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OGH vom 24.03.1983, 7Ob14/83

OGH vom 24.03.1983, 7Ob14/83

Norm

EKHG § 1;

VersVG § 78;

VersVG § 152;

Kopf

SZ 56/51

Spruch

"Unfall" iS des § 1 EKHG ist auch die vorsätzliche Verletzung eines Verkehrsteilnehmers durch einen anderen mit Hilfe eines Kraftfahrzeuges

Der Versicherungsnehmer (Halter), der selbst nicht vorsätzlich gehandelt hat, hat Anspruch auf Deckung trotz vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den mitversicherten Lenker

(OLG Wien 15 R 197/82; LGZ Wien 11 Cg 763/81)

Text

Die beklagte Partei war am Haftpflichtversicherer eines PKW, dessen Halter Nikolic B war. Mit diesem Fahrzeug stieß ein Bekannter des Halters, Tihomir M, am genannten Tage den Fußgänger Slobodan K vorsätzlich nieder, sodaß dieser schwer verletzt auf der Fahrbahn liegen blieb. Kurz darauf überfuhr der Lenker eines anderen, bei der klagenden Partei haftpflichtversicherten PKW den Schwerverletzten und dessen ihm zu Hilfe geeilte Ehefrau und tötete beide. Die klagende Partei begehrt im Regreßweg den Ersatz von zwei Dritteln ihrer Aufwendungen aus der Solidarschuldverpflichtung.

Die beklagte Partei bestritt eine Zahlungsverpflichtung, weil sie weder nach dem EKHG noch nach dem VersVG für eine vorsätzliche Schädigung aufzukommen habe.

Der Erstrichter erkannte mit Teil-Zwischenurteil die Klagsforderung als dem Gründe nach zu Recht bestehend.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der klagende Haftpflichtversicherer ungeachtet der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den mitversicherten Lenker die Schadenersatzansprüche gegenüber dem Halter zu decken habe, zumal § 1 EKHG den Unfallsbegriff nicht auf eine fahrlässige Herbeiführung beschränke.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerberin ist zuzugeben, daß der Begriff "Unfall" im allgemeinen Sprachgebrauch eine vorsätzliche Beschädigung nicht mitumfaßt. Dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, die Haftung des Halters nach § 1 EKHG auch auf den hier vorliegenden Fall zu erstrecken, daß ein mitversicherter Lenker das haftpflichtversicherte Fahrzeug absichtlich als Waffe benützt. Abgesehen davon, daß dem Halter in besonders gelagerten Fällen (wie BGH VersR 1971, 239) der Vorwurf der schuldhaften Ermöglichung einer Schwarzfahrt durch den späteren Vorsatztäter gemacht werden kann, wobei sowohl für den Halter wie für den Geschädigten die Interessenlage und das Bedürfnis nach einer Gefährdungshaftung und deren Deckung durch die Haftpflichtversicherung gleich wie bei einem sonstigen Verkehrsunfall bestehen, wird auch in vergleichbaren Fällen der Unfalls- oder Unglücksfalls-Begriff nicht zu eng verstanden. So fällt auch eine absichtliche Mißhandlung unter die in der Unfallversicherung gedeckte Unfallgefahr (Bruck - Möller - Wagner, VVG[8] VI/1, 262), § 333 Abs. 1 ASVG spricht von einem vorsätzlich verursachten Arbeitsunfall; ebenso liegt ein Unglücksfall iS des § 95 StGB auch bei einer körperlichen Beschädigung vor, die von einem anderen in verbrecherischer Absicht verursacht worden ist (Leukauf - Steininger, StGB[2] 649; ÖJZ-LSK 1979/9). Mit Recht verweist das Berufungsgericht auch auf die Meinung von Koziol, Haftpflichtrecht II 425, daß die für den Geschädigten günstigen Gefährdungshaftungsnormen im Falle der besonderen Vorwerfbarkeit des Handelns des Schädigers nicht unanwendbar werden sollen. Auch in diesem Fall schlägt der maßgebende Haftungsgrund der Gefährdungshaftung durch, daß derjenige (hier: der Halter), der zu seinem Nutzen (sei es auch durch einen Dritten, den Lenker) eine gefährliche Sache verwendet, auch die Nachteile tragen soll, die anderen daraus entstehen (vgl. Koziol - Welser, Grundriß[6] I 365). Der Unfall-Begriff nach dem EKHG wurde in diesem Sinn bisher noch nie ausdrücklich auf den Fall einer zufälligen Schädigung beschränkt (Veit, EKHG[3] 14 mwN). Eine allenfalls gegenteilige schweizerische Lehrmeinung kann für das österreichische Recht nicht ausschlaggebend sein, zumal andererseits auch der Bundesgerichtshof die vorsätzliche Verletzung eines Menschen mittels eines Kraftfahrzeuges dem weiteren Unfallsbegriff und damit der Gefährdungshaftung unterwirft (VersR 1962, 829; BGHZ 37, 311; ebenso Wussow, Unfallhaftpflichtrecht[12] 361 Rdz. 673; Jagusch, StVR[26] 83 f.).

Entgegen der Meinung der Revisionswerberin fehlt es auch nicht an einem adäquaten Zusammenhang oder daran, daß der Unfall "beim Betrieb" eines Kraftfahrzeuges erfolgte. Es genügt ja, daß der Betrieb des Kraftfahrzeuges eine der mitwirkenden Ursachen des Unfalles war. Letzteres kann hier nicht fraglich sein, weil auch das bei der beklagten Partei haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug im Straßenverkehr benützt wurde und der schädigende Erfolg ohne den in diesem Sinn bestimmungsgemäßen Gebrauch des Fahrzeuges nicht eingetreten wäre.

Mit Recht haben schließlich die Vorinstanzen einen subjektiven Risikoausschluß nach § 152 VersVG zu Lasten des von der beklagten Haftpflichtversicherung begünstigten Halters des bei ihr versicherten Fahrzeuges verneint. Wohl haftet der Versicherer nach § 152 VersVG nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat (vgl. SZ 34/1; ZVR 1975/120). Diese Bestimmung gilt iS des § 78 VersVG auch für den mitversicherten Lenker, sodaß ihm gegenüber keine Deckungspflicht besteht, wenn er vorsätzlich gehandelt hat (Prölss - Martin, VVG[22] 808). Nach Lehre und Rechtsprechung sind aber solche subjektiven Risikoausschlüsse, die in der Person des Mitversicherten liegen, dem Versicherungsnehmer nicht zuzurechnen (Prölss - Martin aaO 453; Bruck - Möller - Sieg VVG[8] II 984; BGH VersR 1971, 239; das in der Revision enthaltene Zitat dieser Entscheidung bezieht sich auf die Leistungsfreiheit gegenüber dem vorsätzlich handelnden Lenker, während die Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer selbst dort erst unter II. in dem schon vom Berufungsgericht dargestellten Sinn behandelt wird).

Richtig ist allerdings, daß die Ansprüche der klagenden Partei auf die EKHG-Summe einzuschränken wären. Die Revisionswerberin hat aber nicht einmal behauptet, daß die klagende Partei darüber hinaus Ansprüche der Geschädigten befriedigt habe oder befriedigen wolle. Deshalb bedarf es insoweit keiner Änderung des angefochtenen Urteils.

Gegen die Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zugunsten der klagenden Partei bringt die Revision nichts mehr vor.