen vergleichbar gelagerten Parallelfall betreffenden Entscheidung 4 Ob 20/11m eingehend Stellung genommen. Auch dort hatten die Kläger im November 2006 „Dragon FX Garant“ Zertifikate über Vermittlung von AWD für private Anleger erworben. In dieser Entscheidung legte der Oberste Gerichtshof mit eingehender Begründung dar, dass die Beklagte im Anlassfall im Hinblick auf die Einschätzung der Finanzkraft der Emittentin durch die Fachkreise im November 2006 davon ausgehen durfte, dass das Bonitätsrisiko bloß theoretischer, vernachlässigbarer Natur sei (so schon die dieselbe Werbebroschüre betreffende Entscheidung 4 Ob 176/10a). Dass die in der Werbebroschüre angeführten exzellenten Ratings der drei führenden Ratingagenturen zum Kaufdatum noch gültig gewesen seien, hätten die Kläger nicht bestritten. Unter diesen Umständen sei die in der Werbebroschüre in Form des Ratings enthaltene Information über die Bonität der Emittentin ausreichend gewesen, einer darüber hinausgehenden Aufklärung der Kläger über das allgemeine Bonitätsrisiko habe es nicht bedurft. Schon mangels Verletzung von Aufklärungspflichten sei das auf Irrtum und Schadenersatz gestützte Begehren unberechtigt. Auch auf die Frage der Zurechnung des Verhaltens der AWD Beraterin zur Beklagten komme es daher nicht an.

Nichts anderes muss auch im vorliegenden, völlig gleichgelagerten Fall gelten. Da der Oberste Gerichtshof zur maßgebenden Rechtsfrage in der wenngleich erst nach dem bekämpften Berufungsurteil ergangen zitierten Entscheidung bereits eingehend Stellung genommen hat, mangelt es der vorliegenden Revision an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO, die nach ständiger Rechtsprechung noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegeben sein muss (RIS Justiz RS0112769). Auch der Umstand allein, dass sich die hier zu beantwortenden Rechtsfragen in mehreren Parallelverfahren stellten und stellen, bewirkt nicht ihre Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0042816).

Soweit die Revision unter Berufung auf die von der Klägerin getätigte Aussage einen „ergänzten“ Sachverhalt zugrundelegt, ist sie zudem nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von den Feststellungen des Erstgerichts ausgeht.

Zusammenfassend vermag die Revision daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.