zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 26.04.2006, 7Ob13/06x

OGH vom 26.04.2006, 7Ob13/06x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin und gefährdeten Partei Manuela Z*****, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Gerhard Z*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts (§ 382 Z 8 lit a EO), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 318/05w, 23 R 321/05m-52, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Tulln vom , GZ 1 C 213/04d-45, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erkannte den Beklagten im zweiten Rechtsgang mit einstweiliger Verfügung vom (ON 45) schuldig, der Klägerin vom bis Unterhaltsbeiträge von EUR 120 monatlich zu bezahlen; das darüber hinausgehende Mehrbegehren von EUR 213 monatlich für diesen Zeitraum und das Begehren auf Zahlung einstweiligen Unterhalts von EUR 333 ab monatlich wies es ab.

Diese Entscheidung bekämpfte die Klägerin insoweit mit Rekurs, als ihr ein einstweiliger Unterhalt von weniger als EUR 200 monatlich zugesprochen wurde. Sie beantragte, ihren vorläufigen Unterhalt mit EUR 200 monatlich ab festzusetzen.

Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Dagegen erhob die Klägerin „außerordentlichen Revisionsrekurs" mit dem Abänderungsantrag, ihren vorläufigen Unterhalt mit EUR 200 monatlich ab festzusetzen, in eventu den angefochtenen Beschluss aufzuheben und an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zu verweisen.

Das Rekursgericht änderte seinen Rechtsmittelzulässigkeitsausspruch ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nunmehr nicht jedenfalls unzulässig. Er ist jedoch entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO nicht zulässig:

Der einstweilige Unterhalt der Klägerin ist nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung kann ein solcher von einem geschiedenen Ehegatten im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhalts (hier: von der Klägerin als geschiedener Ehegattin des Beklagten) begehrt werden. Im Rechtsmittelverfahren ist nur noch die - von den Vorinstanzen verneinte - Frage strittig, ob in die Unterhaltsbemessung auch Dienstnehmeransprüche des unterhaltspflichtigen Beklagten miteinzurechnen sind, die an ihn nicht ausbezahlt wurden und gerichtlich gegen den Dienstgeber geltend gemacht werden müssen.

Ohne auch nur eine der übereinstimmenden Beurteilung der Vorinstanzen widersprechende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu zitieren, macht der Revisionsrekurs geltend, das Rekursgericht sei deshalb von der „ständigen Rechtsprechung" zur Anspannung des Unterhaltsschuldners abgewichen, weil es


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
für die Berechnung des Unterhalts nicht das erzielbare kollektivvertragliche Einkommen des Beklagten als Bemessungsgrundlage herangezogen, sondern nur das ihm tatsächlich zugeflossene (unterkollektivvertragliche) Einkommen berücksichtigt habe,
-
im Hinblick auf einen ihm drohenden Arbeitsplatzverlust von der Unzumutbarkeit einer Klageführung gegen den Dienstgeber ausgegangen sei, und
-
seine Entscheidung vom konkreten Prozessausgang im Verfahren über die nunmehr - nach dem inzwischen eingetretenen Arbeitsplatzverlust - gegen den Dienstgeber eingebrachte Klage abhängig mache, ohne zu berücksichtigen, dass diese Klage schon seit zumindest drei Jahren möglich gewesen wäre.
Das Rekursgericht begründet den abgeänderten Zulassungsausspruch damit, dass die Rechtsfragen zu beantworten seien,
-
ob ein unterhaltspflichtiger Dienstnehmer darauf angespannt werden könne, gegen seinen Dienstgeber eine Klage einzubringen, wenn von diesem weniger als der kollektivvertraglich zustehende Lohn ausbezahlt werde, und
-
ob auch Einkommensbestandteile für die Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen seien, auf die der unterhaltspflichtige Dienstnehmer gegenüber dem Dienstgeber zwar Anspruch hätte, die aber erst gerichtlich geltend gemacht und im Exekutionsweg durchgesetzt werden müssten.
Wie nicht nur die Revisionsrekursbeantwortung zutreffend festhält, sondern auch das Rekursgericht erkennt, hat der Obersten Gerichtshofes aber längst klargestellt, dass für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen in erster Linie die Summe der dem Unterhaltsschuldner „tatsächlich zufließenden verfügbaren" Mittel maßgeblich ist (stRsp und hL; RIS-Justiz RS0013386 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; zuletzt: 9 Ob 8/05z; Schwimann/Ferrari in Schwimann³ I § 94 ABGB Rz 44 ff); der Anspannungsgrundsatz kommt hingegen dann zum Tragen, wenn dem Unterhaltspflichtigen ein höheres als das tatsächlich erzielte Einkommen „zugemutet" werden kann (RIS-Justiz RS0047550), also nur dann, wenn wegen schuldhafter Verletzung der Unterhaltspflicht ausnahmsweise ein „fiktives Einkommen" zu unterstellen ist (Schwimann/Ferrari aaO Rz 43 mit Hinweis auf Rz 38 - 42 zu § 94 ABGB). Dies richtet sich jedoch immer nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (stRsp; RIS-Justiz RS0007096; RS0113751; 2 Ob 161/02v; 5 Ob 102/05v; 2 Ob 285/05h; zuletzt: 7 Ob 210/05s). Anders wäre es nur, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
Im vorliegenden Fall ist - wie das Erstgericht ausführt - die Einkommenssituation des derzeit arbeitslosen Beklagten für das Provisorialverfahren „praktisch unstrittig"; wobei in diesem Zusammenhang unter anderem auch feststeht, dass er gegen seinen früheren Arbeitgeber (hinsichtlich aliquoter Sonderzahlungsanteile und einer Abfertigung, die jeweils nicht ausbezahlt wurden) einen Zivilprozess vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien führt; eine schuldhafte Verletzung der Unterhaltspflicht, die zur Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens führen könnte, wurde nicht bescheinigt.
Davon ausgehend entspricht es aber den dargestellten Grundsätzen, wenn die Vorinstanzen bei der Unterhaltsbemessung nur die dem Beklagten tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel berücksichtigt haben. Demgegenüber kann die Klägerin den von dieser Beurteilung abweichenden Standpunkt in ihrem Revisionsrekurs mit keinem einzigen Zitat belegen. Ihr Rechtsmittel macht daher zu Unrecht geltend, dass das Rekursgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Anspannung des Unterhaltsschuldners abgewichen sei.
Da eine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung also nicht vorliegt, ist der Revisionsrekurs gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Dem Beklagten sind die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO zuzuerkennen, weil er auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hinwies (1 Ob 123/04a).