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OGH vom 24.05.2018, 6Ob60/18v

OGH vom 24.05.2018, 6Ob60/18v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** H*****, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** G*****, Frankreich, vertreten durch Dr. Gerhard Ebenbichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 76.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 35 R 222/17g-43, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 23 C 1332/16i-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verworfen wird.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 4.225,44 EUR (darin 704,24 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Einwilligung in die Übertragung des Eigentums von Wohnungseigentumsobjekten dergestalt, dass dieser an die Klägerin die (näher beschriebenen) ihm zugehörigen Liegenschaftsanteile überträgt, sodass die Klägerin Alleineigentümerin der Liegenschaftsanteile wird, widrigenfalls die ausdrückliche und unwiderrufliche Zustimmung ohne sein weiteres Wissen, nicht jedoch auf seine Kosten ob der Liegenschaftsanteile die Einverleibung mit Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils als abgegeben gilt. Grundlage für das Begehren soll eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen sein, mit der sich der Beklagte verpflichtete, der Klägerin die Wohnungseigentumsobjekte gegen Zahlung von 105.000 EUR Zug um Zug zu übertragen; dieser Verpflichtung sei der Beklagte jedoch nicht nachgekommen, obwohl die Klägerin tatsächlich Zahlung geleistet habe.

Die Vorinstanzen verneinten für dieses Begehren die (internationale) Zuständigkeit Österreichs mangels Anwendbarkeit des Art 7 Nr 1 Brüssel Ia-VO (nur dies ist noch Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens), weil der Urteilsspruch die Aufsandungserklärung (§ 32 GBG) des Beklagten ersetzen soll, dieser Teil des Verfügungsgeschäfts und nicht des Verpflichtungsgeschäfts und Art 7 Nr 1 Brüssel Ia-VO bloß auf letztere anwendbar sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig ist; es bestehe zur Frage, ob Art 7 Nr 1 der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) – Brüssel Ia-VO – den Wahlgerichtsstand des Erfüllungsorts auch für jene Verträge zur Verfügung stellt, bei denen die geschuldete Leistung in einer Übereignungshandlung, wie beispielsweise in der Abgabe der grundbücherlich notwendigen Aufsandungserklärung, besteht, lediglich eine einzelne Entscheidung (8 Ob 114/15w SZ 2015/130 = ZfRV-LS 2016/8 [Ofner] = JAP 2017/2018/5 [Kumpl/Frauenberger-Pfeiler]), die von Kumpl/Frauenberger-Pfeiler mit beachtlichen Argumenten kritisiert worden sei.

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagte wurde im Verfahren erster Instanz zunächst von einem Abwesenheitskurator vertreten, der die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts nicht bemängelte. Erst nachdem er selbst in das Verfahren eingetreten war, erhob der Beklagte die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit. Dazu war er nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH; Rs C-112/13 EU:C:2014:2195) und des Obersten Gerichtshofs (9 Ob 70/14f EvBl 2015/53 [Haidmayer]) trotz Einlassung des Abwesenheitskurators (noch) berechtigt.

2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 8 Ob 114/15w – bei vergleichbarem Sachverhalt (Grundgeschäft war eine Schenkung) und ähnlichem Klagebegehren (die Beklagte sei gegenüber dem Kläger schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechts ob bestimmter Liegenschaftsanteile, mit welchen das Miteigentumsrecht an einem Weg realrechtlich verbunden ist, für den Kläger einzuwilligen) – ausgeführt, Art 5 Nr 1 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) – dabei handelt es sich um die wortidente Vorgängerbestimmung des Art 7 Nr 1 Brüssel Ia-VO – umfasse nur verpflichtende, nicht aber auch verfügende Verträge; für Klagen aus Verfügungsgeschäften stehe dieser Zuständigkeitstatbestand daher nicht zur Verfügung. Dies gelte demnach für Verträge, mit denen Rechte übertragen, geändert, belastet oder aufgehoben werden. Zum sachenrechtlichen (Eigentums-)Erwerb bedürfe es neben dem obligatorischen Übertragungsanspruch noch des Verfügungsgeschäfts. Das Verfügungsgeschäft betreffe den Modus (§ 433 ABGB) und beziehe sich bei unbeweglichen Sachen daher auf die Grundbuchseintragung. Bei der Rechtshandlung, die für den Vollzug der bücherlichen Eintragung durch das Grundbuchsgericht vorausgesetzt ist, handle es sich um die „Aufsandungserklärung“, die entweder in der Urkunde über das Titelgeschäft, in einer besonderen Urkunde oder im Grundbuchsgesuch selbst abgegeben werden kann. Sie sei die ausdrückliche Erklärung desjenigen, der über bücherliche Rechte verfügt, dessen Recht also beschränkt, belastet, aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen werden soll, dass er in die Einverleibung einwillige. Sie bedürfe nicht der Annahme durch den Erwerber und sei gemäß § 32 GBG nicht Teil des Verpflichtungsgeschäfts, sondern des Verfügungsgeschäfts.

Auf diese Entscheidung beriefen sich beide Vorinstanzen.

3. Auch nach der deutschen Literatur erfassen Art 5 Nr 1 EuGVVO bzw Art 7 Nr 1 Brüssel Ia-VO nur verpflichtende, nicht aber verfügende Verträge; sie stehen demnach für Verträge, mittels derer Rechte übertragen, geändert, belastet oder aufgehoben werden, als Vertragsgerichtsstand nicht zur Verfügung (Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR³ [2011], Art 5 Brüssel I-VO Rz 21; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht³ [2010] Art 5 EuGVVO Rz 51, der für das deutsche Recht etwa die Einigung über den Eigentumsübergang nach § 929 BGB erwähnt; Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR4 [2016], Art 7 Brüssel Ia-VO Rz 36; Hüßtege in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung38 [2017] Art 7 EuGVVO Rz 4; Stadler in Musielak/Voit, ZPO14 [2017] Art 7 EuGVVO Rn 4, der ebenfalls auf § 929 BGB verweist).

Die österreichische Literatur verwendet in diesem Zusammenhang die Formulierung „Klagen aus verfügenden Rechtsgeschäften“ (Simotta in Fasching/Konecny² V/1 [2008] Art 5 EuGVVO Rz 83; vgl auch Brenn, Europäischer Zivilprozess [2005] Rz 65; ebenso 8 Ob 114/15w, auf welche Entscheidung Wittwer in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts [2017] Rz 3.214 verweist).

4. Nach Kumpl/Frauenberger-Pfeiler (JAP 2017/2018/5 [Entscheidungsanmerkung]) handelte es sich bei dem, der Entscheidung 8 Ob 114/15w zugrunde liegenden Begehren allerdings nicht um eine Klage aus dem Verfügungsgeschäft. Vielmehr entstehe aus einem Schenkungsvertrag der Anspruch auf Übereignung der entsprechenden Sache, bei unbeweglichen Sachen bestünden die vom Schenker geschuldeten Übereignungshandlungen in der Abgabe der grundbuchsrechtlich notwendigen Aufsandungserklärung und der Mitwirkung an der Ausstellung der grundbuchsrechtlich sonst notwendigen Urkunden. Damit sei im genannten Verfahren aber Erfüllung des Schenkungsvertrags begehrt worden, das Verfügungsgeschäft sei die begehrte Erfüllungshandlung, die sich aus dem Verpflichtungsgeschäft (Schenkungsvertrag) ergeben habe.

5. Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen an:

5.1. Der EuGH hat in der Entscheidung Rs C-417/15 ([Schmidt/Schmidt] EU:C:2016:881) in ErwGr 39 in einem ebenfalls Österreich betreffenden Fall ausgesprochen, dass nach Art 7 Abs 1 lit a Brüssel Ia-VO Streitigkeiten, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, von dem Gericht des Ortes geprüft werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, also die Verpflichtung, die dem vertraglichen Anspruch, auf den der Kläger seine Klage stützt, entspricht. Die Klage sei im Ausgangsverfahren auf die angebliche Nichtigkeit „der vertraglichen Verpflichtung gestützt, die in der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück besteht. Diese [habe], sofern der Vertrag rechtsgültig ist, in Österreich zu erfolgen [...]“. Bereits daraus ergibt sich die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte, befinden sich die zu übertragenden Liegenschaftsanteile doch in Österreich.

5.2. Im hier zu beurteilenden Fall strebt die Klägerin die Übertragung der Liegenschaftsanteile in ihr Alleineigentum aufgrund eines mit dem Beklagten (angeblich) abgeschlossenen zivilrechtlichen Vertrags an. Nach § 431 ABGB muss zur Übertragung des Eigentums unbeweglicher Sachen das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Eine bloß physische Übergabe einer Liegenschaft ersetzt die grundbücherliche Eintragung nicht (RIS-Justiz RS0011111, RS0011117). Damit macht die Klägerin aber Ansprüche aus dem Verpflichtungsgeschäft, nämlich die Eigentumsübertragung geltend (ebenso Kumpl/Frauenberger-Pfeiler,JAP 2017/2018/5 [Entscheidungsanmerkung]). Dass Art 7 Nr 1 Brüssel Ia-VO nur verpflichtende, nicht aber verfügende Verträge erfassen soll (vgl 2. und 3.), hindert somit die Annahme internationaler Zuständigkeit österreichischer Gerichte hier nicht.

5.3. Es entspricht zwar der Rechtsprechung des für Grundbuchssachen zuständigen Fachsenats des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 157/99w; ebenso Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht² [2016] Rz 26), der sich die Entscheidung 8 Ob 114/15w angeschlossen hat, dass die Aufsandungserklärung nach § 32 GBG, die die ausdrückliche Erklärung desjenigen ist, dessen Recht beschränkt, belastet, aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen werden soll, in die Einverleibung einzuwilligen, nicht der Annahme durch den Erwerber bedarf und deshalb nicht Teil des Verpflichtungs-, sondern des Verfügungsgeschäfts ist. Allerdings ist die Aufsandungserklärung Voraussetzung für die Eintragung des Eigentumsrechts im Grundbuch und muss dem Grundbuchsgericht auch vorgelegt werden (vgl Weigand aaO Rz 26 ff); nach der Entscheidung Rs C-417/15 ([Schmidt/Schmidt] EU:C:2016:881) des EuGH hat aber die Eigentumsübertragung bei in Österreich gelegenen Liegenschaften in Österreich zu erfolgen, weshalb die vom Fachsenat für Grundbuchssachen vorgenommene Unterscheidung keine Auswirkungen auf die hier zu beurteilende zuständigkeitsrechtliche Frage hat. Im Übrigen kann die physische Übergabe jedenfalls nur in Österreich erfolgen, sodass im Zusammenhalt mit der dem Grundbuchsgericht gegenüber abzugebenden Aufsandungserklärung der Schwerpunkt der Erfüllungshandlungen zweifellos in Österreich liegt.

6. Damit liegt aber entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte vor; die diesbezügliche Einrede des Beklagten war zu verwerfen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00060.18V.0524.000

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