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OGH vom 21.04.1993, 7Ob508/93

OGH vom 21.04.1993, 7Ob508/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang L*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger und Dr. Dieter Perz, Rechtsanwälte in Hallein, gegen die beklagte Partei Peter M***** Pafnitz 46, vertreten durch Dr. Gert F. Kastner und Dr. Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 52.009,20 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom , GZ 2 a R 552/92-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom , GZ 14 C 133/92h-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte unterfertigte am einen Bestellschein, wonach er vom Kläger fünf Kaffeeautomaten samt Zubehör um insgesamt S 52.009,20 kaufte.

Der Kläger klagte diesen Kaufpreis samt Zinsen ein.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er sei am im Einvernehmen mit dem Kläger vom Kaufvertrag zurückgetreten. Der Kläger habe sich lediglich vorbehalten, eine 20 %ige Stornogebühr zu verlangen, die ihm jedoch nicht zustehe. Abgesehen davon begehre der Kläger deren richterliche Reduzierung. Der Beklagte sei Verbraucher iSd § 1 KSchG. Da der Vertragsabschluß weder im Geschäftslokal des Klägers erfolgt noch vom Beklagten angebahnt worden sei, sei der Beklagte zum Vertragsrücktritt sowohl nach dem KSchG als auch gemäß den §§ 59 und 60 Gewerbeordnung berechtigt. Er habe zumindest die einmonatige Rücktrittsfrist des § 1 Abs 1 KSchG gewahrt. Zudem sei lediglich ein Kauf auf Probe abgeschlossen worden. Weiters wendete der Beklagte Irrtum ein und vertrat hilfweise die Ansicht, daß er nur Zug-um-Zug gegen Lieferung der Waren verurteilt werden könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Am schaltete der Kläger in der T*****zeitung ein Inserat mit dem Inhalt ein, er "vergebe" ein "Auslieferungslager (Servicestelle), anfangs nebenberuflich möglich". Der Beklagte meinte, es handle sich um die Tätigkeit der Einlagerung und Auslieferung von Gegenständen und meldete sich am telefonisch beim Kläger. Dieser erklärte dem Beklagten, es gehe um das Aufstellen von Getränkeautomaten und vereinbarte ein Treffen für den in einem Büroraum in Innsbruck. Diesen Raum hatte der Kläger von der Firma "D*****" für drei Tage pro Monat gemietet. Es diente für berufliche Besprechungen des Klägers, wenn er sich an diesen drei Tagen in Innsbruck aufhielt. An den anderen Tagen wurde das Büro von der Firma "D*****" anderweitig verwendet.

Bei dem vereinbarten Treffen erklärte der Kläger dem Beklagten, dessen Tätigkeit als Postchauffeur dem Kläger bekannt war, der Beklagte müsse vom Kläger im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit Kaffeeautomaten kaufen, die er dann in Betrieben eigener Wahl aufstellen könne. Der Beklagte könne dabei sehr gut verdienen. Die damit verbundenen finanziellen Belastungen für den Beklagten wurden damals nicht erörtert. Der Kläger hatte keinen Apparat zur Demonstration zur Verfügung. Er zeigte dem Beklagten lediglich einen Prospekt. Da der Beklagte Interesse am Geschäft zeigte, ersuchte ihn der Kläger, sich die Sache zu überlegen und sich wieder bei ihm zu melden. Dies tat der Beklagte wenige Tage später. Bei dem hiebei vereinbarten Treffen am im selben Büro erläuterte der Kläger dem Beklagten die Funktionsweise der Getränkeautomaten anhand eines Demonstrationsgerätes und die Modalitäten der Bezahlung. Der Beklagte, der in geschäftlichen Angelegenheiten unerfahren ist, erklärte im Hinblick auf die vom Kläger dargestellten finanziellen Möglichkeiten seine Einwilligung zu diesem Geschäft, wobei er den vom Kläger ausgestellten Bestellschein unterfertigte. Dieser enthielt keine Belehrung über ein allfälliges Rücktrittsrecht. Am nächsten Tag gab der Beklagte dem Kläger telefonisch bekannt, daß er vom Vertrag zurücktreten wolle. Mit Schreiben vom teilte der Vertreter des Beklagten dem Kläger mit, daß der Beklagte keine Stornogebühr zahlen und auch die Annahme der Ware verweigern werde.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der Kaufvertrag als Gründungsgeschäft iSd § 1 Abs 3 KSchG anzusehen sei, sodaß die Bestimmungen des KSchG anzuwenden seien. Das Büro, in dem der Vertrag abgeschlossen worden sei, erfülle nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 KSchG. Der Beklagte habe das Geschäft nicht angebahnt, weil das Inserat nicht dem tatsächlichen Geschäftsinhalt entsprochen und der Beklagte nur deshalb Kontakt zum Kläger gesucht habe, weil er an der Vergabe eines Auslieferungslagers interessiert gewesen sei. Das Schreiben vom sei als schriftliche Rücktrittserklärung aufzufassen und liege innerhalb der Rücktrittsfrist des § 3 Abs 1 KSchG.

Die zweite Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Es sei zwar nicht zu einem einvernehmlichen Vertragsrücktritt gekommen, weil der Beklagte mit der Bedingung, eine Stornogebühr zu zahlen, nicht einverstanden gewesen sei. Der Beklagte sei aber aus den vom Erstgericht zutreffend angeführten Gründen wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Der Wortlaut des § 3 KSchG lasse keinen Zweifel daran, daß bei der auch hier vorliegenden Anbahnung des Geschäftes durch den Unternehmer das Rücktrittsrecht des Konsumenten bestehe und daß das Fehlen einer Überrumpelung durch eine vorhandene Überlegungsfrist das Rücktrittsrecht nicht ausschließe. Es sei lediglich objektiv darauf abzustellen, ob noch ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Initiative des Unternehmers und dem Abschluß des Geschäftes vorliege, sodaß noch von einer Anbahnung gesprochen werden könne. Dies sei hier zu bejahen, weil sich der Verbraucher noch unter dem Eindruck des vom Unternehmer in einem persönlichen Gespräch angebahnten Geschäftes einige Tage später zum Abschluß des Vertrages entschlossen habe.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß keine gefestigte Rechtsprechung des OGH zur Frage vorliege, ob von einer Anbahnung des Unternehmers noch gesprochen werden könne, wenn der Verbraucher selbst die maßgebliche Initiative zum Abschluß des Geschäftes setze und wegen der langen Überlegungszeit nicht überrumpelt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die zutreffende Ansicht der Unterinstanzen, daß vorliegender Vertrag dem KSchG zu unterstellen und das Erfordernis des rechtzeitigen schriftlichen Rücktrittes erfüllt sei, wird in der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen.

Die Revision verweist zwar zutreffend darauf, daß hier weder ein typisches "Haustürgeschäft" noch ein Verbringen des Beklagten in den angemieteten Büroraum iSd § 3 Abs 2 KSchG vorliegt. Richtig ist auch, daß der Beklagte die Bestellung nicht sofort unter dem ersten Eindruck der Überzeugungskraft des Klägers unterfertigt hat, sondern daß nach diesem ersten Treffen ein paar Tage verstrichen, nach denen der Beklagte seinerseits die Initiative ergriff.

Beide Aspekte sprechen im vorliegenden Fall gegen das Vorliegen eines Überrumpelungseffektes, dessen Ausschluß der Gesetzgeber erreichen wollte.

Entgegen Krejci (in Rummel2 II, § 3 KSchG Rz 14 und 32) und Schilcher (in Krejci, KSchG-Handbuch 291 f) kann es aber nicht darauf ankommen, ob der Verbraucher vor Vertragsabschluß hinreichend Zeit hatte, sich das Geschäft zu überlegen.

Das KSchG bezweckt den Schutz des Verbrauchers im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit professionellen Anbietern; er soll vor Rechtsnachteilen bewahrt werden, die ihm durch die Ausnützung seiner typischerweise schwächeren Position drohen. Ein besonders wirksames Instrument ist dabei das in § 3 KSchG normierte Rücktrittsrecht.

Aus Gründen der Rechtssicherheit wurde diese Bestimmung - ebenso wie § 1 KSchG - formal konzipiert und es wurden Tatbestandsmerkmale wie eine unzureichende Überlegungsfrist oder die Überrumpelung des Verbrauchers vermieden (Fischer-Czermak, Das KSchG und der Liegenschaftsverkehr, NZ 1991, 117). Das Rücktrittsrecht wird dem Verbraucher somit nicht in allen denkbaren Fällen einer Ungleichgewichtslage zugestanden. Der Gesetzgeber hat das Rücktrittsrecht vielmehr auf Tatbestände beschränkt, die für unüberlegte, unter psychologischem Druck zustandegekommene Geschäftsabschlüsse typisch sind. Diese bewußt gewählte Gesetzestechnik verbietet nach herrschender Ansicht eine teleologische Reduktion der in § 3 Abs 1 und 3 KSchG normierten Rücktrittsvoraussetzungen nach Maßgabe der konkreten Überrumpelungsgefahr (5 Ob 509/92). Eine Ungleichgewichtslage allein rechtfertigt noch nicht die sinngemäße Anwendung des KSchG (SZ 55/157, SZ 57/152).

Alle äußeren Tatumstände entsprechen hier den vom Gesetzgeber schematisch erfaßten Situationen, die eine Einschränkung der Willensfreiheit des Verbrauchers indizieren:

Daß die Reaktion des Beklagten auf das vom Kläger eingeschaltete Inserat nicht als Vertragsanbahnung angesehen werden kann, zumal dessen Inhalt nicht annähernd das vom Kläger beabsichtigte Geschäft zum Ausdruck brachte und somit von einer konkreten Anbahnung keine Rede sein kann (Krejci aaO Rz 27; SZ 55/96; JBl 1984, 44, JBl 1985, 354 ua), wurde von den Untergerichten richtig erkannt und in der Revision nicht mehr angezweifelt. Die Aufnahme der Vorverhandlungen über den konkreten, später tatsächlich abgeschlossenen Vertrag ging nicht vom Beklagten, sondern vom Kläger aus. Dieser machte dem Beklagten ein Geschäft schmackhaft, an das der Beklagte zunächst gar nicht gedacht hatte. Der Kläger bewirkte, daß der Beklagte ihn in einem Büroraum aufsuchte, wo der Kläger in einem persönlichen Gespräch auf den Beklagten einwirken und all jene psychologischen Fähigkeiten einsetzen konnte, die bei einer bloß schriftlichen Bestellung, auf die § 3 Abs 3 Z 2 KSchG abstellt, nicht zum Zuge kommen können.

Im Gegensatz zur Ansicht des Revisionswerbers ist daher der vorliegende Fall nicht mit dem der Entscheidung SZ 57/152 zugrundeliegenden Fall (Vertragsanbahnung des Verbrauchers auf einer Messe) vergleichbar.

Das Berufungsgericht hat zu Recht auf den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der letztlich zum Vertragsabschluß führenden Initiative des Beklagten, der den Kläger wenige Tage nach dem vom Kläger initiierten persönlichen Kontakt seinen Willen zum Vertragsabschluß bekundete, hingewiesen. Der entscheidende Einfluß des Klägers auf diesen Entschluß ist offenkundig. Die festgestellte Abfolge der Ereignisse verbietet eine Zerlegung in einzelne, voneinander unabhängige, einmal von diesem und einmal von jenem Geschäftspartner eingeleitete Vertragsverhandlungsphasen. Die Geschäftsabwicklung ab dem ersten telefonischen Kontakt der Parteien bis zur Unterfertigung der Bestellung durch den Beklagten ist vielmehr als Einheit anzusehen.

Der Büroraum, in dem der Vertrag geschlossen wurde, ist vom Wortlaut des § 3 Abs 1 KSchG nicht umfaßt, weil feststeht, daß dieser nur fallweise, je nach Bedarf vom Kläger für dessen geschäftliche Zwecke benutzt wird, die weitaus überwiegende Zeit aber von einem anderen Unternehmer zu anderen Zwecken. Es trifft auf diesen Büroraum auch nicht die im § 3 Abs 1 erster Satz KSchG zum Ausdruck kommende Wertung zu, daß an den dort aufgezählten Orten (Geschäftslokal, Messe, Markt) üblicherweise Verträge abgeschlossen werden. Anders als bei allgemein üblichen Vertragsabschlüssen insbesondere über Immobilien in Kanzleien von Rechtsanwälten, Notaren und Immobilienmaklern stellt sich die Frage der analogen Anwendbarkeit dieser Bestimmung (vgl Fischer-Czermak aaO; 5 Ob 509/92) auf den Kauf von Kaffeeautomaten in einem vom Unternehmer sporadisch benützten Büroraum nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.