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OGH vom 28.04.2015, 5Ob33/15m

OGH vom 28.04.2015, 5Ob33/15m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Pflegschaftssache der C***** S*****, geboren am , wegen Obsorge, über den Revisionsrekurs der Mutter I***** N*****, vertreten durch Mag. Klaus Kabelka, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 443/13b 132, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 59 Ps 21/10x-124, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

„Es wird festgestellt, dass die vom (damals:) Jugendwohlfahrtsträger (nunmehr:) Kinder- und Jugendhilfeträger ***** (§ 10 Abs 1 B KJHG 2013), Organisationseinheit ***** (§ 5 Abs 1 WKJHG 2013), gemäß § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB idF vor dem KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, am getroffene und bis aufrecht erhaltene Maßnahme, nämlich der Mutter I***** N***** die Pflege und Erziehung der C***** S***** zu entziehen, unzulässig war.“

Text

Begründung:

Einleitend ist zum bisherigen Verfahrensverlauf auf die den Parteien bekannten Entscheidungen dieses Senats vom , GZ 5 Ob 126/11g-87, und vom , GZ 5 Ob 152/12g-104, zu verweisen. Zusammengefasst ergibt sich demnach Folgendes:

C***** S***** wurde im Jahre 1995 außerehelich geboren und lebte bei ihrer obsorgeberechtigten Mutter. Der Vater hat die Familie einige Monate nach der Geburt der Tochter verlassen und ist seit seiner Abschiebung im Jahr 2004 unbekannten Aufenthalts.

Der (früher: Jugendwohlfahrtsträger und nunmehr:) Kinder- und Jugendhilfeträger (Organisationseinheit *****; folgend nur mehr: KJHT) entzog der Mutter am gestützt auf § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB (idF vor dem KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15; [aF]), die Pflege und Erziehung für die damals mj C***** und brachte diese in einem Krisenzentrum unter. Mit Eingabe vom teilte der KJHT dem Erstgericht die getroffene Maßnahme mit und stellte den Antrag, dem KJHT „die gesamte Pflege und Erziehung“ für das Mädchen zu übertragen.

Die Mutter beantragte Antragsabweisung und (ua), die Maßnahme des KJHT als „zivilrechtlich rechtswidrig“ festzustellen.

Das Erstgericht erklärte im dritten Rechtsgang die vom KJHT für die Zeit von bis gesetzte Maßnahme, aufgrund derer das Mädchen, im Krisenzentrum und in einer Wohngemeinschaft untergebracht war, (neuerlich) für zulässig. Es war zusammengefasst der Rechtsansicht, dass zum Zeitpunkt der Krisenunterbringung des Mädchens bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung Gefahr im Verzug vorgelegen habe. Es habe schon früher häusliche Probleme, nämlich die Wegweisung des Lebensgefährten der Mutter und eine Erziehungsberatung, gegeben. Das Mädchen habe drastisch eine Streitsituation dargestellt, wonach sie im Jahr zuvor zu Hause eingesperrt worden sei. Das Wohl des Mädchens sei konkret, insbesondere dadurch gefährdet gewesen, dass es ernsthaft gedrohte habe, davonzulaufen und damals eine andere Möglichkeit als die Krisenunterbringung nicht bestanden habe. Die von der Mutter gegenüber dem Mädchen erhobenen Vorwürfe hätten ebenfalls nicht dazu beitragen, die Gefährdung abzuwenden. Auch der Umstand, dass später infolge einer Therapie die Gesprächsbasis zwischen Mutter und Tochter wieder habe hergestellt werden können, könne nichts daran ändern, dass bei einer ex-ante-Betrachtung zum Zeitpunkt der Setzung der Maßnahme durch den KJHT Gefahr im Verzug bestanden habe. Die spätere Entwicklung, insbesondere das eingeholte Sachverständigengutachten, wonach keine Kindeswohlgefährdung vorgelegen habe, und die Tatsache, dass sich die Anschuldigungen des Mädchens gegenüber ihrer Mutter in der Folge als haltlos erwiesen hätten, müsse unberücksichtigt bleiben, weil die Kindeswohlgefährdung im Zeitpunkt der Setzung der Maßnahme zu beurteilen gewesen sei. Der KJHT habe wegen der Dringlichkeit des Anliegens des Mädchens nicht alle seine Angaben überprüfen können. Ausreichende Sorgfalt habe der KJHT jedenfalls gewahrt. Es sei daher die vom KJHT gesetzte Maßnahme für zulässig zu erklären gewesen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss des Erstgerichts erhobenen Rekurs der Mutter nicht Folge. Es legte seiner Entscheidung nach Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens folgenden, zusammengefassten Sachverhalt zugrunde:

Bereits im Jahr 2009 kam es wegen Erziehungsproblemen zu einem Beratungsgespräch mit DSA Ing. C***** R***** und zwei anderen Mitarbeitern des KJHT. Dem folgte eine routinemäßige Befassung von November 2009 bis Jänner 2010 aus Anlass eines Betretungsverbots gegen den Lebensgefährten der Mutter. Das Mädchen erschien damals reflektiert, aber sehr ablehnend gegenüber der zuständigen Sozialarbeiterin. Weder die Mutter noch die Tochter wünschten ein Gespräch oder eine Kontaktaufnahme mit der Schule. Das Mädchen erzählte, dass sie von der Mutter nach altem Stil erzogen werde und es öfter Diskussionen gebe. Die Mutter habe sie aber seit längerer Zeit nicht mehr geschlagen. Der Lebensgefährte der Mutter sei sehr streng und sie halte es nicht mehr aus. Sie wäre froh, wenn sich die Mutter vom Lebensgefährten trennen würde, dann würde es ihr besser gehen. Ein gemeinsames Gespräch mit der Mutter lehnte sie ab. Das Abklärungsverfahren wurde beendet, weil der Lebensgefährte weggewiesen worden war und nach einem Gespräch mit dem Mädchen und der Mutter eine Kindeswohlgefährdung nicht vorlag.

Am , einen Tag vor der Zeugnisverteilung, wandte sich das damals noch nicht ganz 15-jährige Mädchen an eine Lehrerin aus dem SOS-Team und teilte dieser mit, dass sie mit ihrer Mutter heftigen Streit habe. Die Lehrerin verwies das Mädchen im Hinblick darauf, dass vor den Sommerferien nur noch ein Schultag war, an den KJHT und vereinbarte dort für den nächsten Tag telefonisch einen Termin.

Nachdem das Mädchen am ihr Zeugnis von der Schule abgeholt hatte, ging sie zum KJHT und gab dort gegenüber dem DSA Ing. C***** R***** an, dass sie zu Hause häufig heftigen Streit mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten habe. Dabei erklärte sie dezidiert, dass sie keinesfalls mehr nach Hause gehen, sondern weglaufen werde. Zwar hatte sie, als sie zum KJHT ging, keine Vorstellung darüber, wie es dort weitergehen würde und hatte auch nicht den Gedanken, dass sie in ein Heim wolle. Jedoch wollte sie zu diesem Zeitpunkt keinesfalls nach Hause zurückkehren und dachte tatsächlich auch daran wegzulaufen, obwohl sie nicht wusste, wo sie unterkommen würde. Sie erfuhr erst vom DSA von der Möglichkeit einer Unterbringung im Krisenzentrum und wollte dann dort hin. Das Mädchen hatte für sich damals jedenfalls ausgeschlossen, vor einem Monat nach Hause zurückzukehren.

Im Zuge des rund einstündigen Gesprächs erklärte der DSA auch, dass man nicht wegen Lappalien ins Krisenzentrum gehen könne. Daraufhin stellte das Mädchen in übertrieben dramatischer Form dar, dass es im Jahr zuvor im Sommer von der Mutter eingesperrt worden sei und befürchte, dass dies neuerlich geschehen werde. Tatsächlich war dem Mädchen im vergangenen Sommer nur der Wohnungsschlüssel weggenommen worden, weil es die Eingangstür offen und den Schlüssel stecken gelassen hatte.

Schulprobleme wurden bei diesem Gespräch nur kurz angeschnitten, jedoch von beiden Seiten nicht als Grund für die Intervention beim KJHT angesehen. Auch war von der Lehrerin nur ein Termin ausgemacht, jedoch nicht angekündigt worden, dass es Probleme in der Schule gebe. Mit der Schule wurde daher keine Rücksprache gehalten, zumal zu diesem Zeitpunkt der letzte Schultag vor den Ferien praktisch vorbei war. Auch sonst erfolgten zunächst keine zusätzlichen Erhebungen oder Versuche, auf andere Weise schlichtend einzugreifen. Besprochen wurde allerdings, ob es eine andere Möglichkeit gebe, das Mädchen unterzubringen, jedoch kam in Wien niemand in Frage.

Bei diesem Gespräch weinte das Mädchen und wirkte sehr aufgelöst sowie emotional belastet. Die Drohung wegzulaufen nahm der DSA deshalb sehr ernst und fürchtete, dass das Mädchen, wenn er ihr nicht helfe, tatsächlich weglaufen könnte, was er nicht riskieren wollte. Er rief daher die Mutter an, der er zunächst kurz erklärte, dass sich die Tochter an ihn gewandt habe und nicht nach Hause wolle, weshalb beabsichtigt sei, sie im Krisenzentrum unterzubringen. Er erläuterte der Mutter den näheren Ablauf und übergab den Hörer sodann dem Mädchen, wobei er das Telefon auf Zimmerlautstärke stellte. Die Mutter, welche sich für diesen Tag wegen der Zeugnisverteilung extra frei genommen hatte, über den Anruf völlig überrascht war und sich einfach vor vollendete Tatschen gestellt fühlte, reagierte bei diesem Telefonat vor allem dahin, dass sie ihrer Tochter gegenüber zu erkennen gab, wie sehr sie von ihr enttäuscht sei. Sie konnte die Tochter weder beruhigen noch ihr Argumente dafür bieten, doch nach Hause zu kommen. Hätte sich die Situation bei diesem Telefonat geklärt, hätte der DSA von einer Unterbringung des Mädchens im Krisenzentrum abgesehen. Jedoch kam für das Mädchen auf Grund der Reaktion ihrer Mutter eine Rückkehr nach Hause noch weniger in Frage. Sie bat daher ihre Mutter, diese möge ihr Kleidung etc ins Krisenzentrum bringen. Als sie dabei sagte, sie benötige 30 T-Shirts, 30 Unterhosen, Socken und Hosen, antwortete ihr die Mutter, dass dies zu viel sei, sie solle ihr ganzes Kinderzimmer selber mit dem DSA in ein Auto packen. Tatsächlich wäre das Mädchen an diesem Tag dazu auch bereit gewesen, doch wurde dies vom DSA abgelehnt. Schließlich brachte die Mutter auf Grund eines Anrufs aus dem Krisenzentrum am darauf folgenden Sonntag Kleidung für ihre Tochter dorthin.

Am Montag, dem , wurde mit der Mutter neuerlich telefoniert, ob sie die Zustimmung zur Unterbringung erteile und am nächsten Tag fand ein persönliches Gespräch des DSA mit der Mutter und deren Lebensgefährten beim KJHT statt, bei welchem auch über die Hintergründe der nunmehr aufgetretenen Probleme gesprochen wurde. Dabei gab die Mutter an, dass die Tochter sie und ihren Lebensgefährten trennen wolle und betonte, dass sie, bevor sie diesen kennen gelernt habe, alles für ihre Tochter gemacht habe. Wenn das Mädchen alles bekomme, gebe es keine Probleme. Jedoch räume sie ihr Zimmer sehr selten auf und verteile darin ihre gebrauchte Wäsche, anstatt diese in den Wäschekorb zu geben. Schwierigkeiten gebe es auch in der Schule, die Tochter fälsche die Unterschrift der Mutter für Entschuldigungen und die Betragensnote sei wenig zufriedenstellend. Außerdem kündigte die Mutter bei diesem Gespräch an, dass der Tochter der Urlaub im August gestrichen werde, weil sie ins Krisenzentrum gegangen sei. Hinsichtlich der Frage, ob die Mutter der Unterbringung im Krisenzentrum zustimme, erbat sich diese Bedenkzeit bis zum nächsten Tag. Grundsätzlich hatte sie zunächst Verständnis für die Vorgangsweise des KJHT und dachte, dass es eben einige Zeit dauere, bis erhoben sei, dass nicht sie, sondern ausschließlich die Tochter an den derzeitigen Schwierigkeiten schuld sei. Als sie sich dann im Internet jedoch näher über das Wesen der Krisenunterbringung informierte, lehnte sie die Zustimmung zur Unterbringung am ab. Neben den finanziellen Folgen der Unterbringung und der aus ihrer Sicht damit verbundenen Stigmatisierung befürchtete sie, dass die Tochter im Zuge der Unterbringung auf falsche Wege komme, zumal sie im Krisenzentrum den ganzen Tag Ausgang habe. Daraufhin übermittelte der KJHT am per Fax den Antrag auf Entziehung der Pflege und Erziehung an das Erstgericht.

In der Folge fanden am 8. 7., 14. 7., 19. 7., 29. 7., 5. 8. und in Gegenwart des DSA und einer Sozialpädagogin Krisenzentrumsgespräche statt, welche sich insgesamt nicht einfach gestalteten. So ersuchte die Mutter auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit um Spezialtermine spät am Nachmittag, erschien dann aber am 19. 7. nicht und teilte erst am nächsten Tag mit, dass ihr vom Arzt geraten worden sei, wegen der Gefahr eines Schlaganfalls jegliche Aufregung zu vermeiden. Obwohl sie dazwischen an der Gerichtsverhandlung vom teilgenommen hatte, erschien die Mutter auch zum folgenden Krisengesprächstermin am nicht, den sie noch am Vormittag telefonisch zur Kenntnis genommen hatte.

Es zeigte sich im Zuge der Krisenzentrumsgespräche, dass zwischen der Mutter und ihrer Tochter keinerlei Gesprächsbasis vorhanden war. Die Mutter erhob ständig Vorwürfe gegenüber ihrer Tochter, pochte auf die Einhaltung von Regeln und erklärte, dass sie von der Tochter Gehorsam und Akzeptanz erwarte. Auch kehrte sie immer wieder hervor, was sie nicht alles für die Tochter getan habe. Das Mädchen fühlte sich dadurch von ihrer Mutter nicht verstanden und konnte sich nicht vorstellen, unter diesen Umständen wieder nach Hause zu gehen, ohne dass sich etwas ändere. Allerdings war zu erkennen, dass sie eine große Zuneigung zu ihrer Mutter hatte, sich um diese Sorgen machte und immer hoffte, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werde. Im Laufe der Gespräche war das Mädchen auch durchaus bereit, ein eigenes Verschulden zuzugeben und zeigte Bereitschaft heimzukehren, falls auch die Mutter bereit sei, an der Situation zu arbeiten. Die Mutter und ihr Lebensgefährte, der an den Gesprächen am 14. 7. und teilnahm, betonten jedoch bis zuletzt das ausschließliche Verschulden des Mädchens an sämtlichen Schwierigkeiten.

Auch bei den Wochenausgängen des Mädchens zu ihrer Mutter machte diese ihre Tochter immer wieder Vorwürfe wegen ihres Verhaltens und wollte nicht, dass die Tochter bei diesen Ausgängen nach Hause komme. Die gemeinsame Zeit wurde daher stets auf einem nach Ansicht der Mutter neutralen Boden verbracht. Die Verbesserung der Kommunikation zwischen Mutter und Tochter war auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht am . Das Mädchen erklärte dabei, dass sie ihre Mutter nicht als schlechte Mutter darstellen und nicht unter allen Umständen in eine Wohngemeinschaft wolle, sie wolle jedoch, dass sich etwas ändere. Die Mutter äußerte in dieser Verhandlung auch eine Bereitschaft, die Zustimmung zur vorläufigen Unterbringung der Tochter allenfalls doch noch zu erteilen, wobei erörtert wurde, dass innerhalb eines Zeitraums von sechs Wochen parallel zur Krisenpflege ein Sachverständiger eine Interaktion zwischen der Mutter, deren Lebensgefährten und der Tochter durchführen solle. Als die Mutter in der Folge einerseits keine ausdrückliche Zustimmung zur Unterbringung erteilen wollte, anderseits jedoch hinsichtlich der Bereitschaft des Mädchens, unter gewissen Umständen heimzukehren, zurückhaltend reagierte und zuletzt erklärte, die Entscheidung dem Gericht überlassen zu wollen, wurde die Übersiedlung des Mädchens in eine Wohngemeinschaft in die Wege geleitet, welche Ende September 2010 erfolgte. Ein dabei angedachtes Familiencoaching erwies sich im Hinblick auf eine Wartezeit von sechs Monaten als unrealistisch.

Das Erstgericht bestellte mit Beschluss vom Mag. R***** D***** zur Sachverständigen. In einem Gespräch mit der nunmehr zuständigen DSA am , an welchem auch die Mutter teilnahm, erklärte die Sachverständige, keine Gefährdung des Mädchens zu sehen, sich dessen sofortige Rückkehr zur Mutter aber auch nicht vorstellen zu können. Empfohlen wurde die Unterstützung durch das Institut für Erziehungshilfe, welches infolge der langen Wartezeiten erst ab November 2010, jedoch auch zur Zufriedenheit der Mutter, tätig wurde.

Im Zwischenbericht der Sachverständigen vom teilte diese mit, dass die Mutter sich nicht vorstellen könne, das Mädchen nach Hause zu holen, weil sie kein Vertrauen in ihre Tochter habe und auch das Vertrauen in die Kompetenz des KJHT verloren habe. Sie habe Angst, dass die Tochter weitere Anschuldigungen gegen sie erheben könnte. Der Lebensgefährte der Mutter habe erklärt, es sei auch für ihn problematisch, wenn das Mädchen jetzt einfach nach Hause käme, weil deren Verhalten zuletzt sehr provokant und fordernd gewesen sei. Im Sinn eines lösungsorientierten Gutachtens sei mit der Mutter vereinbart worden, dass diese eine Vereinbarung mit dem KJHT unterzeichnen und sich mit der Unterbringung der Tochter in einer Wohngemeinschaft einverstanden erklären werde. Dort solle das Mädchen solange wohnen, bis durch Psychotherapie und Erziehungsberatung wieder eine fruchtbare Kommunikationsbasis und Konfliktbewältigung innerhalb der Familie möglich sei. Da eine derartige Lösung von der Mutter in der Folge allerdings abgelehnt wurde, beauftragte das Erstgericht die Sachverständige am mit der Ausfertigung des Gutachtens, welches am beim Erstgericht einlangte. In diesem Gutachten vertrat die Sachverständige die Ansicht, dass eine Obsorgeübertragung im vorliegenden Fall nicht dem Kindeswohl entspreche und nur eine familiäre Krise, jedoch in keiner Phase eine Kindeswohlgefährdung bestanden habe. Die krisenhafte Entwicklung sei vermutlich durch die Reaktion der Schule und weiters, durch die Tatsache verstärkt worden, dass der zuständige DSA ein Mann sei, also eine väterliche Figur, die „zu ihr halte“. Auch habe das Mädchen zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits die Kontrolle über ihr Vorgehen verloren, weil der „Verrat“ der Mutter an eine Behörde bei ihr massive Schuldgefühle und Ängste verursacht habe und ein „Zurück“ kaum mehr möglich gewesen sei. Im weiteren Verlauf sei der regressive, versorgende, schützende sowie verwöhnende Teil der Beziehung zwischen Mutter und Tochter auf Personen der Helfersysteme übertragen worden, wobei Professionisten, die der Jugendlichen kein dauerhaftes Beziehungsangebot hätten machen können, diese vor ihrer Mutter verteidigt und in die Rolle der „besseren Mutter“ gefallen seien. Für die Mutter hätten die Erfahrungen rund um die Unterbringung traumatischen Charakter gehabt, weil sie sich aus ihrem bisherigen Selbsterleben einer eher überfürsorglichen Mutter, mit der Position einer kindeswohlgefährdenden Mutter konfrontiert sehe. Empfohlen werde, die mütterliche Autorität möglichst rasch wieder herzustellen, wobei die Sachverständige von einer notwendigen jedoch mit Hilfe des Instituts für Erziehungshilfe als leicht möglich erachteten Verbesserung der Kommunikation zwischen Mutter und Tochter ausging.

Das Mädchen reagierte auf dieses Gutachten dahin, dass sie am beim Erstgericht vorsprach und dort erklärte, dass sie derzeit nicht nach Hause zurückkehren wolle. Sie fühle sich in der betreuten Wohngemeinschaft sehr wohl und wolle dort bleiben, bis sie die Therapie abgeschlossen habe. Die (formelle) Frage der Obsorge sei für sie demgegenüber nicht von Bedeutung. Sie wolle aber nicht, dass ihre Mutter durch eine Obsorgeentziehung verletzt werde.

Das Erstgericht hob mit dem insoweit rechtskräftigen Beschluss vom die vorläufige Maßnahme des KJHT mit Wirkung für die Zukunft auf und wies dessen Antrag, ihm die Obsorge im Teilbereich Pflege und Erziehung für das Mädchen zu übertragen und insoweit der Mutter zu entziehen, ab. Diesen Beschluss erhielt der KJHT am zugestellt. Seitens des KJHT wurde daraufhin zwar befürchtet, dass das Mädchen sehr enttäuscht sein werde, in der Folge jedoch entschieden, gegen diesen Beschluss keinen Rekurs zu erheben. Allerdings wollte man die in diesem Beschluss enthaltene Abweisung des Antrags der Mutter, den Beschluss für vorläufig verbindlich und vollstreckbar zu erklären, im Sinn der vom Erstgericht dafür gegebenen Begründung zur Vorbereitung einer geordneten Rückkehr des Mädchens zur Mutter nutzen. Dabei wurde insbesondere die weitere Betreuung durch das Institut für Erziehungshilfe sichergestellt. Die Abholung des Mädchens durch die Mutter und deren Anwalt erfolgte schließlich am .

Rechtlich war das Rekursgericht zusammenge-fasst der Ansicht, es sei hier für einen vergangenen Zeitraum über die Rechtmäßigkeit einer vom KJHT gemäß § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF vorläufig getroffenen Maßnahme zu entscheiden, wobei auch zu beurteilen sei, ob und wie lange diese Maßnahme danach zu Recht noch weiter aufrecht erhalten worden sei. Die Prüfung habe unter dem Blickwinkel einer ex-ante-Betrachtung zu erfolgen, also nach jenem Wissensstand, den der KJHT zum Zeitpunkt der Setzung bzw Aufrechterhaltung der Maßnahme jeweils gehabt habe oder hätte haben müssen. Erforderlich sei nicht, dass die Gefährdung des Kindeswohls bereits mit derselben Gewissheit erwiesen sei wie bei der Entscheidung über die endgültige Obsorgeentziehung. Dass eine solche Entscheidung vom Kind oder der Person, in deren Obsorge eingegriffen wurde, auch rückwirkend beantragt werden könne, sei mittlerweile durch § 107a Abs 2 AußStrG idF KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, ausdrücklich klargestellt. Die darin vorgesehene Frist von drei Monaten nach Beendigung der Maßnahme sei vorliegend gewahrt, weil die Mutter den Antrag auf rückwirkende Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Unterbringung ja bereits vor Beendigung der Maßnahme gestellt habe.

Zu erwähnen sei in diesem Zusammenhang weiters, dass mit dem KindNamRÄG 2013 auch § 107 AußStrG novelliert worden sei, welcher mangels gegenteiliger Übergangsregelung bereits auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sei. Nach dessen Abs 2 habe das Gericht eine vorläufige Obsorgeentscheidung nunmehr bereits nach Maßgabe des Kindeswohls, insbesondere zur Aufrechterhaltung der verlässlichen Kontakte und zur Schaffung von Rechtsklarheit zu treffen, während es auf eine akute Gefährdung des Kindeswohls nicht mehr ankommen solle (7 Ob 63/14m). Auch die im Abs 3 demonstrativ aufgezählten Maßnahmen „zur Sicherung des Kindeswohls“ hätten nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht mehr eine Gefährdung desselben zur Voraussetzung und ebenfalls nicht, dass diese Maßnahmen ultima ratio zur Sicherung desselben seien; jedoch sei auch nach dieser Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren und die angeordnete Maßnahme müsse zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich und geeignet sein. Außerdem dürfe der damit verbundene Eingriff in das Privatleben der betroffenen Person nicht außer Verhältnis zu der damit intendierten Förderung der Interessen des Kindes stehen (9 Ob 53/13d unter Hinweis auf die ErläutRV 2004 BlgNR 24. GP 39). Weiters müsse die Maßnahme nach ihrer Art und Umfang sowie in ihrer Qualität den im § 107 Abs 3 AußStrG angeführten Maßnahmen gleichwertig sein (9 Ob 53/13d). Fraglich sei, inwieweit diese Bestimmungen auf den hier vorliegenden Fall unmittelbar anwendbar seien, zumal § 215 (nunmehr § 211) Abs 1 Satz 2 ABGB hinsichtlich der Befugnis des KJHT, Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig selbst zu treffen, eine eigene Regelung enthalte. Jedoch sei auch hier als Voraussetzung nicht eine Gefährdung des Kindeswohls vorgesehen, sondern lediglich, dass Maßnahmen „zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen“ erforderlich seien, was der nunmehrigen Formulierung des § 107 Abs 2 AußStrG durchaus vergleichbar erscheine. Ein Unterschied bestehe lediglich darin, dass der KJHT vorläufige Maßnahmen nach dem Wortlaut des § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB nF ausdrücklich nur „bei Gefahr im Verzug“ treffen dürfe, was in § 107 AußStrG nicht ausdrücklich angeführt sei. Theoretisch denkbar sei, dass eine vorläufige Maßnahme des KJHT mangels Gefahr im Verzug unzulässig sei, gleichzeitig jedoch vom Gericht aufgrund der Muss-Bestimmung des § 107 Abs 2 oder 3 AußStrG selbst anzuordnen wäre. Dass dies vom Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt sei, erscheine allerdings nur schwer vorstellbar.

Zu betonen sei jedenfalls, dass eine Kindeswohlgefährdung ebenso wie die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls nicht nur dadurch bedingt sein kann, dass die elterliche Pflicht (subjektiv) gröblich vernachlässigt worden sei, sondern auch dann vorliege, wenn die Erfüllung dieser Pflicht ohne Verschulden des betreffenden Elternteils (objektiv) nicht möglich sei. Dies sei zB der Fall, wenn die obsorgeberechtigte Person auf eine nicht von ihr ausgehende Gefährdung, insbesondere auch eine Selbstgefährdung des Kindes, nicht entsprechend reagieren könne, so etwa wenn sie, ohne dass dies auf eine Pflichtverletzung ihrerseits zurückzuführen sei, in einem wichtigen Bereich nicht (mehr) den erforderlichen Einfluss auf das Kind habe, weil dieses die obsorgeberechtigte Person bzw deren Anordnungen unberechtigt ablehne. Denkbar sei auch, dass erst die Reaktion der obsorgeberechtigten Person auf ein eindeutiges Fehlverhalten des Kindes zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung bezüglich der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls führe. Zu beachten sei weiters, dass eine Einschränkung der elterlichen Rechte auch dann im Interesse des Kindes erforderlich sein könne, wenn von Anfang an absehbar sei, dass es vermutlich nicht zu einer endgültigen Obsorgeentziehung kommen werde, weil die realistische Chance bestehe, dass die Probleme im Rahmen dieser (bloß vorläufigen) Maßnahme gelöst werden könnten. Tatsächlich zeige die Erfahrung, dass es bisweilen nur vorübergehender Maßnahmen, wie zum Beispiel einer Trennung der Streitteile bedürfe, um allen Beteiligten eine neue Sichtweise auf einen Konflikt zu ermöglichen. Ausgehend von diesen allgemeinen rechtlichen Überlegungen sei vorliegend in rechtlicher Hinsicht konkret Folgendes auszuführen:

Angesichts der dem DSA bekannt gewesenen Vorgeschichte, habe dieser am davon ausgehen können, dass sich der innerfamiliäre Konflikt, insbesondere auch durch die Fortsetzung der Lebensgemeinschaft der Mutter, in der Zwischenzeit erheblich verschärft habe und mit den bisherigen Maßnahmen nicht mehr das Auslangen gefunden werden könne. Auf Grund des nunmehr ausdrücklich festgestellten emotional übersteigerten Zustands des Mädchens am und der ersten Reaktion der Mutter am Telefon habe der DSA an diesem Tag die ernsthafte Befürchtung hegen können, dass C***** tatsächlich davonlaufen oder sich sonst durch unüberlegte Handlungen Schaden zufügen könnte, wenn er sie einfach wegschicken würde. Ob beim Erstgespräch tatsächlich nicht erörtert worden sei, ob es außer der Unterbringung bei Verwandten alternative Unterbringungsmöglichkeiten bei Freunden gebe, sei demgegenüber unerheblich, weil die Mutter auch in ihrem nunmehrigen Rekurs solche Alternativen nicht aufzeigt und solche im gesamten Akt auch nicht ersichtlich seien. Lediglich einmal werde eine Freundin erwähnt, die aber nach Ansicht der Mutter einen schlechten Einfluss auf ihre Tochter gehabt habe. Im gegebenen Zusammenhang sei auch nicht relevant, dass die Schule praktisch kein Thema des Erstgesprächs gewesen und diesbezüglich keine Rücksprache gehalten worden sei. Tatsächlich sei dies laut übereinstimmender Aussage des Mädchens und des DSA damals zwar angesprochen, allein wegen des schlechten Zeugnisses und der allgemeinen Lebenserfahrung im Zusammenhang mit Zeugnisverteilungen aber als nicht maßgeblich erachtet worden. Selbst die gegenteilige Einschätzung des Rekursgerichts im Vorbeschluss und der Sachverständigen in der mündlichen Rekursverhandlung würden allerdings nur dazu führen, dass die Gefahr des Fortlaufens des Mädchens samt allenfalls sonstigen unüberlegten Handlungen noch als entsprechend höher einzustufen gewesen wäre. Daher sei dem Erstgericht im Ergebnis auch darin beizupflichten, dass nähere Erhebungen, insbesondere eine Rücksprache mit der Lehrkraft der Schule nicht mehr erforderlich gewesen seien, zumal schon die Tatsache, dass diese einen Termin mit dem KJHT vereinbart habe, darauf hingedeutet habe, dass sie ebenfalls dringenden Handlungsbedarf gesehen habe.

Natürlich könne man ex post überlegen, durch welche Vermittlungsversuche man die Unterbringung am vielleicht hätte verhindern können, doch wäre dies einerseits jedenfalls zeitaufwändig gewesen und es stelle sich die Frage, ob vom KJHT insbesondere in Zeiten allgemeiner Budgetknappheit tatsächlich verlangt werden könne, durchgehend derart umfangreiche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um jeden kurzfristigen Eingriff in die Obsorge verhindern zu können. Anderseits sei zu bedenken, inwieweit in einer Situation, in welcher eine dringende Entscheidung erforderlich sei, allfällige im Nachhinein gesehen grund-sätzlich vermeidbare Fehleinschätzungen, Unterlassungen und sonstige Unzulänglichkeiten seitens des KJHT tatsächlich sofort zu einer Unzulässigkeit der von diesem gemäß § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB nF ergriffenen Maßnahme führen sollten. Tatsächlich wäre es im Sinn der Sachverständigen sicherlich zweckmäßig gewesen, an jenem Tag, einem Freitagmittag, sofort einen zusätzliche(n) Sozialarbeiter(in) abzustellen, um für die Mutter eine eigene Betreuung zu gewährleisten oder mit dem Mädchen zum Abholen der Sachen nach Hause zu fahren, um vielleicht doch nochmals „die Kurve zu kratzen“. Nach Ansicht des Rekurssenats sei es wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen, die damals verständlicherweise völlig überraschte Mutter am Telefon nach allgemeinen Erklärungen sofort mit ihrer Tochter zu konfrontieren, sondern wäre es besser gewesen, der Mutter zunächst Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt ausführlich darzulegen. Jedoch hätte dies nach dem persönlichen Eindruck des Rekurssenats im vorliegenden Fall nichts daran geändert, dass die Kommunikation zwischen Mutter und Tochter, aufgrund des Umstands, dass Letztere es gewagt hatte, sich an den KJHT zu wenden, derart gestört gewesen sei, dass eine Rückkehr des Mädchens nach Hause sofort zu neuen massiven Streitigkeiten geführt hätte. Aus diesem Grund sei es auch verständlich, dass der DSA die Mutter nicht sofort über die von der Tochter erhobenen, von ihm vermutlich bereits selbst als überzogen erachteten, Vorwürfe informiert habe, zumal sich die Mutter diesbezüglich als besonders empfindsam erwiesen habe.

Ob dieses Vorenthalten von Informationen tatsächlich angemessen gewesen sei, brauche hier allerdings nicht näher erörtert zu werden, weil allein daraus jedenfalls keine Unzulässigkeit der Unterbringung des Mädchens im Krisenzentrum abgeleitet werden könne, komme es doch einerseits nicht so sehr darauf an, inwieweit die Vorwürfe der Tochter gegenüber ihrer Mutter und deren Lebensgefährten wirklich berechtigt gewesen seien, weil die Unterbringung selbst dann, wenn dies nicht der Fall gewesen sei, durchaus im Interesse des Mädchens erforderlich gewesen sein könne. Anderseits würde auch eine diesbezügliche Fehleinschätzung des DSA nicht sofort zu einer Unzulässigkeit der gemäß § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB nF ergriffenen Maßnahme führen. Darüber hinaus habe selbst die Mutter in der Rekursverhandlung ein gewisses Verständnis für die zweifellos schwierige Situation des DSA am gezeigt, weil die erforderlichen Erhebungen eine gewisse Zeit dauerten, in der Zwischenzeit aber eine Entscheidung über den Verbleib des Kindes zu treffen gewesen sei. Tatsächlich seien die Einwände der Mutter gegen die Unterbringung der Tochter im Wesentlichen erst später und dadurch entstanden, dass sie insbesondere aufgrund ihrer Recherchen im Internet zur Ansicht gelangt sei, die Unterbringung ihrer Tochter sei gleichzuhalten mit einem Verschulden ihrerseits als Mutter. Auch seien ihr dadurch die finanziellen Folgen der Unterbringung bewusst geworden und sie habe weiters befürchtet, dass die Tochter im Zuge der Unterbringung auf falsche Wege komme, zumal sie dort den ganzen Tag Ausgang habe. Insgesamt erscheine die Ansicht des DSA am , dass das Mädchen zunächst einmal im Krisenzentrum untergebracht werden solle, im Hinblick darauf, dass diese Entscheidung sehr dringend zu erfolgen gehabt habe, durchaus nachvollziehbar. Auch wenn dazu außer einem Gespräch zunächst keine weiteren Erhebungen durchgeführt worden seien, stelle die Unterbringung zu diesem Zeitpunkt nach Ansicht des Rekurssenats keinen unzulässigen Eingriff in die Obsorge der Mutter dar.

Für die Zeit nach dem ergebe sich aus den Feststellungen, dass die Kommunikation zwischen Mutter und Tochter weiterhin massiv gestört gewesen sei, was sich noch dadurch verschärft habe, dass die Mutter von den unberechtigten Anschuldigungen ihrer Tochter erfahren sowie umgekehrt vor allem nur Vorwürfe erhoben habe und beweisen habe wollen, dass ausschließlich diese im Unrecht sei, wobei sie sich die Unterstützung des KJHT sowie eine diesbezügliche genaue Abklärung ihrer Schuldlosigkeit erwartet habe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sämtliche Probleme ihre Ursache zunächst ausschließlich in einem Fehlverhalten des Mädchens gehabt hätten, sei allerdings zu berücksichtigen, dass die geschilderte Reaktion der Mutter auch nach der Aussage der Sachverständigen „nicht als pädagogisch wertvoll“ einzustufen sei. Tatsächlich zeige die tägliche Gerichtserfahrung und entspreche es auch den allgemein anerkannten Grundsätzen der Mediation, dass ein derartiges Verhalten krass ungeeignet sei, Konflikte zu lösen. Verstärkt gelte dies noch gegenüber pubertierenden Jugendlichen, welche in dieser Phase besonders übersteigert emotional reagierten und oft vernünftigen Argumenten und allgemein anerkannten Regeln und Erfahrungen überhaupt nicht zugänglich seien. Auch in dieser Phase komme es daher auf eine genaue Abklärung, inwieweit die Vorwürfe des Mädchens gegenüber ihrer Mutter und deren Lebensgefährten wirklich berechtigt gewesen seien, nicht an, sondern lediglich darauf, inwieweit ein Zusammenleben der Tochter mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten möglich erschienen sei, ohne dass das Mädchen davonlaufe oder sich sonst durch unüberlegte Handlungen gefährde.

Soweit die Sachverständige die Ansicht vertreten habe, es sei von Anfang an keine Kindeswohlgefährdung vorgelegen, könne dem im hier maßgeblichen Umfang nicht gefolgt werden. Richtig sei, dass die „nicht weltbewegenden“ Probleme durchaus auch in anderen Familien vorkämen und ohne eine Maßnahme nach § 211 ABGB, ja sogar überhaupt ohne Befassung des KJHT gelöst werden könnten. Gerade dies sei aber hier mit der immerhin schon dritten Befassung des KJHT nicht möglich gewesen. Tatsächlich habe die Sachverständige in ihrem Zwischenbericht vom selbst vorgeschlagen, dass das Mädchen noch weiterhin in der Wohngemeinschaft bleiben solle und auch in ihrem Gutachten vom habe sie lediglich empfohlen, die mütterliche Autorität „möglichst rasch“ wieder herzustellen, wobei sie von einer notwendigen, jedoch mit Hilfe des Instituts für Erziehungshilfe möglichen Verbesserung der Kommunikation zwischen Mutter und Tochter ausgegangen sei. Dabei habe sich die Einschätzung der Sachverständigen betreffend die Lösbarkeit des Konflikts jedoch mehrfach als zu optimistisch erwiesen. So habe sie die Fähigkeit der Mutter, trotz des Fehlverhaltens ihrer pubertierenden Tochter einzulenken und ihre Zustimmung zur Unterbringung zu erteilen, überschätzt. Ebenso sei es auch dem Institut für Erziehungshilfe offensichtlich nicht gelungen, innerhalb der von der Sachverständigen genannten 14 Tage eine Rückführung des Mädchens zu seiner Mutter zu ermöglichen. Es könne der Sachverständigen auch nicht uneingeschränkt dahin gefolgt werden, dass aufgrund der bisherigen Erfahrungen des KJHT und des Gerichts die mütterliche Kompetenz in gutbürgerlichen Verhältnissen bewiesen gewesen sei, entspreche es doch nicht unbedingt der Regel, dass die Konflikte in einer Familie so weit gehen, dass dabei die Polizei und der KJHT eingeschaltet werden müssten.

Insgesamt ist es daher nicht vorstellbar, wie auch in den Monaten nach dem bei einer Rückkehr des Mädchens nach Hause ein Zusammenleben mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten auch nur einigermaßen hätte funktionieren sollen. Hinzu komme, dass die Mutter und ihr Lebensgefährte ja schon bald selbst Bedenken gegen die Heimkehr des Mädchens geäußert hätten, weil sie neuerliche Schwierigkeiten durch unberechtigte Anschuldigungen befürchteten. Nach Ansicht des Rekursgerichts könne ein obsorgeberechtigter Elternteil nicht einerseits die Rückkehr des Kindes in den gemeinsamen Haushalt ablehnen und anderseits die Feststellung begehren, dass die deshalb erforderliche anderweitige Unterbringung des Kindes unzulässig sei.

Letztlich bestünden auch keine Bedenken dagegen, dass die tatsächliche Rückkehr des Mädchens nach Hause erst am , damit 13 Tage nach der Zustellung des Beschlusses vom an den KJHT, erfolgt sei. Abgesehen davon, dass an diesem Tag wohl nicht sofort festgestanden habe, dass keinesfalls ein Rekurs gegen diesen Beschluss erhoben werde und dazu die gesamte vierzehntägige Rekursfrist als Bedenkzeit zustehe, erscheine der Zeitraum von 13 Tagen durchaus nicht unangemessen. Dabei sei vor allem zu beachten, dass das Erstgericht in diesem Beschluss die Anordnung der vorläufigen Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit mit der Begründung abgelehnt habe, dies sei zur Vorbereitung einer geordneten Rückkehr des Mädchens für alle Beteiligten erforderlich.

Grundsätzlich beizupflichten sei der Mutter, dass eine gewisse Dokumentation im Fall von einstweiligen Maßnahmen nach § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB nF erforderlich sei. Abgesehen davon, dass dies aber nicht dazu führen solle, dass dadurch die eigentliche Arbeit des KJHT unzumutbar behindert werde, sei im Zuge des Rekursverfahrens eine durchaus ausreichende Dokumentation vorgelegt worden. Insgesamt sei dem Rekurs der Mutter sohin ein Erfolg zu versagen gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs „schon im Hinblick auf die neue Rechtslage seit dem Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013“ zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn des Ausspruchs, dass die Maßnahme des KJHT rechtswidrig erfolgt sei. Hilfsweise stellt die Mutter auch einen Aufhebungsantrag.

Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, obwohl sich die einschlägige Rechtslage entgegen der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs durch das KindNamRÄG 2013 materiell nicht geändert hat, dennoch zulässig und auch berechtigt, weil die Vorinstanzen die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme der Interimskompetenz des KJHT zu Unrecht bejaht haben.

A. Mangel des Rekursverfahrens und Aktenwidrigkeit:

1. Der Oberste Gerichtshof hat das angebliche Vorliegen eines Mangels des Rekursverfahrens und einer der Entscheidung des Rekursgerichts anhaftenden Aktenwidrigkeit geprüft; diese Rechtsmittelgründe sind nicht verwirklicht:

1.1. Die Mutter beanstandet als Verfahrensmangel, sie habe das Protokoll über die Rekursverhandlung nicht zugestellt erhalten, sondern sich erst selbst innerhalb offener Rekursfrist beschaffen müssen. Außerdem habe es das Rekursgericht geduldet, dass ihr der KJHT für den Zeitraum 13. bis Unterlagen vorenthalten habe. Ob besagte Verfahrensmängel tatsächlich vorlagen, muss aber nicht geprüft werden, weil die Mutter die Wesentlichkeit der behaupteten Mängel nicht aufzeigt (vgl 5 Ob 69/06t; 5 Ob 30/10p).

1.2. Unter dem Revisionsrekursgrund der Aktenwidrigkeit behauptet die Mutter, das Rekursgericht habe sich über näher bezeichnete Klarstellungen der beigezogenen Sachverständigen hinweggesetzt. Damit bekämpft die Mutter allerdings inhaltlich die vom Rekursgericht aus Sachverständigengutachten gezogenen Schlüsse und demnach dessen Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0117019 [T1]). Eine Beweisrüge ist jedoch im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof, der Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, unzulässig (vgl RIS-Justiz RS0043371; RS0113643). Dies gilt auch für den Fall, dass das Gericht zweiter Instanz eine Beweiswiederholung durchgeführt hat (vgl RIS-Justiz RS0123663).

1.3. Die Beurteilung, dass die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit nicht vorliegen, bedarf keiner weitergehenden Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).

B. Rechtsrüge:

1. In ihrer Rechtsrüge vertritt die Mutter zusammengefasst und wie im gesamten bisherigen Verfahren den Standpunkt, der KJHT habe in casu seine Befugnisse gemäß § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF zu Unrecht in Anspruch genommen. Diese Rechtsansicht ist zutreffend:

2. Zu den Voraussetzungen des § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF:

2.1. Gemäß § 215 Abs 1 ABGB aF hatte der JWT (gemäß § 10 Abs 1 B-KJHG 2013 nunmehr: KJHT) die zur Wahrung des Wohls eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug konnte er die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig mit Wirksamkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst treffen; er hat diese Entscheidung unverzüglich, jedenfalls innerhalb von acht Tagen, zu beantragen. Im Umfang der getroffenen Maßnahmen war der KJHT vorläufig mit der Obsorge betraut.

2.2. Voraussetzung für eine vorläufige Maßnahme des KJHT war die offenkundige Gefährdung des Kindeswohls und die Notwendigkeit einer Änderung des bestehenden Zustands (1 Ob 60/05p; 5 Ob 152/12g EF-Z 2013/45 = RZ 2013/13; 1 Ob 4/12p EF Z 2013/11 iFamZ 2012/175; RIS Justiz RS0085168; Kathrein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 215 ABGB Rz 8; W. Tschugguel in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 215 Rz 2 [Gefahr im Verzug]; Höllwerth , Gerichtlicher Kontrolle der Interimskompetenz des Jugenwohlfahrtsträgers, in Gitschthaler [Hrsg], Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 [2013] 227 f).

2.3. Eine vorläufige Maßnahme nach § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF hatte daher nicht schon dann zu erfolgen, wenn eine Kindeswohlgefährdung nicht zweifelsfrei auszuschließen war; sie kam vielmehr nur in Frage, wenn ganz bestimmte Umstände darauf hinwiesen, dass die Eltern (bzw der allein obsorgebetraute Elternteil) die elterlichen Pflichten (objektiv) nicht erfüllen (erfüllt) oder diese (subjektiv) gröblich vernachlässigt worden sind und die Eltern (bzw der allein obsorgebetraute Elternteil) durch ihr (sein) Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährden (gefährdet) (5 Ob 152/12g EF-Z 2013/45 = RZ 2013/13; vgl RIS-Justiz RS0048633 [insb T 15]).

2.4. Wurde der KJHT im Rahmen seiner Interimskompetenz nach § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF tätig, weil er eine solche Gefährdung annahm, und wurden die gerichtlichen Verfügungen unverzüglich, jedenfalls aber binnen acht Tagen beantragt, blieb die getroffene Maßnahme bis zur Endentscheidung des Gerichts aufrecht (5 Ob 152/12g; RIS-Justiz RS0007018 [T8]). Eine vorläufige Maßnahme iSd § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF konnte durch eine Verfügung des Pflegschaftsgerichts, aber auch vom KJHT selbst außer Kraft gesetzt werden, indem dieser die Pflege und Erziehung des Minderjährigen wieder in die Hände des eigentlich Obsorgeberechtigten übergab (RIS Justiz RS0126470, 2 Ob 177/10hiFamZ 2011/59, 76 [ Thoma-Twaroch ] = EF Z 2011/37, 62 = JBl 2011, 232).

3. Unveränderte Rechtslage:

Die durch § 215 Abs 1 ABGB aF gegebene Rechtslage erfuhr durch das KindNamRÄG 2013 keine materielle Änderung (ErläutRV 2004 BlgNR 24. GP 32; Höllwerth aaO 227). Die wortgleiche Regelung findet sich nunmehr in § 211 ABGB (idF KindNamRÄG, BGBl I 2013/15 [nF]).

4. Zulässigkeit des Überprüfungsantrags:

Schon nach der Rechtslage vor dem KindNamRÄG erachtete der Oberste Gerichtshof nach überwiegender Rechtsprechung die nachträgliche Überprüfung einer Maßnahme des KJHT nach § 215 Abs 1 ABGB aF für zulässig (näher dazu Höllwerth aaO 229) und der erkennende Senat hat die Zulässigkeit des hier konkret vorliegenden Überprüfungsantrags auch schon in seiner Vorentscheidung 5 Ob 126/11g (SZ 2011/149 = EF Z 2012/102) bejaht. Weitere Ausführungen sind daher zu dieser Frage nicht mehr erforderlich.

5. Materielle Überprüfung:

5.1. Die durch das KindNamRÄG 2013 unverändert gebliebenen Voraussetzungen für eine Maßnahme des KJHT nach § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF bzw § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB nF wurden bereits dargetan (Punkt B.2.). Bei der nachträglichen Überprüfung der Zulässigkeit einer solchen Maßnahme ist eine ex-ante-Betrachtung vorzunehmen (5 Ob 152/12g; vgl auch 1 Ob 4/12p). Maßgeblich sind die dem KJHT zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung gestandenen oder im Fall gebotener Erhebungen verfügbaren Beurteilungsgrundlagen (5 Ob 152/12g).

5.2. Die vom Rekursgericht auf § 107 Abs 2 und 3 AußStrG idF KindNamRÄG 2013 angestellten Erwägungen sind im Zusammenhang mit der hier vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeit des Einschreitens des KJHT nach § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF sachfremd. § 107 Abs 2 und 3 AußStrG idgF mögen mangels abweichender Übergangsregelung sofort mit anwendbar gewesen sein. Diese Bestimmungen eignen sich aber nicht zur Beurteilung eines auf der Grundlage einer anderen Gesetzesbestimmung (§ 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF) gestellten Antrags sowie des daraus resultierenden, zur Gänze vor dem Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013 verwirklichten und abgeschlossenen Sachverhalts (vgl RIS-Justiz RS0008715). Im Übrigen ist die Wahrnehmung der Interimskompetenz des KJHT die Maßnahme einer Verwaltungsbehörde ohne Tribunalqualität, die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung („Gefahr im Verzug“) an strengere Voraussetzungen geknüpft ist, als eine vorläufige Maßnahme des Gerichts nach § 107 Abs 2 und 3 AußStrG idgF. Hier ist daher eine Auseinandersetzung mit den Anwendungsvoraussetzungen des § 107 Abs 2 und 3 AußStrG idgF entbehrlich.

5.3.1. Der KJHT hat hier der Mutter am gestützt auf § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF die Pflege und Erziehung entzogen. An Beurteilungsgrundlagen für diese Maßnahme standen dem KJHT zunächst die Kenntnisse aus den bisherigen Kontakten zu den Beteiligten zur Verfügung. Demnach war es im Jahr 2009 wegen Erziehungsproblemen zu einem Beratungsgespräch mit Mitarbeitern des KJHT gekommen. Dem folgte eine routinemäßige Befassung von November 2009 bis Jänner 2010 aus Anlass eines Betretungsverbots gegen den Lebensgefährten der Mutter. Das Abklärungsverfahren wurde nach der Wegweisung des Lebensgefährten der Mutter beendet, weil keine Hinweise für eine Kindeswohlgefährdung vorlagen. Demnach lag keine problemfreie, aber auch keine besonders gefahrenträchtige Familiensituation vor, sodass der KJHT offenbar auch keinen Grund für ein weiteres Einschreiten oder für weitere regelmäßige Kontakte erkannt hatte.

5.3.2. Am vereinbarte eine Lehrerin des Mädchens für den nächsten Tag den Termin mit dem KJHT. Einen Anlass für ein Einschreiten noch am Tag dieser Kontaktaufnahme sah die Lehrerin des Mädchens offenbar nicht.

5.3.3. Am kam das Mädchen nach der Zeugnisverteilung zum KJHT und gab dort an, zu Hause häufig heftigen Streit mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten zu haben und keinesfalls mehr nach Hause gehen, sondern weglaufen zu wollen. Das Mädchen stellte in übertrieben dramatischer Form dar, dass sie im Jahr zuvor im Sommer von der Mutter eingesperrt worden sei und befürchte, dass dies neuerlich geschehen werde. Das Mädchen hatte zunächst keine Vorstellung, wie es weitergehen sollte und auch nicht den Gedanken, dass sie in ein Heim wolle. Erst vom DSA erfuhr das Mädchen von der Möglichkeit einer Unterbringung im Krisenzentrum und wollte dann dort hin.

5.3.4. Das Substrat dieses Gesprächs am und die fassbaren Gründe für die Aufregung des Mädchens waren demnach

heftige häusliche Streitigkeit mit der Mutter und deren Lebensgefährten und

das (angebliche) Einsperren im Sommer des Vorjahres.

5.3.5. Anschließend rief der DSA die überraschte Mutter an, erklärte dieser zunächst kurz, dass sich deren Tochter an ihn gewandt habe und nicht mehr nach Hause wolle, weshalb beabsichtigt sei, sie im Krisenzentrum unterzubringen. Er erläuterte der Mutter den näheren Ablauf und übergab den Hörer sodann dem Mädchen. Danach folgte ein Streitgespräch zwischen Mutter und Tochter, bei dem sich allerdings Letztere sogar zum persönlichen Kontakt mit der Mutter bereit zeigte, soweit es darum ging, die für den Heimaufenthalt notwendige Kleidung abzuholen.

5.3.6. Aus dieser Sachlage folgt, dass die vom damals 15-jährigen Mädchen geschilderten Gründe, nämlich einerseits die heftigen häuslichen Streitigkeiten mit der Mutter und deren Lebensgefährten, eine nicht untypische familiäre Konfliktlage darstellten, die der Situation im Jahre 2009 ähnlich war, bei der allerdings eine Kindeswohlgefährdung nicht erkannt worden war. Andererseits lag das angebliche Einsperren des Mädchens im Sommer des Vorjahres bereits ein ganzes Jahr (!) zurück, ohne dass dies schon früher Anlass für ein Interventionsersuchen beim KJHT gewesen wäre.

5.3.7. Ganz allein aufgrund dieser Informationen hat der KJHT die Maßnahme nach § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF ergriffen, ohne zuvor auch nur einen Versuch unternommen zu haben, die Angaben des Mädchens auf ihr Gefahrenpotential hin zu prüfen. Insbesondere hat der DSA beim Telefonat mit der Mutter an diesem nicht einmal versucht, mit dieser die Faktenlage abzuklären, sondern hat die Mutter sofort mit der Krisenunterbringung als entschiedenes weiteres Procedere konfrontiert und dann Mutter und Tochter die Möglichkeit telefonischer Auseinandersetzung eröffnet, bei der es absehbar zur Auseinandersetzung über die Einschaltung des KJHT kommen musste. Ein derartiges Vorgehen ist vor einem immerhin grundrechtsrelevanten Eingriff nach § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF jedenfalls unzureichend, hat doch der DSA die ohne Aufwand und sofort mögliche telefonische Erörterung der vom Mädchen geschilderten Vorfälle mit ihrer Mutter nicht wahrgenommen. Dies wäre hier umso mehr geboten gewesen, als die vom Mädchen geschilderten „Vorfälle“ ihrer Substanz nach keinen sachlich nachvollziehbaren Anlass für das angekündigte Fortlaufen bildeten. Das vom KJHT gewählte Vorgehen, sich ausschließlich auf die substanziell wenig plausiblen Schilderungen des Mädchens zu verlassen, entsprach im Übrigen auch nicht, worauf freilich nur illustrativ hingewiesen sei, der nunmehr nach § 24 Abs 1 bis 3 WKJHG 2013 recht praxisnahe vorgeschriebenen strukturierten Vorgangsweise zur Gefährdungsabklärung.

5.3.8. Nach den Feststellungen des Rekursgericht kam es dann am erstmals zu einem persönlichen Gespräch zwischen dem DSA und der Mutter sowie deren Lebensgefährten beim KJHT, bei welchem „auch über die Hintergründe der nunmehr aufgetretenen Probleme gesprochen wurde“. Dabei blieb es allerdings erneut bei der Schilderung nicht untypischer, eher harmlos wirkender familiärer Konfliktsituationen, die keinerlei Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung boten, die als letztes Mittel eine Krisenunterbringung nahegelegt hätte. Die dann persönlich angespannten Kontakte zwischen Mutter und Tochter waren geradezu typische Folge dieser Krisenunterbringung, für die immer der jeweils andere Teil verantwortlich gemacht wurde. Eine wirkliche Kindeswohlgefährdung kann auch daraus nicht abgeleitet werden. Es ist daher insgesamt keine gesetzliche Deckung für die vom KJHT am getroffene und bis aufrecht erhaltene Maßnahme zu erkennen.

6. Im Ergebnis folgt:

Erklärt ein 15-jähriges Mädchen am Tag der Zeugnisverteilung, nicht mehr nach Hause zurückkehren, sondern weglaufen zu wollen, weil es heftige Streitigkeit mit der Mutter und deren Lebensgefährten gebe und sie ein Jahr zuvor von der Mutter eingesperrt worden sei, dann rechtfertigen diese Behauptungen ohne jede weitere Überprüfung des tatsächlichen Gefahrenpotentials, insbesondere ohne Abklärung dieser Vorwürfe mit der vom Sozialarbeiter ohnehin telefonisch kontaktierten, von diesem aber nur mit der bevorstehenden Fremdunterbringung konfrontierten Mutter, keine Maßnahme des KJHT gemäß § 215 Abs 1 Satz 2 ABGB aF (§ 211 Abs 1 Satz 2 ABGB nF). Auch das weitere Aufrechterhalten der Maßnahme ist nicht zulässig, wenn sich folgend nur eine nicht untypische familiärer Konfliktsituation, aber keine unmittelbare Kindeswohlgefährdung zeigt.

Dem Revisionsrekurs der Mutter war somit Folge zu geben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00033.15M.0428.000