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OGH vom 21.07.2004, 3Ob64/04i

OGH vom 21.07.2004, 3Ob64/04i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Irmtraud S*****, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die verpflichtete Partei Gerhard Anton S*****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf, Rechtsanwalt in Peuerbach, wegen 94.111,35 EUR samt Anhang, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 276/03t-24, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Peuerbach vom , GZ E 912/02b-18, ersatzlos aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass er zu lauten hat:

"Die verpflichtete Partei wird aufgefordert, dem Sachverständigen Mag. Anton H***** zwecks Erstellung eines Schätzungsgutachtens über den Wert der Geschäftsanteile der S***** Gesellschaft mbH die letzte fertiggestellte Bilanz dieser Gesellschaft, die Buchhaltung des letzten Jahres sowie die Saldenlisten des laufenden Jahres betreffend diese Gesellschaft sowie die zuletzt fertiggestellten Bilanzen jener Unternehmen binnen 14 Tagen in Abschrift zu übergeben, an denen die S***** Gesellschaft mbH beteiligt ist."

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden mit 1.910,88 EUR (darin 318,48 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Der Betreibenden wurde zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 63.588,75 EUR an rückständigem Unterhalt sowie des laufenden Unterhalts von EUR 2.543,55 monatlich die Exekution durch Pfändung der Gesamtrechte des Verpflichteten aus seinem Geschäftsanteil an einer bestimmten GmbH durch Doppelverbot bewilligt. Die Entscheidung über die beantragte Verwertung durch Verkauf nach Schätzung wurde zunächst vorbehalten. Bei der zur Entscheidung über den Verwertungsantrag anberaumten Tagsatzung kam keine Einigung über den Übernahmspreis zustande. Das Erstgericht bestellte hierauf einen Sachverständigen und trug ihm die Schätzung des zur Verwertung durch Veräußerung vorgesehenen GmbH-Geschäftsanteils des Verpflichteten auf. Alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist der Verpflichtete. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Geschäftsanteile frei übertragbar, die Zustimmung der Gesellschaft ist nicht erforderlich.

Der bestellte Sachverständige teilte dem Erstgericht mit, dass der Verpflichtete auf sein Ersuchen um Übermittlung von für die Schätzung erforderlichen Unterlagen nicht reagiert habe, weshalb er um die Unterstützung des Gerichts bei der Unterlagenbeschaffung ersuche.

Das Erstgericht forderte hierauf den Verpflichteten auf, dem Sachverständigen binnen 14 Tagen die von diesem mit dem beigelegten Schreiben angeforderten Unterlagen bei sonstiger Verhängung einer Ordnungsstrafe von 1.000 EUR vorzulegen. Außerdem kündigte es - offensichtlich für den Fall der Verweigerung der Herausgabe der Unterlagen - an, den Sachverständigen zur Akteneinsicht beim zuständigen Finanzamt zu ermächtigen.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss über Rekurs des Verpflichteten ersatzlos auf und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Vorgangsweise bei Weigerung des Verpflichteten, die notwendigen Unterlagen zur Schätzung seines GmbH-Anteils herauszugeben, zulässig sei. Gemäß § 332 EO habe der Verkauf in Verwertung eines gepfändeten GmbH-Anteils primär als Zwangsverkauf aus freier Hand zu erfolgen, wobei gemäß § 332 Abs 2 EO die Vorschriften über den Verkauf beweglicher Sachen in der Fahrnisexekution sinngemäß anzuwenden seien. Der Schätzwert des Geschäftsanteils sei stets nach Schätzung mit Beschluss festzusetzen. Vor der Beschlussfassung seien die Beteiligten einzuvernehmen. Wenn der Verpflichtete die für die Schätzung erforderlichen Unterlagen nicht freiwillig herausgebe, könne zunächst auf die beim Firmenbuch gemäß §§ 277 ff HGB eingereichten Jahresabschlüsse oder Bilanzen zurückgegriffen werden. Könne damit nicht das Auslangen gefunden werden, sei mangels Kooperation des Verpflichteten § 306 EO analog anzuwenden. Danach habe der Verpflichtete dem Betreibenden die zur Verwertung des gepfändeten Rechts nötigen nötigen Auskünfte zu erteilen und ihm die hierüber vorhandenen Urkunden herauszugeben. Dies könne gegen den Verpflichteten auf Antrag des betreibenden Gläubigers im Wege der Exekution nach §§ 346 f EO erwirkt werden. Von dritten Besitzern der Urkunden könne der Betreibende die Herausgabe im Klagewege begehren. Ein derartiger Antrag und die keines eigenen Exekutionstitels bedürfende Exekution sei insbesondere dann Erfolg versprechend, wenn der Verpflichtete wie hier gleichzeitig Geschäftsführer der GmbH sei. Hier sei außerdem die Betreibende Gesellschafterin der GmbH, sodass die auch die Rechte nach § 22 Abs 2 GmbHG wahrnehmen könne. Da das Erstgericht den angefochtenen Beschluss von Amts wegen gefasst habe und damit von der oben beschriebenen und allein zulässigen Vorgangsweise bei Verweigerung der Herausgabe von für die Schätzung des Geschäftsanteils notwendigen Unterlagen durch den Verpflichteten abgewichen sei, fehle dem angefochtenen Beschluss die gesetzliche Grundlage. Er sei daher ersatzlos aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der mit dem Ziel der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses erhobene Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, wobei der Oberste Gerichtshof hier, weil neue rechtliche Aspekte im Revisionsrekurs vorgetragen wurden, eine Rechtsmittelbeantwortung für geboten hielt (vgl dazu RIS-Justiz RS0118686).

Das Rechtsmitel ist auch berechtigt.

Zutreffend hat das Rekursgericht festgehalten, dass die Bestimmungen der EO über den Verkauf veräußerlicher Rechte, wozu auch ein Geschäftsanteil einer GmbH zählt, lediglich auf die Vorschriften der §§ 283 bis 287 EO verweisen (sinngemäße Anwendung der Verwertungsvorschriften in der Fahrnisexekution), darin aber keine Regelung des Falls aufzufinden ist, dass der Verpflichtete die erforderlichen Unterlagen für die Schätzung des GmbH-Anteils nicht freiwillig herausgibt.

In der Lehre (Oberhammer in Angst, EO, § 332 Rz 2; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 346 Rz 8) wird - ohne nähere Begründung - unter Berufung auf zweitinstanzliche Entscheidungen (LGZ Wien, RPflE 1990/50 und 1997/113) die analoge Anwendung der für die Forderungsexekution erlassenen Regel des § 306 EO vertreten. Danach hat der Verpflichtete dem Betreibenden die zur Verwertung des gepfändeten Rechts nötigen Auskünfte zu erteilen und ihm die hierüber vorhandenen Urkunden herauszugeben. Das LGZ Wien beruft sich wiederum auf Pisko (Das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs, 129), dort wird für den Fall der Zwangsverpachtung eines Unternehmens zur Erlangung erforderlicher Auskünfte des Pächters eine Analogie zu § 306 EO gezogen.

Die Betreibende vertritt in ihrem Rechtsmittel den Standpunkt, dass zur Schließung der Lücke (Fehlen von Vorschriften für den Auskunftsverweigerungsfall bei Exekution auf andere Vermögensrechte, insbesondere GmbH-Geschäftsanteile) die für die Zwangsversteigerung von Liegenschaften bestehende Vorschrift des § 140 Abs 2 EO heranzuziehen sei. Diese sieht die amtswegige Beischaffung der für die Schätzung benötigten Unterlagen anderer Behörden, insbesondere über den Einheitswert und über den Grundsteuermessbetrag vor.

Dieser Argumentation schließt sich der Oberste Gerichtshof an. Sowohl das im Exekutionsverfahren besonders zu berücksichtigende Bedürfnis nach Raschheit und Effizienz der Rechtsverwirklichung, welchem das Erfordernis einer eigenen Antragstellung durch den Betreibenden iSd § 306 Abs 2 EO nicht entspricht, als auch die vergleichbare Komplexität sowie das typische Gewicht der Verwertung eines GmbH-Geschäftsanteils wie einer Liegenschaft sprechen für die analoge Heranziehung der für die Liegenschaftsschätzung bestehenden Gesetzesbestimmung des § 140 Abs 2 EO als allgemeiner Ausdruck der Amtswegigkeit im Verwertungsverfahren. Ein Antrag des Betreibenden im Zuge des Verwertungsverfahrens ist daher nur im Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung erforderlich (siehe § 306 EO). Diesem Grundgedanken ist auch der Gesetzgeber der EO-Novelle 2000 gefolgt, als er die Zwangsversteigerung von Superädifikaten ungeachtet ihrer Einordnung als bewegliche Sachen den Vorschriften über die Liegenschaftsexekution unterwarf (§ 133 Abs 1 EO idF EO-Nov 2000). Der generelle Verweis des § 332 Abs 2 EO auf die Bestimmungen über den Verkauf gepfändeter beweglicher Sachen (welche aber - wie schon erwähnt - keine Regel für den hier zu lösenden Fall vorsehen) noch die Einordnung der vermögenswerten Anteilsrechte (Geschäftsanteil einer GmbH) als bewegliche Sache stehen daher der Heranziehung der Vorschrift aus der Liegenschaftsexekution entgegen.

Den weiteren vom Verpflichteten vorgetragenen Argumenten ist zu erwidern:

Die Aufforderung an den Verpflichteten hatte unabhängig davon zu erfolgen, ob er im Exekutionsverfahren anwaltlich vertreten ist. Die Sanktionen allfälliger Nichterfüllung des Gerichtsauftrags richten sich selbstverständlich gegen den Verpflichteten und nicht etwa gegen seinen Rechtsvertreter, mag diesem der Beschluss auch aufgrund des bestehenden Vollmachtsverhältnisses zuzustellen sein. Entgegen der vom Verpflichteten vertretenen Ansicht ist der erstinstanzliche Vorlageauftrag auch nicht generell als zu unbestimmt zu bezeichnen, darüber hinaus ist dem Gerichtsauftrag von Amts wegen eine sprachlich klarere Fassung zu geben.

Das gegen die Ermächtigung an den Sachverständigen zur Einsichtnahme beim zuständigen Finanzamt gerichtete Vorbringen geht schon deswegen ins Leere, weil der erstgerichtliche Beschluss eine diesbezügliche Anordnung nicht enthält, sondern diese lediglich für den Fall der Nichterfüllung des Gerichtsauftrags in Aussicht stellt. Der Verpflichtete kann sich daher bislang insoweit nicht beschwert erachten. Überdies sei angemerkt, dass die Bestimmung des § 48a Abs 4 lit b BAO die Offenbarung oder Verwertung von Verhältnissen oder Umständen, die der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht unterliegen, für den Fall vorsieht, dass sie aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt oder wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen ist. Dieses ist nicht nur für die Aufklärung gerichtlich strafbarer Handlungen stets zu bejahen (13 Os 137/87 = SSt 59/32 ua; RIS-Justiz RS0053233), sondern auch im Exekutionsverfahren.

Abschließend ist noch anzufügen, dass auch das Argument des Verpflichteten, die Beschwer der Betreibenden sei infolge zwischenzeitiger Vorlage von Jahresabschlüssen der S***** GmbH und mehrerer verbundener Unternehmen weggefallen, nicht verfängt, zumal weder aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Verpflichteten noch aus den im Akt erliegenden von ihm vorgelegten Urkunden erkennbar ist, dass damit sämtliche vom Sachverständigen zur Erfüllung seines Gutachtensauftrags erforderlichen und von ihm erbetenen und darauf vom Erstgericht eingeforderten Urkunden vorgelegt wurden.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Bei der Exekution auf die Gesamtrechte des verpflichteten Gesellschafters/Geschäftsführers aus seinem Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mbH, somit auf andere Vermögenswerte iSd §§ 331 ff EO, und der Weigerung des Verpflichteten, die vor Verwertung durch Verkauf für die Schätzung der gepfändeten Geschäftsanteile erforderlichen Unterlagen zur Bewertung der Geschäftsanteile herauszugeben, ist wie folgt vorzugehen: Im Weigerungsfall ist entgegen der Lehre (Oberhammer in Angst, EO, § 332 Rz 2; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 346 Rz 8) die Erzwingung der Herausgabe der notwendigen Urkunden nicht analog §§ 306, 346 f EO über Antrag, sondern nach vorangehender Beschlussfassung über die Herausgabepflicht von Amts wegen vorzunehmen, ohne dass es einer entsprechenden Antragstellung des Betreibenden bedürfte.

Dem Revsionsrekurs der Betreibenden ist daher Folge zu geben und der erstgerichtliche Vorlageauftrag - in von Amts wegen vorzunehmender, präzisierter Fassung - unter Entfall der übrigen Beschlusspunkte wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung fußt auf § 74 EO.