OGH vom 11.10.1994, 1Ob540/94

OGH vom 11.10.1994, 1Ob540/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz Peter K*****, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Dr. Helmut Blum und Dr. Georg Lehner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Dkfm. Maria O*****, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wegen Feststellung der Ungültigkeit eines Testaments (Streitwert 100.000 S), infolge I.) Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom , GZ 4 R 155, 156/93-79, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom , GZ 2 Cg 2/93-71, bestätigt wurde, sowie II.) Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 4 R 155, 156/93-79, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom , GZ 2 Cg 2/93-71, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

I.) Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.094,-- (darin 849 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II.) Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Zu AZ A 14/82 des Bezirksgerichtes Eferding ist das Abhandlungsverfahren nach dem am verstorbenen Vater der Streitteile (im folgenden Erblasser) anhängig. In diesem Verfahren sind neben einem am widerrufenen Testamt vom folgende letztwillige Anordnungen des Erblassers kundgemacht worden: Im Testament vom , kundgemacht am , wurden der Kläger als Erbe eingesetzt und für die Beklagte Vermächtnisse angeordnet. Im Testament vom , kundgemacht am , wurden die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt und der Kläger auf den Pflichtteil gesetzt. Im Testament vom , kundgemacht am , wurden die Beklagte als Universalerbin eingesetzt und der Kläger mit einer hier nicht relevanten Begründung enterbt.

Beide Streitteile gaben unbedingte Erbserklärungen ab, die Beklagte zum gesamten Nachlaß auf Grund des Testaments vom , der Kläger zum halben Nachlaß auf Grund des Gesetzes; das Abhandlungsgericht nahm beide Erbserklärungen zu Gericht an und teilte dem Kläger gemäß §§ 125 ff AußStrG die Klägerrolle zu. Im Erbrechtsstreit AZ 1 Cg 425/83 des Kreisgerichtes Wels wurde rechtskräftig festgestellt, daß das Testament vom wegen Testierunfähigkeit des Erblassers ungültig sei (Revisionsentscheidung vom AZ 2 Ob 609/87 (veröffentlicht in JBl 1989, 376 = NZ 1989, 212). Im fortgesetzten Abhandlungsverfahren legte der Kläger dem Gerichtskommissär das Testament vom zur Kundmachung vor, gab nun zum gesamten Nachlaß die unbedingte Erbserklärung ab und wies darauf hin, daß das Testament vom aus den im ersten Erbrechtsstreit genannten Gründen ungültig sei. Die geänderte Erbserklärung wurde angenommen und der Erbrechtsausweis als erbracht angesehen (Revisionsrekursentscheidung vom , 1 Ob 593/89-139, teilweise veröffentlicht in EFSlg 61.640). Das Abhandlungsgericht nahm die von der Beklagten aufgrund des Testaments vom zum gesamten Nachlaß abgegebene Erbserklärung mit Beschluß vom , A 14/82-142, zu Gericht an, wies aufgrund der widersprechenden Erbserklärungen mit Beschluß vom , A 14/82-151, dem Kläger die Klägerrolle zu und trug ihm auf, die Einbringung der Erbrechtsklage binnen vier Wochen nachzuweisen. Das Kreisgericht Wels als Rekursgericht gab mit Beschluß vom , GZ R 296/90-154, dem Rekurs des Klägers nicht Folge, der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom , 1 Ob 1550/90-158, mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Mit seiner am eingebrachten Klage begehrt der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung, „das schriftliche Testament des am verstorbenen Erblassers vom sei ungültig“ (erkennbar gemeint: der Beklagten stehe auf Grund des Testaments vom kein Erbrecht zu), mit dem wesentlichen Vorbringen, der Erblasser sei am testierunfähig gewesen und überdies liege in Ansehung jener letztwilligen Verfügung ein Motivirrtum nach § 572 ABGB vor. Die Beklagte wendet im wesentlichen ein, der Erblasser sei testierfähig gewesen, der Kläger sei nicht aktiv legitimiert und es fehle ihm das Rechtsschutzinteresse. Das Testament vom , auf das sich der Kläger berufe, sei mit Erklärungen des Erblassers vom , und widerrufen worden und daher nicht rechtswirksam.

Im Verfahren stellte die Beklagte (ON 55 AS 311) den Zwischenantrag auf Feststellung, das Testament vom , auf das sich der Kläger berufe, sei infolge rechtswirksamen Widerrufes vom , und rechtsunwirksam geworden.

Das Erstgericht hat I.) mit Beschluß den Zwischenantrag auf Feststellung mangels Präjudizialität zurückgewiesen und II.) mit Urteil dem Klagebegehren stattgegeben, weil der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom auf Grund seiner Erkrankung (unkorrigierbare Wahnfixierung im Rahmen einer bestehenden paranoiden Entwicklung) nicht testierfähig gewesen sei.

Das Gericht zweiter Instanz hat I.) als Rekursgericht den Zurückweisungsbeschluß der ersten Instanz bestätigt, ausgesprochen, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und den ordentlichen Revisionsrekurs zugelassen, weil zur Frage der Zulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrages des Beklagten im Erbrechtsstreit oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle, sowie II.) als Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zugelassen, weil in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung für den Bereich des Erbrechtsstreites bisher die Fragen der Aktivlegitimation des Klägers und seines Feststellungsinteresses nur teilweise behandelt worden seien.

Rechtlich ließ sich die zweite Instanz als Berufungsgericht von folgenden Erwägungen leiten: Der Klagsanspruch sei nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist erst ab rechtskräftiger Zuteilung der Klägerrolle durch das Abhandlungsgericht zu laufen beginne. Im übrigen müsse die Erbrechtsklage als eigentliche Feststellungsklage und nicht als sogenannte materiell-rechtliche Feststellungsklage angesehen werden. Daher sei iS des § 228 ZPO der Nachweis eines in allen Instanzen von Amts wegen zu prüfenden Feststellungsinteresses des Klägers erforderlich. Ein identes Ergebnis folge, wenn man dem Vorbringen der Beklagten folgend darin ein Problem der Aktivlegitimation des Klägers sehe. Im Erbrechtsstreit sei es Sache des Beklagten, die Aktivlegitimation zu widerlegen. Die Frage des späteren Widerrufs des Testaments vom betreffe die materielle Berechtigung des Erbanspruches. Daß die letztwilligen Anordnungen des Erblassers aus den Jahren 1971 und 1972 formungültig gewesen wären sei von beiden Parteien nicht vorgebracht worden. Vielmehr habe die Beklagte die Rechtswirksamkeit des Widerrufs des Testaments vom geltend gemacht, während der Kläger die Wirksamkeit der Testamentswiderrufe wegen Testierunfähigkeit des Erblassers bereits seit 1971, aber auch infolge Motivirrtums des Erblassers bestritten habe. Es sei vom Ergebnis hier gleichbedeutend, ob man nun die vorhandene oder fehlende Testierfähigkeit des Erblassers in den Jahren 1971 und 1972 zwecks Überprüfung eines Feststellungsinteresses oder der Aktivlegitimation des Klägers feststelle. Da hiezu das Erstgericht keine Feststellungen getroffen habe, leide das Ersturteil an einem Feststellungsmangel iS des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO. Die erste Instanz werde ergänzende Urteilsfeststellungen zur Frage zu treffen haben, ob der Erblasser in den Jahren 1971 und 1972 testierfähig gewesen sei oder nicht. Sollte er damals testierfähig gewesen sein, werde auf den weiteren Einwand des Klägers, nämlich das Vorliegen eines Motivirrtums, Bedacht zu nehmen sein.

Zu I.): Der Revisionsrekurs der Beklagten gegen den rekursgerichtlichen Bestätigungsbeschluß ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Wird der Zwischenantrag auf Feststellung zurückgewiesen, so richten sich der Rekurs gegen Beschlüsse des Rekursgerichtes nach §§ 527 f ZPO (Rechberger in Rechberger, Rz 8 zu § 236 ZPO). Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene Beschluß - wie hier - bestätigt wurde, es sei denn, daß die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist. Die Zurückweisung eines Zwischenfeststellungsantrags des Beklagten nach §§ 236, 259 Abs 2 ZPO ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen steht der Klagszurückweisung nicht gleich, weil der Rechtsschutz nicht endgültig verneint wird (RZ 1993/19; Kodek in Rechberger, Rz 3 zu § 528 ZPO; aA 3 Ob 1569/92; 5 Ob 539/91 mwN; Fasching, Lehrbuch2 Rz 2017/1). Daher ist der absolut unzulässige Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

Zu II.): Die Rekurse beider Parteien gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß sind zulässig, aber nicht berechtigt.

a) Die Klage des auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprechers ist nach herrschender Auffassung eine negative Feststellungsklage, ihr Begehren ist auf die Feststellung der Unwirksamkeit des vom Beklagten in Anspruch genommenen Erbrechtstitels zu richten. Eine positive Entscheidung über die Erbberechtigung des Klägers hat nicht zu ergehen (JBl 1992, 587; SZ 62/131 = JBl 1990, 51; JBl 1987, 655; SZ 58/187; SZ 56/180 = JBl 1984, 36 = NZ 1984, 104 ua; Welser in Rummel2 , Rz 24 zu §§ 799 f ABGB;Eccher in Schwimann, Rz 54 zu § 799 ABGB;Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht3 331; Koziol-Welser, Grundriß9 II 393; Fasching III 31).

Fasching (Lehrbuch2 Rz 1104) rechnet die Erbrechtsklage zu jenen Feststellungsklagen, bei denen bereits der materiellrechtliche Tatbestand alle Voraussetzungen des § 288 ZPO erfülle, weshalb bei solchen Klagen das Feststellungsinteresse fast nie fehlen könne und daher auch vom Kläger nicht noch gesondert behauptet werden müsse. Wenn auch prima facie für die Aktivlegitimation des Klägers im Erbrechtsstreit zunächst die Tatsache spricht, daß (auch) seine Erbserklärung zu Gericht angenommen wurde, also jedenfalls der äußeren Form nach eine letztwillige Verfügung zu seinen Gunsten vorliegt (4 Ob 509/87), muß die Aktivlegitimation des Erbrechtsklägers verneint werden, wenn im Verfahren feststeht, daß der Erbrechtstitel, auf den sich der Kläger stützt, unwirksam ist (NZ 1986, 203; SZ 55/143 = JBl 1983, 647 = NZ 1984, 11; 4 Ob 509/87). Dem Erbrechtskläger ist bei Hinfälligkeit seiner eigenen Berufung zum Erben die Anfechtungsbefugnis (SZ 55/143), die Aktivlegitimation (NZ 1986/203) bzw das Feststellungsinteresse (SZ 62/131) abzusprechen. Auch wenn im Erbrechtsstreit keine positive Entscheidung über die Erbberechtigung des Klägers zu ergehen hat, ist doch ein gültiger Erbrechtstitel des Klägers Voraussetzung für eine Stattgebung des Klagebegehrens. Im vorliegenden Fall hat der Kläger, der nach dem Akteninhalt auch gesetzlicher Erbe ist, zuletzt eine Erbserklärung auf Grund des Testamentes vom abgegeben. Dies schließt die Berücksichtigung seines gesetzlichen Erbrechtes noch nicht aus. Wenn auch die Geltendmachung eines bestimmten Berufungsgrunds gemäß § 799 ABGB notwendiger Inhalt jeder Erbserklärung ist, ist doch die Ersetzung eines zunächst geltend gemachten Berufungsgrunds durch einen anderen bis zur Einantwortung - auch noch durch entsprechende Prozeßerklärungen im Erbrechtsstreit (NZ 1984, 192) - zulässig (NZ 1992, 8, NZ 1984, 192; 6 Ob 559/88; Welser aaO Rz 10 zu §§ 799, 800 ABGB;Eccher aaO Rz 26, 57 zu § 799 ABGB). Solche Prozeßerklärungen hat indes der Kläger hier nicht abgegeben, sodaß seine Aktivlegitimation und sein Feststellungsinteresse (§ 228 ZPO) beim derzeitigen Verfahrensstand nicht unabhängig von der allfälligen Unwirksamkeit des ihn begünstigenden Testaments vom bejaht werden kann.

b) Der Verjährungseinwand der Beklagten versagt. Gemäß § 1487 erster Satz ABGB muß das Recht, eine Erklärung des letzten Willens umzustoßen, binnen drei Jahren geltend gemacht werden. Nach Verlauf dieser Zeit ist es verjährt. Diese Frist gilt auch für die Anfechtung aller Formen der letzten Willenserklärung (SZ 53/10 = EvBl 1980/138; Schubert in Rummel2 , Rz 2 zu § 1487 ABGB;Mader in Schwimann, Rz 2 zu § 1487 ABGB;Eccher in Schwimann, Rz 14 zu § 565 ABGB). Nachdem der Verjährungsbeginn umstritten war, erkannte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 64/41 = JBl 1991, 656 mit Anm von Binder = EvBl 1991/147, maßgeblich sei, soferne nicht widerstreitende Erbserklärungen - wie hier - vorliegen, der Zeitpunkt, zu dem klar sei, daß man klagen müsse, um die Erbschaft zu erlangen. Die Klageführung muß sinnvoll sein (so schon SZ 52/58 uva; Schubert aaO Rz 2 zu § 1487 ABGB;Mader in Schwimann, Rz 3 zu § 1487 ABGB). Bei widerstreitenden Erbserklärungen beginnt die Verjährungsfrist jedenfalls nicht vor Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung über die abhandlungsgerichtliche Zuteilung der Klägerrolle für den Erbrechtsstreit zu laufen (SZ 52/58; GlUNF 587; Schubert aaO Rz 2 zu § 1487 ABGB). Da der Kläger noch vor Zustellung des mit datierten letztinstanzlichen Beschlusses über die Zuteilung der Klägerrolle - infolge von Erbserklärungen der beiden Parteien aufgrund der Testamente vom 20. Oktober 19963 und - bereits mit Klage vom das Testament vom angefochten hat und eine Anfechtung dieses Testaments vor Beendigung des Erbrechtsstreits über die Gültigkeit des (späteren) Testaments vom nicht sinnvoll war, hat das Berufungsgericht zu Recht den Verjährungseinwand der Beklagten als nicht gerechtfertigt beurteilt.

c) Die von der Beklagten geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Nichterledigung der Beweis- und Tatsachenrüge zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Fertigung des Testaments vom iS der §§ 565 f ABGB liegt nicht vor. Zuerst muß im fortgesetzten Verfahren erster Instanz die Aktivlegitimation und das Feststellungsinteresse des Klägers geprüft werden, ehe zu beurteilen ist, ob der Beklagten auf Grund des Testaments vom ein Erbrecht zusteht.

d) Letztlich wird der Erstrichter im fortgesetzten Verfahren die Verdeutlichung des Urteilsspruchs mit den Parteien zu erörtern haben.

Beiden Rekursen ist demnach nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt fußt auf § 52 Abs 1 ZPO.