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OGH vom 10.05.2017, 3Ob60/17w

OGH vom 10.05.2017, 3Ob60/17w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V***** e.Gen., *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch, Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die verpflichtete Partei E*****, vertreten durch Dr. Peter Strele, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 55.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 2 R 327/16b-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 8 E 3095/16s-2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen des Verpflichteten das Insolvenzverfahren eröffnet, das nach wie vor anhängig ist. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom wurden dem Schuldner unter anderem die Mietrechte an einem näher bezeichneten, als Parkplatz genutzten Grundstück gemäß § 119 Abs 5 IO zur freien Verfügung überlassen.

Die Betreibende beantragte mit Schriftsatz vom , ihr aufgrund eines (ebenso wie eine Ausfertigung des Beschlusses vom mit dem Exekutionsantrag vorgelegten) Auszugs aus dem Anmeldungsverzeichnis im Konkurs über das Vermögen des Verpflichteten zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren (Teil-)Forderung von 55.000 EUR sA die Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der angeblichen Forderung des Verpflichteten, nämlich „Forderung auf Benützungsentgelt Untermietzinsforderung gegenüber der E***** GmbH aufgrund der Überlassung des Parkplatzes auf GST […] zur Vermietung“, und die Exekution nach § 331 EO durch Pfändung des Mietrechts an diesem Grundstück zu bewilligen.

Das bewilligte der Betreibenden die beantragte Exekution, wobei es sich die Entscheidung über den Antrag auf Verwertung des Mietrechts durch Zwangsverwaltung vorbehielt.

Das wies den Exekutionsantrag über Rekurs des Verpflichteten ab. Im Insolvenzverfahren gelte der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger, der ua durch die in § 10 Abs 1 IO angeordnete Exekutionssperre abgesichert werde. Die Exekution in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners sei grundsätzlich auch während des Insolvenzverfahrens zulässig, damit Forderungen, bei denen es sich weder um Insolvenz- noch um Masseforderungen handle, möglichst durchsetzbar seien. Auch die Exekutionsführung auf eine nach § 119 Abs 5 IO ausgeschiedene Liegenschaft durch einen Absonderungsgläubiger sei bereits während des anhängigen Insolvenzverfahrens zulässig. Inwieweit Insolvenzgläubiger vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf ausgeschiedene Vermögenswerte greifen könnten, ohne gleichzeitig auf die Teilnahme am Insolvenzverfahren zu verzichten, sei allerdings umstritten. In der Literatur werde dazu überwiegend vertreten, dass das insolvenzfreie Vermögen, und damit auch ein nach § 119 Abs 5 IO ausgeschiedener Vermögenswert, dem Zugriff von Gläubigern von im Insolvenzverfahren ausgeschlossenen Ansprüchen vorbehalten sei. Diese Auffassung sei im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger zutreffend, sodass sich die beantragte Exekution zur Befriedigung einer Insolvenzforderung als unzulässig erweise.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Frage der Zulässigkeit der Exekutionsführung durch einen Insolvenzgläubiger auf insolvenzfreies Vermögen während eines anhängigen Insolvenzverfahrens in der Literatur umstritten und eindeutige jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu nicht ersichtlich sei.

In ihrem macht die Betreibende geltend, das Rekursgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, insbesondere der Entscheidung 3 Ob 215/98h abgewichen. Entgegen der Entscheidung 8 Ob 198/97v könne die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Auszugs aus dem Anmeldungsverzeichnis schon vor rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens erteilt werden. Da das gepfändete Mietrecht keine zur Insolvenzmasse gehörende Sache (mehr) darstelle, entfalle auch die Exekutionssperre des § 10 IO. Daher sei nicht ersichtlich, weshalb ein Gläubiger auf diesen Vermögenswert nicht Exekution führen dürfen sollte. Das vom Rekursgericht ins Treffen geführte Gebot der Gleichbehandlung bestehe nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage , aber .

1. Gemäß § 108 Abs 2 IO können Gläubiger beglaubigte Auszüge aus dem als Bestandteil des bei der Prüfungstagsatzung aufzunehmenden Protokolls geltenden Anmeldungsverzeichnis ohne zeitliche Einschränkung verlangen. Einen Exekutionstitel iSd § 1 Z 7 EO bildet ein solcher Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis allerdings nur, soweit er nach § 61 IO vollstreckbar ist.

2. Gemäß § 61 IO kann wegen einer im Insolvenzverfahren festgestellten und nicht bestrittenen Forderung auch aufgrund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis auf das zur freien Verfügung bleibende oder nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erworbene Vermögen des Schuldners Exekution geführt werden.

3. Aus der Überschrift vor §§ 60 und 61 IO („Rechte der Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens“) – wie überhaupt aus der Situierung des § 61 IO im Dritten Hauptstück der IO („Wirkungen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens“) – ist abzuleiten, dass das Exekutionsrecht gemäß § 61 IO in seiner Ausübung dementsprechend zeitlich beschränkt ist.

Unter dem „zur freien Verfügung bleibenden“ Vermögen ist daher nur jenes zu verstehen, das dem Schuldner – etwa gemäß § 4 Abs 2, §§ 5, 8 oder 119 Abs 5 IO – überlassen wurde ihm Aufhebung des Konkurses verblieben ist. Aufgrund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis kann also auch in das dem Schuldner zur freien Verfügung verbleibende Vermögen erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Exekution geführt werden. Vorher unterliegt das dem Schuldner überlassene Einkommen und Vermögen dem Zugriff der Gläubiger durch Einzelvollstreckung nur soweit, als sich dies mit dem Ziel der Überlassung vereinbaren lässt, wie etwa bei der Geltendmachung von gesetzlichen Unterhaltsrückständen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung (8 Ob 198/97v; Jakusch in Angst/Oberhammer3§ 1 EO Rz 49 und 57).

4. Der zu 3 Ob 215/98h (und – in Ansehung desselben Verpflichteten/Schuldners – zu 8 Ob 65/99p = RISJustiz RS0111255 [T1]) vertretenen Auffassung, dem Exekutionsgericht sei die Prüfung verwehrt, ob das Insolvenzgericht den Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis zu Recht als Exekutionstitel erteilt habe, weil es an die vollstreckbare Ausfertigung des Titels gebunden sei, kann nicht gefolgt werden: In einer Konstellation wie der auch hier vorliegenden geht es nämlich in Wahrheit nicht um die Bindung des Exekutionsrichters an die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Titelgerichts (vgl dazu RISJustiz

RS0000180 [T5]; Jakusch in Angst/Oberhammer3§ 7 EO Rz 97), sondern um die gemäß § 7 EO vom Exekutionsgericht eigenständig zu lösende – und wie oben dargelegt zu verneinende – Frage, ob der Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis im konkreten Fall einen tauglichen Exekutionstitel bildet.

5. Das Rekursgericht hat also den Exekutionsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Ob die Einzelexekution auf das ausgeschiedene Mietrecht des Verpflichteten im Sinn der vom Rekursgericht dargestellten überwiegenden Lehre (vgl Riel in Konecny/Schubert§ 119 KO Rz 51 mwN) auch dann unzulässig wäre, wenn die Betreibende die Exekution aufgrund eines vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Exekutionstitels gegen den Verpflichteten (eines „Alttitels“) beantragt hätte, muss hier offen bleiben, weil die Betreibende, wie sich aus dem Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis ergibt, im Insolvenzverfahren des Verpflichteten eine nicht titulierte Forderung angemeldet hat.

6. Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00060.17W.0510.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,5 Exekutionssachen

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