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OGH vom 09.05.2007, 7Ob51/07m

OGH vom 09.05.2007, 7Ob51/07m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Inge Maria K*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Margot Tonitz, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen den Antragsgegner Mag. Dr. Udo K*****, geboren am *****, wegen §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 4/07z-7, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom , GZ 7 C 44/06t-3, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde gemäß § 55a EheG geschieden. Der Antragsgegner war anwaltlich vertreten, die Antragstellerin nicht. In der Vereinbarung gemäß § 55a EheG verpflichtete sich der Antragsgegner zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von EUR 1.100 an die Antragstellerin. Es wurde vereinbart, dass das Reihenhaus, das Auto und das Wertpapierdepot im Eigentum des Antragsgegners verbleiben solle und dieser an die Antragstellerin einen Ausgleichsbetrag von EUR 10.000 bezahle. Weiters lautet es:

„Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Ehegatten ... auf Teilung ehelicher Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens, Unterhalts- oder sonstige aus dem ehelichen Verhältnis entstandenen Ansprüche vollständig bereinigt und verglichen.

Die Ehegatten verzichten daher auf weitere Ansprüche und Antragstellung nach den §§ 81 folgende Ehegesetz und §§ 98 folgende

ABGB."

Die Antragstellerin begehrt nun, ihr eine angemessene Ausgleichszahlung zuzusprechen. Der Rechtsvertreter des Antragsgegners habe ihr vor Abschluss des Vergleiches erklärt, dass ihr wegen ihres Ehebruchs kein Unterhaltsanspruch zustehe. Für die Antragstellerin sei aber diese Unterhaltsvereinbarung lebensnotwendig gewesen, da sie doch viele Jahre Hausfrau gewesen sei. Sie sei nicht in der Lage, sich selbst zu erhalten. Die Antragstellerin habe sich aus Unkenntnis von ihrem Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG mit dem vom Rechtsvertreter des Antragsgegners formulierten Vergleich mehr oder weniger zufriedengegeben. Auch eine Rechtsberatung bei Gericht habe ihr keine konkreteren Auskünfte gebracht. Bei ordnungsgemäßer Aufteilung hätte die Antragstellerin aber einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von EUR 366.276,53 gehabt, habe sie doch beträchtliche Gelder in die Ehe eingebracht bzw während der Ehe geschenkt erhalten. Nur aufgrund der unrichtigen Beratung durch den Rechtsanwalt des Antragsgegners und ihrer Rechtsunkenntnis habe sie sich irrtümlich mit einer Ausgleichszahlung von lediglich EUR 10.000 zufriedengegeben und einer Unterhaltsregelung von EUR 1.100 monatlich (nicht wertgesichert) zugestimmt. Die Unterhaltsregelung sei mangels Wertsicherung sittenwidrig, zumindest hätte aber eine Belehrung über den Verzicht auf Wertsicherung stattfinden müssen. Der Vergleich sei unvollständig geblieben, weil eine Regelung betreffend eine Ausgleichszahlung fehle. Die Antragstellerin sei in Unkenntnis über den wahren Wert der Liegenschaft und darüber, welches Schicksal voreheliche Ersparnisse hätten, gewesen. Vorhandene Wertpapiere, Sparguthaben und Lebensversicherungsverträge seien in den Scheidungsvergleich nicht aufgenommen worden. Ein Verzicht auf die Durchführung des Verfahrens nach §§ 81 ff EheG sei unwirksam. Der Scheidungsfolgenvergleich werde wegen Willensmängel, Irreführung (Täuschung) und List angefochten.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, ohne ihn vorher dem Antragsgegner zuzustellen. Der Vergleich schließe eine Antragstellung aus, da er die wechselseitigen vermögensrechtlichen Ansprüche vollständig erfasst habe. Solange der Vergleich aufrecht sei, stehe dem Aufteilungsbegehren die Einrede der verglichenen Sache entgegen. Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss mit der Maßgabe, dass der Antrag zurückgewiesen (anstatt: abgewiesen) werde. Die Antragstellerin behaupte nicht einmal, dass vorhandenes eheliches Vermögen bei Abschluss des Vergleiches vergessen worden sei, sondern berufe sich nur wiederholt auf einen Rechtsirrtum, den der Antragsgegner listig herbeigeführt habe. Daraus ergebe sich kein Zweifel an der Vollständigkeit des Scheidungsfolgenvergleiches. Es sei auch nicht auf eine Ausgleichszahlung „vergessen" worden, der Antragstellerin sei vielmehr eine solche von EUR 10.000 zuerkannt worden. Die Antragstellung nach §§ 81 ff EheG trotz Einigung im Rahmen eines Scheidungsfolgenvergleiches nach § 55a EheG sei aber nur zulässig, wenn die Scheidungsfolgenvereinbarung wegen Irrtums oder Unkenntnis eines oder beider Teile hinsichtlich einzelner Vermögensbestandteile unvollständig geblieben sei und hierüber kein Einvernehmen zu erzielen sei. Die Bereinigungswirkung eines allgemeinen Vergleiches erstrecke sich auf alle Ansprüche, an welche die Parteien nicht gedacht haben, an die sie aber denken hätten können. Die vergleichsweise Bereinigung betreffe sämtliche den Parteien bei Vergleichsabschluss bekannten oder bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennbaren Ansprüche. Die Antragstellerin sei aber dem Vorbringen nach keinem Irrtum über die Vollständigkeit des Vergleichs erlegen, sondern allenfalls einem solchen über die Vergleichsgrundlagen. Eine Nachprüfung einer von Ehegatten zulässig getroffenen Aufteilungsvereinbarung durch den Außerstreitrichter sei gesetzlich nicht vorgesehen. Liege eine Aufteilungsvereinbarung vor, könne keine Ausgleichszahlung begehrt werden, auch wenn ein Ehegatte die getroffene Vereinbarung nachträglich als unbillig empfinde. Solange der Vergleich gültig bestehe, bleibe kein Raum für eine Antragstellung. Es stehe der Antragstellerin frei, den Scheidungsvergleich gerichtlich anzufechten, was aber im streitigen Verfahren zu erfolgen habe. Eine Gefahr der Verfristung des behaupteten Aufteilungsanspruches bei Anfechtung einer Aufteilungsvereinbarung im ordentlichen Rechtsweg bestehe nicht, da eine Präklusion durch Fristablauf nur bei bereits bestehenden und durchsetzbaren Ansprüchen eintreten könne. Ein durchsetzbarer Aufteilungsanspruch bestehe aber erst im Falle einer erfolgreichen Anfechtung und Nichtigerklärung der Scheidungsvereinbarung. Ab diesem Zeitpunkt beginne erst die Präklusionsfrist des § 95 EheG zu laufen. Eine Unterbrechung wegen eines noch nicht anhängigen Verfahrens sei in § 25 AußStrG ausdrücklich nur für von Amts wegen einzuleitende Verfahren vorgesehen. Mangels Rechtsgrundlage sei eine Unterbrechung des Aufteilungsverfahrens daher nicht möglich.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Behandlung eines anhängigen Aufteilungsverfahrens bei in Aussicht gestellter Anfechtung eines Scheidungsfolgenvergleiches gemäß § 55a Abs 2 EheG und der Auslegung des § 25 Abs 2 AußStrG nF in diesem Zusammenhang fehle; zudem sei die Rechtsprechung zum Beginn des Laufs der Präklusivfrist des § 95 EheG im Lichte der Entscheidungen 1 Ob 568/92 und 6 Ob 180/97g nicht einheitlich.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit einem Aufhebungsantrag.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerberin beharrt auf ihrer Rechtsansicht, dass der Scheidungsfolgenvergleich aufgrund ihrer Unkenntnis über die Aufteilungsgrundsätze unvollständig geblieben, die Antragstellung zur Vermeidung eines Rechtsverlustes wegen Verfristung nach § 95 EheG notwendig sei. Sie beabsichtige, eine Klage im streitigen Verfahren zur Geltendmachung des Irrtums einzubringen; es hätte ihr dafür eine Frist gesetzt werden müssen.

Einleitend ist auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes zu verweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Gesetzgeber räumte der Einigung der Ehegatten über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse den Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Aufteilung ein. Die gerichtliche Aufteilung hat nur dann und insoweit Platz zu greifen, als die Einigung nicht erfolgt. Die Einigung der Ehegatten schließt eine Entscheidung des Außerstreitrichters aus. Es gibt daher auch keine Möglichkeit, eine Vereinbarung mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahrens an geänderte Verhältnisse anzupassen (RIS-Justiz RS0046057).

Ein anlässlich einer Ehescheidung abgeschlossener Vergleich erledigt im Zweifel alle aus dem Eheverhältnis entspringenden, den Parteien bekannten Ansprüche (RIS-Justiz RS0032478). Die Revisionsrekurswerberin stellt demnach gar nicht in Frage, dass der Scheidungsfolgenvergleich zwischen den Parteien alle Vermögenswerte umfasste, mag sie auch über den Wert der Sachen und die Aufteilungsgrundsätze geirrt haben. Entscheidend ist, ob an den Gegenstand/Vermögenswert gedacht wurde, nicht ob sein Wert richtig eingeschätzt wurde. Die Aufteilungsregelung ist also im Hinblick auf die Berücksichtigung aller vorhandenen Vermögenswerte vollständig, worauf bereits die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben. Solange der Vergleich wirksam aufrecht ist, steht er einem Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG entgegen. Der nach ihren Behauptungen vom Antragsgegner veranlasste Irrtum über die Aufteilungsgrundsätze und Unterhaltsansprüche der Antragstellerin könnte nur zur Anfechtung der Vereinbarung wegen Irrtums (List) führen, aber nicht zur Anpassung des geschlossenen Vergleichs. Die erfolgreiche Anfechtung des Scheidungsvergleiches ist daher Voraussetzung dafür, dass materiell eine Aufteilung vorgenommen werden kann (vgl 2 Ob 73/99w, 7 Ob 99/98d). Die Revisionsrekurswerberin zieht die Notwendigkeit der Anfechtung des Vergleiches im streitigen Verfahren auch nicht in Zweifel (vgl Stabentheiner in Rummel, § 85 EheG, Rz 1; Bernat in Schwimann³, § 85 EheG, Rz 5; Koch in KBB, § 85 EheG, Rz 1, je mwN). Es ist jedoch die aufgeworfene Rechtsfrage zu prüfen, ob das Verfahren nach §§ 81 ff EheG schon eingeleitet werden kann, bevor überhaupt eine Klage auf Anfechtung des Vergleiches wegen Irrtums eingebracht wurde.

§ 95 EheG enthält eine von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Fallfrist (Ausschluss- oder Präklusivfrist), deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt, ohne dass auch nur eine Naturalobligation bestehen bliebe (5 Ob 63/05h; RIS-Justiz RS0057726, RS0116131, RS0110013).

In der Entscheidung 1 Ob 568/92 wurde ausgesprochen, dass der Außerstreitrichter zwar nicht den behaupteten Willensmangel bei Vergleichsabschluss prüfen darf, es aber keine Bedenken dagegen gebe, zur Vermeidung eines Rechtsverlustes wegen Verfristung des Aufteilungsanspruches im Sinn des § 95 EheG mit dem Außerstreitverfahren bis zur Erledigung des präjudiziellen Streitverfahrens analog nach § 127 Abs 1 AußStrG (aF) inne zu halten. Unterbleibe die Anfechtung oder sei sie erfolglos, sei der Aufteilungsantrag abzuweisen, weil nichts mehr aufzuteilen sei. In der Entscheidung 6 Ob 180/97g hingegen wurde ausgesprochen, dass die Präklusionsvorschrift des § 95 EheG nur dahin verstanden werden könne, dass durch Fristablauf nur ein bestehender und durchsetzbarer Anspruch erlösche, nicht aber auch ein noch nicht existenter (weil schon verglichener) Anspruch. Ein Anspruch könne nicht schon verjähren, ehe er überhaupt durchgesetzt hätte werden können. Nach dem Zweck des § 95 EheG beginne die Präklusionsfrist erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der durchsetzbare Aufteilungsanspruch des geschiedenen Ehegatten im Falle einer erfolgreichen Anfechtung oder Nichtigerklärung einer Scheidungsvereinbarung gemäß § 55a Abs 2 EheG erstmals mit der Rechtskraft der Anfechtungsentscheidung durchsetzbar bestehe.

Auch wenn sich die Entscheidung 6 Ob 180/97g auf einen Fall der Geschäftsunfähigkeit eines der Ehegatten bezog, so stieß es in der Lehre auf keine Bedenken, diese Grundsätze generell dann anzuwenden, wenn die der Aufteilung zugrundeliegende Vereinbarung wegen Willensmängel erfolgreich angefochten wird (Stabentheiner aaO, § 95 EheG Rz 4; Bernat aaO, § 95 EheG Rz 2; Koch aaO, § 95 EheG Rz 2). Auch der erkennende Senat schließt sich der Entscheidung 6 Ob 180/97g und den zitierten Lehrmeinungen an. Wird eine die gerichtliche Aufteilung nach §§ 81 ff EheG ausschließende Vereinbarung später (sei es wegen Geschäftsunfähigkeit, sei es wegen Willensmängel) erfolgreich angefochten, so beginnt die Präklusivfrist nach § 95 EheG erst mit Rechtskraft des Urteils im Anfechtungsprozess zu laufen. Es muss daher nicht durch eine Antragstellung nach §§ 81 ff EheG die Gefahr der Präklusion des Antrages abgewendet werden, bevor die Anfechtungsklage eingebracht wird. Auch im Fall der behaupteten Anfechtbarkeit des Vergleiches wegen Irrtums ist sohin eine Antragstellung nach §§ 81 ff EheG nicht zulässig, solange der Vergleich aufrecht ist. Da also bereits aus dem Vorbringen der Antragstellerin klar war, dass der Antrag mangels aufzuteilenden Vermögens im Hinblick auf den Vergleich unzulässig ist, wurde er von den Vorinstanzen zu Recht zurückgewiesen (vgl RIS-Justiz RS0055992). Die Frage, ob das Aufteilungsverfahren zu unterbrechen ist, wenn eine Anfechtungsklage anhängig ist, stellt sich hier nicht, da die Antragstellerin eine Klage ja noch nicht eingebracht hat. Eine Unterbrechung des Verfahrens kommt gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG nur in Frage, wenn das Verfahren über die Vorfrage entweder anhängig oder von Amts wegen einzuleiten ist.

Dem Revisionsrekurs konnte kein Erfolg zukommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG.