OGH 25.01.2006, 7Ob13/06x
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei und gefährdeten Partei Manuela Z*****, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Gerhard Z*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs" der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 318/05w, 23 R 321/05m-52, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Tulln vom , GZ 1 C 213/04d-45, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht erkannte den Beklagten mit einstweiliger Verfügung vom (ON 45) schuldig, der Klägerin vom bis Unterhaltsbeiträge von EUR 120 monatlich zu bezahlen, und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren für diesen Zeitraum von EUR 213 monatlich ebenso wie das Begehren auf Zahlung einstweiligen Unterhalts von EUR 333 ab monatlich ab.
Dagegen erhob die Klägerin insoweit Rekurs, als ihr ein einstweiliger Unterhalt von weniger als EUR 200 monatlich zugesprochen wurde, und beantragte, ihren vorläufigen Unterhalt mit EUR 200 monatlich ab festzusetzen. Das Rekursgericht bestätigte jedoch die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Das Erstgericht legte das als „außerordentlicher Revisionsrekurs" bezeichnete Rechtsmittel der Klägerin unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der seit der WGN 1997 (BGBl I 1997/140) geltenden Rechtslage.
Rechtliche Beurteilung
Bei Ansprüchen auf den gesetzlichen Unterhalt bedarf es keines Bewertungsausspruchs durch das Gericht zweiter Instanz, der Wert des Entscheidungsgegenstands ist gemäß § 58 Abs 1 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung vorgegeben. Auch bei einem einstweiligen Unterhalt, der für die unabsehbare Dauer bis zur Rechtskraft der Entscheidung über das Scheidungsbegehren zugesprochen wird, besteht der Entscheidungsgegenstand in der dreifachen Jahresleistung (RIS-Justiz RS0042366 [T 6]; zuletzt: 3 Ob 222/05a mwN), im vorliegenden Fall also EUR 7.200.
Gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO ist im Provisorialverfahren auch § 528 ZPO anwendbar. Nach § 528 Abs 2 Z 1a ZPO idF WGN 1997 BGBl I 140 ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 528 Abs 2a iVm § 508 Abs 3 ZPO - in Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht jedoch insgesamt 20.000 EUR übersteigt, und in familienrechtlichen Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 20.000 EUR nicht übersteigt, jedenfalls unzulässig. Eine Partei kann dann jedoch gemäß § 528 Abs 2a iVm § 508 Abs 1 ZPO einen - in sinngemäßer Anwendung des § 508 Abs 2 ZPO innerhalb der Rekursfrist beim Erstgericht einzubringenden - Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Ein solcher Antrag, der mit dem ordentlichen Revisionsrekurs zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, weshalb der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird. Der Oberste Gerichtshof ist vor einer dann nachträglichen Zulassung des Rechtsmittels durch die zweite Instanz zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses funktionell unzuständig, auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentlicher" Revisionsrekurs bezeichnet und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist.
Der Rechtsmittelschriftsatz war also nach der zuvor dargestellten Rechtslage nicht direkt dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (zuletzt: 3 Ob 222/05a).
Ist das Erstgericht der Meinung, der korrekten Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags der Klägerin entgegen, das Rekursgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, dann kann es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag erteilen.
Demnach ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin und gefährdeten Partei Manuela Z*****, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Gerhard Z*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts (§ 382 Z 8 lit a EO), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 318/05w, 23 R 321/05m-52, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Tulln vom , GZ 1 C 213/04d-45, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht erkannte den Beklagten im zweiten Rechtsgang mit einstweiliger Verfügung vom (ON 45) schuldig, der Klägerin vom bis Unterhaltsbeiträge von EUR 120 monatlich zu bezahlen; das darüber hinausgehende Mehrbegehren von EUR 213 monatlich für diesen Zeitraum und das Begehren auf Zahlung einstweiligen Unterhalts von EUR 333 ab monatlich wies es ab.
Diese Entscheidung bekämpfte die Klägerin insoweit mit Rekurs, als ihr ein einstweiliger Unterhalt von weniger als EUR 200 monatlich zugesprochen wurde. Sie beantragte, ihren vorläufigen Unterhalt mit EUR 200 monatlich ab festzusetzen.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Dagegen erhob die Klägerin „außerordentlichen Revisionsrekurs" mit dem Abänderungsantrag, ihren vorläufigen Unterhalt mit EUR 200 monatlich ab festzusetzen, in eventu den angefochtenen Beschluss aufzuheben und an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zu verweisen.
Das Rekursgericht änderte seinen Rechtsmittelzulässigkeitsausspruch ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nunmehr nicht jedenfalls unzulässig. Er ist jedoch entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO nicht zulässig:
Der einstweilige Unterhalt der Klägerin ist nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung kann ein solcher von einem geschiedenen Ehegatten im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhalts (hier: von der Klägerin als geschiedener Ehegattin des Beklagten) begehrt werden. Im Rechtsmittelverfahren ist nur noch die - von den Vorinstanzen verneinte - Frage strittig, ob in die Unterhaltsbemessung auch Dienstnehmeransprüche des unterhaltspflichtigen Beklagten miteinzurechnen sind, die an ihn nicht ausbezahlt wurden und gerichtlich gegen den Dienstgeber geltend gemacht werden müssen.
Ohne auch nur eine der übereinstimmenden Beurteilung der Vorinstanzen widersprechende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu zitieren, macht der Revisionsrekurs geltend, das Rekursgericht sei deshalb von der „ständigen Rechtsprechung" zur Anspannung des Unterhaltsschuldners abgewichen, weil es
für die Berechnung des Unterhalts nicht das erzielbare kollektivvertragliche Einkommen des Beklagten als Bemessungsgrundlage herangezogen, sondern nur das ihm tatsächlich zugeflossene (unterkollektivvertragliche) Einkommen berücksichtigt habe,
im Hinblick auf einen ihm drohenden Arbeitsplatzverlust von der Unzumutbarkeit einer Klageführung gegen den Dienstgeber ausgegangen sei, und
seine Entscheidung vom konkreten Prozessausgang im Verfahren über die nunmehr - nach dem inzwischen eingetretenen Arbeitsplatzverlust - gegen den Dienstgeber eingebrachte Klage abhängig mache, ohne zu berücksichtigen, dass diese Klage schon seit zumindest drei Jahren möglich gewesen wäre.
Das Rekursgericht begründet den abgeänderten Zulassungsausspruch damit, dass die Rechtsfragen zu beantworten seien,
ob ein unterhaltspflichtiger Dienstnehmer darauf angespannt werden könne, gegen seinen Dienstgeber eine Klage einzubringen, wenn von diesem weniger als der kollektivvertraglich zustehende Lohn ausbezahlt werde, und
ob auch Einkommensbestandteile für die Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen seien, auf die der unterhaltspflichtige Dienstnehmer gegenüber dem Dienstgeber zwar Anspruch hätte, die aber erst gerichtlich geltend gemacht und im Exekutionsweg durchgesetzt werden müssten.
Wie nicht nur die Revisionsrekursbeantwortung zutreffend festhält, sondern auch das Rekursgericht erkennt, hat der Obersten Gerichtshofes aber längst klargestellt, dass für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen in erster Linie die Summe der dem Unterhaltsschuldner „tatsächlich zufließenden verfügbaren" Mittel maßgeblich ist (stRsp und hL; RIS-Justiz RS0013386 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; zuletzt: 9 Ob 8/05z; Schwimann/Ferrari in Schwimann³ I § 94 ABGB Rz 44 ff); der Anspannungsgrundsatz kommt hingegen dann zum Tragen, wenn dem Unterhaltspflichtigen ein höheres als das tatsächlich erzielte Einkommen „zugemutet" werden kann (RIS-Justiz RS0047550), also nur dann, wenn wegen schuldhafter Verletzung der Unterhaltspflicht ausnahmsweise ein „fiktives Einkommen" zu unterstellen ist (Schwimann/Ferrari aaO Rz 43 mit Hinweis auf Rz 38 - 42 zu § 94 ABGB). Dies richtet sich jedoch immer nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (stRsp; RIS-Justiz RS0007096; RS0113751; 2 Ob 161/02v; 5 Ob 102/05v; 2 Ob 285/05h; zuletzt: 7 Ob 210/05s). Anders wäre es nur, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
Im vorliegenden Fall ist - wie das Erstgericht ausführt - die Einkommenssituation des derzeit arbeitslosen Beklagten für das Provisorialverfahren „praktisch unstrittig"; wobei in diesem Zusammenhang unter anderem auch feststeht, dass er gegen seinen früheren Arbeitgeber (hinsichtlich aliquoter Sonderzahlungsanteile und einer Abfertigung, die jeweils nicht ausbezahlt wurden) einen Zivilprozess vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien führt; eine schuldhafte Verletzung der Unterhaltspflicht, die zur Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens führen könnte, wurde nicht bescheinigt.
Davon ausgehend entspricht es aber den dargestellten Grundsätzen, wenn die Vorinstanzen bei der Unterhaltsbemessung nur die dem Beklagten tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel berücksichtigt haben. Demgegenüber kann die Klägerin den von dieser Beurteilung abweichenden Standpunkt in ihrem Revisionsrekurs mit keinem einzigen Zitat belegen. Ihr Rechtsmittel macht daher zu Unrecht geltend, dass das Rekursgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Anspannung des Unterhaltsschuldners abgewichen sei.
Da eine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung also nicht vorliegt, ist der Revisionsrekurs gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Dem Beklagten sind die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO zuzuerkennen, weil er auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hinwies (1 Ob 123/04a).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in FamZ 2006/59 S 172 - FamZ 2006,172 = EFSlg 114.764 = EFSlg 114.765 = EFSlg 115.231 = EFSlg 113.123 = EFSlg 113.140 XPUBLEND |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2006:0070OB00013.06X.0125.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAD-64151