OGH vom 19.05.2015, 4Ob60/15z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Daniel Charim und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert: 35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 102/14y 14, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 43 Cg 3/14k-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei ist Inhaberin der Wort Bild Gemeinsschaftsmarke „FASHION ONE“, CTM 009562661 mit Priorität vom , eingetragen ua für die Dienstleistungen Übertragung und Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, Fernsehwerbung und Verkaufsförderung sowie Fernsehunterhaltungsdienste. Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs begehrte die klagende Partei, der beklagten Partei mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, ein Fernsehprogramm, insbesondere ein Mode Spartenfernsehprogramm, unter der Bezeichnung „FASHION ONE“ zu verbreiten und die Bezeichnung „FASHION ONE“ zur Bewerbung ihres Kabelnetzes und der darüber angebotenen Abonnements und Fernsehpakete zu verwenden.
Das Erstgericht wies den Verfügungsantrag ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs (in der Besetzung mit drei Berufsrichtern) statt, änderte die Entscheidung dahin ab, dass es die beantragte einstweilige Verfügung erließ, deren Wirksamkeit es allerdings vom Erlag einer Sicherheitsleistung von 50.000 EUR abhängig machte. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei. Hinsichtlich der hier zu prüfenden Entscheidung über die Sicherheitsleistung stützte sich das Rekursgericht auf § 390 Abs 2 EO und führte aus, dass durch die einstweilige Verfügung in die Geschäftstätigkeit der beklagten Partei eingegriffen werde. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil keine Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs „mehr als örtliche Bedeutung“ im Sinne des Art 8 Abs 4 GMV bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Insoweit die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde, richtet sich dagegen der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Antrag der beklagten Partei auf Auferlegung einer Sicherheitsleistung abgewiesen werde.
Die klagende Partei erlegte die Sicherheitsleistung nicht. Mit Beschluss vom erkannte das Erstgericht dem Revisionsrekurs der klagenden Partei aber die aufschiebende Wirkung zu.
Die beklagte Partei beantragt, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben bzw es zurückzuweisen.
1.1 Nach § 8 Abs 1 und 2 JN entscheiden die Oberlandesgerichte im Regelfall durch einen mit Berufsrichtern besetzten Senat. Nur bei Entscheidung über Berufungen gegen die in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelsrechtssachen gefällten Urteile wird (abgesehen vom Vorverfahren iSd §§ 470 ff ZPO) die Stelle eines Mitglieds des Berufungssenats durch einen fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand versehen.
1.2 Über einen Rekurs gegen eine Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Verfügung erkennt in den Fällen des § 387 Abs 3 EO der für die Hauptsache vorgesehene Rechtsmittelsenat (§ 388 Abs 2 und 3 EO idF der Zivilverfahrens Novelle 1983). Der Gesetzgeber wollte damit für diejenigen Angelegenheiten, für die die Übereinstimmung des Spruchkörpers, der über die einstweilige Verfügung entscheidet, mit dem in der Sache selbst entscheidenden Spruchkörper besonders wichtig ist, grundsätzlich die Senatsbesetzung beibehalten, und zwar abweichend von § 50 EO in der Zusammensetzung, die auch für die Hauptsache vorgesehen ist. Dies sollte durch Abs 3 unzweifelhaft auch für das Rekursverfahren ausgedrückt werden (4 Ob 348/87 unter Hinweis auf die ErläutRV 669 BlgNR 15. GP 73; RIS Justiz RS0005190).
1.3 Der Rekurssenat ist also jener, der unter den gleichen Umständen über eine Berufung in der Hauptsache zu entscheiden hätte (RIS Justiz RS0005190), sodass auch in Handelssachen ausnahmsweise der Rekurssenat mit einem Laienrichter besetzt ist (4 Ob 373/87; 4 Ob 219/14f). Hat daher in einem Fall des § 387 Abs 3 EO ein Landesgericht mit einem auf die Ausübung in Handelssachen hinweisenden Beisatz (1 Ob 218/75; 4 Ob 220/05i; RIS Justiz RS0005137; RS0042263) oder das Handelsgericht Wien (Beisatz ist hier nicht erforderlich, vgl König , EV 4 Rz 6/34) entschieden, dann ist zur Entscheidung über den dagegen erhobenen Rekurs ein Kausalsenat des Oberlandesgerichts berufen ( Ballon in Fasching/Konecny 3 § 7a JN Rz 23).
1.4 § 387 Abs 3 EO erwähnt neben einstweiligen Verfügungen nach dem UrhG ua auch solche wegen unlauteren Wettbewerbs, nicht aber das auf das MSchG oder die GMVO gestützte Provisorialverfahren.
Bis zur MSchGNov 1999 (BGBl I Nr 111/1999) war der Unterlassungsanspruch für Verletzungen „registrierter Marken“ in § 9 Abs 3 UWG geregelt, zu deren Sicherung nach § 24 UWG einstweilige Verfügungen erlassen werden konnten, weshalb das Sicherungsverfahren betreffend Markenrechtsverletzungen dem Provisorialverfahren wegen unlauteren Wettbewerbs iSd § 387 Abs 3 EO zuzuordnen war und es im Rekursverfahren nach § 388 Abs 3 EO zum Einsatz von Laienrichtern kam.
Seit dem In-Krafttreten der MSchGNov 1999 ist der auf Markenrechtsverletzungen gestützte Unterlassungsanspruch nunmehr in § 51 MSchG normiert, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung richtet sich nach § 56 MSchG. Der Gesetzgeber hat es im Zuge der genannten Novelle unterlassen, den Wortlaut des § 387 Abs 3 EO entsprechend anzupassen.
Dabei handelt es sich aber um ein offensichtliches Redaktionsversehen (vgl 4 Ob 185/02p), zumal aus den Materialien zur MSchGNov 1999 nur erkennbar ist, dass die Regelungen über die Durchsetzbarkeit von aus Markenverletzungen ableitbaren zivilrechtlichen Ansprüchen aus dem UWG ohne inhaltliche Änderungen in das MSchG transformiert werden sollten (ErläutRV 1643 BlgNR 20. GP 22, 35, 36, 43, 49). Weder aus dem Wortlaut des MSchG noch aus den Materialien ist aber abzuleiten, dass mit der MSchGNov 1999 die Zusammensetzung des Rekurssenats im Sicherungsverfahren wegen Markenrechtsverletzungen verändert werden sollte.
Die seither bestehende Gesetzeslücke ist mittels Analogie zu schließen, die Bestimmungen der § 387 Abs 3 und § 388 Abs 2 und 3 EO sind daher weiterhin auch im Bereich des Markenrechts anzuwenden. Entsprechendes gilt für auf die GMVO gestützte Unterlassungsansprüche, zumal Markenrechte, die aufgrund der GMVO erworben werden, den aufgrund des MSchG erworbenen Markenrechten gleichzuhalten sind (§ 2 Abs 3 MSchG) und für das Verfügungsverfahren betreffend Unterlassungsansprüche, die auf Verletzungen von Gemeinschaftsmarkenrechte gestützt werden, keine die Gerichtsbesetzung betreffenden Sonderbestimmungen existieren.
1.5 Das Rekursgericht hätte somit in einem Kausalsenat unter Beiziehung eines fachmännischen Laienrichters aus dem Handelsstand entscheiden müssen. Das Rekursgericht war daher bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt. Eine allfällig damit verbundene Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO ist allerdings geheilt.
1.6 Nach der überzeugend begründeten Entscheidung 3 Ob 246/98t bezieht sich die Heilungsvorschrift des § 260 Abs 4 ZPO jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs des ASGG (vgl dort RIS Justiz RS0040259 und RS0042176 [T4]) nämlich aus Gründen der Prozessökonomie und der Dispositionsfreiheit der Parteien nicht ausschließlich auf die mündliche Verhandlung. Dieser Entscheidung haben sich weitere Senate (2 Ob 85/09b; 1 Ob 36/13w) und auch der Großteil der Lehre angeschlossen ( Pimmer in Fasching/Konecny 2 § 477 ZPO Rz 26; E. Kodek in Rechberger 4 § 477 ZPO Rz 5; Rechberger/Klicka in Rechberger 4 § 260 ZPO Rz 17; zweifelnd nur G. Kodek in Fasching/Konecny 2 § 260 ZPO Rz 42 ff). Demnach darf das Rechtsmittelgericht den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO auch dann nicht amtswegig aufgreifen, wenn die Parteien den Besetzungsfehler außerhalb der mündlichen Verhandlung hätten rügen können, dies aber unterlassen haben. Im Revisionsrekursverfahren hat keine der Parteien den Besetzungsfehler geltend gemacht, sodass dieser geheilt ist.
2. Die vom Rekursgericht als erheblich qualifizierte Rechtsfrage zur Auslegung des Art 8 GMV, auf die bereits in der Entscheidung 4 Ob 148/14i (vgl auch 4 Ob 13/15p) umfassend eingegangen wurde, ist für die im Revisionsrekurs der klagenden Partei aufgeworfene Frage der Sicherheitsleistung nicht präjudiziell.
3. Auch das Rechtsmittel zeigt im Zusammenhang mit der auferlegten Sicherheitsleistung keine erhebliche Rechtsfrage auf, von der die Entscheidung abhängt.
3.1 Der auf eine mangelnde Begründung gestützte Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor, weil das Rekursgericht seine Entscheidung zur Sicherheitsleistung widerspruchsfrei und nachvollziehbar begründet hat.
3.2 Auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs kann das Gericht dann die Bewilligung der einstweiligen Verfügung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den bescheinigten oder sonst hervorgekommenen Umständen des Falls Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen (§ 390 Abs 2 EO). Durch die Sicherheitsleistung wird in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtsspähre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS Justiz RS0005711; vgl RS0005595). In diese Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (4 Ob 145/14y mwN).
3.3 Ob und in welcher Höhe eine nach § 390 Abs 2 EO auferlegte Sicherheitsleistung gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher regelmäßig keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung nach § 528 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0113134).
3.4 Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen. Das Rekursgericht ist aufgrund des Vorbringens der beklagten Partei und der hervorgekommenen Umstände vertretbar davon ausgegangen, dass durch die einstweilige Verfügung in die Geschäftstätigkeit der beklagten Partei eingegriffen wird. Die beklagte Partei hat sich nach den Feststellungen gegenüber der F ***** Ltd verpflichtet, das Logo des Spartenkanals und entsprechendes Online-Referenzmaterial zu übertragen, weshalb neben dem mit der einstweiligen Verfügung verbundenen Umstellungsaufwand auch mögliche vertragliche Ersatz- oder Erfüllungsansprüche zu berücksichtigen sind.
4. Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist daher zurückzuweisen.
5. Die beklagte Partei hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen; lediglich den Antrag zu stellen, dem Revisionsrekurs „keine Folge zu geben bzw … zurückzuweisen“, reicht nicht aus. Ihr Schriftsatz war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig (zB 6 Ob 12/15f; 4 Ob 6/15h uva).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00060.15Z.0519.000