OGH vom 11.12.2007, 5Ob255/07x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Dr. Peter D*****, geboren *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Vormerkung des Eigentumsrechts ob den Liegenschaften EZ 511, 816 und 853 je GB *****, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , AZ 46 R 672/07z, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom , TZ 2953/07, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Antragsteller begehrte auf Grund des Protokolls des Gerichtskommissärs Dr. Robert L***** sowie unter Vorlage des Staatsbürgerschaftsnachweises vom die Vormerkung des Eigentumsrechts ob den Liegenschaften EZ 511, 816 (grundbücherlicher Eigentümer jeweils: Erblasser Kurt D*****, geboren *****) und 853 (grundbücherliche Eigentümerin: Sonja D*****, geboren *****) je GB *****.
Das genannte Protokoll des Gerichtskommissärs enthält ein „Erb- und Pflichtteilsübereinkommen gemäß § 181 Außerstreitgesetz", welches in Punkt I. ua vorsieht, dass der Antragsteller „zur gänzlichen Erfüllung (seiner) restlichen Pflichtteilsansprüche die jeweils an Zahlungs statt (§ 1414 ABGB) hingegebenen Liegenschaften" EZ 511, 816 und 853 je GB ***** erhält. Punkt IV. enthält die von der Verlassenschaft erteilten Aufsandungserklärungen, Punkt V. eine Vollmachtserteilung und Punkt VII. folgende „Bedingung":
„Die Gültigkeit dieses Erbübereinkommens steht unter der Bedingung, dass die unter Punkt V. genannten Übertragungserklärungen zu Gunsten der beiden Noterben Brigitte E*****-D***** und Dr. Peter D***** zumindest im Wege der Vormerkung (§ 8 Z 2 GBG) erfolgen."
Dieses Erb- und Pflichtteilsübereinkommen ist nicht mit einer Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts versehen.
Das Erstgericht wies den Grundbuchsantrag ab. Die begehrte Vormerkung könne erst auf Grund des zu erlassenden Einantwortungsbeschlusses erfolgen. In der unter Protokollpunkt VII. angeführten Bedingung werde auf Protokollpunkt V. verwiesen, welcher keine Übertragungserklärungen enthalte. Die im Eigentum der Sonja D***** stehende Liegenschaft EZ 853 GB ***** könne nicht im Verlassenschaftsverfahren abgehandelt werden.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragstellers nicht Folge. Die Übertragung einer Liegenschaft aus der noch nicht eingeantworteten Verlassenschaft an einen Noterben sei Veräußerung einer Sache aus dem Verlassenschaftsvermögen und gehöre nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb, weshalb diese gemäß § 810 Abs 2 ABGB der Genehmigung des Abhandlungsgerichts bedürfe. Überdies sei der Sinn der in Protokollpunkt VII. enthaltenen, auf Protokollpunkt V. verweisenden Bedingung unklar und es sei nicht Aufgabe des Grundbuchsgerichts, Spekulationen über deren Bedeutung anzustellen.
Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob ein Pflichtteilsübereinkommen im Sinn des § 181 Abs 3 AußStrG einer abhandlungsgerichtlichen Genehmigung nach § 810 Abs 2 ABGB bedürfe.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, mit dem dieser die Bewilligung seines Eintragungsgesuchs anstrebt. Der Antragsteller macht in seinem Revisionsrekurs zusammengefasst geltend, § 181 AußStrG stelle eine abschließende Regelung dar, die nur eine allfällige Zustimmung des Pflegschaftsgerichts vorsehe, aber keine weitere Genehmigungskompetenz schaffen habe wollen. Insofern sei dem § 810 Abs 2 ABGB betreffend die Notwendigkeit einer verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung durch die neue Regelung des § 181 AußStrG materiell derogiert. Im Übrigen sei die Abfindung Pflichtteilsberechtigter mit Nachlassvermögen keine Veräußerung im Sinn des § 810 Abs 2 ABGB und gehöre überdies zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb der Verlassenschaft. Schließlich enthalte Protokollpunkt VII. nur einen offensichtlichen Schreibfehler, indem auf Punkt V. statt auf Punkt IV. verwiesen werde. Im Übrigen sei diese Regelung völlig klar und unmissverständlich. Die Parteien hätten nur die Geltung des gesamten Erbübereinkommens unter die Geltung des Verfügungsgeschäfts stellen wollen. Erst die Übertragung der an Zahlungs statt geleisteten Liegenschaften solle dem Erbübereinkommen Geltung verschaffen. Insgesamt sei das Erbübereinkommen daher genehmigungsfähig.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1.1. § 181 AußStrG, in Kraft getreten mit , lautet:
Abs 1: Mehrere Erben können vor der Einantwortung ihre Vereinbarung über die Erbteilung oder die Benützung der Verlassenschaftsgegenstände auch beim Gerichtskommissär zu Protokoll geben. Derartigen Vereinbarungen kommt die Wirkung eines vor Gericht geschlossenen Vergleichs zu.
Abs 2: Sind Pflegebefohlene beteiligt, so bedarf die Vereinbarung der Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht.
Abs 3: Die vorstehenden Bestimmungen gelten sinngemäß auch für auf die Verlassenschaft bezogene Vereinbarungen mit sonstigen am Verlassenschaftsverfahren beteiligten Personen.
1.2. Zutreffend hat das Rekursgericht das hier vom Notar protokollierte Erb- und Pflichtteilsübereinkommen als eine Vereinbarung im Sinn des § 181 Abs 3 AußStrG beurteilt. Im Zuge einer Verlassenschaftsabhandlung können nämlich nicht nur Erben, sondern auch sonstige Beteiligte, etwa Vermächtnisnehmer oder Noterben, zu auf die Verlassenschaft bezogenen Vereinbarungen kommen und in Erweiterung der Zuständigkeit des Gerichtskommissärs bei diesem zu Protokoll geben, womit ihnen die Wirkung eines vor Gericht geschlossenen Vergleichs zukommt. Gemäß § 181 Abs 2 AußStrG bedürfen solche Vereinbarungen, wenn sie mit Pflegebefohlenen abgeschlossen werden, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts. Die Notwendigkeit einer Genehmigung durch das Verlassenschaftsgericht ist in § 181 AußStrG nicht (ausdrücklich) geregelt.
2.1. Mit dem Familien- und Erbrechtsänderungsgesetz 2004 (FamErbRÄG, BGBl I 2004/58), ebenfalls am in Kraft getreten, wurde § 810 Abs 2 ABGB über die Verwaltung der Verlassenschaft vor Einantwortung dahingehend neu geregelt, dass Verwaltungs- und Vertretungshandlungen vor Abgabe von Erbantrittserklärungen zur gesamten Verlassenschaft sowie alle Veräußerungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts bedürfen, wenn sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Handlung für die Verlassenschaft offenbar nachteilig wäre.
2.2. In den Mat (471 BlgNR 22. GP 32) werden folgende Veräußerungen für genehmigungsfrei gehalten:
„a) die Veräußerung von Erbschaftsteilen, an denen kein Pflegebefohlener Rechte hat, im Einvernehmen aller antrittserklärten Erben, wenn die Erbantrittserklärungen zum gesamten Nachlass abgegeben worden sind;
b) die Veräußerung von Erbschaftsteilen, die (z.B. im Betrieb eines Handelsgewerbes) zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, selbst wenn noch nicht zum gesamten Nachlass Antrittserklärungen vorliegen oder wenn Rechte von Pflegebefohlenen berührt sind (§ 154 Abs 3 ABGB)."
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bedarf allerdings die Veräußerung von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen immer der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts, wenn dieser Vorgang nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Es ist daher zum einen zu untersuchen, ob die Übertragung einer im Eigentum der Verlassenschaft stehenden Liegenschaft zur Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs vor Einantwortung eine Veräußerung im Sinn des § 810 Abs 2 ABGB darstellt, und zum anderen, ob damit der Bereich des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs verlassen wird. Ist beides zu bejahen, bedarf es zufolge der klaren Anordnung des § 810 Abs 2 ABGB der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts (vgl dazu auch Spitzer, Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses, NZ 2006/8, 33 [35 f]).
3.1. Dass die Übertragung von Eigentum an einer Nachlassliegenschaft zur Abgeltung eines Pflichtteilsanspruchs eine „Veräußerung während der Abhandlung" ist, hat der Oberste Gerichtshof (im Zusammenhang mit Fragen des § 178 AußStrG aF) bereits bejaht (vgl 3 Ob 205/02x). Auch die Übertragung eines Unternehmens auf Noterben zur Berichtigung des Pflichtteils hat der erkennende Senat schon als Veräußerung gewertet (vgl 5 Ob 98/87 = wobl 1988/34, 66 = EvBl 1989/30, 121 = MietSlg 40.286). Daher ist auch die hier nach § 181 Abs 3 AußStrG getroffene Vereinbarung, mit der einem Noterben das Eigentumsrecht an Nachlassliegenschaften übertragen wird, als Veräußerung von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen gemäß § 810 Abs 2 ABGB zu qualifizieren.
3.2. Eine solche Veräußerung gehört auch nicht zum gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb. Selbst wenn man die Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen zum gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb einer Verlassenschaft zählte, sind diese doch, soweit der Erblasser nicht anders verfügte, auf Geld gerichtet (§§ 775 f ABGB). Die Veräußerung von Nachlassliegenschaften durch die Erben zur Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen (hier: an Zahlungs statt) kann dann schon wegen eines möglichen Wertmissverhältnisses keine Maßnahme des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs mehr sein und bedarf daher der gerichtlichen Genehmigung (vgl Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht, § 94 GBG Rz 122).
3.3. Die Ansicht des Antragstellers, eine gerichtliche Genehmigungspflicht sei in § 181 AußStrG nur für den Fall der Beteiligung Pflegebefohlener vorgesehen und im Übrigen sei von einem „beredten Schweigen" des Gesetzgebers auszugehen, überzeugt nicht. Beide Gesetzesänderungen (§ 810 Abs 2 ABGB;§ 181 AußStrG) sind am selben Tag in Kraft getreten. Durch die gleichzeitige Neuregelung in § 810 Abs 2 ABGB bestand keine Notwendigkeit, weitere Genehmigungserfordernisse in § 181 AußStrG aufzunehmen. Dessen Zielrichtung besteht vorrangig in der Schaffung eines Exekutionstitels für im Verlassenschaftsverfahren abgeschlossene Erbteilungs- und sonstige Vereinbarungen. Dass § 181 Abs 2 AußStrG in diesem Zusammenhang nur von einer Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht spricht, soll lediglich klarstellen, dass anders als nach bisheriger Rechtslage keine Teilung der Kompetenz mehr vorgesehen ist zwischen einer Genehmigung „in einfacheren Fällen", die das Verlassenschaftsgericht bisher selbst vornehmen konnte, und anderen Fällen, die stets vom Pflegschaftsgericht zu genehmigen waren (vgl RV 224 BlgNR 22. GP 113 f). Über das Erfordernis anderer behördlicher Genehmigungen zur Rechtswirksamkeit einer Vereinbarung nach § 181 Abs 1 oder Abs 3 AußStrG, etwa jener der Grundverkehrsbehörde oder hier des Verlassenschaftsgerichts, ist damit nichts ausgesagt. Auch die aus § 181 Abs 1 AußStrG folgende Vollstreckbarkeit der nach dieser Bestimmung geschlossenen Vereinbarungen bedeutet nicht automatisch, dass damit auch die Notwendigkeit gerichtlicher oder behördlicher Genehmigungen entfällt, um die Rechtswirksamkeit dieser Vereinbarungen und die Voraussetzungen des § 94 Abs 1 Z 4 GBG herzustellen.
Zusammenfassend gilt daher, dass eine beim Gerichtskommissär vor der Einantwortung zu Protokoll gegebene Vereinbarung im Sinn der Übertragung von Nachlassliegenschaften an Zahlungs statt zur Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts nach § 810 Abs 2 ABGB bedarf; deren Fehlen steht der Bewilligung des Grundbuchsgesuchs entgegen.
4. Auch der weitere vom Rekursgericht angenommene Abweisungsgrund liegt vor. Nach der in Protokollpunkt VII. enthaltenen Regelung steht „die Gültigkeit dieses Erbübereinkommens (...) unter der Bedingung, dass die unter Punkt V. genannten Übertragungserklärungen zu Gunsten der beiden Noterben Brigitte E*****-D***** und Dr. Peter D***** zumindest im Wege der Vormerkung (§ 8 Z 2 GBG) erfolgen." Der Verweis auf Punkt V., der keine „Übertragungserklärungen", sondern eine Vollmachtserteilung enthält, mag ein Schreibfehler sein und sich auf den die Aufsandungserklärungen enthaltenden Punkt IV. beziehen. Auch dann bleibt aber die genannte „Bedingung" und deren Relevanz für die Geltung des Erb- und Pflichtteilsübereinkommen als Eintragungsgrundlage unklar. Einerseits wird die Gültigkeit des gesamten Erb- und Pflichtteilsübereinkommens von einer erfolgreichen Vormerkung der darin vorgesehenen Liegenschaftsübertragungen abhängig gemacht und andererseits soll das Erb- und Pflichtteilsübereinkommen gerade dafür Eintragungsgrundlage sein, was dessen Gültigkeit aber voraussetzt. Eine Auslegung zu finden, die besagte „Bedingung" sinnvoll erscheinen lässt, ist nicht Aufgabe des Grundbuchsgerichts. Auch die zu begründeten Zweifeln Anlass gebende Bedingung laut Protokollpunkt VII. stellt daher einen Abweisungsgrund dar (RIS-Justiz RS0060573; RS0060878).
Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.