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OGH 17.12.2002, 5Ob294/02z

OGH 17.12.2002, 5Ob294/02z

Rechtssätze


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Norm
RS0117161
Unter "anderen Gesetzen" im Sinne des §20 lit b GBG sind grundsätzlich österreichische Gesetze zu verstehen. Allenfalls könnte das Gemeinschaftsrecht selbst ein solches "anderes Gesetz" enthalten, nicht hingegen das nationale Recht anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Normen
EG Amsterdam Art56
EGV Maastricht Art73b
RS0117162
Art56 (ex-Art73b) EGV zwingt nicht zur Übernahme deutschen Rechts in die österreichische Rechtsordnung. Nach dieser Bestimmung sind vielmehr alle Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin O*****gesellschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Anmerkung der Verfügungsbeschränkung gemäß § 31 Abs 2 Satz 1 dKAGG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , AZ 46 R 393/02p, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , TZ 4101/02, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Zur Vorgeschichte (und zum Text des § 31 dKAGG) wird auf 5 Ob 285/01z = RdW 2002/405 = ÖBA 2002/1059 verwiesen.

Die Antragstellerin begehrte in der Folge ob der zur Gänze in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** folgende Anmerkung zu bewilligen:

"Verfügungsbeschränkung zu Gunsten des Bankhauses S*****, Kommanditgesellschaft auf Aktien, *****, als Depotbank des G*****-Fonds O***** (§ 31 Abs 2 Satz 1 deutsches Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften)."

Sie brachte dazu vor, die O*****-Kapitalanlagegesellschaft mbH (im Folgenden O-KAG) sei eine Kapitalanlagegesellschaft, die nach deutschem Recht errichtet worden sei. Diese unterliege deshalb insbesondere der Bestimmungen des dKAGG in der Neufassung vom . Die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch I***** werde von der O-KAG dem "G*****-Fonds O*****" gewidmet, der von der O-KAG aufgelegt worden sei. Diese Liegenschaft zähle somit zum Grundstück-Sondervermögen im Sinne der §§ 26 ff dKAGG. Im Sinn des § 31 Abs 1 dKAGG habe die O-KAG mit der laufenden Überwachung des Liegenschaftsbestandes, der Verwahrung der Geldbeträge und Wertpapiere, die zum Sondervermögen gehörten, und mit der Ausgabe und Rücknahme von Anteilsscheinen ein anderes Kreditinstitut (Depotbank) zu beauftragen. Diese Funktion als Depotbank übe im gegenständlichen Fall über Auftrag der O-KAG das Bankhaus Sal. O*****, Kommanditgesellschaft auf Aktien aus. Nach § 31 Abs 2 Satz 1 dKAGG dürfe die O-KAG über Liegenschaften, die im Sinn des § 27 Abs 1 und 2 dKAGG zum Grundstücks-Sondervermögen gehören, nur nach vorheriger oder bei gleichzeitiger Zustimmung der Depotbank verfügen. Unter Verfügung sei jeder Verkauf, jede sonstige Veräußerung, hypothekarische oder außerbücherliche Belastung oder sonstige Handlung zu verstehen, die zu einer strengen Einschränkung des Eigentums führe. Nach § 31 Abs 2 dKAGG habe die O-KAG ferner dafür Sorge zu tragen, dass die Verfügungsbeschränkung im Sinn des § 31 Abs 2 Satz 1 dKAGG in das Grundbuch eingetragen werde. Die Einhaltung dieser Bestimmungen sei durch die Depotbank zu überwachen. Lägen die Grundstücke im Ausland und sei die Eintragung der Verfügungsbeschränkung nach § 31 Abs 2 Satz 2 dKAGG im (ausländischen) Grundbuch oder einem vergleichbaren Register nicht möglich, sei die Wirksamkeit der Verfügungsbeschränkung in anderer geeigneter Form sicherzustellen. § 364c ABGB scheide aus, weil die Antragstellerin nicht zum dort genannten Personenkreis zähle. Deshalb komme nur eine grundbücherliche Anmerkung nach § 20 GBG in Frage, in analoger Anwendung des dem österreichischen Recht bekannten "Kautionsbandes". § 20 lit b GBG treffe keine Einschränkung auf österreichische Gesetze. Nichts spräche gegen die Anwendung des § 31 Abs 2 Satz 1 dKAGG. Die Hauptverwaltung der O-KAG liege in der Bundesrepublik Deutschland. Im Sinn des § 10 IPRG sei demnach das bundesdeutsche Recht das Personalstatut der O-KAG. Über § 10 IPRG sei somit auf die Rechtsverhältnisse der O-KAG bundesdeutsches Recht und insbesondere auch das dKAGG anzuwenden.

Schließlich sei die Anmerkungsfähigkeit der Verfügungsbeschränkung auch europarechtlich geboten, weil jede andere Rechtsauffassung gegen den Grundsatz des "freien Kapitalverkehrs" innerhalb der Europäischen Union verstoßen würde. Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs wären nur dann zulässig, wenn sie im allgemeinen Interesse gelegen wären und keine anderen, weniger einschneidenden Regelungen erlauben würden, das gleiche Ergebnis zu erreichen.

Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab, weil deutsche Gesetze in Österreich keine unmittelbare Anwendung finden könnten; es könne sich bei "anderen Gesetzen" im Sinne des § 20 lit b GBG nur um österreichische Gesetze handeln.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge, sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, und führte im Wesentlichen folgenden aus:

Gemäß § 20 lit b GBG könnten grundbücherliche Anmerkungen erfolgen zur Begründung bestimmter, nach den Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes damit verbundener Rechtswirkungen. Sodann nenne das Gesetz Beispiele, wie zB die Anmerkung der Rangordnung. Herrschend sei die Ansicht, dass die Aufzählung des § 20 lit b GBG nicht erschöpfend sei. Richtig sei auch, dass auch ausländische Urkunden für Anmerkungen geeignet sein könnten. Das Rekursgericht stehe jedoch weiterhin auf dem Standpunkt, dass "andere Gesetze" im Sinne des § 20 lit b GBG nur österreichische Gesetze seien. Daran könnten auch die Ausführungen der Rekurswerberin nichts ändern, wonach § 20 lit b GBG keine Einschränkung auf österreichische Gesetze vornehme. Die Rekurswerberin berufe sich auf das Gemeinschaftsrecht, insbesondere auf das Recht des freien Kapitalverkehrs. Dazu sei Folgendes auszuführen:

Gemäß Art 56 (ex-Artikel 73b) des Vertrages der Europäischen Union (in der Fassung des Vertrages von Amsterdam) seien im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten, ebenso alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Es könne kein Zweifel darüber bestehen, dass für Österreich ab dem das unmittelbar wirkende Gemeinschaftsrecht Vorrang gegenüber nationalem Recht habe. Das bedeute, das Gemeinschaftsrecht Vorrang vor entgegenstehenden Gesetzen der Mitgliedstaaten habe.

Trotzdem sei nach Ansicht des Rekursgerichtes nicht davon auszugehen, dass im Wege des Art 56 EGV deutsche Gesetze in Österreich unmittelbar Anwendung finden könnten. Von der nicht unmittelbaren Anwendbarkeit des dKAGG in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sei offenbar auch der deutsche Gesetzgeber ausgegangen, wenn er in § 31 Abs 4 dKAGG normiert habe: "Ist bei ausländischen Grundstücken die Eintragung der Verfügungsbeschränkung in ein Grundbuch oder ein vergleichbares Register nicht möglich, so ist die Wirksamkeit der Verfügungsbeschränkung in anderer geeigneter Form sicherzustellen." Dass mit "ausländischen Grundstücken" nur solche in anderen Ländern der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gemeint seien, gehe aus § 27 Abs 1 dKAGG hervor.

Da die österreichischen Rechtsinstitute der Liegenschaftseigentümerin uneingeschränkt zur Verfügung stünden, könne von einer Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne des Art 56 EGV keine Rede sein. Die O-KAG habe auch - wie aus der Grundbuchsabschrift hervorgeht - (erneut) einen Beschluss über die Rangordnung für die Veräußerung erwirkt.

Unrichtig seien die Ausführungen der Rekurswerberin, der Oberste Gerichtshof sei in seiner Entscheidung 5 Ob 285/01z davon ausgegangen, dass die Anmerkung der Verfügungsbeschränkung zulässig sei. Richtig sei vielmehr, dass das Höchstgericht in der genannten Entscheidung vom diese Frage offen gelassen habe. Der Oberste Gerichtshof habe ausgeführt, dass es in Anbetracht der fehlenden Legitimation der antragstellenden Partei (dort Depotbank) dahingestellt bleiben könne, ob die begehrte Anmerkung im österreichischen Grundbuch überhaupt zulässig sei. Aus verfahrensökonomischen Gründen sei lediglich bemerkt worden, dass für die Eintragung einer derartigen Verfügungsbeschränkung die Mitwirkung der Überwachungseinrichtung (Depotbank) entbehrlich wäre. Das Rekursgericht sehe sich jedenfalls nicht veranlasst, von seiner im Beschluss vom , 45 R 569/01v, geäußerten Rechtsansicht abzugehen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen gewesen, weil zur Frage der Anmerkung der Verfügungsbeschränkung im Sinne des § 31 Abs 2 Satz 1 dKAGG nach wie vor keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Grundbuchsgesuch stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Die Rechtsmittelwerberin macht zusammengefasst geltend, § 31 Abs 2 Satz 1 dKAGG sei bei gemeinschaftskonformer Auslegung als "anderes Gesetz" im Sinne des § 20 lit b GBG anzusehen. Eine Verweigerung der begehrten Anmerkung würde eine unzulässige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen. Die Verfügungsbeschränkung müsste durch eine aufwändige Ersatzlösung über eine Anmerkung der Rangordnung und die Betrauung eines Treuhänders sichergestellt werden, was eine Behinderung von Immobilieninvestitionen durch deutsche Kapitalanlagegesellschaften in Österreich bewirke.

Hiezu wurde erwogen:

Die Antragstellerin begehrt die Vornahme einer im deutschen Recht (§ 31 dKAGG) vorgesehenen, dem österreichischen Recht hingegen unbekannten grundbücherlichen Eintragung (Anmerkung der Verfügungsbeschränkung einer Kapitalanlagegesellschaft zu Gunsten der Depotbank), wobei die deutsche Norm sogar im Anmerkungstext aufscheint.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass unter "anderen Gesetzen" im Sinne des § 20 lit b GBG grundsätzlich österreichische Gesetze zu verstehen sind. Allenfalls könnte das Gemeinschaftsrecht selbst ein solches "anderes Gesetz" enthalten, nicht hingegen das nationale Recht anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Gemäß Art 295 (ex-Art 222) EGV ist freilich - wenn auch nur prinzipiell - allen einzelnen Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Gestaltung ihrer Eigentumsordnung vorbehalten (vgl Röttinger in Lenz, EG-Vertrag Art 295 Rz 3).

Auch Art 56 (ex-Art 73b) EGV zwingt nicht zur Übernahme deutschen Rechts in die österreichische Rechtsordnung. Nach dieser Bestimmung sind vielmehr alle Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Richtig ist, dass darunter auch Immobilieninvestitionen fallen (Weber in Lenz, EG-Vertrag Art 56 Rz 5). Um eine österreichische Norm, die einer Kapitalanlage in Österreich grundsätzlich entgegenstünde, geht es hier aber gar nicht. Ziel der Antragstellerin ist nicht die Ausschaltung einer gemeinschaftsrechtswidrigen inländischen Norm, sondern im Ergebnis die Einführung einer in der deutschen Rechtsordnung vorgesehenen bücherlichen Eintragung. Demgegenüber rechnet der deutsche Gesetzgeber selbst sogar ausdrücklich mit der Existenz einer abweichenden ausländischen Rechtslage (§ 31 Abs 4 Satz 2 dKAGG). Soweit die Antragstellerin unter Berufung auf Eilmannsberger, Zur Reichweite der Kapitalverkehrsfreiheit, ÖBA 2001, 377 (381) behauptet, sie würde durch Verweigerung der in Deutschland üblichen Anmerkung faktisch gegenüber inländischen Anbietern benachteiligt, ist dies nicht überzeugend: Auch inländischen Kapitalanlagegesellschaften steht das von der Antragstellerin gewünschte Sicherungsinstrument derzeit (vgl zum Entwurf eines Immobilien-Investmentfondgesetzes Reisch, ecolex 2001, 720, vgl insbes § 4 Abs 4, § 9 Abs 1 des Entwurfs) nicht zur Verfügung. Andere Diskriminierungsgründe werden im Rechtsmittel nicht geltend gemacht. Im Übrigen sprechen die Ausführungen des erwähnten Autors eher gegen als für den Standpunkt der Antragstellerin: Die von dieser genannte Erschwernis bei der Sicherung ihrer Verfügungsbeschränkung mag allenfalls eine mittelbare Behinderung ihres Immobilieninvestments sein; in Anwendung der "Keck-Formel" (EuGH Slg 1993 I-6097) wird im vorliegenden Fall aber weder der Kapitalmarktzutritt versperrt noch wird der Marktzutritt stärker behindert als dies für inländisches Kapital der Fall ist. Dass eine dem deutschen Recht bekannte Grundbuchseintragung dem österreichischen Recht (noch) unbekannt ist, gefährdet den Binnenmarkt nicht.

Art 56 EGV bietet somit keine taugliche Grundlage für eine Rechtsvereinheitlichung im Sinne einer Übernahme der einschlägigen deutschen Rechtslage in das österreichische Grundbuchsrecht. Nach Auffassung des erkennenden Senates ist dies so klar, das die von der Antragstellerin angeregte Befassung des EuGH entbehrlich ist. Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2002:0050OB00294.02Z.1217.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAD-65058