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OGH vom 26.04.2016, 6Ob64/16d

OGH vom 26.04.2016, 6Ob64/16d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** N*****, vertreten durch Dr. Renate Garantini, Rechtsanwältin in Linz, gegen die beklagte Partei E***** N*****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 41.636,88 EUR sA über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 422/15g 17, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Rohrbach vom , GZ 1 C 431/15d 12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 2.212,12 EUR (darin 368,69 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichts vom aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile geschieden. In diesem Verfahren hatte die Klägerin Detektivkosten in Höhe von 41.636,88 EUR als vorprozessuale Kosten geltend gemacht, die aufgrund der Observation des Beklagten zum Nachweis einer vermuteten ehewidrigen Beziehung aufgelaufen seien. Unter Berufung auf § 43 Abs 1 ZPO sprach das Erstgericht aus, dass die von der nunmehrigen Klägerin (damaligen Beklagten) geltend gemachten vorprozessualen Kosten (Detektivkosten) aufgrund der Kostenaufhebung von ihr selbst zu tragen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und insoweit auch in der Kostenentscheidung. Die Detektivkosten seien von der Beklagten allein zu tragen; die nach § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO im Ausmaß des tatsächlichen Obsiegens zu ersetzenden Kosten seien in dieser Bestimmung taxativ aufgezählt; die Detektivkosten zählten nicht dazu.

Im nunmehrigen Verfahren begehrt die Klägerin den Ersatz dieser Detektivkosten. Die Klägerin habe ein hohes Interesse an der Aufklärung dieser Beziehung gehabt, weil die Beziehung der Streitteile zu diesem Zeitpunkt noch aufrecht gewesen sei. Außerdem seien diese Kosten notwendig gewesen, um im Scheidungsverfahren zu einer positiven Feststellung dieser außerehelichen Beziehung zu gelangen.

Der Beklagte bestritt und wandte unter anderem ein, über die Detektivkosten sei bereits im Scheidungsverfahren rechtskräftig abgesprochen worden.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Über die Detektivkosten sei bereits im Scheidungsverfahren rechtskräftig entschieden worden.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung über Rekurs der Klägerin auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Die Klägerin habe vorgebracht, ein hohes Interesse an der Aufklärung der außerehelichen Beziehung gehabt zu haben, weil zu diesem Zeitpunkt die Beziehung der Streitteile noch aufrecht gewesen sei. Ihr könne daher grundsätzlich auch unabhängig von der Möglichkeit, die Detektivkosten in einem Scheidungsverfahren als vorprozessuale Kosten geltend zu machen, ein Schadenersatzanspruch zustehen.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, ob eine Klagsführung unabhängig von einer bereits vorliegenden meritorischen Kostenentscheidung im Scheidungsverfahren jedenfalls möglich sei oder ob das Wahlrecht des Geschädigten, Detektivkosten auch als Schadenersatz einzuklagen, mit der Verzeichnung der Detektivkosten in der Kostennote und einer meritorischen Kostenentscheidung im Scheidungsverfahren verloren gegangen sei.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung können die Kosten der Überwachung des untreuen Ehepartners als Schadenersatzforderung geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0022959; RS0022943). Der Schadenersatzanspruch wird aus einer Verletzung ehelicher Verhaltenspflichten oder Rechtsgüter abgeleitet (RIS Justiz RS0022943 [T22]). Nach herrschender Rechtsprechung (1 Ob 42/62; 1 Ob 145/71; 6 Ob 315/00t) und Lehre ( Deixler/Hübner , ÖJZ 2002, 372) ist Voraussetzung für die Berechtigung eines solchen Schadenersatzanspruchs, dass die Klägerin ein über das Scheidungsverfahren hinausgehendes zuzubilligendes Interesse an der Sammlung sicheren Beweismaterials geltend macht.

2.1. Nach der Rechtsprechung können diese Kosten als vorprozessuale Kosten im Wege des Kostenersatzes verzeichnet werden (RIS Justiz RS0110711; vgl aber RS0022943 [T19]).

2.2. Nach zahlreichen Entscheidungen können Detektivkosten aber auch „unabhängig“ von einem allenfalls auch gleichzeitig geführten Ehescheidungsprozess eingeklagt werden, weil ein Ehegatte, dessen Ehe durch ehewidrige Beziehungen seines Partners zu einer dritten Person gestört wird, „ganz allgemein und unabhängig davon, ob er gerichtliche Schritte unternehmen will“, ein besonderes Interesse daran hat, sich Klarheit über den Sachverhalt zu verschaffen; dem verletzten Ehegatten stehe daher „unabhängig“ von der Möglichkeit, die Detektivkosten in einem Ehescheidungsverfahren als vor bzw außerprozessuale Kosten geltend zu machen, ein Schadenersatzanspruch zu (zB 6 Ob 398/60; 5 Ob 652/80; 2 Ob 523/81; 7 Ob 74/99d; 4 Ob 166/02v; 2 Ob 102/03v; 7 Ob 195/02f; 5 Ob 183/04d; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , Ehe und Partnerschaftsrecht § 90 ABGB Rz 15).

2.3. Nach Thiele (RdW 1999, 769) kann der betrogene Ehegatte die Kosten entweder als Kostenersatz oder als Schadenersatzanspruch geltend machen.

3.1. Der Klagsführung steht im vorliegenden Fall wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat die Rechtskraft der Kostenentscheidung im Scheidungsverfahren nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung kann nämlich einem Kläger, dem es im Vorprozess aufgrund der Eigenart des Kostenrechts unmöglich war, den im Folgeprozess geltend gemachten Sachverhalt erfolgreich in kostenrechtlicher Hinsicht geltend zu machen, seiner nunmehr geltend gemachten Schadenersatzforderung die Rechtskraft der Kostenentscheidung des Vorprozesses nicht entgegengehalten werden (2 Ob 535/95; 4 Ob 111/07p; RIS Justiz RS0106965). In zwei Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass dann wenn ein vor dem Vorverfahren vom jeweiligen Beklagten, gesetztes und schuldhaftes Verhalten im Rahmen der Kostenersatzregeln nicht berücksichtigt werden kann, eine darauf gestützte Schadenersatzklage zulässig ist (2 Ob 535/95; 8 ObA 52/14a).

3.2. Diese Überlegung trifft auch auf den vorliegenden Fall zu. Der Kostenersatzanspruch im Ehescheidungsprozess basiert gemäß § 45a ZPO im vorliegenden Fall bloß darauf, dass die Streitteile an der Zerrüttung der Ehe insgesamt ein gleichteiliges Verschulden trifft, sodass mit Kostenaufhebung vorzugehen war (EFSlg 124.720 ua). Die Gleichteiligkeit des Verschuldens bestand im Ehescheidungsprozess darin, dass zwar der Kläger neben seiner Ehe eine ehewidrige Beziehung unterhielt, die Beklagte jedoch zusammengefasst kein Interesse an der gemeinsamen Gestaltung der Lebensgemeinschaft, insbesondere des gemeinsamen Hauses zeigte.

3.3. Demgegenüber hat der hier nunmehr geltend gemachte Schadenersatzanspruch ganz andere Voraussetzungen, indem er ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beklagten an der Entstehung der Kosten voraussetzt, das bei den §§ 41 ff ZPO grundsätzlich keine Rolle spielt.

3.4. Aus diesem Grund steht die Rechtskraft der Kostenentscheidung im Scheidungsprozess der neuerlichen Geltendmachung der Detektivkosten im Wege selbstständiger Einklagung nicht entgegen. Es wäre auch nicht einzusehen, warum die Klägerin von vornherein keinen Ersatz der nach der Rechtsprechung durchaus als ersatzfähig anerkannten Detektivkosten ansprechen kann, nur weil sie selbst eine andere, damit aber gar nicht im inhaltlichen Zusammenhang stehende Eheverfehlung begangen hat. Auch ist darauf zu verweisen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Legung der Kostennote im Scheidungsverfahren noch nicht wissen konnte, zu welcher Verschuldensteilung das Gericht hinsichtlich der Ehezerrüttung kommen würde. Damit entsprach es durchaus der Prozessökonomie, zunächst die Detektivkosten im Scheidungsverfahren als vorprozessuale Kosten geltend zu machen. Nachdem dies keinen Erfolg hatte, kann die Klägerin aber nunmehr gestützt auf §§ 1293 ff ABGB diese Kosten in einem eigenen Hauptverfahren geltend machen.

4. Zusammenfassend erweist sich die Entscheidung des Rekursgerichts im Ergebnis daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Das Verfahren über den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache stellt einen Zwischenstreit dar ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny² § 52 ZPO Rz 3 iVm § 48 ZPO Rz 14).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00064.16D.0426.000