OGH vom 26.03.1997, 3Ob55/97b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dipl.Ing.Dr.Reinhold H*****, vertreten durch Dr.Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien und weiterer beigetretener betreibender Parteien, wider die verpflichtete Partei Iman Aly F*****, vertreten durch Dr.Achim Maurer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1.463,86 etc, infolge außerordentlichen Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 46 R 1927/96i-56, womit dem Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Meistbotsverteilungsbeschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom , 5 E 191/94b-50, nicht Folge gegeben wurde den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung zurückverwiesen.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Nach Erteilung des Zuschlags im vorliegenden Zwangsversteigerungsverfahren wurde der Verpflichteten für die Verbesserung ihres Rekurses vom die Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe bewilligt. Über Rekurs zweier betreibender Parteien änderte das Rekursgericht diese Entscheidung mit Beschluß vom (ON 44a) dahin ab, daß es den Verfahrenshilfeantrag abwies.
Am ordnete das Erstgericht die Tagsatzung zur Meistbotsverteilung für den an und verfügte die Zustellung an die Nr. 1 bis 14 des Zustellblattes. Dort schien als Vertreter der verpflichteten Partei der im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebene Rechtsanwalt auf. Es ist aus dem Akt nicht ersichtlich, wann dessen Name durchgestrichen wurde. Nur diesem (nicht der verpflichteten Partei) war der abändernde Beschluß des Rekursgerichtes (und zwar am ) zugestellt worden. Ebenso erfolgte die Zustellung der Ladung zur Meistbotsverteilungstagsatzung am an ihn (Rückschein bei ON 47).
Zur Tagsatzung erschien in der Folge weder die verpflichtete Partei noch der frühere Verfahrenshelfer. Mit seinem Beschluß vom (ON 50) verteilte das Erstgericht aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom das Meistbot. Auch dieser Beschluß wurde wiederum dem seinerzeit im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt zugestellt.
Mit ihrem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs beantragte die Verpflichtete dessen Aufhebung. Darin machte sie geltend, daß ihr die Anberaumung der Tagsatzung zur Meistbotsverteilung nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Dadurch sei sie in ihrem Recht auf Widerspruch nach § 213 EO verkürzt worden.
Auf telefonische Anfrage teilte der im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebene Rechtsanwalt dem Erstgericht mit, daß er der Verpflichteten sowohl die Ladung zur Meistbotsverteilungstagsatzung (und zwar am ) als auch den Beschluß selbst per Post an die auch im Rekurs angeführte Anschrift zugeschickt habe. Eine Ladung der Verpflichteten unter derselben Adresse zu einer Vernehmung über die Ladung zur Meistbotsverteilungstagsatzung wurde vom Postamt 1190 Wien mit dem Vermerk zurückgeschickt, daß die Empfängerin keine Abgabestelle aushebe (sic !).
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Erstgericht dem Rekurs nicht Folge.
Gehe man von der Mitteilung des Verfahrenshilfeanwaltes aus, könne kein Zweifel bestehen, daß die Ladung zur Meistbotsverteilungstagsatzung - wenn auch im Umweg über den Rechtsanwalt - der Verpflichteten zugestellt worden sei. Dies umsomehr, als die Zustellung an die von der Rekurswerberin angegebene Anschrift erfolgt sei und die Verpflichtete in ihrem Rechtsmittel auch nicht ausgeführt habe, daß eine Zustellung über den Rechtsanwalt nicht an sie erfolgt sei. Gehe man davon aus, daß infolge Zustellung durch den Rechtsanwalt die Verpflichtete Kenntnis von der Meistbotsverteilungstagsatzung gehabt habe, sei der Zustellmangel geheilt. Infolge der Zustellung durch den Rechtsanwalt am habe sie genügend Zeit gehabt, geeignete Maßnahmen für die Meistbotsverteilungstagsatzung am zu ergreifen.
Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für unzulässig, weil ein in § 528 Abs 1 ZPO aufgezählter Tatbestand nicht vorliege.
Diese Entscheidung bekämpft die Verpflichtete mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem sie beantragt, diesem Folge zu geben, den Meistbotsverteilungsbeschluß aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, die Tagsatzung zur Verteilung des Meistbotes und der Ladung der Verpflichteten zu wiederholen.
Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses führt die Rechtsmittelwerberin aus, daß das Rekursgericht von der Rechtsprechung der Höchstgerichte zu § 7 ZustG abgewichen sei, darüberhinaus sei die Frage, ob eine Partei im Rekursverfahren ein Vorbringen zu einer Tatsache erstatten könne oder müsse, die zur Zeit des Überreichens des Rekurses noch nicht Akteninhalt gewesen ist, von grundsätzlicher Bedeutung für die Rechtsfortbildung.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Verpflichtete aus, daß nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO eine Entscheidung aufzuheben sei, wenn einer Partei die Möglichkeit vor Gericht zu verhandeln durch einen ungesetzlichen Vorgang, insbesondere durch die Unterlassung der Zustellung entzogen worden sei. Das Erstgericht hätte erheben müssen, ob die "Zustellung" durch den Rechtsanwalt auch tatsächlich der Verpflichteten zugegangen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Verpflichtete (erstmals ausdrücklich) die Nichtigkeit des Beschlusses über die Verteilung des Meistbotes geltend, die in der mangelnden Zustellung der Ladung zu dieser Tagsatzung an die Verpflichtete ihre Ursache habe.
Schon mit ihrem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß hatte sie die nicht ordnungsgemäße Zustellung gerügt. Das Rekursgericht hat zwar den Zustellmangel als geheilt beurteilt, aber nicht ausdrücklich die Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz verneint. Es ist daher dem Obersten Gerichtshof nicht verwehrt, die Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz aufzugreifen, die stets eine erhebliche Rechtsfrage nach § 78 EO und § 528 Abs 1 ZPO darstellt (Nachweise bei Kodek in Rechberger Rz 4 zu § 502 ZPO).
Gemäß § 209 Abs 2 EO ist zur Tagsatzung, die zur Verhandlung über die Verteilung des Meistbotes anzuberaumen ist, unter anderem der Verpflichtete zu laden. Nach § 213 Abs 1 EO können die zur Tagsatzung erschienen Berechtigten gegen zu berücksichtigende Forderungen Widerspruch erheben, soferne sie beim Ausfall des bestrittenen Rechtes zum Zuge kommen könnten. Wurde daher der Verpflichteten die Ladung zur Meistbotsverteilungstagsatzung nicht ordnungsgemäß zugestellt, dann liegt der Nichtigkeitsgrund des § 77 Abs 1 Z 4 ZPO vor.
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes kann davon, daß die unzweifelhaft unzulässige Zustellung (an den Verfahrenshilfeanwalt anstatt an die Verpflichtete persönlich) geheilt worden wäre, keine Rede sein. Ohne daß es einer Erörterung des Umstandes bedarf, daß der den Verfahrenshilfeantrag der Verpflichteten abweisende Beschluß des Rekursgerichtes dieser persönlich nicht zugestellt wurde, ergibt sich die mangelnde Vertretungsbefugnis des im Rahmen der Verfahrenshilfe ursprünglich beigegebenen Rechtsanwaltes schon daraus, daß seine Bestellung lediglich zur Verbesserung des von der Verpflichteten am eingebrachten Rekurses erfolgte. Es ist auch nicht entscheidungswesentlich, ob durch die Verweisung auf das Zustellblatt in der Zustellverfügung des erstinstanzlichen Beschlusses der Verfahrenshilfeanwalt noch als Empfänger im Sinn des § 5 ZustG bezeichnet war, was nach der Rechtsprechung ein Hindernis für eine Heilung durch tatsächliches Zukommen wäre (10 Os 154/85 = EvBl 1986/144 = RZ 1986/34; 1 Ob 667/86 uva; zuletzt 7 Ob 504/92). Ein Schriftstück gilt nämlich nur dann als "tatsächlich zugekommen" im Sinne des § 7 ZustG und ein bei der Zustellung unterlaufener Mangel wird daher nur dann geheilt, wenn das Schriftstück in die Hände des Empfängers gelangt (RdW 1994, 177 = ARD 4561/31; 8 Ob 2090/96b). Die Kenntnis des Inhalts eines Beschlusses ersetzt die gebotene Zustellung der Beschlußausfertigung nicht (3 Ob 1032/85; MietSlg 40/29 etc; zuletzt 7 Ob 1543/88).
Wie sich sowohl aus dem Akt als auch aus der zweitinstanzlichen Entscheidung ergibt, kann davon, daß die Ladung zur Meistbotsverteilungstagsatzung tatsächlich in die Hände der Verpflichteten gelangt wäre, keine Rede sein. Auch wenn man die telefonischen Angaben des Verfahrensanwalts durchaus als richtig ansehen mag, ergibt sich aus der Absendung der Ladung an die Verpflichtete, noch dazu an die Anschrift, an der sie nach Auskunft des Postamtes keine Sendungen behebt, nicht, daß ihr die Ladung auch tatsächlich zugegangen wäre. Noch weniger kann von einer "Zustellung" durch den Rechtsanwalt die Rede sein, wie das Rekursgericht meint. Im übrigen hat auch das Rekursgericht keinesfalls ausdrücklich den Zugang des Schriftstückes festgestellt, sondern nur hypothetisch unterstellt, daß die Verpflichtete durch die Übersendung des Schriftstückes durch den Rechtsanwalt Kenntnis von der Meistbotsverteilungstagsatzung gehabt habe.
Die Verpflichtete wurde somit in ihrem rechtlichen Gehör verletzt, sodaß der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund vorliegt.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben, ohne daß auf dessen weitere Ausführungen eingegangen werden müßte. Das Erstgericht wird demnach erneut eine Tagsatzung zur Verhandlung über die Verteilung des Meistbotes auszuschreiben und die erforderlichen Ladungen durchzuführen haben.
Die Entscheidung über Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 78 EO und die §§ 40 und 50 ZPO. Im Meistbotsverteilungsverfahren gibt es grundsätzlich keinen Kostenersatz (Angst/Jakusch/Pimmer EO13 § 7 E 10), das gilt mit hier nicht vorliegenden Ausnahmen auch im Rechtsmittelverfahren (JBl 1985, 418 mit kritischer Anm von Hoyer [was das Verhältnis zwischen anmeldendem Gläubiger und widersprechenden Gläubiger angeht]; JB 201).