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OGH vom 10.08.2006, 2Ob67/06a

OGH vom 10.08.2006, 2Ob67/06a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johanna T*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher und Dr. Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Safet H*****, 2. I***** GmbH, *****, und 3. W***** AG ***** (zuvor: W***** AG), *****, sämtliche vertreten durch Dr. Lisbeth Lass und Dr. Hans Christian Lass, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 18.147,28 sA und Feststellung (Streitwert: EUR 3.000), über die außerordentliche Revision der drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 230/05s-59, womit infolge Berufungen sämtlicher Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 40 Cg 25/04v-50, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Bezeichnung der drittbeklagten Partei wird auf „W***** AG *****" berichtigt.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinen Punkten II B 2 und 3 dahin abgeändert, dass diese unter Einschluss ihrer bereits in Rechtskraft erwachsenen Aussprüche wie folgt zu lauten haben:

„B 2: Es wird festgestellt, dass die zweitbeklagte und die drittbeklagte Partei der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall, welcher sich am gegen 15.30 Uhr in der Museumstraße 28, 6020 Innsbruck, ereignete, und im Zuge dessen die Klägerin als Fahrgast in dem vom Erstbeklagten gelenkten, von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und zum Unfallszeitpunkt bei der drittbeklagten Partei aufrecht haftpflichtversicherten Omnibus mit dem amtlichen Kennzeichen *****, verletzt wurde, zu haften haben, wobei die Haftung der zweitbeklagten und der drittbeklagten Partei durch die Haftungshöchstbeträge des § 15 EKHG begrenzt ist.

B 3: Das darüber hinausgehende Mehrbegehren von 4.049,04 EUR, das Zinsenmehrbegehren und das Feststellungsmehrbegehren, die Haftung der drittbeklagten Partei ohne die Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge nach § 15 EKHG bis zur Höhe der Versicherungssumme aus dem zum Unfallszeitpunkt für das Fahrzeug der zweitbeklagten Partei bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag auszusprechen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der drittbeklagten Partei die mit EUR 459,10 (darin enthalten EUR 50,02 USt und EUR 159 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

III. Der Antrag der klagenden Partei, dem Berufungsgericht die Berichtigung seines Urteiles in dessen Punkt II B 2 aufzutragen, wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

Nach der am von der Hauptversammlung der drittbeklagten Partei beschlossenen und am zu FN ***** im Firmenbuch eingetragenen Satzungsänderung wurde der Firmenwortlaut der drittbeklagten Partei von „W***** AG" geändert in „W***** AG *****". Die Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.

Zu II.:

Die Klägerin kam am als Fahrgast eines vom Erstbeklagten gelenkten, von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Linienbusses zu Sturz, nachdem der Erstbeklagte eine verkehrsbedingte Betriebsbremsung durchgeführt hatte. Dabei wurde die Klägerin verletzt. Die Klägerin begehrte von den beklagten Parteien Schadenersatz in Höhe von zuletzt EUR 18.147,28 sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien - jene der drittbeklagten Partei begrenzt mit der Höhe der Versicherungssumme - für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom . Den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden am Sturz der Klägerin, weil er infolge eines Fahrfehlers abrupt gebremst habe.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren und wandten ein, der Unfall sei weder durch den Erstbeklagten verschuldet worden noch auf die Betriebsgefahr des Busses zurückzuführen. Es handle sich um ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit einem Teilbetrag von EUR 14.098,24 sA sowie dem Feststellungsbegehren statt und wies das Leistungsmehrbegehren ab. Dabei ging es auf der Grundlage der von ihm getroffenen, im Revisionsverfahren nicht mehr relevanten Feststellungen vom Alleinverschulden des Erstbeklagten aus. Das von sämtlichen Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, hingegen der Berufung der beklagten Parteien teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es hinsichtlich des Erstbeklagten das Klagebegehren zur Gänze abwies und hinsichtlich der zweitbeklagten Partei in der Entscheidung über das Feststellungsbegehren die Begrenzung der Haftung mit den Haftungshöchstbeträgen des § 15 EKHG aussprach. Die Abweisung des Feststellungsmehrbegehrens unterblieb. Hinsichtlich der drittbeklagten Partei beließ es das Berufungsgericht bei der Begrenzung der Haftung mit der Höhe der Versicherungssumme. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht verneinte ein Verschulden des Erstbeklagten, bejahte jedoch die Gefährdungshaftung der zweitbeklagten und der drittbeklagten Partei nach dem EKHG. In Ansehung der zweitbeklagten Partei sei „das Klagebegehren zufolge der Bestimmung des § 15 EKHG zu präzisieren" gewesen.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der drittbeklagten Partei, welche nur noch die Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung über das Feststellungsbegehren dahin anstrebt, dass auch die Begrenzung ihrer Haftung für künftige Schäden mit den Haftungshöchstbeträgen des § 15 EKHG auszusprechen sei.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. In einem weiteren Eventualantrag begehrt sie, dem Berufungsgericht die Berichtigung seines Urteiles im Sinne des Revisionsantrages der drittbeklagten Partei aufzutragen. Die Klägerin erklärt in ihrer Revisionsbeantwortung weiters, die Begrenzung der Haftung der drittbeklagten Partei mit den Haftungshöchstbeträgen des § 15 EKHG (nur dieser ist vom Revisionsantrag umfasst) nicht zu bestreiten. Sollte sie damit - entgegen dem Wortlaut ihres Rechtsmittelgegenantrages - eine Rücknahme der Klage im noch nicht rechtskräftig erledigten Umfang bezwecken, wäre diese Prozesshandlung unwirksam, weil es sowohl an einer Zustimmung der drittbeklagten Partei, als auch an einem mit der erforderlichen Eindeutigkeit erklärten Verzicht auf die Haftungsgrenzen des § 15 EKHG übersteigende künftige Ansprüche (zur Zulässigkeit des Verzichtes auf künftige Rechte vgl RIS-Justiz RS0033945, RS00333976 [T1 und 2]; Griss in KBB, § 1444 ABGB Rz 5) fehlt (vgl § 483 Abs 3 iVm § 513 ZPO; zum Erfordernis eines eindeutigen Anspruchsverzichtes: RIS-Justiz RS0039729, RS0039744; Lovrek in Fasching/Konecny² III § 237 ZPO Rz 23).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Das Berufungsgericht ging in der angefochtenen Entscheidung von der

in dritter Instanz nicht mehr strittigen Rechtsansicht aus, dass den

Erstbeklagten kein Verschulden am Sturz der Klägerin getroffen hat,

der zweitbeklagten und der drittbeklagten Partei jedoch der ihnen

obliegende Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht gelungen ist. Danach

hat die zweitbeklagte Partei - wie vom Berufungsgericht richtig

erkannt - nach den Bestimmungen des EKHG und nur im Rahmen der in §

15 dieses Gesetzes (die Klägerin hat nur Personen- nicht aber auch

Sachschäden geltend gemacht) normierten Haftungshöchstbeträge zu

haften. Bei Vorliegen einer reinen Gefährdungshaftung stellen aber

die Haftungshöchstbeträge des EKHG nach ständiger Rechtsprechung auch

für den Haftpflichtversicherer, hier also die drittbeklagte Partei,

die Begrenzung der Haftung der Höhe nach dar (2 Ob 20/91 = ZVR

1991/134; 2 Ob 53/91 = ZVR 1992/70; 2 Ob 2274/96t; 2 Ob 77/01i = ZVR

2002/101).

Im Antrag des Haftpflichtversicherers auf Abweisung des Klagebegehrens ist auch ein Antrag auf Einschränkung seiner Haftung auf die Höchstbeträge gemäß § 15 EKHG zu sehen; diese Beschränkung, welche als zur rechtlichen Beurteilung gehörig auch von Amts wegen zu beachten ist, ist im Spruch der Entscheidung über das Feststellungsbegehren zum Ausdruck zu bringen (2 Ob 296/99i; 2 Ob 254/00t; 2 Ob 142/03a mwN; RIS-Justiz RS0039011 [T5 und 6]). Dies ist im vorliegenden Fall in Ansehung der drittbeklagten Partei unterblieben.

Es war daher auch dem gegen die drittbeklagte Partei gerichteten Feststellungsbegehren nur mit der Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge des § 15 EKHG stattzugeben und das weitergehende Mehrbegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen bleiben unberührt, weil der Revisionserfolg der drittbeklagten Partei nur zur Abweisung eines geringfügigen (weiteren) Teiles des Klagebegehrens führt (§ 43 Abs 2 erster Fall ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Bewertung des Revisionsinteresses steht mit der Entscheidung 2 Ob 77/01i = ZVR 2002/101 im Einklang.

Zu III.:

Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes erkennbar auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht (vgl 2 Ob 2274/96t), war der auf die Erteilung eines Berichtigungsauftrages gerichtete Eventualantrag der Klägerin abzuweisen.