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OGH vom 05.04.1984, 7Ob18/84

OGH vom 05.04.1984, 7Ob18/84

Norm

VersVG § 166;

Kopf

SZ 57/73

Spruch

Für den Versicherer ist nur eine ihm mitgeteilte Begünstigung aus der Lebensversicherung maßgebend. Im Streit zwischen Anspruchswerbern ist hingegen das zwischen ihnen und dem Versicherungsnehmer bestehende Innenverhältnis entscheidend. Eine Begünstigung aus der Lebensversicherung kann auch durch letztwillige Verfügung begrundet, widerrufen oder abgeändert werden

(LGZ Graz 5 R 426/83; BG Hartberg 2 C 146/83) = NZ 1985, 93 (Zankl 81)

Text

Der am verstorbene Josef N hatte bei der M Versicherungsanstalt eine Lebensversicherung abgeschlossen und als Begünstigte im Ablebensfall angegeben: "Der Überbringer der Versicherungspolizze beziehungsweise Elfriede S". Bei Elfriede S handelt es sich um die Beklagte, die damals mit Josef N verheiratet war, deren Ehe jedoch vor dem Tod des Versicherungsnehmers geschieden wurde. Der Versicherungsnehmer ging nach der Scheidung seiner Ehe eine Lebensgemeinschaft mit der Klägerin ein. Zu deren Gunsten errichtete er ein Testament, in dem die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt wurde. Dieses Testament enthielt auch die Wendung: "Auch der Versicherung M".

Auf Grund des erwähnten Testamentes und ihrer Erbserklärung wurde der Klägerin der gesamte Nachlaß nach Josef N eingeantwortet. Die zur Zeit des Verlassenschaftsverfahrens im Besitz der Versicherungspolizze befindliche Klägerin übergab die Polizze ihrem damaligen Anwalt, der sie dem Gerichtskommissär aushändigte. Dieser gab sie der Beklagten weiter, die mit der Polizze von der Versicherung 28 740.80 S behob.

Das von der Klägerin auf Zahlung der 28 740.80 S sA gerichtete Klagebegehren wurde vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen, bei der Begünstigung im Versicherungsvertrag handle es sich um eine Vereinbarung, die nur im Einvernehmen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Begünstigten abgeändert werden könne.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin den begehrten Betrag zu, wobei es ausführte, nach § 166 VersVG könne der Versicherungsnehmer, falls dem nicht eine gegenteilige Vereinbarung im Versicherungsvertrag entgegenstehe, einseitig die ausgesprochene Begünstigung ändern. Eine solche Änderung sei durch das vorgenannte Testament zugunsten der Klägerin erfolgt. Daß der Versicherer im Hinblick auf den Inhalt der Polizze berechtigt war, die Versicherungssumme an die Beklagte auszuzahlen, ändere nichts am materiellen Anspruch der Klägerin, weil im Verhältnis zwischen den Streitteilen nicht der Inhalt der Versicherungspolizze, sondern das Innenverhältnis der Streitteile zum Versicherungsnehmer maßgebend sei.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für nicht zulässig, weil die von ihm geäußerte Rechtsansicht durch die Judikatur gedeckt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der außerordentlichen Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Rechtfertigung der Revision könnten die Ausführungen, die Klägerin sei selbst der Auffassung gewesen, das Recht auf die Versicherungssumme stehe der Beklagten zu, weshalb sie die Polizze ausgefolgt habe, nicht bewirken. Diesen Ausführungen liegen nämlich weder entsprechende Behauptungen im Verfahren erster Instanz noch Feststellungen der Vorinstanzen zugrunde. Nach den getroffenen Feststellungen hat die Klägerin die Polizze ihrem Anwalt gegeben. Die Weitergabe an die Beklagte ist nicht durch den Anwalt der Klägerin, sondern durch den Gerichtskommissär ohne entsprechende Weisung erfolgt. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die Klägerin die Polizze freiwillig an die Beklagte ausgefolgt hat. Demnach kann von einer Vereinbarung zwischen den Streitteilen, die bei ihrem Vorliegen für die Entscheidung beachtlich wäre, keine Rede sein.

Im übrigen erachtet die Beklagte zusammengefaßt folgende drei Rechtsfragen für revisionsbedürftig: 1. Durfte die erfolgte Begünstigung der Beklagten einseitig geändert werden und hätte eine solche Änderung, ohne Bekanntgabe an den Versicherer, gegenüber der Beklagten Rechtswirkungen?

2. Ist ein Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und den Streitteilen, das von der dem Versicherer mitgeteilten Begünstigung abweicht, im Streit zwischen den beiden Anspruchswerbern rechtlich bedeutsam?

3. Kann eine Begünstigung iS des § 166 VersVG auch durch letztwillige Verfügung angeordnet, widerrufen oder abgeändert werden?

Was die erste Frage anlangt, so ergibt sich die grundsätzliche Widerruflichkeit einer Begünstigung iS des § 166 VersVG aus dem in diesem Punkte eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Nach diesem Wortlaut kann nicht zweifelhaft sein, daß die Unwiderruflichkeit die Ausnahme darstellt und von ihr nur ausgegangen werden kann, wenn eine diesbezügliche Vereinbarung vorliegt. Eine solche Vereinbarung wurde hier nicht einmal behauptet. Daß die Wirkung einer Begünstigung oder einer Änderung der Begünstigung für den Versicherer von dessen Verständigung abhängt, ergibt sich schon aus der Überlegung, daß der Versicherer immer nur von einem Sachverhalt ausgehen kann, der ihm bekannt ist (vgl. Prölss-Martin, VVG[22], 1101 f.). Da dieser Umstand aus dem Gesetz klar hervorgeht und das Berufungsgericht in diesem Punkte auch keine andere Rechtsansicht vertreten hat, wären die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision, falls nur diese Frage zur Diskussion stunde, nicht gegeben.

Was die beiden anderen Fragen anlangt, so handelt es sich um solche von grundsätzlicher Bedeutung, bezüglich derer im Interesse der Rechtssicherheit ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Rechtsprechung iS des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO besteht. Die Annahme des Berufungsgerichtes, eine solche Judikatur, die eine neuerliche Zulassung der Revision entbehrlich erscheinen lassen könnte, liege vor, trifft nur für die erste dieser beiden Fragen zu. Diesbezüglich hat der OGH schon in der in VersR 1963, 986 veröffentlichten Entscheidung klar zum Ausdruck gebracht, daß das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und den Ansprechern einer Versicherungsleistung von dem durch die Bekanntgabe der Begünstigung an den Versicherer entstehenden Rechtsverhältnis zu unterscheiden ist. Im Streit zwischen den Ansprechern der Leistung kommt es auf das ersterwähnte Innenverhältnis an. Ohne diesen Rechtssatz in der gleichen Deutlichkeit zu wiederholen, hat der OGH in zwei weiteren Entscheidungen, in der der erwähnten Entscheidung vorangegangenen Entscheidung VersRdSch 1959, 85 und in der nachfolgenden Entscheidung 8 Ob 47/65, Ausführungen gemacht, die die Geltung des oben dargestellten Grundsatzes zur Voraussetzung haben. Die beiden veröffentlichten Entscheidungen wurden von Wahle einer Besprechung unterzogen, wobei in beiden Fällen ebenfalls die Geltung des Rechtssatzes Voraussetzung war. Sohin liegt zu diesem Punkt eine ausreichende Judikatur des OGH iS der Entscheidung des Berufungsgerichtes vor. Auch bei neuerlicher Prüfung dieser Frage sieht sich der OGH nicht veranlaßt, von der dargestellten Rechtsansicht abzugehen. Zur Prüfung dieser Rechtsfrage wäre daher die Zulassung der Revision ebenfalls entbehrlich.

Was schließlich die Frage anlangt, ob eine Begünstigung auch durch letztwillige Verfügung angeordnet, widerrufen oder abgeändert werden kann, ist in Österreich lediglich eine Entscheidung (GlUNF 6067) auffindbar. Diese Entscheidung hat die Zulässigkeit einer letztwilligen Verfügung ebenso bejaht wie das Berufungsgericht. Allerdings darf hier nicht übersehen werden, daß diese Entscheidung im Jahre 1912 gefällt wurde, also zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht einmal noch das seinerzeitige österreichische Versicherungsvertragsgesetz Geltung hatte. Die Entscheidung begrundet ihre Rechtsansicht auch nur unter Hinweis auf die Entwürfe zum österreichischen Versicherungsvertragsgesetz und auf § 328 BGB. Schon dieser Umstand begrundet ein Bedürfnis nach einer Klärung dieser Frage auf Grund der nunmehrigen Gesetzeslage. Die Revision ist daher iS des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig.

Wie bereits oben dargestellt wurde, liegt zwar keine österreichische Judikatur aus der Zeit der Geltung des Versicherungsvertragsgesetzes vor, doch wurde diese Frage sowohl in der deutschen als auch in der österreichischen Literatur durchwegs iS einer Zulässigkeit der Begünstigung durch letztwillige Verfügung behandelt (Weiß in Klang[2] III 17; Welser in Rummel, ABGB, Rdz. 10 zu § 531;

Presslmayer, JBl. 1961, 403; Prölss-Martin VVG[22] 1101 f., 1173;

Wussow AUB[4] 256; Heilmann in VersR 1972, 998). Am eingehendsten wird diese Rechtsansicht in Prölss-Martin damit begrundet, daß es sich bei § 166 VersVG um eine Abänderung der Bestimmung handle. Die letztgenannte Bestimmung behandelt Lebensversicherungen. Sie ist im Abschnitt über Verträge zugunsten Dritter enthalten. Demnach handle es sich bei der Lebensversicherung mit einer Begünstigung um einen Vertrag zugunsten Dritter. Ein solcher Vertrag könne aber, soweit er nicht bindende Wirkung zugunsten des Dritten hat, einseitig abgeändert werden, und zwar grundsätzlich auch durch ein Testament (Palandt BGB[43] Anm. 4 zu § 328).

Ob wegen der anderen Rechtslage in Österreich die Argumentation aus Prölss-Martin ohne weiteres übernommen werden kann, ist fraglich, weil der Wortlaut des § 881 ABGB erheblich vom Wortlaut des § 328 BGB abweicht und daher in Österreich Lebensversicherungen nicht ohneweiters als Verträge zugunsten Dritter iS des § 881 ABGB angesehen werden können. Allerdings soll nicht übersehen werden, daß das Versicherungsvertragsgesetz in Wahrheit eine Übernahme des deutschen Versicherungsvertragsgesetzes darstellt, weshalb, mangels entgegenstehender Vorschriften, zu seiner Auslegung jene Bestimmungen des deutschen Rechtes herangezogen werden können, auf die das deutsche Versicherungsvertragsgesetz zurückgeht.

Die in der Literatur vertretene Rechtsansicht läßt sich aber auch ohneweiters aus der österreichischen Gesetzeslage ableiten. Wenn auch der Lebensversicherungsvertrag mit Begünstigung nicht ein Vertrag zugunsten Dritter iS des § 881 ABGB ist, so ist er doch ein Vertrag, durch den einem Dritten Rechte verschafft werden sollen, der sich jedoch vom Vertrag iS des § 881 ABGB dadurch unterscheidet, daß im Zweifel ein direkter Anspruch des Begünstigten nicht entsteht, obwohl der Vertrag vorwiegend diesem zum Vorteil gereichen soll, und daß dem Versicherungsnehmer eine Änderung der Begünstigung mangels gegenteiliger Vereinbarung ohneweiters bis zum Eintritt des Versicherungsfalles offen bleibt. Demnach handelt es sich hier um ein Vermögensrecht, das ohne eine entsprechende Verfügung in den Nachlaß des Versicherungsnehmers fallen würde. Nach § 531 ABGB ist nämlich der Nachlaß der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, sofern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegrundet sind. Vermögensrechtliche Rechte und Pflichten sind im allgemeinen vererblich (Welser in Rummel, ABGB, Rdz. 4 zu § 531). Handelt es sich aber um Vermögensrechte des Versicherungsnehmers, so ist dieser gemäß § 552 ABGB grundsätzlich berechtigt, darüber in einer letztwilligen Erklärung zu verfügen. Es spielt hiebei keine Rolle, ob die letztwillige Verfügung dann dazu führt, daß jener Gegenstand oder jenes Recht, über das verfügt worden ist, in die Verlassenschaftsabhandlung einzubeziehen ist oder nicht. Die letztwillige Verfügung über die Begünstigung aus einer Lebensversicherung ist daher, soweit ihr andere Vereinbarungen nicht entgegenstehen, grundsätzlich schon auf Grund der Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zulässig. § 166 VersVG hat daran nichts geändert. Diese Bestimmung soll lediglich einerseits dem Versicherungsnehmer die freie Verfügbarkeit bezüglich der Begünstigung einräumen und andererseits den Versicherer davor schützen, daß er, obwohl er bei der Auszahlung der ihm bekanntgegebenen Begünstigung entsprochen hat, von dem ohne seine Kenntnis an die Stelle des bisher Begünstigten Gesetzten neuerlich in Anspruch genommen wird. Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist ein solches Auseinanderfallen des Verhältnisses des Versicherers zu dem ihm bekannten Begünstigten einerseits und der materiellen Berechtigung andererseits möglich und im Streit mehrerer Anspruchswerber untereinander auch rechtlich beachtlich.

Es ergibt sich sohin, daß das Berufungsgericht auch die dritte der aufgeworfenen Rechtsfragen richtig gelöst hat, weshalb auch nicht geprüft werden mußte, ob die Polizze beim Tod des Versicherungsnehmers in dessen Besitz oder mit Willen des Erblassers im Besitz der Klägerin war, in welchem Falle der Anspruch der Klägerin auch ohne das Testament gegeben wäre (VersRdSch 1960, 348; SZ 17/125 ua.).