OGH vom 08.07.1953, 3Ob420/53
Norm
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 888;
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 889;
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 923;
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 932;
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 932a;
Kopf
SZ 26/185
Spruch
Bei Mängeln einer von mehreren gegen eine Aufzahlungsverpflichtung im Tausch gegebenen Sachen sind für die Minderung dieselben Grundsätze wie bei einem Verkauf mehrerer Sachen anzuwenden.
Erzeugt die Hauptverpflichtung eine Korrealschuld, so gilt dies auch für die mit dieser Schuld im Zusammenhang stehende Nebenverpflichtung, mag diese auch eine teilbare Schuld betreffen.
Ein Huffehler, der die Verwendung eines Pferdes auf hartem Boden hindert und eine besondere Behandlung und eine besondere Art des Hufbeschlages erfordert, ist als ein ungewöhnlicher und wertmindernder Mangel anzusehen.
Entscheidung vom , 3 Ob 420/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Oberpullendorf; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Im Mai 1951 kamen die beiden Beklagten, zwei Brüder, die miteinander wirtschaften, zum Kläger, einem Pferdehändler, und boten ihm den Tausch zweier dem Erstbeklagten gehörigen Pferde gegen zwei mittlere Zugpferde an.
Am brachte der Kläger zwei Pferde nach H., dem Wohnort der Beklagten. Das eine Pferd war 6jährig, das andere 8 - 9jährig. Das ältere Pferd hatte am rechten Vorderhuf einen Hufmangel, der schon seit längerer Zeit bestand, aber nicht angeboren war. Der Kläger bot diese beiden Pferde den Beklagten zum Tausch an und verlangte überdies noch 2500 S. Das Geschäft kam mit einer Aufzahlungsverpflichtung der Beklagten von 2000 S zustande. Der Erstbeklagte zahlte 1000 S gleich und stellte die Bezahlung der restlichen 1000 S in ein paar Tagen in Aussicht. Der Restbetrag wurde aber von den Beklagten nicht bezahlt, da sie gegen die Forderung des Klägers Gewährleistungsansprüche geltend machten, und zwar aus dem Gründe, daß das eine Pferd zu alt sei und überdies den erwähnten Hufmangel habe.
Auf die Klage des Pferdehändlers erkannte das Erstgericht die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger 490 S zu bezahlen. Das Erstgericht erachtete den Gewährleistungsanspruch wegen des zu hohen Alters des einen Pferdes und des bei diesem bestehenden Hufmangels für gegeben, wobei es den Minderwert dieses Pferdes infolge des höheren Alters mit 500 S und infolge des Hufmangels mit 10 S bewertete.
Gegen das Urteil des Erstgerichtes erhoben beide Streitteile Berufung. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in dem Sinne, daß es die Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 1000 S verurteilte, das Begehren, die Zahlung den Beklagten zur ungeteilten Hand aufzuerlegen, aber abwies.
Das Berufungsgericht ging dabei davon aus, daß ein bestimmtes Alter der Pferde vom Kläger nicht zugesagt worden sei und der Hufmangel das Pferd zum bedungenen Gebrauch nicht untauglich machte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten zum Teil Folge und verurteilte sie zur ungeteilten Hand zur Bezahlung eines Betrages von 800 S an den Kläger, während er das Mehrbegehren abwies.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand ist der Oberste Gerichtshof entsprechend den Feststellungen der Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die beiden Beklagten gemeinsam den Vertrag geschlossen haben, daß sie gemeinsam wirtschaften sowie davon, daß es sich hier um einen Tauschvertrag mit einer Aufzahlungsverpflichtung der Beklagten handelt und daß daher in der Hauptsache ein Tauschvertrag, u. zw. ein unteilbare Sachen betreffender Tauschvertrag, vorliegt. Erzeugt die Hauptverpflichtung eine Korrealschuld, so muß dies auch für die mit dieser Schuld im Zusammenhang stehende Nebenverpflichtung gelten, mag diese auch eine teilbare Sache betreffen.
Mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit rügt die Revision zunächst, daß sich das Berufungsgericht ohne einen Beweisbeschluß in Beweiserhebungen über den Wert der in Tausch gegebenen und genommenen Pferde eingelassen habe. Da aber die Beklagten diesen Mangel im Berufungsverfahren nicht gerügt haben, können sie ihn im Revisionsverfahren nach § 488 Abs. 2 und § 196 ZPO. nicht mehr vorbringen (vgl. Rsp. 1936 Nr. 254). Wenn in diesem Zusammenhang die Revision die Ansicht vertritt, daß Beweise in dieser Richtung völlig überflüssig gewesen seien, so ist das nur bedingt richtig. Für den Bestand eines einredeweise geltend gemachten Gewährleistungsanspruches ist es allerdings unerheblich, ob der sich der Einrede bedienende Beklagte ein gutes oder schlechtes Geschäft gemacht hat. Stellte man sich mit dem Berufungsgericht auf den Standpunkt, daß das ältere der von den Beklagten eingetauschten Pferde, das einmal als Rotschimmel, das andere Mal wieder als stichelhaariger Fuchs bezeichnet wurde, keinen Gewährleistungsmangel aufgewiesen habe, weil es "zu dem bedungenen Gebrauch verwendbar war", dann hätte sich allerdings eine Erörterung des Wertes der hin- und hergetauschten Pferde erübrigt. Nach Ansicht der Revision liegt aber ein Mangel vor. Er betrifft eine von zwei gegen eine zusätzliche Aufzahlungsverpflichtung in Tausch gegebenen Sachen. In einem solchen Fall sind für die Minderung dieselben Grundsätze wie bei einem Verkauf mehrerer Sachen anzuwenden, d. h. es ist bei der Herabsetzung der Leistung der Gesamtwert aller Sachen zugrunde zu legen (vgl. § 472 Abs. 2 BGB.). Im übrigen ist die Herabsetzung der Leistung nach jenem Verhältnis vorzunehmen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem Wert der mangelhaften Sache gestanden haben würde (sogenannte relative Berechnungsmethode). Bei einem Verkauf würde sich diese Berechnung folgendermaßen darstellen: Wird der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand mit 100, ihr Wert unter Berücksichtigung des Mangels dagegen mit 50 und der Kaufpreis mit 80 angenommen, so ergibt sich nach der Verhältnisrechnung 100 : 50 = 80 : x die Minderung mit 40. Das bedeutet: Hat jemand etwas über den Wert erworben und stellt sich das Erworbene als mangelhaft heraus, so kann er seine Leistung in einem den Minderwert übersteigenden Betrag kürzen, hat er hingegen unter dem Wert erworben, so kann er seine Leistung nicht um den ganzen Minderwert herabsetzen. Bei Vorliegen eines Gewährleistungsmangels hätte daher eine Erhebung des Wertes der beiderseitigen Leistungen guten Sinn gehabt.
Soweit im Rahmen der Rechtsrüge die Beklagten gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes polemisieren, es läge ein Kaufvertrag vor, so handelt es sich dabei offenkundig nicht um eine Beurteilung des Geschäftes als eines Kaufvertrages durch das Berufungsgericht, sondern nur um eine unschädliche Ungenauigkeit des Ausdrucks. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß beide Vorinstanzen das Geschäft zutreffend als einen Tauschvertrag mit zusätzlicher Aufzahlungsverpflichtung beurteilt haben.
Mit ihrer Rechtsrüge wenden sich die Beklagten weiter gegen die von beiden Vorinstanzen angenommene Passivlegitimation des Zweitbeklagten. Zu diesem Punkt liegen aber die Feststellungen der Vorinstanzen vor, daß beide Beklagten mit dem Kläger verhandelt haben, daß beide Beklagten miteinander wirtschaften und die eingetauschten Pferde auch beim Zweitbeklagten Verwendung finden sollten. Wenn unter diesen Umständen die Vorinstanzen die Passivlegitimation des Zweitbeklagten annahmen, so kann darin kein Rechtsirrtum gefunden werden. Allerdings hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Pferde, die der Kläger eingetauscht hat, zuvor dem Erstbeklagten gehört haben. Für einen Tauschvertrag ist aber Eigentum der Tauschpartner nicht Voraussetzung, sondern nur die Möglichkeit, das Eigentum zu verschaffen. Es konnte daher der Zweitbeklagte, der diese Möglichkeit eben wegen des seinem Bruder zustehenden Eigentums hatte, mit diesem zusammen den Vertrag schließen, jedenfalls hatte er aber die Möglichkeit, zusammen mit seinem Bruder die Aufzahlungsverpflichtung auf sich zu nehmen, und das allein würde für seine Passivlegitimation genügen.
Begrundet ist die Rechtsrüge insoweit, als sie sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes wendet, der Kläger habe deshalb nicht Gewähr zu leisten, weil der Rotschimmel (stichelhaariger Fuchs) zur Verwendung im landwirtschaftlichen Betrieb der Beklagten geeignet war. Zunächst ist gar nicht festgestellt, daß nur eine Verwendung für bestimmte Zugzwecke bedungen war, im Gegenteil hat das Berufungsgericht festgestellt, daß bedungen war, es müßten zwei fromme, gemütliche Zugpferde sein, ohne daß dabei eine bestimmte Art des Zuges erwähnt worden wäre.
Aus § 932 ABGB. ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß auch für einen den ordentlichen Gebrauch nicht hindernden Mangel Gewähr zu leisten ist,vorausgesetzt, daß der Mangel nicht unerheblich ist.
Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß ein Huffehler, der die Verwendung eines Pferdes auf hartem Boden hindert, der eine besondere Behandlung und eine besondere Art des Hufbeschlages erfordert, nicht als unerheblich, sondern im Gegenteil als ein ungewöhnlicher und wertmindernder Mangel anzusehen ist. Als einen solchen hat den Huffehler auch der Sachverständige Dr. K., gegen dessen "grundliche, alle Umstände erwägenden Angaben" das Berufungsgericht keine Bedenken hatte, gewertet. Allerdings war der Huffehler nach etwa 1 1/2 Jahren im Herbst 1952 völlig geheilt. Daraus folgt aber nicht, daß für den Fehler nicht Gewähr zu leisten ist, sondern nur, daß bei dem Umfang der Minderung das Zeitmoment zu berücksichtigen ist. Ob die Beklagten für einen besonderen Beschlag oder sonst für die Beseitigung des Mangels Auslagen hatten, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, denn der Minderungsanspruch ist kein Schadenersatzanspruch.
Nach den Wertangaben des Sachverständigen Dr. K., die das Berufungsgericht seiner Beurteilung, ob das Geschäft für die Beklagten günstig oder ungünstig war, zugrunde legte, betrug die Wertminderung des acht- bis neunjährigen Rotschimmels (stichelhaarigen Fuchses) infolge des Huffehlers ungefähr 1000 S, wobei die Verkaufswerte zugrunde gelegt wurden. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes wäre eine Wertminderung in dieser Höhe aber nur anzuerkennen, wenn der Mangel in der Folge nicht behoben worden wäre. Nun ist der Mangel aber nach etwa 1 1/2 Jahren im Herbst 1952, also nach Schluß der Verhandlung erster Instanz, ausgeheilt worden. Nimmt man nun mit dem Sachverständigen die Gebrauchstauglichkeit eines Pferdes bis zum Alter von 15 Jahren an, so hat der wertmindernde Mangel in einem Viertel des Zeitraumes bestanden, zu dem vom Tausch an Gebrauchstauglichkeit des Pferdes anzunehmen ist. Unter Berücksichtigung dieses Zeitmomentes ist daher der Minderwert nur mit 250 S anzunehmen. Nun haben aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes die Beklagten ein gutes Geschäft gemacht. Sie haben die eingetauschten Pferde unter ihrem Wert übernommen. Nach den früher dargestellten Grundsätzen können die Beklagten daher nicht den ganzen Minderwert in der Höhe von 250 S in Abzug bringen, sondern nur einen Teil davon, den der Oberste Gerichtshof im Sinne des § 273 ZPO. mit 200 S annimmt. Eine genauere Berechnung ist im Hinblick darauf, daß der Sachverständige nur ungefähre Werte, teilweise mit einer Spannung bis zu 500 S, angegeben hat, aber auch deshalb gar nicht möglich, da die hin- und hergetauschten Pferde, zumindest zwei von ihnen, gar nicht mehr vorhanden sind.
Aus diesen Erwägungen hat der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes dahin geändert, daß die Beklagten nur zu vier Fünftel des eingeklagten Betrages verurteilt wurden.