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OGH vom 03.09.2009, 2Ob53/09x

OGH vom 03.09.2009, 2Ob53/09x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Heidrun Gabriele P*****, zuletzt wohnhaft *****, über den Revisionsrekurs des Dipl.-Ing. Walter P*****, vertreten durch Dr. Franz P. Oberlercher Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H in Spittal an der Drau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 3 R 20/09i-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom , GZ 1 A 451/08a-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Erblasserin verstarb am . Sie hinterließ ihren Ehemann sowie ihre Mutter. Mit Schriftsatz vom beantragte der Ehemann die Durchführung der Verlassenschaft im schriftlichen Wege und erklärte, dass die Verstorbene weder leibliche noch angenommene Kinder habe. Im Schriftsatz vom gab er die Erbantrittserklärung und die Vermögenserklärung ab, stellte weitere Anträge und teilte auch mit, dass die Mutter der Erblasserin am einen Erb- und Pflichtteilsverzicht abgegeben habe. Diesen legte er mit Schriftsatz vom dem Verlassenschaftsgericht vor. Darin heißt es, dass die Mutter der Erblasserin auf das ihr zustehende gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht nach ihrer Tochter, der Erblasserin, ebenso verzichte wie auf jede weitere Ladung und Verständigung in dieser Verlassenschaftssache. Die (nicht beim Gerichtskommissär sondern auf Briefpapier eines anderen Notars abgegebene) Erbverzichtserklärung ist mit datiert. Eine daran anschließend vom Erstgericht veranlasste Einvernahme der Mutter der Erblasserin konnte infolge Ablebens der Mutter der Erblasserin am nicht mehr durchgeführt werden.

Daraufhin wies das Erstgericht den Antrag auf Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens im schriftlichen Wege mit der Begründung ab, dass die Erbverzichtserklärung der Mutter der Erblasserin, weil nicht dem Gericht oder dem Gerichtskommissär gegenüber abgegeben, wirkungslos sei. Eine schriftliche Abhandlungspflege sei aber nur zulässig, wenn alle Parteien vom einschreitenden Rechtsanwalt vertreten würden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Erbverzichtserklärung sei analog § 159 Abs 3 AußStrG schriftlich dem Abhandlungsgericht oder dem Gerichtskommissär gegenüber abzugeben und eigenhändig zu unterschreiben. Sie sei eine einseitige Parteienerklärung bzw Verfahrenshandlung mit materiellrechtlichen Wirkungen, die den Ausschluss vom Erbrecht nach sich ziehe. Eine außergerichtliche oder sonst formlos abgegebene Entschlagungserklärung sei unwirksam. Mangels erheblicher Rechtsfrage sei der Revisionsrekurs nicht zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers. Die Erbausschlagung brauche vom Nachlassgericht nicht besonders entgegengenommen werden sondern wirke, sobald sie dem Abhandlungsgericht oder dem Gerichtskommissär zur Kenntnis gelange und dem Verfahren zugrunde gelegt werde. Als Formerfordernis sei lediglich Schriftlichkeit notwendig. Eine schlichte Erbverzichtserklärung müsse nicht gegenüber dem Gericht oder dem Gerichtskommissär abgegeben werden. Das Rekursgericht sei insofern von Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen. Die vom Revisionsrekurswerber vorgelegte Erbsentschlagungserklärung der gesetzlichen Miterbin sei mit Vorlage durch den Revisionsrekurswerber wirksam geworden, der Revisionsrekurswerber daher als Alleinerbe anzusehen und sein Antrag auf Durchführung der schriftlichen Abhandlung berechtigt.

Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde vom Kurator der Verlassenschaft nach der Mutter der Erblasserin trotz Freistellung nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Judikatur zu dieser Frage im Zusammenhang mit dem neuen Außerstreitgesetz nicht besteht, er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 3 Abs 1 GKoärG, der insoweit durch das Außerstreitbegleitgesetz BGBl I Nr 112/2003, keine Änderung erfuhr, können die Parteien in Verlassenschaftsabhandlungen jederzeit die erforderlichen Erklärungen und Anträge schriftlich verfassen und unmittelbar dem Gericht vorlegen. Werden sie damit säumig, kann das Gericht einen Gerichtskommissär bestellen. Daraus hat die Judikatur im Geltungsbereich des AußStrG 1854 abgeleitet, dass die Abhandlung nur entweder durch einen Gerichtskommissär oder durch die Erbengemeinschaft - meist durch einen gemeinsamen Vertreter - durchgeführt werden kann (RIS-Justiz RS0059375). Die Durchführung der schriftlichen Abhandlungspflege setzt das Einvernehmen aller Parteien voraus (RIS-Justiz RS0059375 [T2]). Daran ist auch nach dem neuen AußStrG festzuhalten.

Im vorliegenden Fall kommen nach der Todesfallaufnahme zwei gesetzliche Erben in Frage. Das „Einvernehmen aller" wäre daher nur gegeben, wenn der Antrag auf schriftliche Abhandlungspflege von beiden gestellt worden wäre oder die Erklärung der Mutter der Erblasserin, sowohl auf ihr Erbrecht als auch ihre verfahrensrechtliche Beteiligung zu verzichten, wirksam wäre.

Davon ist nicht auszugehen:

Will ein zum Erbe Berufener die Erbschaft nicht annehmen, kann er entweder untätig bleiben oder sie ausdrücklich ausschlagen. Diese Erbsentschlagung oder negative Erbantrittserklärung genannte, im § 805 ABGB und § 157 AußStrG geregelte, einseitige Parteienerklärung unterliegt denselben Formerfordernissen wie die positive Erklärung. Sie ist daher nach § 806 ABGB ebenso unwiderruflich wie die gerichtliche Erbantrittserklärung. Dies bedeutet nach der Judikatur, dass Unwiderruflichkeit mit der formlosen Kenntnisnahme durch Gericht oder Gerichtskommissär jedenfalls dann eintritt, wenn die Entschlagung dem weiteren Verfahren zugrundegelegt wird (Sailer in KBB2 §§ 799 bis 800 ABGB Rz 9; RIS-Justiz RS0013014, RS0013043).

Die Rechtsqualität der Erbantrittserklärung ist strittig. Die herrschende Ansicht billigt ihr überwiegend auch materiellrechtliche Wirkungen zu (Sailer aaO Rz 5 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat in 4 Ob 80/00v = SZ 73/69 die Anwendbarkeit der §§ 869 ff ABGB auf die Erbantrittserklärung verneint, weil auf prozessuale Erklärungen nach der Rechtsprechung die Grundsätze des Privatrechts nicht anwendbar sind. Dem haben sich weitere Senate des Obersten Gerichtshofs angeschlossen (RIS-Justiz RS0113461). Die wirksame Ausschlagung der Erbschaft hat jedenfalls die Wirkung, dass die Erbschaft als dem Ausschlagenden nicht angefallen gilt (Sailer aaO mwN).

In prozessualer Hinsicht sieht § 159 AußStrG vor, dass die Erbantrittserklärung einen bestimmten Inhalt aufweisen und vom Erbansprecher oder dessen ausgewiesenen Vertreter eigenhändig unterschrieben sein muss.

Zwar ist die Abgabe der Erbantrittserklärung zu gerichtlichen (oder notariellen) Protokoll nicht mehr vorgesehen (Sailer aaO Rz 3) bzw kann entweder durch Aufnahme eines Protokolls vor dem Notar als Gerichtskommissär oder schriftlich erfolgen (Wruhs in Rechberger AußStrG § 157 Rz 5). Dies ändert aber nichts daran, dass in verfahrensrechtlicher Hinsicht sämtliche nach der Aktenlage in Frage kommenden Erben dem Abhandlungsverfahren beizuziehen sind bzw ihnen Gelegenheit zu geben ist, sich am Abhandlungsverfahren zu beteiligen. § 157 Abs 1 AußStrG bestimmt ausdrücklich, dass der Gerichtskommissär die nach der Aktenlage als Erben in Frage kommenden Personen nachweislich aufzufordern hat, zu erklären, ob und wie sie die Erbschaft antreten oder ob sie diese ausschlagen wollen. Die Aufforderung hat mehrere gesetzlich ausdrücklich normierte Belehrungen zu beinhalten. Nach den EB zu dieser Bestimmung (abgedruckt in Fucik/Kloiber AußStrG, 467) sind die Parteien zur Erbsantrittserklärung mit Zustellnachweis aufzufordern (ebenso Fucik/Kloiber AußStrG § 157 Rz 1; Wruhs aaO Rz 1).

Eine - wenn auch schriftlich - anderwärtig abgegebene, grundsätzlich widerrufliche, von einem „konkurrierenden" Erben und nicht vom Ausschlagenden selbst vorgelegte Erklärung sowohl auf das Erbrecht, als auch auf die Verfahrensteilnahme zu verzichten, erfüllt diese gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Andernfalls könnte der „konkurrierende" Erbe über die Widerruflichkeit des Erbverzichts disponieren und wäre dem davon betroffenen Erben diese Dispositionsbefugnis genommen. Den eigenen Erbverzicht (durch Bewirkung des Zugangs bei Gericht bzw Gerichtskommissär) unwiderruflich zu machen, ist aber allein Sache des jeweiligen Erben und nicht die eines anderen.

Die Vorinstanzen sind daher im vorliegenden Fall zu Recht davon ausgegangen, dass der Nachlass der Mutter der Erblasserin bzw der oder die mittlerweile eingeantwortete(n) Erbe(n) weiterhin als gesetzliche(r) Erbe(n) in Frage kommt bzw kommen und daher eine im Einvernehmen aller Parteien beantragte schriftliche Abhandlungspflege - zumindest derzeit - nicht möglich ist.

Sämtlichen Erben gemeinsam ist es aber unbenommen, auch nach Übermittlung des Abhandlungsakts an den Gerichtskommissär einen formgerechten Antrag auf Durchführung der schriftlichen Abhandlungspflege einzubringen (vgl RIS-Justiz RS0059375 [T5]).