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OGH vom 07.07.1954, 1Ob548/54

OGH vom 07.07.1954, 1Ob548/54

Norm

ABGB § 1346;

ABGB § 1358;

ABGB § 1438;

ABGB § 1439;

Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung § 72;

Kopf

SZ 27/195

Spruch

Die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des Bürgen gibt diesem nicht das Recht, die Zahlung einer Schuld zu verweigern, gegen welche er seinen allfälligen Regreßanspruch aufrechnen könnte.

Die bloße Tatsache, daß die anderen Gesellschafter einer GesmbH. ihre Nachschüsse noch nicht geleistet haben, rechtfertigt nicht eine Weigerung zur Bezahlung des Nachschusses. Ein aufschiebend bedingtes Recht eignet sich nicht zur Kompensation.

Entscheidung vom , 1 Ob 548/54.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Gesellschafter der klagenden Partei, einer GesmbH., sind der Beklagte mit einem Anteil von 30%, Dr. Michael Th., mit 10%, Franz P. mit 55% und Gottfried Sch. mit 5%. Die Stammeinlage des Beklagten beträgt 18.000 S.

Zwischen der protokollierten Firma, Technische Großhandlung Ernst H. OHG., Alleininhaber der Beklagte, und der klagenden Partei bestand überdies ein Verrechnungsverhältnis, das am einen Saldo zugunsten der klagenden Partei aufwies, der 82.779.59 S betrug.

Die klagende Partei arbeitet mindestens seit mit Kredit in der Höhe von mindestens 100.000 S, ist zur Bezahlung von Debetzinsen in der Höhe von mindestens 9% verpflichtet und wird mit diesem Zinssatz belastet.

Die klagende Partei begehrt Zahlung des auf 81.860.10 S eingeschränkten Verrechnungssaldos s. A. und Zahlung eines weiteren Betrages von 18.000 S s. A. aus dem Titel der im Gesellschaftsvertrag festgelegten 100%igen Nachschußpflicht.

Der Beklagte gab zu, daß er rechnungsmäßig den Saldobetrag schulden würde, wendete jedoch Mangel der Fälligkeit und Gegenforderungen ein. Hinsichtlich des Begehrens auf Zahlung von 18.000 S sprach er sich gegen die Klagserweiterung aus, erklärte sich auf diese nicht einzulassen und brachte sachlich vor, daß die Nachschußpflicht noch nicht bestehe, weil auch die anderen Gesellschafter dieser Pflicht nicht nachgekommen seien.

Das Erstgericht wies den Antrag des Beklagten auf Fällung eines Verzichtsurteiles gegen die ursprüngliche erstbeklagte Partei zurück, ließ die Klagserweiterung zu und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 65.391.71 S s. 9% Zinsen und von 18.000 S s. A. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

In der Höhe des abgewiesenen Betrages stehe dem Beklagten ein Anspruch auf Entlohnung als Geschäftsführer zu. Die weitere Gegenforderung aus dem Titel des Anspruches auf Gewinn für das Jahr 1952 sei noch nicht existent, weil hiezu ein Beschluß der Generalversammlung erforderlich sei. Unbegrundet sei auch die Einwendung, der Beklagte sei zur Zahlung des Saldos erst verpflichtet, wenn er aus der Haftung für den von der klagenden Gesellschaft bei der V.-Bank aufgenommenen Kredit befreit sei. Solange der Beklagte nicht aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden sei, könne er Aufrechnung nicht geltend machen. Das Begehren auf Zahlung des Betrages von 18.000 S sei begrundet, weil im Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit der Einforderung eines 100%igen Nachschusses vereinbart und bei der Generalversammlung am auch ein diesbezüglicher Beschluß gefaßt worden sei.

Den Rekursen des Beklagten gegen die Abweisung des Antrages auf Fällung eines Verzichtsurteiles und gegen die Zulassung der Klagserweiterung, sowie seiner Berufung gegen den stattgebenden Teil des Ersturteiles wurde nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht schloß sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge richtet sich gegen folgende Punkte:

1. Zuspruch der Saldoforderung von 65.391.71 S 2. Zuspruch von 9% Zinsen, 3. Zuspruch der Nachschußforderung von 18.000 S 4. Nichtberücksichtigung der Gegenforderung aus dem Titel des Anspruches auf Reingewinn für das Jahr 1952.

Diesbezüglich wird Mangel der Fälligkeit geltend gemacht und mit der Bestimmung des § 1295 Abs. 2 ABGB. begrundet. Es sei unstatthaft, daß der Hauptschuldner vom Bürgen die Zahlung einer Schuld begehre, welche dessen einzige Sicherheit darstelle, falls er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werde.

Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Die in der Revison angeführte Gesetzesbestimmung beinhaltet das Verbot der Schikane. Diese wäre gegeben, wenn die klagende Partei die Zahlung der Schuld nur deshalb verlangte, um den Beklagten zu schädigen. Eine derartige Absicht kann keineswegs daraus erschlossen werden, daß dem Beklagten durch Bezahlung der Schuld eine Sicherstellung für seinen allfälligen künftigen Regreßanspruch verloren geht. Denn die klagende Partei kann zur Wahrung ihres Vorteiles ein Recht auch dann ausüben, wenn dies für den Gegner von wirtschaftlichem Nachteil ist. Die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des Bürgen gibt diesem aber nicht das Recht, die Zahlung einer Schuld zu verweigern, gegen welche er seinen allfälligen Regreßanspruch aufrechnen könnte.

Weiters beschwert sich der Revisionswerber darüber, daß der Rechtsgrund des eingeklagten Saldos nicht untersucht wurde. Solange dies nicht geschehen sei, sei die Beurteilung nicht möglich, ob und inwieweit die Bestimmung des § 83 Abs. 1 GesmbHG. anzuwenden sei oder nicht. Der Revisionswerber meint damit offenbar die Bestimmung, daß ein Gesellschafter das, was er in gutem Glauben als Gewinn bezogen hat, nicht zurückzuzahlen hat. Eine Behauptung, daß der eingeklagte Saldo ganz oder auch nur teilweise aus solchen Forderungen bestehe, wurde vom Beklagten gar nicht aufgestellt. Von Amts wegen war aber diese Möglichkeit nicht zu untersuchen.

Zu 2.:

Dagegen wird ausgeführt, der Anspruch auf Ersatz von 9%igen Zinsen sei erst begrundet, wenn die klagende Partei den Nachweis der Zahlung der Zinsen erbracht hätte. Es sei rechtlich nicht einzusehen, warum der Beklagte, der Bürge und Zahler ist, schon jetzt verurteilt werden solle, der klagenden Partei jene Zinsen zu bezahlen, welche diese bei der V.-Bank ebenso schuldig sei wie der Beklagte.

Diese Ausführungen halten einer Prüfung nicht stand. Der Anspruch der Klägerin wird darauf gestützt, daß sie infolge der Nichtzahlung der Schuld des Beklagten genötigt sei, mit einem Kredit zu arbeiten und diesen mit 9% zu verzinsen. Der Rechtsgrund des Zinsenbegehrens ist daher der des Schadenersatzes. Dieser ist gegeben. Nach Handelsrecht hat der Gläubiger einer fälligen, nicht bezahlten Schuld Anspruch auf den Ersatz jenes die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden wirklichen Schadens, der aus dem Verschulden des säumigen Schuldners entstanden ist. Es genügt jeder Grad des Verschuldens. Die Beweispflicht, daß der Beklagte an der Erfüllung der vertragsmäßigen Verbindlichkeit ohne Verschulden verhindert worden sei, obliegt gemäß § 1298 ABGB. dem Beklagten (SZ. V/53, Wolff in Klangs Kommentar, 2. Afl., §§ 1333, 1334 ABGB.). Der Beklagte hat eine derartige Behauptung nicht aufgestellt. Daraus ergibt sich zunächst, daß der Beklagte auch über die gesetzlichen Zinsen hinaus haftet.

Es ist aber auch die Ansicht des Revisionswerbers nicht richtig, daß seine Ersatzpflicht erst dann gegeben ist, wenn die klagende Partei die Zinsen faktisch bezahlt hat. Vielmehr genügt es für den Eintritt des Schadens und damit der Ersatzpflicht, wenn die klagende Partei mit diesen Zinsen belastet ist (3 Ob 693/51). Der Umstand, daß die klagende Partei selbst für den Kredit haftet, hindert nicht den Anspruch auf Ersatz, sondern ist sogar Voraussetzung dafür. Es ist auch nicht richtig, daß der Zuspruch im Widerspruch mit der Bestimmung des § 1358 ABGB. steht. Wie bereits ausgeführt, ist der in Rede stehende Anspruch ein Schadenersatzanspruch und daher nicht an die Voraussetzungen der zitierten Gesetzesbestimmungen gebunden.

Zu 3.:

Die Auslegung der Bestimmung des § 72 Abs. 3 GesmbHG. dahingehend, daß Beklagter mangels Einzahlung der Nachschüsse durch alle Gesellschafter gleichfalls zur Zahlung nicht verpflichtet sei, kann nicht geteilt werden. Die Bestimmung besagt nur, daß ein auf Einforderung von Nachschüssen lautender Gesellschaftsbeschluß immer alle Gesellschafter im Verhältnis ihrer Stammeinlagen heranziehen muß (Pisko, Lehrbuch des österreichischen Handelsrechtes, S. 437). Allerdings kann der Gesellschafter gegen die in der Bevorzugung anderer Gesellschafter gelegene eigene Benachteiligung unter gewissen Voraussetzungen vorgehen und sogar die Einzahlung verweigern (Scholz, Kommentar zum deutschen GesmbHGesetz, § 26 Anm. 9, 10 und § 28 Anm. 6). Die bloße Tatsache, daß die anderen Gesellschafter ihre Nachschüsse noch nicht geleistet haben, bildet aber an sich keinen Grund zur Annahme einer Benachteiligung des Beklagten und rechtfertigt daher auch nicht seine Weigerung zur Bezahlung des Nachschusses.

Zu 4.:

Hinsichtlich der Frage der Aufrechenbarkeit des Anspruches des Beklagten auf Gewinnbeteiligung ist folgendes auszuführen:

Grundsätzlich hat jeder Gesellschafter eine abstrakte Anwartschaft auf Gewinnbeteiligung. Nach Abschluß des Geschäftsjahres entsteht ein mit dem Geschäftsanteil jedes Gesellschafters verbundenes bedingtes Gewinnbezugsrecht. Dieses wandelt sich zu einem unbedingt durch den Gewinnverteilungsbeschluß der Gesellschafter (Scholz, a. a. O. § 29). Bis zum Gewinnverteilungsbeschluß ist also das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters aufschiebend bedingt durch das Entstehen von Gewinn, durch Bilanzfeststellung und durch den Gesellschafterbeschluß auf Ausschüttung des Gewinnes. Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall nicht er füllt. Ein aufschiebend bedingtes Recht eignet sich aber nicht zur Kompensation. (Gschnitzer in Klangs Kommentar zum ABGB. 2. Aufl. zu § 1439, GlUNF 6090, SZ. XII/187).