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OGH vom 29.06.2015, 6Ob40/15y

OGH vom 29.06.2015, 6Ob40/15y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin H***** E*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. M***** P*****, gegen die Antragsgegnerin V***** G*****, vertreten durch Mag. Werner Prettenthaler, Rechtsanwalt in Bärnbach, wegen Benützungsregelung, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 284/13y 34, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Voitsberg vom , GZ 1 Nc 33/11s 30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen .

Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen über Zulassungsvorstellung der Antragstellerin abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es erscheine eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof zur Frage „wünschenswert“, ob die jüngere Rechtsprechung, wonach der Untersuchungsgrundsatz in jenen Verfahren, die nur über Antrag einzuleiten sind, die antragstellende Partei nicht ihrer Verpflichtung enthebt, das Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen für den Antrag zu behaupten (16 Ok 4/03; 1 Ob 186/08x; 5 Ob 108/09g), auch in Verfahren über Benützungsregelungen zu beachten ist.

Die Vorinstanzen haben den verfahrensgegenständlichen Antrag mit der Begründung abgewiesen, eine Aufteilung der Liegenschaft der Parteien entsprechend der beantragten Benützungsregelung sei weder durchführbar noch zweckdienlich. Dies ist im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittig.

1. Der Oberste Gerichtshof hat vor Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes BGBl 111/2003 mehrfach ausgeführt, bei einem Verfahren zur Festsetzung einer Benützungsregelung handle es sich um eine Regelungsstreitigkeit. In einem solchen Fall habe das Gericht ohne Bindung an das im Antrag gestellte Begehren eine billige Lösung für alle Beteiligten zu treffen (5 Ob 109/90). Ein Begehren, das den materiellen Erfordernissen einer Benützungsregelung nicht Rechnung trägt, sei zwar (nur) dann abzuweisen, wenn der Antragsteller jede andere Entscheidung ablehnt. Gerade im Verfahren außer Streitsachen zur Schaffung einer Gebrauchsordnung für die gemeinschaftliche Sache sei dies jedoch nicht von vornherein anzunehmen; die Angabe eines von einer Partei gewünschten Ziels stelle sich als unverbindliche Anregung dar, sodass nur das Beharren des Antragstellers auf seinem nicht sachgerechten Begehren zum Anlass genommen werden könnte, den Antrag abzuweisen. Ob dies der Fall ist, bedürfe in einem Verfahren außer Streitsachen der Erörterung des Gerichts mit den Parteien (5 Ob 47/97s).

2. Die vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen ergingen zwar in Verfahren außer Streitsachen, nicht jedoch in Verfahren zur Festsetzung einer Benützungsregelung. Es erscheint auch fraglich, ob diese Entscheidungen den vom Rekursgericht gezogenen Schluss rechtfertigen, dass das Erstgericht seit Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes in derartigen Verfahren nicht (mehr) verpflichtet sei, „von Amts wegen eine andere Variante einer Benützungsregelung“ zu erheben: In diesem Belang bietet sich nämlich durchaus ein Vergleich mit der zum nachehelichen Aufteilungsverfahren (§§ 81 ff EheG) ergangenen Rechtsprechung an, wonach zwar eine nicht beantragte Rechtsgestaltung nicht gegen den Willen der Parteien vorgenommen werden darf (vgl die Nachweise bei Gitschthaler , Nacheheliche Aufteilung [2009] Rz 425/4), das Aufteilungsgericht aber durchaus auch eine nicht beantragte Rechtsgestaltung vornehmen darf ( Gitschthaler aaO Rz 425/1); diese Rechtsprechung wurde auch nach Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes fortgeschrieben (1 Ob 111/12y).

3. Einer endgültigen Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage bedarf es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht:

Die Antragstellerin hat durchaus zutreffend bereits in ihrem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung geltend gemacht, das Erstgericht habe die das Erstgericht treffende Erörterungs und Entscheidungspflicht (im Sinn der Entscheidungen 5 Ob 109/90 und 5 Ob 47/97s) verletzt. Diesen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens verneinte das Rekursgericht mit der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich. In einem solchen Fall kann ein Mangel aber nicht mehr (erfolgreich) im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0050037, RS0030748, RS0043919); ein Ausnahmefall von dieser Grundregel (vgl zu solchen Ausnahmefällen Schramm in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG [2013] § 66 Rz 22) liegt hier angesichts der ausdrücklichen Verneinung nicht vor. Eine allfällige Falschbeurteilung der verfahrensrechtlichen Vorschriften durch das Rekursgericht kann daher vom Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragsgegnerin hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00040.15Y.0629.000

Fundstelle(n):
WAAAD-61144