OGH vom 27.05.2015, 6Ob39/15a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sparkasse *****, vertreten durch Dr. Armin Bonner, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, Schweiz, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen 433.512 CHF sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 177/14t 39, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Zwischen der klagenden Bank und einer Stiftung, die ihre behaupteten Schadenersatzansprüche an die Beklagte abgetreten hat, wurde vereinbart, dass die Klägerin berechtigt ist, „die Erlöse und Erträge aus [ einem näher bezeichneten Wertpapier- ]Depot auch anderen Konten als dem Verrechnungskonto gutzuschreiben, wobei die daraus resultierenden Guthaben weiterhin der [ Klägerin ] verpfändet bleiben“. Das Berufungsgericht legte diese Verpfändungserklärung dahin aus, dass jene Beträge, die ursprünglich als Guthaben auf dem Wertpapierdepot vorhanden waren, der Klägerin weiterhin gesichert bleiben. Dem gegenüber meint die Beklagte, das Pfandrecht bestehe nur dann weiter, wenn der Verkaufserlös direkt vom Depot auf ein Konto überwiesen wird, nicht aber bei einer Weiterüberweisung vom (in der Verpfändungserklärung genannten) Verrechnungskonto auf ein (in der Verpfändungserklärung nicht genanntes) Konto.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt Fragen der Vertragsauslegung regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss, entziehen diese sich zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (statt vieler vgl 8 Ob 101/02i).
Eine derartige Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht bei seiner Vertragsauslegung nicht unterlaufen. Die Beklagte greift in ihrer außerordentlichen Revision die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, der klagenden Bank sei das auf dem Wertpapierdepot der Stiftung erliegende Kapital (und nicht die in der Verpfändungserklärung ausdrücklich genannten Depots und Konten) einschließlich aller künftig daraus zu erzielenden Erträge und Erlöse wirksam verpfändet worden, nicht an (vgl 1 Ob 128/09v [auf einem Girokonto erliegendes Guthaben]; 7 Ob 75/98z [Verrechnungskonto]).
Bei der hier vorgenommenen Verpfändung des Kapitals (beziehungsweise der Forderungen der Stiftung gegen die Klägerin) und den der Klägerin eingeräumten Rechten sind die Vorinstanzen vertretbar davon ausgegangen, dass das Pfandrecht nicht nur bei einer direkten Überweisung des Erlöses vom Depot auf ein Konto, sondern auch bei einer Buchung zunächst auf das dem Depot zugeordnete Verrechnungskonto und dann auf ein weiteres Konto aufrecht bleiben sollte. Depot und Konten wurden ja auch bei der Klägerin geführt. Im Übrigen werden worauf sich die Klägerin bereits im Verfahren erster Instanz berufen hat Wertpapiererlöse zunächst immer über das zugeordnete Verrechnungskonto gebucht, weist das Wertpapierdepot doch lediglich den jeweiligen Bestand etwa an Aktien oder sonstigen Wertpapieren auf (vgl 6 Ob 287/08mecolex 2009/223 [ Verweijen ] = iFamZ 2009/212 [ W. Tschugguel ] = EF Z 2010/51 [ Dullinger ]; zur Verknüpfung von Depot und Verrechnungskonto vgl auch 1 Ob 622/94).
Damit kann aber der Auffassung der Beklagten, durch die Verbuchung des Wertpapierverkaufserlöses zunächst auf dem Verrechnungskonto und der mit Zustimmung der Klägerin erfolgten Überweisung auf ein Festgeldkonto sei es zu einer „Rückstellung der Pfandsache ohne Vorbehalt“ an den Pfandbesteller (die Stiftung) und damit zu einem Erlöschen des Pfandrechts gekommen, nicht gefolgt werden. Aufgrund der zwischen der Klägerin und der Stiftung getroffenen Vereinbarung ist hier auch nicht maßgeblich, wann konkret der Verkaufserlös auf dem Verrechnungskonto gutgebucht und sodann auf das Festgeldkonto weitergebucht wurde.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00039.15A.0527.000