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OGH vom 23.05.1984, 1Ob550/84

OGH vom 23.05.1984, 1Ob550/84

Norm

ABGB § 16;

ABGB § 1151;

KAG § 10;

MRK Art 8;

Kopf

SZ 57/98

Spruch

Aus dem zwischen dem Patienten und dem Träger der Krankenanstalt bestehenden Behandlungsvertrag ergibt sich die vor allem aus therapeutischen Gründen einschränkbare Verpflichtung des Trägers der Krankenanstalt, dem Patienten Einsicht in die Krankengeschichte zu gewähren; eine Verpflichtung zur Gewährung der Einsicht kann nach Abwägung der Interessen, insbesondere auch von Persönlichkeitsrechten des Verstorbenen auf Wahrung seiner Geheimsphäre, auch den Erben und nahen Angehörigen gegenüber bestehen. Die Berechtigung der Weigerung kann durch Einholung eines Sachverständigengutachtens überprüft werden

(OLG Linz 2 R 119/83; LG Linz 10 Cg 185/82)

Text

Der Kläger ist Sohn und Erbe der am im psychiatrischen W-Krankenhaus der beklagten Partei in Linz verstorbenen Anna D. Er begehrt die Fällung des Urteiles, das beklagte Land OÖ sei schuldig, ihm (auf seine Kosten) eine Abschrift der Krankengeschichte betreffend Anna D für die Zeit ihres stationären Aufenthaltes im W-Krankenhaus während der Zeit vom bis und vom bis zu übermitteln. Anna D sei wegen einer Schenkelhalsfraktur am in das Unfallskrankenhaus Linz gebracht und dort am selben Tag operiert worden; am sei sie in das W-Krankenhaus zurückgebracht worden. Seine Mutter sei unter ungeklärten Umständen gestorben; als offizielle Todesursache sei Lungenemphysem und Herzversagen angegeben worden; in Wahrheit aber soll Anna D an einem Wundstarrkrampf gestorben sein. Der Kläger habe ein dringendes Interesse an der Aufklärung dieser Todesursache, gleichviel, ob die behandelnden Ärzte des W-Krankenhauses oder sonst jemanden ein Verschulden treffe oder nicht. Die Krankengeschichten des W-Krankenhauses seien nicht unter Verwendung einer EDV-Anlage hergestellt und aufbewahrt.

Die beklagte Partei wendete ein, daß ein privatrechtlicher Anspruch auf Übermittlung von Abschriften der Krankengeschichte oder eines eine vollständige Diagnose enthaltenden Zeugnisses weder gegen Krankenanstalten noch gegen behandelnde Ärzte bestehe. Eine gemeinschaftliche Urkunde nach Art. XLIII EGZPO liege nicht vor. Das Interesse des Patienten an der Errichtung der Krankengeschichte sei ein höchstpersönliches. Es fehle auch an einem schutzbedürftigen Vorlageinteresse des Klägers. Durch die Bestimmungen des oö. Krankenanstaltengesetzes, des Ärztegesetzes und des Krankenpflegegesetzes seien alle in der Krankenanstalt tätigen Personen zur Verschwiegenheit über alle den Patienten und seinen Krankenhausaufenthalt betreffenden Umstände verpflichtet. Welche Ausnahmen von diesen Verpflichtungen bestunden, sei gesetzlich geregelt. Die Herausgabe von Kopien der Krankengeschichte eines verstorbenen Verwandten gehöre nicht zu diesen Ausnahmen. Da unzweifelhaft der Inhalt der Krankengeschichte der Verschwiegenheitspflicht unterliege, würde der beklagte Krankenhausträger diese verletzen, wenn er dem Urteilsbegehren entspräche. Es sei daher auch im Zivilverfahren nicht zulässig, das Land OÖ urteilsmäßig zu etwas zu verpflichten, was durch das gehörig kundgemachte oö. Krankenanstaltengesetz verboten sei. Es bestunden keine Hindernisse, dem seinerzeit einweisenden Arzt über dessen Aufforderung eine Abschrift der Krankengeschichte zu übersenden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ob es sich bei einer Krankengeschichte um eine gemeinschaftliche Urkunde nach Art. XLIII EGZPO handle, sei auf Grund der Bestimmungen des Krankenanstaltengesetzes zu beurteilen. § 11 Abs. 3 des oö. KAG, LGBl. 1976/10, bestimme, wem über begrundetes öffentliches Interesse Abschriften von Krankengeschichten ohne Verzug kostenlos zu übermitteln seien. Daraus, daß das Gesetz nur jene Stellen anführe, denen die Krankengeschichte kostenlos auszufolgen sei, könne nicht geschlossen werden, daß andere Interessenten wie der Patient selbst oder sein Rechtsnachfolger einen Anspruch auf Abschriften gegen Kostenersatz hätten. Der Kreis der Personen, denen Abschriften von Krankengeschichten zu übermitteln seien, sei im Gesetz abschließend geregelt. Darüber hinaus solle niemandem ein Anspruch auf Ausfolgung von Krankengeschichten zustehen, weder dem Patienten selbst noch dessen Angehörigen oder Rechtsnachfolgern. Aus dieser Gesetzeslage ergebe sich eindeutig, daß es sich bei der Krankengeschichte nicht um eine gemeinschaftliche Urkunde der Krankenanstalt und des Patienten iS des § 304 Abs. 2 ZPO, sondern um eine im öffentlichen Interesse errichtete Urkunde handle, von der allerdings unter bestimmten Voraussetzungen auch dem Patienten selbst eine Abschrift ausgefolgt werden dürfe. Die Herausgabe der Krankengeschichte selbst sei aber dem Ermessen der Krankenanstalt anheimgestellt. Einzuräumen sei allerdings, daß die Weigerung der beklagten Partei unter Umständen eine erfolglose Klageführung wegen Schadenersatzes mit der Behauptung eines ärztlichen Kunstfehlers zur Folge haben könnte, die vermieden würde, wäre dem Kläger Einsicht in die Krankengeschichte gewährt worden. Aus den Bestimmungen der §§ 303 ff. ZPO sei klar ersichtlich, daß eine materiellrechtliche Pflicht zur Herausgabe von Beweisurkunden weder den Prozeßgegner noch einen Dritten treffe, soweit sich eine solche Verpflichtung nicht aus dem bürgerlichen Recht selbst ableiten lasse oder es sich um eine gemeinschaftliche Urkunde handle.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dann ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, den Betrag von 15 000 S übersteige, und erklärte die Revision für zulässig. Der in der Entscheidung SZ 18/189 ausgesprochenen Rechtsansicht, daß ein privatrechtlicher Anspruch des Patienten auf Mitteilung von Abschriften der Krankengeschichte nicht bestehe, könne nicht gefolgt werden. Es habe sich die Ansicht durchgesetzt, daß das Recht des Patienten auf Einsicht in die über ihn geführte Krankengeschichte ein vertraglicher Nebenanspruch sei, der sich aus dem Behandlungsvertrag ergebe. So sei schon in der Entscheidung JBl. 1964, 515 ein Facharzt verpflichtet worden, Befunde an seinen Patienten herauszugeben. Unerheblich sei, ob man den zwischen dem Arzt (Krankenhaus) und dem Patienten abgeschlossenen Vertrag als Werkvertrag oder als einen Vertrag eigener Art, namentlich als einen Behandlungsvertrag, qualifiziere. Entscheidend sei der Umfang sogenannter nebenvertraglicher Rechte und Pflichten aus einem solchen Behandlungsvertrag; es könne dabei keinen grundsätzlichen Unterschied machen, ob es um die Herausgabe von Befunden und der über den Krankheitsverlauf geführten Korrespondenz oder um die einer Abschrift der Krankengeschichte gehe. Richtig sei allerdings vom Erstgericht erkannt worden, daß der Anspruch auf Ausfolgung einer Abschrift der Krankengeschichte oder auf Einsichtnahme in diese durch das Gesetz eingeschränkt werden könne, da zumindest die in öffentlichen Krankenanstalten geführten Krankengeschichten auf gesetzliche Anordnung im öffentlichen Interesse geführt werden müßten. Das Berufungsgericht vermöge sich jedoch nicht der Ansicht des Erstgerichtes anzuschließen, daß die Bestimmung des § 11 Abs. 3 oö. KAG dem Patienten und im Falle seines Todes seinen Angehörigen den Anspruch auf Ausfolgung der Krankengeschichte bzw. auf Einsichtnahme verwehre. Durch die gesetzliche Umschreibung jener juristischen und physischen Personen, denen im öffentlichen Interesse Abschriften der Krankengeschichte kostenlos auszufolgen sind, werde der privatrechtliche Anspruch des Patienten auf Ausfolgung einer Abschrift der Krankengeschichte auf seine Kosten nicht ausgeschlossen. Ein gesetzlicher Ausschluß ergebe sich nur insoweit, als auch die Einsichtnahme in die Krankengeschichte ausdrücklich ausgeschlossen werde. Ein solcher bestehe gemäß § 11 Abs. 2 oö. KAG aber nur für die Dauer der stationären Behandlung in der öffentlichen Krankenanstalt. Zutreffend führe die beklagte Partei ins Treffen, daß das aus dem Behandlungsvertrag abzuleitende Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte ein höchstpersönliches Recht des Patienten sei, das nicht auf die Erben übergehe. Es sei aber in Lehre und Rechtsprechung bereits vereinzelt anerkannt worden, daß nach dem Tod eines nahen Angehörigen in Wahrung seiner Interessen persönliche Rechte, die gleichsam an die Stelle der durch den Tod erloschenen höchstpersönlichen Rechte des Verstorbenen treten, ausgeübt und geltend gemacht werden könnten. Solche stellvertretenden persönlichen Rechte von nahen Angehörigen seien vom OGH bereits bei Bestattungsstreitigkeiten angenommen worden (SZ 45/133), seien aber auch Maßstab für die Zustimmung zu Organtransplantationen. So habe in diesem Zusammenhang das Schweizer Bundesgericht befunden, daß sich die nahen Angehörigen nur auf eigene Persönlichkeitsrechte berufen könnten, nicht auf die des Verstorbenen. Es stehe ihnen aber wegen ihrer familiären Verbundenheit mit dem Toten und der darauf beruhenden besonderen Gefühlsbeziehung ein eigenes Persönlichkeitsrecht an der Achtung des Toten und an der Unantastbarkeit seiner sterblichen Hülle zu. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes bestehe ein Persönlichkeitsinteresse der nahen Angehörigen an der Beantwortung der Frage, unter welchen Umständen und aus welcher medizinischen Ursache der Tod in einer Krankenanstalt eingetreten sei. Der Kläger mache mit seinem Begehren gleichsam zwei Rechtsansprüche geltend: Den persönlichen Rechtsanspruch auf Klärung der Todesursache und den Anspruch auf Einsichtnahme in die Krankengeschichte als Erbe, indem er sich insoweit auf die Rechtsnachfolge nach der verstorbenen Mutter durch Eintritt in deren privatrechtlichen Nebenanspruch auf Einsichtnahme in die Krankengeschichte auf Grund des Behandlungsvertrages berufen könne. Der Kläger könne daher ein persönliches Recht auf Ausfolgung einer gemeinschaftlichen Urkunde mit Erfolg geltend machen.

Über Revision der beklagten Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In der Revision wird ua. ausgeführt, der zwischen Arzt (Krankenhaus) und Patienten abgeschlossene Behandlungsvertrag sei kein Werkvertrag; ein spezifisches Wesensmerkmal des Behandlungsvertrages sei das Vertrauen des Patienten zum behandelnden Arzt; müsse der Patient, um eine medizinisch richtige Diagnose und Therapie sicherzustellen, seine Vergangenheit und seine konkrete Situation dem Arzt in allen, auch in persönlichen Details schildern, dann müsse auch gewährleistet sein, daß diese Angaben absolut vertraulich behandelt und nicht etwa öffentlich verbreitet werden. Dem Patienten stehe ein vertragliches Nebenrecht auf Übergabe von Kopien der Krankengeschichte, insbesondere bei stationärem Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus, auch auf Grund einer Übung des redlichen Verkehrs nicht zu. Das Recht an der eigenen Geheimsphäre sei höchstpersönlicher Natur. Ein Dritter, selbst wenn er Rechtsnachfolger oder Nachkomme sei, könne über die Geheimsphäre des Verstorbenen nicht disponieren. Selbst wenn dem Patienten ein privatrechtlicher Anspruch auf Einsichtnahme in die Krankengeschichte nach Beendigung der Behandlung zustunde, könne ein solches Recht auf Erben oder Nachkommen nicht übergehen. Die Krankengeschichte werde zwar im Interesse des Patienten und der medizinischen Wissenschaft, nicht aber für den Patienten verfaßt. Sie sei keine gemeinsame Urkunde; ihre Herausgabe verstoße gegen die ärztliche Verschwiegenheitspflicht und gegen das Grundrecht auf Geheimnisschutz. Eine Kopie der Krankengeschichte dürfe selbst mit Zustimmung des Patienten nicht herausgegeben werden, wenn eine mißbräuchliche Kenntnisnahme nicht verläßlich ausgeschlossen sei. Das Interesse des Klägers, die von der Krankenanstalt angegebene Todesursache seiner Mutter zu überprüfen, sei nicht schutzwürdig.

Herrschender Auffassung entspricht es, den ärztlichen Behandlungsvertrag als im Gesetz nicht näher typisiertes Vertragsverhältnis zu qualifizieren, auf Grund dessen der Arzt dem Patienten eine fachgerechte, dem objektiven und typischen Standard des besonderen Faches entsprechende Behandlung, nicht aber einen bestimmten Erfolg schuldet (Krückl, Der Anspruch des Patienten auf Einsichtnahme in seine Krankengeschichte, ÖJZ 1983, 281 ff.; insbesondere 283; Lilie, Ärztliche Dokumentation und Informationsrecht des Patienten 140). Der Patient ist nicht Objekt, sondern Subjekt der Behandlung (Lilie aaO 142); im Rahmen des Vertragsverhältnisses stehen sich Arzt und Patient gleichwertig gegenüber (Wachsmuth, Ein falsches Bild vom Patienten und seiner Belastbarkeit, NJW 1982, 682). Da ein Erfolg nicht geschuldet wird, können gewisse für den Werkvertrag bestehende gesetzliche Regelungen, insbesondere Gewährleistungsvorschriften, nicht angewendet werden. Folgerichtig bezeichnet daher die österreichische Rechtsprechung und Lehre Behandlungsverträge als freie Dienstverträge (3 Ob 547/81; Koziol-Welser[6] I 301; Krückl aaO; vgl. Lilie aaO 140). Die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Patienten können nur insoweit den Regeln des Werkvertrages unterstellt werden, als nicht die Behandlung, sondern nur die Herstellung von Befunden Vertragsinhalt ist (JBl. 1964, 514; Lilie aaO 140; zu weitgehend SZ 18/189, in der der Behandlungsvertrag schlechthin als Werkvertrag qualifiziert wird).

Voraussetzung für die Anerkennung eines Einsichtsrechtes des Patienten in die sogenannte ärztliche Dokumentation (Krankengeschichte) einer Krankenanstalt ist die Annahme einer sich gegenüber dem Patienten als Nebenverpflichtung aus dem Behandlungsvertrag ergebenden vertraglichen Verpflichtung des Arztes (der Krankenanstalt), derartige Aufzeichnungen nicht nur in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung und als Gedächtnisstütze, sondern auch im Interesse des Behandelnden zu führen. Dies wird heute entgegen älterer Rechtsprechung (SZ 18/189; vgl. für die Bundesrepublik Deutschland VersR 1963, 168; VersR 1963, 65 ua.) allgemein bejaht. Schon auf Grund von Vorschriften des öffentlichen Rechtes sind Krankenanstalten verpflichtet, Krankengeschichten anzulegen, in denen die Vorgeschichte der Erkrankung (Anamnese), der Zustand des Pfleglings zur Zeit der Aufnahme (status praesens) und der Krankheitsverlauf (decursus morbi) darzustellen sind. Nach § 11 Abs. 1 oö. KAG 1976 sind in die Krankengeschichten ua. der Todestag und die Todesursache einzutragen, gegebenenfalls ist eine Abschrift der Obduktionsniederschrift beizugeben. Nach § 11 Abs. 2 oö. KAG hat die Verwahrung der Krankengeschichten während der Behandlungsdauer derart zu erfolgen, daß die Kenntnisnahme ihres Inhalts durch den Pflegling und eine sonstige ungehörige Kenntnisnahme ihres Inhalts verläßlich verhindert wird; nach ihrem Abschluß sind Krankengeschichten mindestens 30 Jahre aufzubewahren. § 11 Abs. 3 oö. KAG regelt, welchen öffentlichen Stellen (ua. Gerichten, Verwaltungsbehörden und Sozialversicherungsträgern) im öffentlichen Interesse Abschriften von Krankengeschichten kostenlos zu übermitteln sind. Wie sich aus der Regierungsvorlage zum KAG, BGBl. 1957/1 (164 BlgNR 8. GP 7), ergibt, sind die Vorschriften über die Anlegung, Führung und Übermittlung von Krankengeschichten aus öffentlich-rechtlichen Gründen erlassen worden. Die Vorschrift über die Verpflichtung, Krankengeschichten zu führen, wird als eine der bedeutendsten sanitären Vorschriften des Krankenanstaltengesetzes angesehen. Schon die Verpflichtung, sich mit dem einzelnen Krankheitsfall so eingehend befassen zu müssen, ist für den behandelnden Arzt mit einer genauen Überlegung der sich im Einzelfall ergebenden ärztlichen Maßnahmen im Interesse des Kranken verbunden. Daraus ergebe sich auch für den Arzt selbst eine wesentliche Erweiterung seiner Kenntnisse, da er aus dem Vergleich der Behandlung gleicher Fälle und der Ergebnisse wertvolle Erfahrungen ziehen könne.

Der öffentlich-rechtliche Charakter der Vorschriften des KAG verbietet Schlußfolgerungen jeder Art für den privatrechtlichen Bereich des Behandlungsvertrages. Ob der behandelnde Arzt oder die Krankenanstalt

ur Führung einer ärztlichen Dokumentation (einer Krankengeschichte) aus dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag verpflichtet sei, läßt sich den Krankenanstaltengesetzen nicht entnehmen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich aber aus dem Wesen des Behandlungsvertrages. Der Behandlungsvertrag verpflichtet den Arzt ua. auch zur Information und Aufklärung des Patienten. Diesem Erfordernis kann der Arzt nur nachkommen, wenn er über Diagnose und Behandlung sowie deren Ergebnisse Aufzeichnungen führt (Stellamor, Ärztliche Berufsordnung 64). Auch für die geschuldete Behandlung selbst sind Aufzeichnungen unbedingt erforderlich. Ohne schriftliche Fixierung der bisherigen Behandlung wäre für den Arzt nicht mehr überschaubar, welche weitere Therapie er für den Patienten anordnen soll. Diese Erwägungen kommen umso mehr zum Tragen, wenn, wie im Krankenhaus, die Behandlung regelmäßig durch ein Team von Ärzten erfolgt. Um eine sachgerechte Behandlung zu gewährleisten, ist der Arzt daher auf die Aufzeichnung der bisherigen Behandlung und deren Ergebnisse sowie deren Aufbewahrung geradezu angewiesen (Daniels,

Die Ansprüche des Patienten hinsichtlich der Krankenunterlagen des Arztes, NJW 1976, 345 ff.; insbesondere 348; Hohloch, Ärztliche Dokumentation und Patientenvertrauen, NJW 1982, 2577, 2580; Lilie aaO 141). Kann aber die sachgerechte Behandlung und die geschuldete Information und Auskunft nur erfolgen, wenn solche Aufzeichnungen geführt werden, muß die Führung solcher Aufzeichnungen dem Patienten in seinem Interesse schon im Rahmen der ordnungsgemäßen Erfüllung des abgeschlossenen Behandlungsvertrages als geschuldet gelten (Gaisbauer, Österreichische Krankenhauszeitung-ÖKZ 1982, 526; Krückl aaO 281, 284, 287; Hohloch aaO; Daniels aaO; Lilie aaO 156; Stürner, Entwicklungstendenzen des zivilprozessualen Beweisrechts und Arzthaftungsprozeß, NJW 1979, 1225, 1228; Söllner in Münchener Kommentar Rdz. 57 zu § 611 BGB; Daniels aaO 348). Diese Erwägungen führten dazu, daß der deutsche Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung BGHZ 72, 132, 137 die Führung ordnungsgemäßer Krankenunterlagen als eine dem Arzt auch dem Patienten gegenüber obliegende Pflicht anerkannte. An dieser Rechtsansicht hielt er in der Folge fest (BGHZ 85, 327, 329; NJW 1983, 26, 27 ff.). Der erkennende Senat schließt sich der Ansicht an, daß die Verpflichtung zur Führung ärztlicher Aufzeichnungen sich nicht nur aus Vorschriften des öffentlichen Rechts bzw. Standesrechts ergibt, sondern auch Bestandteil des zwischen dem Patienten und dem Arzt abgeschlossenen Behandlungsvertrages ist.

Das besagt aber noch nicht, daß dem Patienten über die vor der Behandlung zu gebende Aufklärung hinaus ein vertragliches Einsichtsrecht in diese Dokumentation (nach Abschluß der Behandlung) zustehe. In der bereits zitierten Entscheidung SZ 18/189 führte der OGH aus, daß sich ein solcher privatrechtlicher Anspruch weder aus den Vorschriften des Krankenanstaltengesetzes noch aus dem Wesen des zwischen dem behandelten Kranken und dem behandelnden Arzt bestehenden Werkvertrages ableiten ließe. Das Wesen dieses Vertrages bestehe nur darin, daß der Arzt den Kranken zu behandeln habe. In seiner Entscheidung JBl. 1964, 515 anerkannte der OGH hingegen, daß der behandelnde Arzt auf Grund des abgeschlossenen Werkvertrages verpflichtet sei, dem Patienten den Befund im weitesten Sinn mitzuteilen und demnach alle Unterlagen auszufolgen, die Grundlage der Feststellung des Krankheitsbildes gewesen seien. Der OGH wies daher die Honorarklage eines Arztes, der dem Patienten ein EKG nicht ausgefolgt hatte, mangels Fälligkeit ab. Stellamor aaO pflichtete dieser Entscheidung mit der Einschränkung bei, daß die Herausgabe von ärztlichen Aufzeichnungen nur für Untersuchungsergebnisse wie Röntgenaufnahmen und dgl. geboten sei. Für andere Aufzeichnungen, die nur als Gedächtnisstütze des Arztes anzusehen seien, werde man eine direkte Herausgabepflicht verneinen, eine Pflicht zur Mitteilung ihres Inhaltes aber bejahen müssen. Radner-Haslinger-Reinberg, Krankenanstaltenrecht 171, vertreten die Ansicht, daß sich die Verpflichtung zur Ausfolgung von Abschriften an Rechtsvertreter von Patienten gegebenenfalls aus Art. XLIII EGZPO und den §§ 303 ff. ZPO ergeben könne. Gaisbauer aaO 527 leitet ein umfassendes Einsichtsrecht des Patienten in die Dokumentation (Krankengeschichte) aus dem Auskunftsanspruch des Patienten ab. Nur durch die Einsichtnahme sei praktisch eine umfassende und lückenlose Aufklärung möglich. Das rechtliche Interesse des Patienten an der Einsichtnahme ergebe sich daher aus dem Anspruch auf eine umfassende und erschöpfenden Aufklärung über Diagnose und Therapie im Rahmen des Behandlungsvertrages; dieser Anspruch würde ausgehöhlt, wenn dem Arzt bei bloßer Auskunftserteilung die Möglichkeit eingeräumt wäre, die Einsicht zu verweigern und den Auskunftsanspruch auf bestimmte Tatsachen seiner Wahl zu beschränken. Krückl aaO 283, 287 vertritt gleichfalls die Ansicht, daß das Recht der Einsicht des Patienten in die über ihn geführte Krankengeschichte ein vertraglicher Nebenanspruch des Behandlungsvertrages sei. Zur Durchsetzung des subjektiven Rechts auf Dokumentation sei die Einräumung eines Einsichtsrechtes als Reflexrechtes notwendig (Krückl aaO 284).

Der 52. deutsche Juristentag empfahl in seiner V. Abt. (Arztrecht) unter V 4 lit. d nur, daß zu den Fragen der gesetzlichen Dokumentation, namentlich der Pflicht zur Dokumentation, der Aufbewahrungspflicht und der Verpflichtung des Arztes, dem Patienten oder einer von ihm genannten Vertrauensperson, dem Prozeßgericht sowie den ärztlichen Gutachtens- und Schiedsstellen die Dokumentation vollständig zugänglich zu machen, gesetzliche Regelungen getroffen werden sollten (NJW 1978, 2194). Während Daniels aaO 348 ein Einsichtsrecht noch auf die der Bestimmung des Art. XLIII EGZPO entsprechende Vorschrift des § 810 BGB stützen wollte, sahen Lilie aaO 143, 147, 152, 154 und Ahrens, NJW 1979, 602, zur Heranziehung dieser gesetzlichen Bestimmung keine Notwendigkeit. Aus dem vertraglichen Dokumentationsanspruch des Patienten und den sich aus dem Behandlungsvertrag ergebenden Informations- und Aufklärungspflichten ergebe sich grundsätzlich ein vertragliches Einsichtsrecht des Patienten. Mehrere Autoren, die gleichfalls ein aus dem Vertrag abgeleitetes Einsichtsrecht bejahen, nahmen an, daß ein (besonderes) rechtliches Interesse an der Einsicht, etwa zur Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses, bestehen müsse (Gaisbauer aaO 527; Uhlenbruck, NJW 1980, 1340; Stürner aaO 1230; Hohloch aaO 2583). Dieser Betrachtungsweise schlossen sich bald deutsche Land- und Oberlandesgerichte an (NJW 1979, 601 - LG Göttingen mit zustimmender Glosse von Ahrens; NJW 1979, 607 - LG Limburg; NJW 1980, 644 - OLG Bremen mit Glosse von Uhlenbruck NJW 1980, 1339 f.; NJW 1982, 704. OLG Köln). Der Bundesgerichtshof anerkannte in seiner Entscheidung vom , BGHZ 85, 327 ff. mit gewissen Einschränkungen, daß der Patient gegen Arzt und Krankenhaus auch außerhalb eines Rechtsstreites einen Rechtsanspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen habe. Viel spreche dafür, daß den Arzt schon nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine ungeschriebene vertragliche Nebenpflicht treffe, dem Patienten Einsicht in Behandlungsunterlagen insoweit zu gewähren, als dieser daran ein ersichtliches Interesse habe und billigenswerte Gründe für die Verweigerung nicht vorlägen. Der Bundesgerichtshof stützte aber schließlich seine Rechtsansicht darauf, daß sich dieser zusätzliche Vertragsanspruch schon aus dem durch grundrechtliche Wertung geprägten Selbstbestimmungsrecht und der personalen Würde des Patienten ergebe, die es verbiete, ihm im Rahmen der Behandlung die Rolle eines bloßen Objektes zuzuweisen. Aus dieser Sicht erscheine es im Regelfall nicht tragbar, daß dem Patienten gegen seinen ausdrücklichen und ernstlichen Wunsch persönliche Fakten vorenthalten werden, die in seinem Auftrag und in seinem Interesse vom Arzt nur im Rahmen des zwischen dem Patienten und dem Arzt notwendigen besonderen Vertrauensverhältnisses erhoben worden seien und erhoben werden konnten. Anerkannt werde aber die Verweigerung der Einsicht im Fall des sogenannten therapeutischen Privilegs: Es können besondere Fälle gegeben sein, in denen der Arzt dem Patienten aus therapeutischen Gründen gewisse Erkenntnisse vorenthalten dürfe und müsse (vgl. dazu Krückl aaO 286; Lilie aaO 171, 175; Söllner aaO Rdz. 57; Gaisbauer aaO 527). Auch dem Umfang nach sei das Einsichtsrecht zu beschränken. Gerade bei der ärztlichen Tätigkeit sei das persönliche Engagement, das auch zu einem Niederschlag personaler Komponenten in den die Behandlung betreffenden Aufzeichnungen führen könne und in aller Regel führe, kaum wegzudenken. Dies könne zu Eintragungen in den Krankenunterlagen führen, die zwar sachgemäß, aber für die Kenntnisnahme durch den Patienten weder bestimmt noch geeignet seien. Die Krankenunterlagen enthielten vielfach der Sache nach legitime Bekundungen, die nicht nur wegen ihrer zwangsläufig emotionellen Färbung und in ihnen enthaltener subjektiver Wertungen, sondern etwa auch wegen des Hinweises auf später aufgegebene Verdachtsdiagnosen, die zu tilgen indessen ärztlich verfehlt wäre, der Einsicht des Patienten entzogen werden müssen und dürfen. Das Einsichtsrecht sei daher auf Aufzeichnungen über objektive physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen (Medikation, Operation usw.) beschränkt. Der Arzt werde zunächst zu prüfen haben, ob überhaupt ein Anlaß bestehe, dem Patienten nicht die vollständige Einsicht zu gewähren; setze er einen solchen Anlaß und sei eine gütliche Einigung auf einen neutralen Arzt, der die Befugnis haben sollte, die Einsicht des Patienten nach pflichtgemäßen Ermessen zu beschränken, nicht möglich, dann müsse dem Arzt gestattet sein, auf den Ablichtungen nicht unter das Einsichtsrecht fallende Vermerke derart abzudecken, daß die Abdeckung als solche erkennbar bleibe.

Auch für den österreichischen Rechtsbereich ist ein Einsichtsrecht des Patienten in Krankenunterlagen des Arztes bzw. der Krankenanstalt in Aufgabe der zu SZ 18/189 vertretenen Rechtsansicht als eine sich schon aus dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag ergebende Nebenverpflichtung grundsätzlich zu bejahen. Wie der OGH in seiner Entscheidung SZ 55/114 (zustimmend dazu Haslinger ÖKZ 1982, 563 ff.) ausführte, ist der Arzt (vor der Behandlung bzw. vor Durchführung operativer Eingriffe) unter Bedachtnahme auf das Wohl zur Aufklärung seines Patienten verpflichtet. Dient aber die Aufklärung des Patienten vor der Behandlung bzw. der Vornahme eines Eingriffes dazu, dem Patienten, der nicht Objekt, sondern Subjekt der Behandlung ist, auch die frei gewählte Entscheidung, ob er die Behandlung oder den Eingriff zulasse, zu ermöglichen, darf es nicht bei einer bloßen mündlichen Aufklärung verbleiben. Soweit therapeutische Vorbehalte nicht gegeben sind, ist dem Patienten, der vor dem Entschluß, den Eingriff vornehmen zu lassen, mitunter einen weiteren Arzt konsultieren will, Einsicht in das dem Arzt (Krankenhaus) zur Verfügung stehende vollständige Entscheidungsmaterial zu gewähren. Hat aber der Patient grundsätzlich bereits vor seiner Einwilligung in die ärztliche Behandlung das Recht, in die Krankenunterlagen Einsicht zu nehmen, muß ihm zumindest dann, wenn er ein berechtigtes Interesse behauptet, ein solches Einsichtsrecht auch nach Abschluß der Behandlung zustehen. Es ist heute anerkannt, daß der Arzt nach Beendigung der Behandlung dem Patienten Mitteilungen über den Behandlungserfolg zu geben hat (Gaisbauer aaO 526). Auch hier entspricht, wenn dies nicht aus therapeutischen Gründen kontraindiziert wäre, die Einsicht in die Krankenunterlagen dem Recht des Patienten auf mündlich erteilte Aufklärung über seinen gegenwärtigen Zustand. Nur bei Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern wird schon aus therapeutischen Gründen das Einsichtsrecht sehr beschränkt sein müssen (vgl. BGHZ 85, 339, 343 ff.).

Steht dem Patienten aber grundsätzlich ein Einsichtsrecht zu, so bleibt als letzte Frage zu erörtern, ob dieses Einsichtsrecht nach seinem Tod auf die Erben, allenfalls auf seine nahen Angehörigen (der Kläger fällt unter beide Kategorien), übergeht. Therapeutische Gründe der Verweigerung der Einsichtnahme fallen jedenfalls schon ihrer Natur nach weg.

Krückl aaO 284 bezeichnet das Einsichtsrecht des Patienten in seine Krankengeschichte als höchstpersönliches Recht. Es sei nicht jedermanns Sache zu wissen, daß nach dem Ableben die Erben erführen, daß der Verstorbene etwa vor Jahren wegen einer Geisteskrankheit in Behandlung gestanden, daß er alkoholisiert in die Krankenanstalt eingeliefert worden sei oder daß er an einer Geschlechtskrankheit gelitten habe. Eine Durchbrechung erfahre dieser Grundsatz der höchstpersönlichen Natur des Einsichtrechtes, wenn dem Erben, könne er einen Kunstfehler des behandelnden Arztes nachweisen, ein Unterhaltsanspruch nach § 1327 ABGB zustunde. Hier gewinne der Versorgungsanspruch des unterhaltsberechtigten Erben iS einer Güterabwägung Vorrang vor den Anspruch des Verstorbenen auf Geheimhaltung seiner Krankheitsdaten vor der Umwelt. Da der Bundesgerichtshof das Einsichtsrecht des Patienten in erster Linie auf dessen Persönlichkeitsrechte gestützt hatte, fragt Ahrens, Ärztliche Aufzeichnungen und Patienteninformation - Wegmarken des BGH, NJW 1983, 2609 ff.; ob auf Grund des Persönlichkeitsrechtes des Verstorbenen dem Erben ein solches Einsichtsrecht zustehen könne. Ein postmortales Persönlichkeitsrecht sei bisher nur in sehr eingeschränktem Umfang zur Wahrung des Andenkens Verstorbener anerkannt worden; erweitere man dieses Recht, müsse geklärt werden, wer es wahrzunehmen habe. Der angeschnittene Problemkreis lag der Entscheidung des Bundesgerichtshofes , NJW 1983, 2627 ff., zugrunde. Auch dort begehrten die Erben, die gleichzeitig nahe Angehörige des Verstorbenen waren und bereits ein Institut für Kunstfehlerforschung mit der Feststellung der Todesursache beauftragt hatten, die Herausgabe der Krankenunterlagen von einer Krankenanstalt zur Einsicht. Der Bundesgerichtshof führte aus, seine Vorentscheidungen BGHZ 85, 327 und BGHZ 85, 339 könnten nicht dahin verstanden werden, daß der sich aus dem Behandlungsvertrag ergebende Einsichtsanspruch im vollen Umfang ein höchstpersönlicher sei, der weder unter Lebenden noch von Todes wegen ganz oder auch nur teilweise auf andere übergehen könne. Der vertragliche Nebenanspruch dürfe auch legitimen wirtschaftlichen Belangen dienstbar gemacht werden; jedenfalls insoweit habe der Einsichtsanspruch eine vermögensrechtliche Komponente, sodaß sein Übergang auf die Erben in Frage käme. Die wesentliche Rechtsproblematik ergebe sich aus dem Rechtsinstitut der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht. Die Schweigepflicht könne nur durch Entbindung durch den Geheimhaltungsberechtigten, also regelmäßig des Patienten, gelöst werden. Die Pflicht des Arztes zur Verschwiegenheit gelte grundsätzlich auch im Verhältnis zu nahen Angehörigen des Patienten. Sie dürfe ihnen gegenüber nur ausnahmsweise und nur im vermuteten Einverständnis des Patienten gebrochen werden. Dabei müsse sich der Arzt die Überzeugung verschafft haben, daß der Patient vor diesen Angehörigen insoweit keine Geheimnisse haben wolle bzw. hätte haben wollen. Die Schweigepflicht des Arztes gelte auch über den Tod des Patienten hinaus. Das bedeute, daß der Arzt auch nahen Angehörigen die Kenntnisnahme von Krankenunterlagen verweigern könne und müsse, soweit er sich bei gewissenhafter Prüfung seiner gegenüber dem Verstorbenen fortwirkenden Verschwiegenheitspflicht an der Preisgabe gehindert sehe. Das könne grundsätzlich auch gelten, soweit ein Einsichtsrecht, das zunächst dem Verstorbenen zugestanden sei, wegen seiner vermögensrechtlichen Komponente an sich dem Erben zugefallen sei. Dem Erben könne daher ein Einsichtsrecht nur zustehen, soweit dies nicht dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen des verstorbenen Patienten widerspreche. Das Problem lasse sich jedoch nicht dahin lösen, daß, soweit eine positive Willensäußerung des Verstorbenen nicht feststehe, der Arzt den Erben bzw. Angehörigen die Einsicht in die Unterlagen immer versagen dürfe und müsse. Ausgangspunkt der Beurteilung müsse vielmehr das gegebenenfalls in gewissem Umfang auch übergangsfähige vertragliche Einsichtsrecht des Patienten bleiben. Angehörigen könnte auch ein Recht zur Wahrung nachwirkender Persönlichkeitsbelange des Verstorbenen zukommen; deshalb käme auch die treuhänderische Nachfolge der Angehörigen in Auskunftsansprüchen selbst außerhalb des Vermögensbereiches in Frage. Soweit von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht her aber ernstliche Bedenken gegen eine Einsicht von Erben oder Hinterbliebenen bestunden, käme der Wahrung des Arztgeheimnisses der Vorrang zu. Der Arzt werde gewissenhaft zu prüfen haben, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Verstorbene die ganze oder teilweise Offenlegung der Krankenunterlagen gegenüber seinen Hinterbliebenen bzw. Erben mutmaßlich mißbilligt hätte. Bei der Erforschung dieses mutmaßlichen Willens werde auch das Anliegen der einsichtsbegehrenden Person (Geltendmachung von Ansprüchen, Wahrung nachwirkender Persönlichkeitsbelange des Verstorbenen) eine entscheidende Rolle spielen müssen. Der Arzt müsse sich aber bewußt sein, daß er die Einsicht nur verweigern dürfe, wenn gegen sie von seiner Schweigepflicht her zumindest vertretbare Bedenken bestehen können. Sachfremde, weil nicht von der erkennbar gewordenen oder zu vermutenden Willensrichtung des Patienten gedeckte Verweigerungsgrunde seien unzulässig. Dem Arzt müsse die Darlegung zugemutet werden, daß und unter welchen allgemeinen Gesichtspunkten er sich durch die Schweigepflicht an der Offenlegung der Unterlagen gehindert sehe. Dieser Auffassung ist auch für den österreichischen Rechtsbereich grundsätzlich beizupflichten.

Zur Frage der Abwägung einer möglichen Kollision von Persönlichkeitsrechten des Verstorbenen und Verschwiegenheitspflichten des Arztes einerseits und berechtigten Anliegen der Erben andererseits hat der erkennende Senat erwogen:

Aus § 16 ABGB und einer Reihe von aus der gesamten Rechtsordnung sich ergebenden Grundwertungen (vgl. Art. 8 MRK, § 7 MedienG, § 1 DSG, § 77 UrhG,§§ 118 ff. StGB und den verschiedenen ausdrücklich normierten Verschwiegenheitspflichten) ist das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereiches abzuleiten (SZ 51/146; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] II 14; Aicher in Rummel, ABGB, Rdz. 24 zu § 16; Edlbacher, Der Stand der Persönlichkeitsrechte in Österreich, ÖJZ 1983, 425). Persönlichkeitsrechte haben insgesamt den Zweck, die freie Entfaltung der Persönlichkeit möglichst weitgehend zu gewährleisten. Dieses Ziel kann nur verwirklicht werden, wenn auch nach dem Tod ein gewisser Schutz bestehen bleibt. Dies gilt insbesondere für den Schutz der Ehre und der Privatsphäre des Verstorbenen (Koziol aaO 16; Raschauer, Namensrecht 272; zu eingeschränkt die Ansicht Aichers aaO Rdz. 28, daß nur die Persönlichkeitsrechte der Angehörigen, in deren Andenken der Verstorbene fortlebt, geschützt werden). Gerade der vorliegende Fall läßt es möglich erscheinen, daß der Verstorbene einem Geheimnisträger Umstände anvertraut haben kann, die er gerade auch seinen Erben oder nahen Angehörigen nicht geoffenbart wissen wollte (Koziol aaO 17). Nahe Angehörige sind nur befugt, die Rechte des Verstorbenen wahrzunehmen (so § 117 Abs. 3 StGB; Koziol aaO 17). Ihnen und den Erben kann insoweit, als die Wahrung der Geheimsphäre gerade ihnen gegenüber erfolgen sollte, ein Verzicht darauf nicht zustehen.

Dies kann aber nicht dazu führen, daß der beklagte Arzt (Krankenhausträger) unter Berufung auf Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht schlechthin die Einsichtnahme durch Erben oder nahe Angehörige verweigern darf. Der Krankenhausträger hat vielmehr das Begehren eines Erben (nahen Angehörigen) auf Einsichtnahme in die Krankengeschichte - sollte nicht eine positive Willensäußerung des Verstorbenen vorliegen - dahin zu prüfen, ob eine mutmaßliche Einwilligung des Verstorbenen zur Offenlegung demgegenüber, der die Einsicht begehrt, anzunehmen ist. Glaubt er dies verneinen zu müssen, hat er seine Gründe allgemein in einer Weise, die nicht zur Aufdeckung des Geheimnisses führt, dem Gerichte darzulegen. Die endgültige Beurteilung im Tatsachenbereich, ob eine mutmaßliche Zustimmung des Verstorbenen zur Offenlegung anzunehmen ist, kann aber nicht einer für das Gericht unüberprüfbaren Beurteilung durch die Prozeßpartei selbst und damit ihrer nicht nur wegen der auf Prozeßgewinn gerichteten Interessenlage unvermeidbar subjektiven Sicht anvertraut sein. Ist eine Einigung der Parteien auf einen zur Geheimhaltung verpflichteten Arzt des beiderseitigen Vertrauens, der die allgemein gehaltenen Einwände an Hand der konkreten Eintragungen in die Krankenunterlagen überprüft, nicht möglich, hat das Gericht einen Sachverständigen, der unter erweiterter Verschwiegenheit steht und auf dessen Bestellung beide Parteien im Verfahren Einfluß haben, zu bestellen. Dieser Sachverständige hat die im Tatsachenbereich liegenden, von der beklagten Partei nur allgemein geltend gemachten Umstände an Hand der nur ihm offenzulegenden Dokumentation zu prüfen und ohne Bekanntgabe von Details sein Gutachten darüber zu erstatten, ob vom ärztlichen Gesichtspunkt aus die Weigerung der beklagten Partei, in die Dokumentation Einsicht zu gewähren, auf Grund der fortwirkenden Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen berechtigt ist. Für den Fall, daß in Wahrung solcher Rechte die Einsicht teilweise verweigert werden darf und muß, sind in den herzustellenden Ablichtungen solche Auslassungen, wie schon der deutsche Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung BGHZ 85, 327, 338 f. ausführte, durch entsprechende Abdeckungen kenntlich zu machen.

Diese Rechtslage führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen. Im fortgesetzten Verfahren wird der Kläger darzulegen haben, inwiefern er ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Krankengeschichte seiner Mutter, soweit sie sich auf den Zeitraum vor dem Unfall seiner Mutter bezieht, zu haben behauptet; ohne berechtigtes Interesse an der Einsicht stunde ihm ein Recht auf Ausfolgung von Kopien der Krankengeschichte nicht zu. Anderenfalls ist mit der beklagten Partei zu erörtern, ob sie Umstände, die die Unfallsheilbehandlung der verstorbenen Mutter des Klägers betreffen, und fortbestehende Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen gerade dem Kläger gegenüber verletzen könnten, geltend machen kann. Gegebenenfalls ist dann im oben aufgezeigten Sinn vorzugehen.