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OGH vom 03.05.2017, 4Ob67/17g

OGH vom 03.05.2017, 4Ob67/17g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj L***** G*****, geboren am ***** 2012, vertreten durch seine Mutter Dr. U***** G*****, beide *****, diese vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Mag. (FH) J***** R*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart-Loinig, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 246/16a, 44 R 483/16d-104, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag des Vaters ab, ihn neben der Mutter mit der Obsorge für den Minderjährigen zu betrauen, und setzten sein Kontaktrecht unter Abweisung seines Mehrbegehrens näher fest.

Rechtliche Beurteilung

In seinem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Vater keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel können die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen.

1.1 Eine allfällige Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Rekursgericht muss schon deshalb nicht näher erörtert werden, weil das Rechtsmittel die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzeigt. Es wird nicht ansatzweise ausgeführt, zu welcher anderen Sachverhaltsgrundlage das Rekursgericht bei einer Beweiswiederholung in zweiter Instanz gekommen wäre (RIS-Justiz RS0120213 [T14, T 21]).

1.2 Auch der Vorwurf, das Rekursgericht hätte allein wegen der verstrichenen Zeitspanne zwischen der Entscheidung des Erstgerichts und der Rekursentscheidung amtswegige Erhebungen darüber führen müssen, „ob sich die Verhältnisse mittlerweile nicht geändert haben“ führt nicht zur Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens. Auch im AußStrG endet die Verpflichtung zur amtswegigen Prüfung des Sachverhalts dort, wo ein Vorbringen der Parteien nicht vorliegt und Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit fehlen (RIS-Justiz RS0029344; RS0005960; RS0069653). Entgegen der Rechtsansicht des Vaters kann allein aus dem bloßen Verstreichen der Zeit seit der angefochtenen Erstentscheidung und der Tatsache, dass es „seit September 2016 keine Eingaben der Kindeseltern bei Gericht mehr (gab)“ nicht auf eine Besserung der Verhältnisse geschlossen werden, zumal eine solche auch nicht durch die während des Rekursverfahrens beim Erstgericht von beiden Seiten eingebrachten Schriftsätze indiziert war. Schon aus diesen Erwägungen bestand für das Rekursgericht kein Anlass zur amtswegigen Erkundung.

2.1 Die Frage, ob die Obsorge beider Eltern dem Kindeswohl entspricht und ob mit einer sinnvollen Ausübung der beiderseitigen Obsorge zu rechnen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und eröffnet dem Familiengericht auf Basis der gesetzlichen Kriterien des § 138 ABGB einen Ermessensspielraum. In einem solchen Fall kann eine erhebliche Rechtsfrage nur bei eklatanter Überschreitung des Ermessensspielraums durch das Rechtsmittelgericht vorliegen (RIS-Justiz RS0128812 [T5]). Der Vater zeigt hier keine krasse Fehlentscheidung der Vorinstanzen auf, die einer Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.

2.2 Der angefochtenen Entscheidung liegt unter anderem die Feststellung zugrunde, dass das Verhältnis der Eltern zueinander „durch eine schwer gestörte Kommunikation“ geprägt ist. Der schriftliche SMS-Austausch ist demnach von Aggressivität und Herabwürdigungen bestimmt. Beide nehmen eine grundsätzlich abwertende Haltung gegenüber dem anderen Elternteil ein; der Vater übt auf die Mutter Druck zur Durchsetzung seiner Vorstellungen aus. Eine angemessene Kooperation ist zwischen den Elternteilen nicht möglich. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass beide Elternteile Anteil an der gestörten Kommunikation haben und eine Besserung der derzeitigen Lage eine wesentliche Änderung des gegenseitigen Verhaltens voraussetzt.

2.3 Mit seinen auf das Gutachten der Sachverständigen gestützten Ausführungen, wonach die mangelnde Kommunikationsbereitschaft „ausschließlich von der Kindesmutter herrührt, wohingegen der Kindesvater durchaus zur Kommunikation bereit ist und sich auch bemüht, eine solche zustande zu bringen“, bekämpft der Vater in Wahrheit die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz, weshalb Fragen der Beweiswürdigung an ihn nicht herangetragen werden können (RIS-Justiz RS0007236).

2.4 Nach gesicherter Rechtsprechung setzt eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und einen Entschluss zu fassen (RIS-Justiz RS0128812). Die angefochtene Entscheidung, die sich im Rahmen dieser Judikatur hält, wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3.1 Auch die unter Berücksichtigung des Kindeswohls (RIS-Justiz RS0047958; RS0048062; RS0087024) nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt oder abgeändert werden soll, ist von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig; es kann ihr keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS-Justiz RS0097114), was der Vater auch in diesem Bereich nicht aufzeigt.

3.2 Die Vorinstanzen haben dem Vater ein Kontaktrecht ab September 2016 auch mit Übernachtung am Wochenende eingeräumt. Ob es dem Kindeswohl eher entspricht, dass das Wochenendkontaktrecht mit Übernachtung nur Samstag und Sonntag umfasst oder bereits am Freitagabend beginnt und bis Montagfrüh dauert, begründet ebensowenig eine erhebliche Rechtsfrage wie der Vorwurf, dass die Vorinstanzen nicht allen Empfehlungen der Sachverständigen gefolgt seien.

4. Die Entscheidung der Vorinstanzen bewegt sich innerhalb des ihnen zur Beurteilung des Kindeswohls eingeräumten Ermessensspielraums. Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt daher keine unvertretbare Fehlbeurteilung auf, weshalb er zurückzuweisen ist. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00067.17G.0503.000
Schlagworte:
Zivilverfahrensrecht,Familienrecht

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