OGH vom 30.03.2011, 7Ob18/11i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Dr. Gitschthaler und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Siemer Siegl Füreder Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei E***** B*****, vertreten durch Mag. Karlheinz Amann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 38.051,69 EUR sA, über die „außerordentliche“ Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 37 R 397/10x 38, womit das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom , GZ 11 C 385/09t 33, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die „außerordentliche“ Revision wird ausgenommen hinsichtlich der 5.000 EUR übersteigenden Forderungen (Rechnung vom über 5.928,77 EUR [Beil ./AB] und hinsichtlich der Rechnung vom über 5.060,18 EUR [Beil ./O]) zurückgewiesen.
Der Akt wird an das Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt das Entgelt für 25 verschiedene Warenlieferungen, wobei sie bereits in der Klage ausdrücklich vorbringt, dass die einzelnen Forderungen in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Lediglich zwei der Forderungen übersteigen 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Bezahlung von 37.828,25 EUR. Das Mehrbegehren von 223,44 EUR (Nebenforderung) samt Zinsen wies es rechtskräftig zurück.
Das Berufungsgericht bestätigte das klagsstattgebende Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Dagegen richtet sich die als „außerordentlich“ bezeichnete Revision der Beklagten, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof unmittelbar zur Entscheidung vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zum Teil jedenfalls unzulässig, zum Teil widerspricht die Vorlage an den Obersten Gerichtshof der geltenden Rechtslage.
Bei der Beurteilung der Frage der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 501 ZPO ist nach § 55 Abs 4 ZPO auf § 55 Abs 1 Z 1 ZPO abzustellen, nach dem eine Zusammenrechnung mehrerer Forderungen des Klägers erfolgt, wenn zwischen ihnen ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht. Dabei ist ausschließlich vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RIS Justiz RS0106759, RS0042741). Der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang wird nicht allein durch den Umstand hergestellt, dass es sich um gleichartige Leistungen des Anspruchsberechtigten handelt (RIS Justiz RS0110872). Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich kein wie immer gearteter Hinweis darauf, dass die geltend gemachten Forderungen in einem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang stünden, dies wird sogar ausdrücklich in Abrede gestellt. Eine Zusammenrechnung der einzelnen Forderungen kann daher für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht erfolgen, die Zulässigkeit ergibt sich in diesem Fall nach den einzelnen Ansprüchen ( Zechner in Fasching/Konecny ², § 502 ZPO Rz 151 mwN).
Hinsichtlich jener Forderungen, die 5.000 EUR nicht übersteigen, ist die Revision daher jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO). In diesem Umfang ist die „außerordentliche“ Revision bereits vom Obersten Gerichtshof als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.
Hinsichtlich der zwei 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigenden Forderungen gilt Folgendes:
Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO bei einem solchen Streitwert jedenfalls unzulässig, wenn das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat.
Eine Partei kann in diesem Fall nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.
Der Oberste Gerichtshof wäre nur dann zur Entscheidung über die Revison hinsichtlich der beiden 5.000 EUR übersteigenden Forderungen berufen, wenn das Berufungsgericht einem gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO gestellten Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs stattgegeben hätte. Solange eine solche Abänderung nicht erfolgt, mangelt es dem Obersten Gerichtshof an der funktionellen Zuständigkeit. Erhebt eine Partei eine Revision (auch wenn sie als „außerordentlich“ bezeichnet wird), so ist diese gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen (RIS Justiz RS0109623). Ob die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens notwendig ist, bleibt der Entscheidung der Vorinstanzen vorbehalten.