OGH 17.01.2012, 5Ob246/11d
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Mag. E***** G*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer, Mag. Stefan Ganahl, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Gesamtstreitwert 91.500 EUR) über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 101/11d-26, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gegenstand der außerordentlichen Revision ist allein die Frage, ob dem Kläger als Kunden eines Anlageberaters ein Mitverschulden anzulasten ist, weil er schriftliche Risikohinweise nicht oder nicht aufmerksam gelesen hat. Damit spricht der Kläger keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO an.
2. Es ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs anerkannt, dass bei unrichtiger Anlageberatung auch ein Mitverschulden des Kunden in Betracht kommen kann, das die Schadenersatzpflicht des Anlageberaters mindert (RIS-Justiz RS0102779, zuletzt etwa 5 Ob 35/11z). Dazu wurde bereits ausgesprochen, dass sich ein Kunde als Mitverschulden anrechnen lassen muss, wenn er Informationsmaterial nicht beachtet oder Risikohinweise nicht gelesen hat (9 Ob 128/06y; 8 Ob 132/10k; RIS-Justiz RS0102779 [T7]). Ein Anleger handelt auch sorglos in eigenen Angelegenheiten, wenn er irreal hohe Gewinnversprechen nicht hinterfragt (RIS-Justiz RS0078931 [T6]).
3. Die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne dass ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorläge, sowie das Ausmaß des Mitverschuldens des Geschädigten stellen wegen ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0087606). Bei der Verschuldensabwägung geht es um die Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit, die gerade im Zusammenhang mit der Anlageberatung nicht losgelöst vom Wissensstand und den (intellektuellen) Fähigkeiten des einzelnen Geschädigten beantwortet werden kann (vlg RIS-Justiz RS0022681 [T8]). Maßgeblich sind damit immer die konkreten Umstände des Einzelfalls, sodass die für die Zulässigkeit der Revision erforderliche Erheblichkeit einer Rechtsfrage auch nicht damit begründet werden kann, dass ein bestimmtes Anlageprodukt Gegenstand einer Vielzahl von Gerichtsverfahren sei. Ist ausschließlich auf das Mitverschulden des Kunden abzustellen, ist es für die Zulässigkeit der Revision auch unerheblich, dass das konkrete Anlageprodukt selbst noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sein mag.
4. Der Kläger unterfertigte die verfahrensgegenständlichen Zeichnungsscheine nach den Feststellungen, ohne die ihm vorgelegten, konkrete Risikohinweise enthaltenden Informationsblätter zur kreditfinanzierten Rentenversicherung durchgelesen zu haben „in Bausch und Bogen“. Darin wurde auch für einen Laien verständlich auf die möglichen Finanzierungslücken und den Umstand, dass die Berechnungen auf Prognosen (Schätzungen) basieren würden und daher „unverbindlich“ seien, hingewiesen. Soweit der Kläger nunmehr darauf verweist, dass er auf die Auskünfte des Anlageberaters vertrauen habe dürfen und in diesem Zusammenhang Feststellungen zum bestehenden Vertrauensverhältnis vermisst, übersieht er, dass auch die Informationen des Anlageberaters, wenn von diesem auch als gering eingestuft, Hinweise auf Währungs- und Zinsrisiken enthielten. Damit bestand für den Kläger jedenfalls Anlass, näher zu hinterfragen, ob das gewählte Modell, das ihm ohne jede Eigenleistung eine garantierte Rente in nicht unbeträchtlicher Höhe sichern sollte, tatsächlich die von ihm gewünschte sichere, risikolose Anlage darstellte. Es begründet daher eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten (§ 1304 ABGB), wenn der Kläger ungeachtet solcher Hinweise die zur Verfügung gestellten Informationsblätter nicht beachtete. Jedenfalls liegt keine korrekturbedürftige Entscheidung im Einzelfall vor, wenn das Berufungsgericht in einer Gesamtabwägung zu einem Mitverschulden des Klägers gelangte, wobei die Revisionsausführungen die vom Berufungsgericht konkrete gefundene Verschuldensaufteilung nicht angreifen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2012:0050OB00246.11D.0117.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAD-60306