OGH vom 21.02.1996, 7Ob502/96
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann und Dr.Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. E*****, vertreten durch Dr.Franz Hitzenberger und Dr.Otto Urban, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, 2. Architekt Dipl.Ing.Johann S 3. Architekt Mag.Ing.Josef K*****, beide vertreten durch Dr.Wilfried Mayer, Rechtsanwalt in Gmunden, und 4. Dipl.Ing.Franz O*****, vertreten durch Dr.Gerhard Hoyer, Rechtsanwalt in Wels, sowie der auf Seite der erstbeklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin U***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Keul und Dr.Alexander Burkowski, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 186/95-24, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom , GZ 8 Cg 127/94m-18, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweit- und drittbeklagten Partei die mit S 23.512,50 (darin S 3.918,75 USt) und der viertbeklagten Partei die mit S 21.375,-- (darin S 3.562,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin hat die erstbeklagte Partei beauftragt, einen von den Zweit- bis Viertbeklagten geplanten Bau in G*****, S 1, auszuführen. Bei der Bauausführung kam es am Nachbargebäude zu Setzungserscheinungen, die Gegenstand einer Schadenersatzklage des Grundnachbarn gegen die Klägerin zu ***** des Landesgerichtes W***** sind. In den Architektenverträgen mit der zweit-, dritt- und viertbeklagten Partei wurde "für Streitigkeiten aus diesem Vertragsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Architekten (Ziviltechniker) die Schiedsgerichtsordnung der Bundes-Ingenieurkammer für die Schiedsgerichte der Ingenieurkammern (bzw. das Schiedsgericht bei der für den Ziviltechniker örtlich zuständigen Ingenieurkammer, welches gemäß der Schiedsgerichtsordnung der Bundes-Ingenieurkammer zu konstituieren ist) gemäß § 16 Abs. 5 und § 24 Abs. 4 Z 10 IngKammG BGBl. 1969/71 in der geltenden Fassung ausdrücklich vereinbart". In beiden Schiedsgerichtsklauseln wird auf das Ingenieurkammergesetz vom , BGBl. 1969/71, verwiesen und ausdrücklich auf die gemäß § 16 Abs. 5 leg. cit. erlassene Schiedsgerichtsordnung der Bundesingenieurkammer für die Schiedsgerichte der Ingenieurkammern Bezug genommen. Mit Ablauf des wurde das Ingenieurkammergesetz sowie die als Verordnung erlassene Schiedsgerichtsordnung durch das Bundesgesetz über die Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten (Ziviltechnikerkammergesetz 1993 ZTKG BGBl 1994/157) ersetzt, das weder die Konstituierung eines Schiedsgerichtes noch die Erlassung einer Schiedsgerichtsordnung vorsieht.
Die Klägerin begehrt gegenüber den Beklagten die Feststellung, daß diese für die Setzungsschäden am Nachbargrund zu haften haben. Die allein vom Grundnachbarn in Anspruch genommene Klägerin wolle sich an den Beklagten regressieren. Der Anspruch nach § 896 ABGB stelle keinen solchen aus einem Vertragsverhältnis dar, weshalb die zweitbis viertbeklagte Partei unter dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft zu klagen gewesen seien. Alle Beklagten hafteten der Klägerin direkt sowohl aus der Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Ziviltechniker- bzw. Architektenvertrag als auch deliktisch.
Die Zweit- bis Viertbeklagten wendeten vor Einlassung in die Hauptsache die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Erstgerichtes ein, weil in den einzelnen Architektenverträgen mit der Klägerin eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen worden sei. Diese Vereinbarung sei trotz der Eliminierung derartiger Schiedsgerichte durch das ZTKG idF des BGBl 1994/157 noch voll wirksam, weil das Schiedsgericht auch heute nach der im Ingenieurkammergesetz normierten Schiedsgerichtsordnung bzw. unter analoger Anwendung der §§ 577 ff ZPO gebildet werden könne. Die gegenständliche Schiedsgerichtsvereinbarung gelte für alle aus dem Vertragsverhältnis entspringenden Streitigkeiten und daher auch für die gegenständlichen Schadenersatzansprüche.
Die Klägerin erwiderte darauf, daß das nach dem Ingenieurkammergesetz vereinbarte Schiedsgericht nicht mehr konstituiert und daher auch nicht mehr angerufen werden könne und daß der Wegfall dieses (speziellen) Schiedsgerichtes auch zur Aufhebung des Schiedsvertrages nach den Bestimmungen der ZPO führe.
Das Erstgericht wies die Unzuständigkeitseinreden der zweit- bis viertbeklagten Partei zurück. Beide Schiedsgerichtsvereinbarungen nähmen ausdrücklich auf das nicht mehr in Kraft stehende Ingenieurkammergesetz sowie die darauf basierende Schiedsgerichtsordnung der Bundes-Ingenieurkammer Bezug. Das das zitierte Gesetz ersetzende ZTKG idF BGBl 1994/157 enthalte keine Übergangsbestimmung, der eine Weitergeltung der das Schiedsgerichtsverfahren betreffenden Normen des Ingenieurkammergesetzes zu entnehmen wäre. Dieser Umstand führe zur gänzlichen Unwirksamkeit der Schiedsklausel und hindere die Anwendbarkeit der allgemeinen gesetzlichen Regelungen der §§ 577 ff
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung in eine Stattgebung der Unzuständigkeitseinreden der zweit- bis viertbeklagten Partei ab. Es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig und bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 50.000,-- übersteigend. Obwohl das ZTKG keine Übergangsbestimmungen darüber enthalte, was mit nach dem Ingenieurkammergesetz vereinbarten Schiedsvereinbarungen zu geschehen habe, hätten die früher nach der letztzitierten Norm getroffenen Schiedsgerichtsvereinbarungen damit ihre Wirksamkeit nicht verloren. Der notwendige Inhalt eines Schiedsvertrages, durch welchen zivilrechtliche Streitigkeiten einem privaten Schiedsgericht zur Entscheidung übertragen werden, ergebe sich aus den §§ 577 ff ZPO. Danach genüge für das Zustandekommen eines Schiedsvertrages die schriftliche Vereinbarung, daß ein bestimmter Streitfall bzw. aus einem bestimmten Rechtsverhältnis künftig entstehende Streitigkeiten durch einen oder mehrere Schiedsrichter entschieden werden sollen. Die in den haftungsbegründenden Verträgen enthaltenen Schiedsklauseln entsprächen den angeführten gesetzlichen Mindesterfordernissen. Bestimmungen über die Zusammensetzung des Schiedsgerichtes, die Bestellung der Schiedsrichter, das Verfahren vor dem Schiedsgericht, den Schiedsspruch und dessen Überprüfung könnten in den Schiedsgerichtsvereinbarungen fakultativ zwar vorhanden sein, gehörten aber nicht zum notwendigen Inhalt eines Schiedsvertrages. Durch die mittlerweile außer Kraft getretene Schiedsgerichtsordnung des Ingenieurkammergesetzes sei nur der fakultative, nicht aber der notwendige Inhalt beider Schiedsklauseln beseitigt worden. Fehlten aber lediglich fakultative Bestimmungen, seien die subsidiären Regelungen der §§ 577 ff ZPO heranzuziehen. Die gegenständlich geltend gemachten Regreßansprüche fielen auch in den Bereich der getroffenen Schiedsgerichtsvereinbarungen, weil die von der Klägerin geltend gemachte Haft- und Regeßpflicht sich ausdrücklich auf den die Schiedsgerichtsvereinbarung enthaltenden Architekten- bzw. Ziviltechnikervertrag stütze. Ob es sich beim geltend gemachten Schadenersatzanspruch um einen originären oder um einen Regreßanspruch handle, sei unbeachtlich.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Beim Schiedsvertrag handelt es sich, wie § 1391 ABGB nahelegt, um einen reinen Prozeßvertrag. Deshalb ist zur Auslegung des Schiedsvertrages (grundsätzlich) Prozeßrecht heranzuziehen, bestimmt sich die subjektive und objektive Schiedsfähigkeit nach Prozeßrecht und legt die ZPO Form und Wirkungen des Schiedsvertrages fest (vgl. Rechberger in Rechberger ZPO § 577 Rz 1 mwN). Die zwischen der Klägerin und der zweit- bis viertbeklagten Partei getroffenen Schiedsvereinbarungen entsprachen im Abschlußzeitpunkt der Gesetzeslage. Das das Ingenieurkammergesetz ersetzende Ziviltechnikerkammergesetz behob zwar mit seinem Wirksamkeitsbeginn mit die Möglichkeit der Bildung neuer Schiedsgerichte in der Form des Ingenieurkammergesetzes, nahm aber mangels entsprechender rückwirkender Übergangsvorschrift den davor begründeten Vereinbarungen dieser Art nicht die Rechtswirksamkeit (vgl. F.Bydlinski in Rummel ABGB2 § 5 Rz 1 f mwN). Die in der Entscheidung 1 Ob 20/84 = SZ 57/135 behandelte Frage, ob ein rechtsunwirksam vereinbarter Teil einer Schiedsgerichtsvereinbarung zu deren Gesamtnichtigkeit führe, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, weil hier auch der fakultativ vereinbarte Teil des Schiedsvertrages im Vereinbarungszeitpunkt durchaus dem Gesetz entsprach. Somit kommen, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, die die Entscheidung 3 Ob 80/87 = SZ 60/171 tragenden Grundsätze zur Anwendung. Bei einer Schiedsgerichtsvereinbarung muß zwischen dem eigentlichen Schiedsvertrag und einer zusätzlich möglichen Vereinbarung über das schiedsgerichtliche Verfahren unterschieden werden. Aus der Bindung des letztgenannten fakultativen Teiles der Vereinbarung an eine ganz bestimmte Norm kann aber bei ersatzloser Behebung dieser Norm durch eine neue gesetzliche Regelung nicht geschlossen werden, daß die Parteien in diesem Fall den gänzlichen Entfall des Schiedsvertrages vereinbart haben wollten. Die strittige Schiedsklausel enthält nämlich zunächst den eigentlichen Schiedsvertrag, nämlich die Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit für alle Streitigkeiten, die aus dem von den Streitteilen geschlossenen Vertrag entstehen können, und legt darüber hinaus noch eine Vereinbarung über das schiedsgerichtliche Verfahren fest. Es ist daher davon auszugehen, daß die Parteien bei Vertragsabschluß von einer zeitlich unbeschränkten Geltungsdauer der entsprechenden Verfahrensbestimmung ausgingen und sie damit diese Verfahrensabmachung auch für den Fall einer ersatzlosen allerdings nicht rückwirkenden Behebung der betreffenden Norm weiterhin angewendet wissen wollten. Der von der Rekurswerberin herangezogenen Entscheidung 3 Ob 609/89 (= RdW 1990,
379) lag eine ganz anders gelagerte Fallkonstellation, nämlich eine von allem Anfang an nichtige, weil nicht dem Gesetz entsprechende Schiedsgerichtsvereinbarung zugrunde.
Welche Streitigkeiten von der Schiedsgerichtsvereinbarung umfaßt sind, ist aufgrund ihres - nach dem Parteiwillen auszulegenden - Inhaltes zu ermitteln (SZ 55/89). Schiedsgerichtsklauseln umfassen aber im Zweifel mangels besonderer Abrede auch Streitigkeiten darüber, ob eine Forderung überhaupt zu Recht auf den von der Schiedsklausel erfaßten Hauptvertrag gestützt wird (JBl 1979, 42). Im vorliegenden Fall steht aber allein schon aufgrund des in diesem Punkt von der zweit- bis viertbeklagten Partei im tatsächlichen zugestandenen Klagsvorbringens fest, daß der Rechtsgrund, aufgrund dessen sie in Anspruch genommen werden, entweder eine Schlechterfüllung oder eine Fehlplanung sein kann, sohin Umstände, die in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Hauptforderung stehen.
Dem Rekurs der Klägerin war daher keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.