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OGH vom 23.10.2019, 7Ob52/19a

OGH vom 23.10.2019, 7Ob52/19a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** W*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 60 R 35/18d12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 10 C 330/17b7, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„1. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei schuldig ist, Deckung für die Einbringung einer Herausgabeklage gegen die E***** AG betreffend die indexgebundene Lebensversicherung zu Vertrag *****, gerichtet auf die Herausgabe der Angaben der klagenden Partei zum Anlegerprofil und zur erfolgten Risikobelehrung, des Versicherungsantrags, der Versicherungspolizze sowie sämtlicher weiterer Erklärungen der klagenden Partei, welche im Hinblick auf den Lebensversicherungsvertrag abgegeben wurden, sowie für das zu führende Verfahren erster Instanz zu gewähren.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, Deckung für die Einbringung einer Herausgabeklage gegen die E***** AG betreffend die indexgebundene Lebensversicherung zu Vertrag *****, gerichtet auf die Herausgabe der Wertstandsmitteilungen, Bekanntgabe des Rückkaufswerts per und Herausgabe sämtlicher nicht von der klagenden Partei stammender Erklärungen, welche im Hinblick auf den Lebensversicherungsvertrag abgegeben wurden, sowie für das zu führende Verfahren erster Instanz zu gewähren, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 371,50 EUR an Barauslagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Prozesskosten gegeneinander aufgehoben.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei jeweils binnen 14 Tagen an Barauslagen für das Berufungsverfahren 571,50 EUR und für das Revisionsverfahren 715,50 EUR zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat mit der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen mit Versicherungsbeginn ab . Diesem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2008) zugrunde, die auszugsweise lauten:

(…)

  • In den übrigen Fällen – insbesondere auch für die Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens (…) sowie für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen wegen reiner Vermögensschäden (…) – gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

  • (...)

Art. 3 Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung (Zeitlicher Geltungsbereich)?

  • Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintreten.

  • Löst eine Willenserklärung oder Rechtshandlung des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurde, den Versicherungsfall gem. Art. 2 Pkt. 3 aus, besteht kein Versicherungsschutz.

Willenserklärungen oder Rechtshandlungen, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurden, bleiben dabei außer Betracht.

(...)

Art. 7 Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ?

Es besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

  • in ursächlichem Zusammenhang

(…)

1.5 mit

- der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum

- der Planung derartiger Maßnahmen und

- der Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückserwerbes.

(...)

1.6 mit der Anlage von Vermögen in Finanzinstrumenten

(…)“.

Der Kläger hat bei der E***** AG (fortan: Lebensversicherer) im Jahre 2007 im Zusammenhang mit der Kreditfinanzierung des Kaufpreises für den Erwerb einer Wohnung einen indexgebundenen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Er ist der Ansicht, dass ihn der Lebensversicherer bei Vertragsabschluss (arglistig) unrichtig beraten habe. Der Vertreter des Klägers ersuchte den Lebensversicherer mit Schreiben vom um Herausgabe bzw Mitteilung von Anlegerprofil, Risikobelehrung, Versicherungsantrag und polizze sowie sämtlicher weiterer Erklärungen, welche im Hinblick auf den Lebensversicherungsvertrag abgegeben wurden, Wertstandsmitteilungen und Rückkaufswert per . Für die Herausgabe wurde unter Klagsandrohung eine Frist von 14 Tagen gesetzt.

Der Klagevertreter übermittelte dieses Aufforderungsschreiben mit Kurzbrief vom der Beklagten zur Kenntnisnahme und ersuchte um Kostendeckung für die Herausgabeklage.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom die Rechtsschutzdeckung für die Herausgabeklage ab.

Der Kläger begehrte gegenüber der Beklagten die Feststellung der Deckungspflicht für die Einbringung der Klage und das Verfahren erster Instanz gegen den Lebensversicherer zwecks Herausgabe von Anlegerprofil, Risikobelehrung, Versicherungsantrag und polizze sowie sämtlichen weiteren Erklärungen, welche im Hinblick auf den Lebensversicherungsvertrag abgegeben wurden, Wertstandsmitteilungen und Rückkaufswert per . Der Versicherungsfall sei die Weigerung des Lebensversicherers, die begehrten Unterlagen herauszugeben und falle in die Laufzeit des Rechtsschutzversicherungsvertrags. Das Herausgabebegehren unterliege nicht dem Versicherungsausschluss für bestimmte Vermögensanlageinstrumente.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und machte – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – im Hinblick auf die behauptete Falschberatung bei Vertragsabschluss im Jahre 2007 Vorvertraglichkeit sowie Leistungsfreiheit nach Art 7.1.5 und 7.1.6 ARB 2008 geltend.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es war rechtlich der Ansicht, dass zufolge Art 7.1.6 ARB 2008 kein Versicherungsschutz bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ging ebenfalls von der Leistungsfreiheit der Beklagten nach Art 7.1.6 ARB 2008 aus. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Risikoausschluss nach Art 7.1.6 ARB 2008 auch einen Rechtsstreit erfasse, der im Zusammenhang mit dem Abschluss einer indexgebundenen Lebensversicherung die Herausgabe von Urkunden zur Vorbereitung eines späteren Prozesses betrifft.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagestattgebung. Hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise diese abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und teilweise auch berechtigt.

1. Pflichtverstoß

1.1. Nach Art 2.3 ARB 2008 liegt der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Der Kläger behauptet einen Verstoß gegen Rechtspflichten durch den Lebensversicherer dahin, dass dieser entgegen seiner versicherungsvertraglichen Verpflichtung näher bezeichnete Urkunden nicht herausgebe.

1.2. Der Fachsenat hat bereits in der insoweit einschlägigen Entscheidung 7 Ob 221/17a den gegen den Lebensversicherer bestehenden Nebenleistungsanspruch nach § 3 VersVG auf Herausgabe bestimmter Unterlagen geprüft. Er ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Herausgabe von Abschriften zusteht und zwar des Versicherungsantrags, der Polizze, der Allgemeinen und Besonderen Bedingungen zum Versicherungsvertrag und sämtlicher Erklärungen des Versicherungsnehmers, welche über den Inhalt des Versicherungsvertrags in Bezug auf das betreffende Versicherungsverhältnis abgegeben wurden. Einen Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen betreffend die Einzahlungsdaten, Summe der Einzahlungen, die Wertstände des Vertrags zu näher bezeichneten Zeitpunkten und hinsichtlich sämtlicher nicht vom Versicherungsnehmer stammender Erklärungen über den Inhalt des Versicherungsvertrags hat der Fachsenat im Lichte des § 3 VersVG dagegen verneint.

1.3. Aus der Entscheidung 7 Ob 221/17a folgt für den vorliegenden Fall, dass die Herausgabepflicht des Lebensversicherers nur für den Versicherungsantrag, die Versicherungspolizze und sonst lediglich für die vom Versicherungsnehmer stammenden Erklärungen bestehen kann. Für alle sonstigen Urkunden (Informationen) besteht dagegen keine versicherungsvertragliche oder vom Kläger sonst plausibel aufgezeigte Herausgabepflicht des Lebensversicherers (zur Rechnungslegung vgl etwa 7 Ob 199/17s), sodass insoweit auch kein Pflichtverstoß des Lebensversicherers behauptet wird. Schon aus diesem Grund erweist sich in dem, aus dem Spruch näher ersichtlichen Umfang die Klageabweisung im Ergebnis als zutreffend.

2. Vorvertraglichkeit

2.1. Ein Verstoß (Versicherungsfall) im Sinn des Art 2.3 ARB 2008 ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er auch wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden (RS0114001). Bei mehreren (gleichartigen) Verstößen ist auf den ersten abzustellen (RS0114209). Ist kein einheitliches Verstoßverhalten des Schädigers erkennbar, handelt es sich bei einzelnen schädigenden Verhaltensweisen jeweils um einen rechtlich selbständigen neuen Verstoß. War nach der Sachlage beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegen in der Regel nicht mehrere selbständige Verstöße, sondern ein einheitlicher Verstoß im Rechtssinn vor. Dies kann sowohl bei vorsätzlichen Verstößen der Fall sein, bei denen der Wille des Handelnden von vornherein den Gesamterfolg umfasst und auf dessen „stoßweise Verwirklichung“ durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist, wie auch bei Fällen gleichartiger fahrlässiger Verstöße, die unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen werden (RS0111811). Die Bestimmung des Zeitpunkts des Versicherungsfalls im Rahmen der Rechtsschutzdeckung für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen soll vermeiden, dass die Rechtsschutzversicherung mit Kosten solcher Rechtskonflikte belastet wird, die bei Abschluss des Versicherungsvertrags bereits die „erste Stufe der konkreten Gefahrenverwirklichung“ erreicht haben, also gewissermaßen „vorprogrammiert“ sind (7 Ob 144/10t mwN; 7 Ob 193/18k).

2.2. Eine (arglistig) unrichtige Beratung bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrags mag bereits den Keim der späteren Auseinandersetzung in sich tragen über daraus resultierende und eine konsequente Folge bildende Rückabwicklungs- und Schadenersatzansprüche. Die Verletzung eines Nebenleistungsanspruchs des Versicherungsnehmers nach § 3 VersVG auf Herausgabe von Urkunden ist dagegen keine Pflichtverletzung, die mit einer unrichtigen Beratung bei Vertragsabschluss bereits absehbar oder gleichartig wäre und die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ist auch keine gleichsam logische Folge einer Fehlberatung bei Vertragsabschluss. Die vom Kläger behauptete Verweigerung der nach § 3 VersVG geschuldeten Urkundenherausgabe ist daher ein selbständiger Verstoß der nach Versicherungsbeginn erfolgte und daher nicht vorvertraglich, sondern grundsätzlich deckungspflichtig ist.

3. Risikoaus

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend das Vorliegen des Risikoausschlusses nach Art 7.1.6 ARB 2008 bejaht. Diese Rechtsansicht ist nicht zutreffend:

3.1. Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

3.2. Der Ausschlusstatbestand enthält den ausdrücklichen Verweis auf die Anlage von Vermögen „in Finanzinstrumente gem. § 48a Abs 1 Z 3 Börsegesetz“. Nach dieser Bestimmung sind Finanzinstrumente a. Wertpapiere im Sinne von § 1 Z 4 WAG 2007, b. Anteile an Organismenfür gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, c. Geldmarktinstrumente, d. Finanzterminkontrakte (Futures) einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente, e. Zinsausgleichsvereinbarungen (Forward Rate Agreement), f. Zins und Devisenswaps sowie Swaps auf Aktien oder Aktienindexbasis (EquitySwaps), g. Kauf- und Verkaufsoptionen auf alle unter lit a. bis f. fallenden Instrumente einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente; dazu gehören insbesondere Devisen- oder Zinsoptionen, h. Warenderivate und i. alle sonstigen Instrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde.

3.3. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer kann diese Wortfolge nur dahin verstehen, dass unmittelbar von ihm selbst in ein explizit in § 48a Abs 1 Z 3 BörseG angeführtes Finanzinstrument getätigte Vermögensanlagen gemeint sind. Als juristischer Laie unterstellt er den Abschluss eines – in § 48a Abs 1 Z 3 BörseG gerade nicht genannten – Lebensversicherungsvertrags auch keinem der dort genannten Finanzinstrumente (7 Ob 227/18k; 7 Ob 254/18f). Der Ausschlusstatbestand des Art 7.1.6 ARB 2008 ist demnach nicht erfüllt.

4. Risikoaus

4.1. Die Beklagte macht in ihrer Revisionsbeantwortung noch den Risikoausschluss nach Art 7.1.5 ARB 2008 geltend. Demnach besteht (ua) kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Finanzierung eines Bauvorhabens einschließlich des Grundstückserwerbs.

4.2. Der Fachsenat hatte bereits in der Entscheidung 7 Ob 36/18x die fragliche Rechtsschutzdeckung für den beabsichtigten Rechtsstreit mit dem Lebensversicherer zu beurteilen, wobei zugrunde lag, dass diese Lebensversicherung der Besicherung eines zum Erwerb eines Hauses aufgenommenen Kredits diente. Der Fachsenat vertrat in dieser Entscheidung die Rechtsansicht, dass es der wirtschaftliche Zweck des auch hier zu beurteilenden Risikoausschlusses sei, die Rechtsschutzdeckung nicht nur für erfahrungsgemäß aufwändige und deshalb teure Bau-(mängel-)prozesse auszunehmen, sondern auch Streitigkeiten, die – wegen der häufigen Notwendigkeit, große Beträge fremdzufinanzieren – hohe Streitwerte zum Gegenstand haben und zwischen den Parteien der Finanzierungsvereinbarung auftreten, in der Regel also Streitfragen aus den geschlossenen Kreditverträgen zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Grund dafür ist, dass nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann.

4.3. Selbstverständlich ist, dass nicht jeder auch noch so ferne Zusammenhang mit der Finanzierung ausreicht, sondern zumindest ein ursächlicher Zusammenhang im Sinn der sine qua non-Formel zwischen der Finanzierung und jenen rechtlichen Interessen, die der Versicherungsnehmer mit Rechtsschutzdeckung wahrnehmen will, bestehen muss. Dies allein würde jedoch, – entgegen dem Grundsatz, Risikoausschlussklauseln tendenziell restriktiv auszulegen – immer noch zu einer sehr weiten und unangemessenen Lücke des Versicherungsschutzes führen, mit der der verständige durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht zu rechnen braucht. Ein Risikoausschluss kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich die typische Risikoerhöhung, die zur Aufnahme gerade dieses Ausschlusses geführt hat, verwirklicht. Es bedarf – wie im Schadenersatzrecht zur Haftungsbegrenzung – eines adäquaten Zusammenhangs zwischen Rechtsstreit und Baufinanzierung; es muss also der Rechtsstreit, für den Deckung gewährt werden soll, typische Folge der Finanzierung eines Bauvorhabens sein. Nur eine solche Auslegung der Klauseln entspricht dem dafür relevanten Verständnis eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Ein solcher adäquater Zusammenhang liegt dann vor, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung einen Bezug zu den für Finanzierungen typischen Problemen wie Fälligstellungen wegen Zahlungsrückständen, Uneinigkeit über die Zinsenberechnung und Schlechtberatung bei der Wahl und der konkreten Gestaltung der Finanzierung aufweist. Darüber hinaus werden von der Klausel aber auch Ansprüche gegen Dritte erfasst, wenn sich die Ansprüche des Versicherungsnehmers nicht gegen das Finanzierungsinstitut selbst richten, sondern gegen sonstige Institutionen oder zur Beratung eingeschaltete Dritte, so wenn der Versicherungsnehmer Schadenersatzansprüche wegen Anwalts-, Notar- oder Steuerberaterversehens geltend machen will, sofern sich der steuerliche oder anwaltliche Rat auf das Ob und Wie des aufgenommenen Baudarlehens bezogen hat (7 Ob 36/18x).

4.4. Der Abschluss der Lebensversicherung mag zwar der Besicherung einer mit einem Grundstückserwerb verbundenen Kreditforderung gedient haben und insoweit mit dessen Finanzierung in ursächlichem Zusammenhang stehen. Der darüber hinaus notwendige adäquate Zusammenhang zwischen der Geltendmachung von auf Urkundenvorlage gerichteten Nebenleistungsansprüchen aus dem Versicherungsvertrag ist aber zu verneinen, sodass auch dieser Risikoausschluss nicht greift.

5. Ergebnis

5.1. Die vom Kläger behauptete Verweigerung der nach § 3 VersVG geschuldeten Urkundenherausgabe ist ein (selbständiger) Pflichtverstoß der nach Versicherungsbeginn erfolgte und daher nicht vorvertraglich, sondern grundsätzlich deckungspflichtig ist.

5.2. Die Risikoausschlüsse nach Art 7.1.5 und Art. 7.1.6 ARB 2008 greifen jeweils nicht, weil zwischen der angestrebten Urkundenherausgabe und einer Grunderwerbsfinanzierung kein adäquater Zusammenhang besteht und die Lebensversicherung auch kein Finanzinstrument im Sinn des § 48a Abs 1 Z 3 BörseG darstellt. Sonstige Einwände gegen die Deckungspflicht macht die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung nicht mehr geltend.

5.3. Ein Pflichtverstoß des Lebensversicherers und damit Deckungspflicht der Beklagten liegt allerdings nur insoweit vor, als die Herausgabepflicht des Lebensversicherers lediglich den Versicherungsantrag und sonstige vom Versicherungsnehmer stammende, den Lebensversicherungsvertrag betreffenden Erklärungen umfasst. Dies gilt gemessen am Klagebegehren für das Anlegerprofil als die Beantwortung des Fragenkatalogs über die persönlichen Anlageziele durch den Versicherungsnehmer, eine vom Versicherungsnehmer abgegebene Erklärung über eine erfolgte Risikobelehrung, den Versicherungsantrag, die Versicherungspolizze sowie sämtliche weiteren Erklärungen des Versicherungsnehmers welche im Hinblick auf den Lebensversicherungsvertrag abgegeben wurden. Insoweit erweist sich das Klagebegehren und damit die Revision als berechtigt, während das Mehrbegehren abzuweisen war.

5.4. Der Kläger war nur teilweise und nicht erkennbar überwiegend erfolgreich, weshalb nach § 43 Abs 1 Satz 1 ZPO (für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO) mit Kostenaufhebung vorzugehen war.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00052.19A.1023.000

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