OGH vom 24.04.2002, 3Ob300/01s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der führenden betreibenden Partei R***** reg.Genossenschaft mbH, *****, und einer weiteren beigetretenen betreibenden Partei, vertreten durch Dr. Arnold Köchl, Rechtsanwalt in Villach, wider die verpflichtete Partei Dr. Karl Schirl, Rechtsanwalt, Wien 1, Krugerstraße 17/3 als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Alexander K*****, wegen 1 Mio S (= 72.672,83 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 402/01x-55, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 17 E 140/99b-52, abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang des Punktes 2) des erstinstanzlichen Beschlusses aufgehoben. Insoweit wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.
Text
Begründung:
Mit Punkt 2) seines Beschlusses ON 52 setzte das Erstgericht im Zwangsversteigerungsverfahren den Schätzwert für drei Grundstücksgruppen der zu versteigernden Liegenschaft mit 2,03 Mio S 350.000 S und 250.000 S, den Schätzwert der Gesamtliegenschaft aber mit 2,63 Mio S fest. Das Erstgericht vertrat die Auffassung, dass es im Zwangsversteigerungsverfahren nicht abschließend zu klärende Fragen seien, die letztlich am Ersteher haften blieben, ob ein Mietverhältnis an einem Teil der Liegenschaft ehemals rechtlich begründet worden sei, ob dieses Bestandverhältnis grundverkehrsbehördlich zu genehmigen gewesen wäre, welche Rechtsfolgen eine unterbliebene grundverkehrsbehördliche Genehmigung zeitige und wie konkret eine allfällige Nichtigkeit des Bestandvertrags rechtlich durchzusetzen wäre. Das rechtliche Schicksal eines behaupteten Bestandrechts müsse jedoch als Vorfrage und damit auch vorläufig beurteilt werden, wenn es wie hier auf den Wert der Liegenschaft von Einfluss sei. Angesichts der Position des Verpflichteten, das Bestandverhältnis sei rechtswirksam, der rechtlich nicht abschließend geklärten, aber zu klärenden Fragen im Zusammenhang mit diesem Bestandrecht, was selbst bei eindeutiger Bejahung der Nichtigkeit zu einem Abschlag beim Wert der Liegenschaft wegen Unsicherheit bei der Rechtsdurchsetzung führen müsste, und angesichts des Spielraums bei der Wahl des geringsten Gebots sei aus Gründen der Vorsicht gegenüber dem Ersteher - ohne Präjudiz für das tatsächliche und rechtliche Schicksal des Mietrechts - als Schätzwert jener Wert heranzuziehen, der grundsätzlich vom Verbleib der Belastung durch das Bestandrecht und von der Ausübung der Option auf weitere Inbestandnahme (des Rests der Liegenschaft) ausgehe. Ein bis zur Versteigerung vermutlich bereits abgelaufenes zeitlich befristetes Pachtverhältnis über einen Teil der Liegenschaft habe keinen Einfluss auf den Schätzwert.
Infolge Rekurses der betreibenden Partei änderte das Rekursgericht den Schätzwert der Grundstücksgruppen und der Gesamtliegenschaft dahin ab, dass es die Werte mit 3,26 Mio S 1 Mio S und 280.000 S, insgesamt daher mit 4,54 Mio S festsetzte. Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Nach § 144 Abs 1 EO idF vor der EO-Novelle 2000 - das Exekutionsverfahren wurde vor dem eingeleitet - sei der Schätzwert vom Gericht durch Beschluss festzusetzen. Die Frage, ob ein Bestandverhältnis gültig zustandegekommen sei und vom Ersteher der Liegenschaft zu übernehmen sein werde, stelle eine Vorfrage für die Festsetzung des Schätzwerts durch das Gericht dar. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus der Aktenlage (insbesondere ON 48), dass die zu versteigernde Liegenschaft bzw der Mietvertrag dem Kärntner Grundverkehrsgesetz (K-GVG) unterliege (§ 9 lit c leg cit). Es sei jedoch weder um Genehmigung des Vertrags noch um Erteilung einer Negativbestätigung angesucht worden. Die vorgesehene vierwöchige Frist ab Vertragsabschluss sei ungenützt verstrichen. Nach § 33 Abs 2 K-GVG werde ein Rechtsgeschäft unwirksam, wenn nicht binnen zweier Jahre nach Ablauf der hiefür bestimmten Frist der Antrag um die erforderliche Genehmigung nachträglich eingebracht werde. Auch diese zweijährige Frist sei nun abgelaufen, ohne dass ein Antrag bei der Grundverkehrsbehörde gestellt worden sei. Daher sei davon auszugehen, dass der Mietvertrag unwirksam sei, weshalb er bei Bestimmung des Schätzwerts nicht wertmindernd zu berücksichtigen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen des Verpflichteten ist zulässig, weil die zweitinstanzliche Entscheidung der erforderlichen Sachverhaltsgrundlage entbehrt, und iS des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Wie die Vorinstanzen durchaus richtig erkannten, stellt die Frage des gültigen Zustandekommens eines Bestandverhältnisses betreffend die zu versteigende Liegenschaft eine Vorfrage für die Festsetzung des Schätzwerts nach § 144 EO dar (3 Ob 170/94; 3 Ob 136/95 = SZ 69/99; ebenso 3 Ob 25/00y = MietSlg 52.841).
Wie sich nun aus den Ausführungen im erstgerichtlichen Beschluss ergibt, sah der Erstrichter die Frage, ob überhaupt ein Mietvertrag abgeschlossen wurde, als zweifelhaft an und enthielt sich einer abschließenden Feststellung. Im Gegensatz dazu geht offenbar das Rekursgericht vom Abschluss eines solchen Vertrags aus, was allerdings auf Grund seiner Rechtsansicht, dieser wäre ohnehin unwirksam geworden, keine wesentliche Bedeutung hatte. Nach § 9 lit c K-GVG 1994 LGBl 104 bedarf bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken (§ 3) die Bestandnahme oder sonstige Überlassung der land- oder forstwirtschaftlichen Bodennutzung einer Genehmigung. Ob es sich um land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke handelt, bestimmt sich nach § 3 leg cit vornehmlich nach der Widmung im Flächenwidmungsplan (lit a und b); weiters gehören dazu aber nach lit c auch nicht unter die beiden anderen Voraussetzungen fallende Grundstücke, die zusammen mit solchen Grundstücken Gegenstand eines Rechtsgeschäfts sind und den Voraussetzungen nach lit a Z 1, 2 oder 3 entsprechen. Wie sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt, ließ das Erstgericht die Frage der Widmung eines Teils der Grundstücke (in welchem Punkt ein von der verpflichteten Partei vorgelegtes Privatgutachten von dem des gerichtlichen Sachverständigen abweicht) offen, weil allfällige Ungenauigkeiten in den Berechnungen zu vernachlässigen seien. Mag dies auch, was die reine Bewertung angeht, zutreffen, gilt dies aber nicht mehr für die als Vorfrage zu lösende Problematik der Wirksamkeit des Bestandvertrags, sofern man einen solchen überhaupt als abgeschlossen feststellt. Mag auch ungeachtet der Lösung dieser Vorfrage im Exekutionsverfahren für den Ersteher eine Rechtsunsicherheit bestehen bleiben, weil nach den zitierten Entscheidungen 3 Ob 170/94 und 3 Ob 136/95 eine Bindung des Erstehers an diese Vorfragenbeurteilung nicht besteht, geht es doch keinesfalls an, die Frage der Wirksamkeit offenzulassen und dessen ungeachtet bei der Festsetzung des Schätzwerts vom wirksamen Bestehen eines Bestandverhältnisses auszugehen. Demnach hat das Rekursgericht an sich zu Recht die Vorfrage zu lösen versucht, hat aber ebenso wie schon das Erstgericht keine Feststellungen über die Widmung der betroffenen Liegenschaft im gültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde getroffen. Angesichts der widersprüchlichen Angaben in dem vorliegenden Gutachten durfte sich das Rekursgericht keineswegs mit einer Rechtsauskunft der zuständigen Bezirkshauptmannschaft begnügen, wonach die behaupteten Bestandverträge der Genehmigungspflicht nach dem dritten Abschnitt des K-GVG unterlägen. Mangels einer bindenden Entscheidung im Verwaltungsverfahren ist vielmehr die Vorfrage der Genehmigungspflicht im Exekutionsverfahren zu beurteilen. Diese Beurteilung setzt aber neben Feststellungen über das tatsächliche Zustandekommen des Bestandvertrags auch Feststellungen über die Widmung der betroffenen Grundstücke voraus. Entsprechende Feststellungen werden daher im fortzusetzenden Verfahren zu treffen sein.
Dabei werden folgende Überlegungen zu berücksichtigen sein:
Geht man vorläufig vom tatsächlichen Abschluss des vorliegenden Mietvertrags aus und weiters davon, dass in Wahrheit nur die Flächenwidmung des um das Wohnhaus liegenden Liegenschaftsteils strittig ist, zeigt sich, dass auch Waldgrundstücke vom Mietvertrag betroffen sind, die unter Voraussetzung einer entsprechenden Widmung wohl unter § 3 Z 2 oder zumindest Z 3 K-GVG fallen, weil ein bestehender Wald zumindest forstwirtschaftlich nutzbar ist. Dieser Umstand wirft aber sogleich die Frage auf, ob nicht schon nach § 3 lit c K-GVG auch das Wohnhaus, selbst wenn es als Bauland gewidmet sein sollte, nach § 3 lit c leg cit ebenfalls als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück anzusehen wäre, weil es zusammen mit forstwirtschaftlichen Grundstücken Gegenstand des Mietvertrags ist. Das setzt nach der zitierten Bestimmung aber noch voraus, dass die nicht land- oder forstwirtschaftlichen gewidmeten Grundstücke den Voraussetzungen nach lit a Z 1, 2 oder 3 entsprechen. Unvorgreiflich noch zu treffender Feststellungen wird man weder vom Bestehen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs noch von land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung ausgehen können. Fraglich ist jedoch, ob die Grundstücke bzw Grundstücksteile, wenn man von einer früheren land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung ausgeht, auch weiterhin in dieser Weise nutzbar sind (Z 3). Nach Schöffmann (Kärntner Grundverkehrsgesetz19 94 Anm 5 zu § 3) soll Z 3 sicherstellen, dass ein Brachliegen oder eine (rechtswidrige) andere Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nicht dazu führt, dass sie der Anwendbarkeit des Grundverkehrsgesetzes entzogen werden. Gegen diese Regelung hat Lienbacher (in Bachmann etc, Besonderes Verwaltungsrecht3 345 f und derselbe, Raumordnung und Grundverkehr, 183 [215] in Funk, Grundverkehrsrecht) verfassungs- und kompetenzrechtliche Bedenken angemeldet, soweit es nicht nur um die Hintanhaltung von Umgehungshandlungen geht. Nach stRsp des VfGH müssten land- und forstwirtschaftliche Grundstücke iSd Art VII B-VG-Novelle 1974 land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden. In verfassungskonformer Auslegung des § 3 lit a Z 3 K-GVG wird daher etwa ein (vor längerer Zeit) rechtmäßig in ein reines Wohnhaus umgebautes Bauernhaus nicht mehr als vom § 3 leg cit erfasst angesehen werden dürfen. Darauf wird bei der noch ausstehenden Beurteilung der Wirksamkeit des Mietvertrags Rücksicht zu nehmen sein. Überdies ist dabei zu beachten, dass nach § 2 letzter Absatz K-GVG auch Teile von Grundstücken diesem Gesetz unterliegen können. Sollte sich herausstellen, dass der Bestandvertrag nur zum Teil der Genehmigungspflicht nach § 9 lit c K-GVG unterliegt, wird auch die Frage der Teilnichtigkeit zu prüfen sein. Ob und wie sich die von § 33 Abs 2 K-GVG bewirkte Nichtigkeit eines Teils eines Bestandvertrags (hier etwa über forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke) auf den ganzen Vertrag bezieht, ist grundsätzlich nach dem Normzweck zu prüfen (Krejci in Rummel3, § 879 ABGB Rz 250 und Rummel aaO § 878 Rz 5, je mN). Anders als im Fall der Entscheidung 6 Ob 165/99d (= immolex 2001/168 = MietSlg 52.862 = WoBl 2000/131) könnte im vorliegenden Fall wohl etwa bei Nichtigkeit des Mietvertrags über (eventuell weit von den übrigen Liegenschaftsteilen entfernt liegende) Waldgrundstücke eine Gültigkeit des restlichen Bestandvertrags durchaus in Frage kommen, weil auch ein selbstständiger Vertrag darüber ohne weiteres denkbar erscheint. Der Schutz land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke verlangt es keineswegs, in einem gemeinsamen Vertrag vermietete Grundstücksflächen, die keine derartige Nutzung aufweisen, von einer allfälligen Nichtigkeitssanktion mitumfasst anzusehen. Nichts anderes ergibt sich auch aus § 3 lit c K-GVG, werden doch dort nicht unter lit a und b fallende, von einem Rechtsgeschäft über solche Liegenschaften mitumfasste Grundstücke nur unter den weiteren Voraussetzungen der lit a Z 1 bis 3 vom Gesetz erfasst, im gegenteiligen Fall daher nicht. Das steht auch durchaus im Einklang mit dem auf Art VII B-VG-Novelle 1974 beruhenden § 1 Abs 1 lit d K-GVG, wonach Ziel des Gesetzes ua die Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft entsprechend den natürlichen und strukturellen Gegebenheiten des Landes ist. Das Fehlen jeglicher zur Beurteilung der dargestellten Vorfrage erforderlichen Feststellungen macht die Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen notwendig. Bei der neuerlichen Entscheidung wird es unter der Voraussetzung, dass der Pächter eines Teils der zu versteigernden Grundstücke nicht binnen der gesetzlichen Frist gemäß § 10 Abs 1 Z 1 LPG beim Erstgericht einen Verlängerungsantrag gestellt hat, dabei zu bleiben haben, dass das Pachtverhältnis keinen Einfluss auf den Schätzwert hat, weil mangels einer solchen Antragstellung die vereinbarte Vertragsdauer bereits abgelaufen ist. Entgegen der Ansicht der verpflichteten Partei kann die den Mieter eingeräumte Option, auch die bisher verpachteten Grundstücke zu einem angemessenen Pachtzins zu pachten, vorerst unbeachtet bleiben. Gemäß §§ 1121, 1120 ABGB tritt zwar der Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren auch in unverbücherte Bestandverträge ein (Angst in Angst, EO § 156 Rz 9 und Würth in Rummel3, § 1121 ABGB Rz 1 je mN der Rsp). Voraussetzung ist aber ein durch Rechtsbesitz geschütztes Bestandverhältnis (Würth aaO § 1120 ABGB Rz 5), was bei einer bloßen Option nicht zutrifft. Wird daher die Option vor dem Zuschlag nicht ausgeübt, kann sie es gegenüber dem Ersteher nicht mehr werden, weil dieser, wie zutreffend Würth (aaO Rz 6) ausführt, Nebenbestimmungen, die vom Bestandverhältnis nicht mehr umfasste Umstände regeln, nicht übernommen werden. Dies trifft auf eine Option wie im vorliegenden Fall ebenso zu wie auf den (von Würth ausdrücklich genannten) Vorvertrag auf Abschluss weiterer Mietverträge. Sollte allerdings der Mieter seine Option wirksam vor dem Versteigerungstermin ausüben, müsste man darin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sehen, die zu einer neuerlichen Schätzung unter Berücksichtigung des neuen Umstands von Amts wegen oder auf
Antrag führen würde (Angst aaO § 140 Rz 4; 3 Ob 158/88 = SZ 61/248 =
JBl 1989, 187 = NZ 1990, 33 = RZ 1990/36). Einen dadurch
geschlossenen neuen Pachtvertrag müsste nämlich der Ersteher (wieder unter dem Vorbehalt der Unwirksamkeit nach dem K-GVG) wie alle Bestandverträge übernehmen, auch wenn sie bereits nach Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens geschlossen wurden (Nachweise bei Würth aaO § 1121 ABGB Rz 1). Je nach Ergebnissen des zu ergänzenden Verfahrens wird auch eine Ergänzung des Schätzungsgutachtens erforderlich sein, insbesondere dann, wenn das Erstgericht zur Annahme einer Teilgültigkeit des Mietvertrags gelangt. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 EO iVm § 52 ZPO.