OGH vom 29.03.2017, 7Ob43/17z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei A***** M*****, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen Leistungen, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 164/16w26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 20 C 827/14x20, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, auf dessen näher bezeichnetem Grundstück die im Bereich der Grenze zu einem Grundstück des Klägers befindlichen, insgesamt 7 Bäume und Sträucher auf eine Höhe von maximal 2,5 m zu reduzieren. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils nicht Folge und verpflichtete den Beklagten über Berufung des Klägers weiters, sein Grundstück an der Nord- und Westseite mit einem ortsüblichen Zaun zu umgeben und diesen in Hinkunft auf eigene Kosten zu erhalten.
Das Berufungsgericht sprach (nach aufgetragener Ergänzung; vgl 7 Ob 229/16a) aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands jeweils 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein bestimmtes Verhalten des Beklagten (bzw seines Rechtsvorgängers) im Zusammenhang mit der strittigen Zaunerrichtung kein Widersetzen im Sinn des § 1488 ABGB dargestellt habe, solle einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich gemacht werden.
Der Beklagte macht in seiner Revision geltend, die ihm auferlegte Verpflichtung zum Pflanzenrückschnitt beruhe auf einer unzutreffenden Vertragsauslegung, die dem Grundsatz, dass Dienstbarkeiten schonend auszuüben seien, und überdies dem Schikaneverbot widerspreche. Der Verpflichtung zur Zaunerrichtung habe sich sein Rechtsvorgänger im Sinn des § 1488 ABGB widersetzt, weshalb Freiheitsersitzung eingetreten sei.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Wie weit, nämlich über welche Breite, die Verpflichtung zum Pflanzenrückschnitt „entlang“ der Grundstücksgrenze reicht, ist eine Frage der Vertragsauslegung nach den Grundsätzen der §§ 914 f ABGB. Diese Beurteilung würde nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellen, wenn in wesentlicher Verkennung der Auslegungsgrundsätze ein unvertretbares, aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt wurde (1 Ob 20/07h = RIS-Justiz RS0044298 [T51]; RS0107573 [T4]), was etwa dann der Fall ist, wenn die Interpretation mit Sprachregeln, allgemeinen Erkenntnissätzen oder gesetzlichen Auslegungsregeln in (unversöhnlichem) Widerspruch stünde (10 Ob 27/06b mwN; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 86). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, steht doch fest, dass Pflanzen, die 2,5 m hoch sind, Auswirkungen auf einen umliegenden Streifen bis 2,5 m haben. Ein höherer Pflanzenbewuchs wirkt demnach zwangsläufig auf den Bereich jenseits der Grenze und kann durch die vom Erstgericht beschriebenen negativen Einflüsse die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks des Klägers beeinträchtigen. Die Verpflichtung zum Pflanzenrückschnitt steht mit dem erkennbaren Vertragszweck in Einklang, beruht auf keinem unvertretbaren Auslegungsergebnis und auch ein Verstoß gegen das Schikaneverbot ist nicht zu erkennen.
2.1. Versteht man die Verpflichtung zur Zaunerrichtung als Reallast, dann stellt sich die Zulassungsfrage nicht, weil § 1488 ABGB für Reallasten nach hA nicht gilt (vgl 6 Ob 85/00v; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03§ 1488 Rz 4; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek,ABGB4§ 1488 Rz 2; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch – Klang3§ 1488 ABGB Rz 4; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3§ 1488 Rz 1; Perner in Schwimann, ABGB-TaKom³ § 1488 Rz 1), sondern die Verjährung nach § 1479 ABGB zu beurteilen wäre (vgl 3 Ob 168/02f).
2.2. Wollte man dagegen – wie die Vor-
instanzen – das Vorliegen einer Servitut annehmen, dann ist die Frage nach einem Widersetzen des Berechtigten im Sinn des § 1488 ABGB regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS-Justiz RS0034241 [T6]). Die sogenannte Freiheitsersitzung setzt voraus, dass sich der Verpflichtete fortwährend der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt und der Berechtigte deshalb deren Ausübung drei Jahre lang, ohne richterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, tatsächlich unterlassen hat. Dazu ist es erforderlich, dass der Belastete ein Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder beeinträchtigt (RIS-Justiz RS0037141). Hier hat der Rechtsvorgänger des Beklagten einerseits den Zaun deshalb entfernt, weil er schadhaft geworden war, andererseits die Elemente des anderen Zauns nicht wieder eingehängt. Das Unterlassen der Zaunerrichtung ist ein bloß passives Verhalten. Wenn das Berufungsgericht darin keine Widersetzlichkeit erkannte, handelt es sich im Lichte der zuvor wiedergegebenen Rechtsprechungsgrundsätze um keine korrekturbedürftige Einzelfallbeurteilung.
3. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO; der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00043.17Z.0329.000 |
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Fundstelle(n):
MAAAD-60453