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OGH 19.12.1986, 6Ob647/84

OGH 19.12.1986, 6Ob647/84

Entscheidungsart: Verstärkter Senat

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in den gemeinsam geführten Rechtssachen der Enteigneten 1) Josef Anton E*, und 2) Olga E* (1 Nc 6/82), 3) Anton V*, und 4) Margit V* (1 Nc 7/82), und 5) Georg H* (1 Nc 8/82), alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Enteigner Land Vorarlberg, vertreten durch das Landesstraßenbauamt Feldkirch, Feldkirch, Widnau 12, wegen Feststellung der Enteignungsentschädigung nach § 47 VbgStrG, infolge des Revisionsrekurses des Landes Vorarlberg gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ R 397-399/84-38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 1 Nc 6/82-28, in Ansehung der vom Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg betroffenen Teilbeträge bestätigt wurde,

I.

durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Schobel und Dr. Schlosser als weitere Richter am in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Hinsichtlich der Entscheidung über den Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 1 OGHG vor, weshalb zur Entscheidung über diesen Revisionsrekurs ein verstärkter Senat berufen ist.

II.

durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Flick, Hon.-Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna, Hon.-Prof. Dr. Griehsler, Dr. Schobel und Dr. Schlosser als weitere Richter am in nichtöffentlicher Sitzung den weiteren

Beschluss

gefasst:

Der Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg wird zurückgewiesen.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, a) Anton E* und Olga E* zu je 3/40, b) Anton V* und Margit V* zu 9/80 und c) Georg H* zu 25/40 die mit 9.231,75 S bestimmten Kosten ihrer gemeinsam verfassten Gegenschrift zum Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg (darin enthalten 839,25 S an USt ) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Zu I.:

Die Enteigneten haben in ihrer durch einen Rechtsanwalt verfassten Äußerung zum Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg den Zuspruch anwaltlicher Vertretungskosten begehrt. Da dem erkennenden Senat die in der jüngeren Lehre gegen die bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage vorgetragenen Bedenken berechtigt erscheinen, würde er mit seiner Entscheidung von der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abgehen. Damit liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 1 OGHG vor, weshalb die Zuständigkeit eines verstärkten Senats zur Entscheidung über den Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg auszusprechen war.

Zu II.:

Die Vorarlberger Landesregierung hat mit dem Bescheid vom , I b-332-7/81, auf Antrag des Landes Vorarlberg als Straßenerhalter gemäß den §§ 43 ff des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl Nr 8/1969, zum Zwecke des Ausbaues der Landesstraße 2 (der L* Straße) im Baulos „Umfahrung L*“, das Eigentum an Teilflächen mehrerer in der Katastralgemeinde L* gelegener Grundstücke zugunsten des Landes Vorarlberg durch Enteignung in Anspruch genommen. Davon waren unter anderem folgende Grundeigentümer in Ansehung folgender Grundstücke betroffen:

1.) Der erste Antragsteller und die zweite Antragstellerin, jeweils als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ * mit den Grundstücken 195, 198 und 2630, in Ansehung von 651 m2 aus dem Grundstück 198 mit einem Gesamtausmaß von 11.396 m2;

2.) der dritte Antragsteller und die vierte Antragstellerin als gütergemeinschaftliche Eigentümer der Liegenschaft EZ * mit dem Grundstück 228/2 in Ansehung von 780 m2 aus dem genannten Grundstück mit einem Gesamtausmaß von 1.504 m2 und

3.) der fünfte Antragsteller als Eigentümer der Liegenschaft EZ * mit den Grundstücken 25, 656, 658, 599, 615, 602/1 und 660/2 in Ansehung von 710 m2 aus dem Grundstück 656 mit einem Gesamtausmaß von 3.464 m2, von 320 m2 aus dem Grundstück 658 mit einem Gesamtausmaß von 4.938 m2 und von 10 m2 aus dem Grundstück 660/2 mit einem Gesamtausmaß von 57.282 m2 sowie in Ansehung von weiteren Teilflächen aus dem übrigen Gutsbestand der Liegenschaft EZ *.

Die Entschädigung wurde im Enteignungsbescheid für alle Flächen aus den Grundstücken der Liegenschaften EZ * und EZ * 75 S/m2 und für die Flächen aus dem Grundstück der Liegenschaft EZ * mit 55 S/m2 bestimmt.

Der Enteignungsbescheid wurde dem ersten Antragsteller am und den übrigen Antragstellern am folgenden Tag zugestellt.

Am langten Anträge der Eigentümer der Liegenschaft EZ * (1 Nc 6/82), der Eigentümer der Liegenschaft EZ * (1 Nc 7/82) und des Eigentümers der Liegenschaft EZ * (1 Nc 8/82) auf gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrag iSd § 47 Abs 2 VbgStrG beim Erstgericht ein.

Das Erstgericht verband die drei Entschädigungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Es bestimmte die Entschädigung

1.) der Eigentümer der Liegenschaft EZ * für die Teilfläche von 651 m2 aus dem Grundstück 198,

2.) der Eigentümer der Liegenschaft EZ * für die Teilfläche von 780 m2 aus dem Grundstück 228/2 mit jeweils 350 S/m2,

3.) die Entschädigung des Eigentümers der Liegenschaft EZ * für die Teilfläche von 710 m2 aus dem Grundstück 656 ebenfalls mit 350 S/m2 und für die Teilflächen aus den Grundstücken 658 und 660/2 mit jeweils 100 S/m2.

Das Land Vorarlberg führte in seinem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss unter anderem aus, bei den Vorbereitungen zur Grundablöse für landwirtschaftliche Flächen sei ein Preis von 50 S/m2 als Höchstpreis festgelegt worden. Der Rekursantrag zielte auf eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses in der Weise, „dass die von der Landesstraßenverwaltung für landwirtschaftliche Grundstücke bezahlte Entschädigung als angemessen festgesetzt wird, in eventu, dass die von der Enteignungsbehörde festgelegte Entschädigung als angemessen festgesetzt wird“.

Das Rekursgericht setzte in teilweiser Abänderung und teilweiser Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses (im Verfahren zu 1 Nc 6/82) die Entschädigung des ersten und der zweiten Enteigneten von 350 S/m2 auf 100 S/m2, (im Verfahren zu 1 Nc 7/82) die Entschädigung des dritten und der vierten Enteigneten von 350 S/m2 auf 228 S/m2 und (im Verfahren zu 1 Nc 8/82) die Entschädigung des fünften Enteigneten für die Teilfläche von 710 m2 aus dem Grundstück 656 von 350 S/m2 auf 100 S/m2 herab und bestätigte die für den fünften Enteigneten festgesetzte Entschädigung, soweit sie 100 S/m2 nicht überstieg. Dabei legte das Rekursgericht in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass gegen die Annahme eines Verkehrswertes von 100 S/m2 für landwirtschaftliche Gründe in dem in Betracht kommenden Gebiet zum Bewertungsstichtag keine Bedenken bestünden. In Ansehung des Grundstücks 228/2 anerkannte das Rekursgericht einen Nutzwertentgang von 100.000 S und teilte ihn nach dem Flächeninhalt der enteigneten Teilflächen (100.000 S : 780 m2 = 128,2 S/m2) auf.

Das Land Vorarlberg ficht die Rekursentscheidung insoweit an, als die Entschädigung jeweils mit mehr als 50 S/m2 festgesetzt wurde. Es stellte in erster Linie einen Aufhebungsantrag, in zweiter Linie einen Abänderungsantrag. Als Anfechtungsgrund führt es unrichtige Tatsachenfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung aus.

Die Enteigneten erstatteten eine anwaltlich verfasste gemeinsame Gegenschrift. Darin machen sie einerseits eine Verspätung des vom Land Vorarlberg erhobenen Revisionsrekurses geltend, andererseits erachten sie den Revisionsrekurs mangels Ausführung eines im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgrundes als unstatthaft. Im Übrigen erachten sie die vom Land ausgeführte Verfahrensrüge als nicht stichhältig und die Rechtsrüge als nicht ausgeführt.

Zur Bestimmung der einzelnen Verfahrensgegenstände ist vorweg festzuhalten:

Das Enteignungsverfahren richtete sich nach dem 10. Abschnitt des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl Nr 8/1969. Die Landesregierung hat als Enteignungsbehörde im Enteignungsbescheid die zu leistende Entschädigung bestimmt. Die Enteigneten haben innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 47 Abs 2 VbgStrG die gerichtliche Festsetzung der Entschädigungsbeiträge begehrt. Für das gerichtliche Verfahren sind nach § 47 Abs 3 VbgStrG die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 sinngemäß anzuwenden, soweit das Vorarlberger Straßengesetz selbst nicht etwas anderes bestimmt. Daraus folgt in rein verfahrensrechtlicher Sicht:

1.) Die gemeinsame Behandlung der drei Anträge auf gerichtliche Feststellung der Entschädigungsbeträge nach Art einer Verbindung von Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ändert nichts an der Selbständigkeit der einzelnen Verfahrensgegenstände. Die Rechtsmittelzulässigkeit ist in Ansehung der Eigentümer der Liegenschaft EZ *, der Eigentümer der Liegenschaft EZ * und des Eigentümers der Liegenschaft EZ * jeweils gesondert und unabhängig von den gemeinsam behandelten Anträgen der anderen Enteigneten zu prüfen.

2.) Mangels abweichender Regelung im Vorarlberger Straßengesetz oder im Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 gelten für die Anfechtung rekursgerichtlicher Entscheidungen die allgemeinen Regelungen nach den §§ 14 und 16 AußStrG. Das Vorliegen einer bestätigenden Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz kann seit der Abänderung des § 502 Abs 3 ZPO durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 auch im Außerstreitverfahren nicht mehr in Analogie zu den Grundsätzen des Jud 56 beurteilt werden (SZ 57/40, SZ 57/119 = RZ 1985/35; ÖA 1985, 145). Bei einem teilbaren Verfahrensgegenstand, also insbesondere einem Geldleistungsbegehren wie dem auf Feststellung einer Enteignungsentschädigung ist eine rekursgerichtliche Entscheidung in dem Teil, in dem sie spruchmäßig mit dem erstinstanzlichen Beschluss übereinstimmt, als bestätigende Entscheidung zu werten. Sie ist in einem solchen Umfang nur aus einem im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgrund bekämpfbar.

Der Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg richtet sich jeweils nur gegen solche Teile der Rekursentscheidung, mit denen erstinstanzliche Entschädigungsfeststellungen bestätigt wurden. In allen drei Verfahren ist ein Revisonsrekurs des Landes Vorarlberg daher nur aus den im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründen beachtlich.

Das Gericht zweiter Instanz hat nach inhaltlicher Prüfung der aktenkundigen Beweisgrundlagen die als Landwirtschaftsgründe qualifizierten enteigneten Flächen für den Bewertungsstichtag mit den von den Sachverständigen ermittelten Grundstückspreisen (nämlich mit 100 S/m2) als unbedenklich bewertet erklärt und in Ansehung des Grundstücks 228/2 aufgrund der Sachverständigengutachten einen Nutzwertentgang des Restgrundes angenommen. Gegen die Wertermittlung und die Zugrundelegung der ermittelten Werte bei der Entschädigungsfeststellung enthält der Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg keine Ausführungen.

Die vom Rekursgericht ausgesprochene und im Revisionsrekurs bekämpfte Ansicht, die Entschädigungsbeträge dürften keinesfalls niedriger als im verwaltungsbehördlichen Enteignungsbescheid festgesetzt werden, weil nur die Enteigneten, nicht aber das Land Vorarlberg einen Antrag auf gerichtliche Feststellung der Entschädigungsbeträge gestellt hätten, ist nach der erwähnten Sachbeurteilung über die Angemessenheit einer Entschädigung von (mindestens) 100 S/m2 nur noch von theoretischer Bedeutung. Die im Revisionsrekurs bekämpfte Ansicht des Gerichts zweiter Instanz übe die Unzulässigkeit einer neuen Festsetzung des Entschädigungsbetrags, der für einen Beteiligten, der das Gericht nicht angerufen hat, günstiger wäre als die im Enteignungsbescheid bestimmte Entschädigung, blieb für die Bestätigung der vom Erstgericht festgesetzten Entschädigungsbeträge ohne Auswirkung. Das Land Vorarlberg wendet sich also gegen eine die angefochtene Entscheidung nicht tragende Begründung, gegen die Rechtsansicht in einer Frage, die, wie immer sie gelöst würde, für die konkrete Sachentscheidung im Umfang der Anfechtung ohne Auswirkung bliebe, also ungelöst bleiben kann. Aus dieser Erwägung sind die Rechtsmittelausführungen über die Grenzen der gerichtlichen Neufestsetzung unbeachtlich. Sie vermögen weder eine – für die Entscheidung erhebliche – offenbare Gesetzwidrigkeit noch eine Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit darzustellen.

Der Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg ist daher mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Enteigneten haben in ihrer anwaltlich verfassten Gegenäußerung zum Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg auf diesen Zurückweisungsgrund hingewiesen. Sie haben für ihren Schriftsatz ausdrücklich den Zuspruch anwaltlicher Vertretungskosten begehrt.

Dieses Kostenersatzbegehren ist nach dem gemäß § 47 Abs 3 VbgStrG sinngemäß anzuwendenden § 44 EisbEntG 1954 zu beurteilen. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

„Die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung sind, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen werden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten.“

Nach der Auslegung dieser Bestimmung durch den Obersten Gerichtshof im Plenissimarbeschluss vom , GlUNF 1860, bezieht die erwähnte Kostenregelung nicht auch die Kosten anwaltlicher Vertretung der Enteigneten ein. An dieser Auffassung hat der Oberste Gerichtshof in der Folge in ständiger Rechtsprechung festgehalten (GlUNGF 2615, GlUNF 6295, SZ 12/250, SZ 24/185, ZVR 1957/255, SZ 52/26, 3 Ob 523/82 ua, zuletzt 2 Ob 621/85).

Zu der vergleichbaren Kostenregelung nach § 25 Abs 1 NWG gelangte der Oberste Gerichtshof in seinem drei Wochen nach dem erwähnten Plenissimarbeschluss gefassten Plenissimarbeschluss vom , GlUNF 1895, zu einem gegenteiligen Ergebnis.

In der Lehre wurde die Auslegung des § 44 EisbEntG im Sinne des Plenissimarbeschlusses vom zunächst – ohne eigene Argumente – übernommen (Ehrenzweig System2 I/2, 228 FN 74; Klang in KlangII, 200). In jüngerer Zeit hat Brunner (Enteignung für Bundesstraßen, 111) unter Hinweis auf die trotz kritischer Gegenmeinungen unverändert gebliebene höchstgerichtliche Rechtsprechung deren Auslegung vertreten.

Die ständige Rechtsprechung im Sinne des Plenissimarbeschlusses vom stieß in den letzten Jahren in der Literatur auf mehrfache und eingehende Kritik durch Kühne (JZ 1981, 561 ff; JBl 1983, 626 f; JBl 1985, 698 f) und Rummel (Rummel-Schlager Enteignungsentschädigung, 174 ff). Der erwähnten Kritik stimmten vor allem Moser (Der Staatsbürger 1981, 101), Pfersmann (ÖJZ 1984, 319 und jüngst ÖJZ 1986, 591) sowie Kerschner (ZfV 1985, 24 f) bei.

Dullinger (JBl 1984, 641 ff) legte den bisherigen Meinungsstand in einer ausführlichen Zusammenfassung dar und schloss sich dabei ebenfalls der gegen die ständige Rechtsprechung vorgebrachten Kritik an.

Dieser Kritik kann die Beachtlichkeit nicht abgesprochen werden.

Als Begründung für einen Ausschluss der Kosten anwaltlicher Vertretung des Enteigneten von einer Ersatzpflicht des Enteigners im gerichtlichen Verfahren nach den §§ 22 ff EisbEntG wurden im Einzelnen geltend gemacht:

1.) § 44 EisbEntG spreche nicht von einem Ersatz der Kosten an den Enteigneten im Besonderen oder von einem wechselseitigen Kostenersatz im Allgemeinen.

2.) Nach dem gemäß § 24 Abs 1 EisbEntG anzuwendenden § 5 AußStrG bestehe kein Anwaltszwang. Erachte sich dennoch ein Enteigneter zur Betreuung eines Rechtsanwalts mit seiner Vertretung bestimmt, etwa weil er sich selbst die gehörige Wahrung seiner Interessen nicht zutraue, liege dies verfahrenskostenmäßig in der von ihm selbst zu vertretenden Sphäre, zumal

3.) das Gericht gemäß § 2 Z 5 und 6 AußStrG zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung verpflichtet sei.

Sei aber der Sonderregelung nach § 44 EisbEntG keine Anordnung zum Ersatz von Kosten der Vertretung des Enteigneten durch berufsmäßige Parteienvertreter zu entnehmen, habe es bei dem im außerstreitigen Verfahren allgemein geltenden Grundsatz zu bleiben, dass ein Kostenersatzanspruch eines Beteiligten gegen einen anderen nicht bestehe.

4.) Soweit zu der dem § 44 EisbEntG nachgebildeten Kostenregelung des § 25 NWG eine gegenteilige Auslegung vertreten werde, sei dies darin begründet, dass im Verfahren nach dem Notwegegesetz das Gericht nicht bloß über die Höhe der Entschädigung, sondern – unter besonderer Berücksichtigung der §§ 1 bis 4 NWG – über den Zwangseingriff als solchen zu entscheiden habe und deshalb die Beiziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung der Parteieninteressen grundsätzlich als zweckmäßig anzuerkennen sei.

Zur Widerlegung dieser Ansicht und zur Begründung der gegenteiligen wurde in der bisherigen Diskussion vorgebracht:

1.) Der im § 44 EisbEntG verwendete Ausdruck der „Kostenbestreitung“ sei sinngleich mit dem des Kostenersatzes. Der Kostenbegriff sei vom Gesetzgeber des Jahres 1878 iSd § 24 des Gesetzes vom 16. Mai 1874, RGBl 69, verstanden worden und schließe nach seinem Wortsinn auch die zur zweckentsprechenden Interessenwahrung notwendigen Kosten anwaltlicher Vertretung ein. Eine Einschränkung des Kostenbegriffs auf die für behördliche Tätigkeiten zu entrichteten Gebühren sei der Regelung nach § 44 EisbEntG nicht zu unterstellen.

2.) Das Fehlen eines verfahrensrechtlichen Gebots zur Vertretung durch einen Rechtsanwalt schließe nicht aus, dass eine derartige Vertretung zur gehörigen Wahrung der Interessen eines Verfahrensbeteiligten aus sachlichen Gründen angezeigt sein könnte, vor allem um gegenüber einem in der Regel durch Spezialisten vertretenen öffentlich-rechtlichen Enteigner eine „Waffengleichheit“ im gerichtlichen Verfahren im Sinne eines fair trial zu gewährleisten. Die in der Auslegung des § 25 NWG anerkannten Gründe hätten für die Auslegung des § 44 EisbEntG dieselbe Argumentationskraft, sodass

3.) auch der das Verfahren beherrschende Grundsatz amtswegiger Sachverhaltsermittlung kein schlagendes Argument für eine Herausnahme der Vertretungskosten von der Kostenersatzpflicht abzugeben vermöge.

4.) Dem Verfahrensziel angemessener Schadloshaltung für den Enteigneten sei jene Auslegung der Kostenreglung adäquat, die dem Enteigneten für den zu seiner Interessenwahrung im Verfahren zweckmäßig gemachten Aufwand einen Kostenersatzanspruch unter Einschluss von Vertretungskosten gewähre. Das entspreche nicht bloß der aus den Materialien zu entnehmenden Absicht des historischen Gesetzgebers, sondern vor allem aus heutiger rechtsstaatlicher Auffassung vom besseren Zugang zum Recht sowie eines an den Grundsätzen der Menschenrechtskonvention ausgerichteten „fair trial“.

Zur Auslegung des § 44 EisbEntgG 1954 hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber unter dem nicht näher umschriebenen Begriff der Kosten des Verfahrens Vertretungskosten grundsätzlich ausgeschlossen wissen wollte. Weder die Amtspflicht des Gerichts, den für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben, noch die Zulässigkeit der Vertretung durch jede erwachsene eigenberechtigte Person lassen die Kosten des Enteigneten für seine Vertretung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter als einen bloß der Beförderung eigener Bequemlichkeit oder dem Ausgleich des Mangels an eigener sachlicher und taktischer Erfahrung dienenden und daher typischerweise unnötigen Aufwand erscheinen. Einer solchen Ansicht steht nunmehr eindeutig der Umstand entgegen, dass der Verfahrensgesetzgeber durch Art VIII § 3 Abs 1 Verfahrenshilfegesetz, BGBl 569/1973, die Anwendbarkeit der Verfahrenshilfe in außerstreitigen Verfahren ohne Einschränkung, also auch mit der Möglichkeit der Beigebung eines Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe ausdrücklich angeordnet hat.

Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen enthalten keine Kostenersatzvorschrift. Unzulässig wäre es, daraus folgern zu wollen, dass der in einer Sonderregelung über den Kostenersatz in einem bestimmten außerstreitigen Verfahren nicht näher umschriebene Begriff der Kosten immer so eng wie möglich auszulegen wäre. Sachgerecht ist vielmehr im Zweifelsfall eine Ausrichtung an den für den Verfahrensgegenstand selbst normierten materiell-rechtlichen Grundsätzen (wie dies etwa positiv-rechtlich für die nacheheliche Vermögensaufteilung im Gleichklang der materiellen Norm des § 83 EheG mit der Verfahrensnorm des § 234 AußStrG angeordnet ist).

Der Rückgriff auf den verwandten Kostenbegriff des § 41 ZPO und die Ausrichtung am Schadloshaltungsgrundsatz des § 365 ABGB (hier auch: § 46 Abs 1 VbgStrG) führen zum selben Ergebnis. Dies deckt sich mit der Auslegung des § 25 NWG durch die Plenissimarentscheidung vom , GlUNF 1895, zu der der Oberste Gerichtshof bereits wieder zurückgefunden hat (EvBl 1985/127).

Der Oberste Gerichtshof hält daher die Auslegung des § 44 EisbEntG im Sinne des Plenissimarbeschlusses vom , GlUNF 1860, nicht aufrecht. Die eine Verstärkung des Senats gemäß § 8 Abs 1 Z 1 OGHG auslösende Auslegungsfrage ist vielmehr im folgendem Sinne zu entscheiden:

„Zu den nach § 44 EisbEntG 1954 vom Enteigner zu ersetzenden Kosten des gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Entschädigung zählen auch Kosten der Vertretung des Enteigneten durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter.“

Welche Kosten in derartigen Verfahren nicht zu ersetzen sind, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

Im Sinne der oben dargelegten Auslegung gebührt den enteigneten Ersatz für die Kosten ihrer anwaltlich verfassten Gegenschrift zum zurückgewiesenen Revisionsrekurs des Enteigners, da ein erfolgreiches Einschreiten keinesfalls als ungerechtfertigt iSd § 44 EisbEntG 1954 gewertet werden könnte.

Über die auch in der jüngeren Literatur unterschiedlich gelöste Frage, ob § 44 EisbEntG 1954 einen Kostenersatz des Enteigneten nach dem sogenannten Veranlassungsprinzip oder nach dem Erfolgsprinzip vorsieht, war aus Anlass des zu erledigenden Rechtsmittels nicht zu erkennen, weil für die erfolgreiche Gegenschrift unter beiden Gesichtspunkten Kostenersatz gebührte.

Kostenbemessungsgrundlage ist die Summe der Beschwerdegegenstände des zurückgewiesenen Revisionsrekurses. Der Beschwerdegegenstand betrug im Verfahren

a) zu 1 Nc 6/82 (651 x 50 S =) 32.550 S,

b) zu 1 Nc 7/82 (780 x 178 S =) 138.840 S,

c) zu 1 Nc 8/82 (1040 x 50 S =) 52.000 S,

zusammen daher: 223.390 S.

Bei dieser Bemessungsgrundlage errechnen sich die zu ersetzenden Anwaltskosten mit 9.231,75 S.

Dieser Kostenbeitrag ist im Verhältnis der oben ausgewiesenen Beschwerdegegenstände im Verhältnis von 6 : 26 : 9 auf die drei gemeinsam geführten Verfahren aufzuteilen. Demnach gebührt den Enteigneten im Verfahren zu 1 Nc 6/82 ein Kostenersatz von 1.385 S, den Enteigneten im Verfahren zu 1 Nc 7/82 ein solcher von 5.769,75 S und den Enteigneten zu 1 Nc 8/82 ein Ersatz von 2.077 S.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in den gemeinsam geführten Rechtssachen der Enteigneten 1.) Josef Anton E*** und 2.) Olga E***, geborene M***, beide wohnhaft in Langen bei Bregenz, Geschwend 64 (1 Nc 6/82), 3.) Anton V*** und

4.) Margit V***, geborene Schneider, beide wohnhaft in Langen bei Bregenz, Gschwend 66 (1 Nc 7/82), und 5.) Georg H***, Langen bei Bregenz 70 (1 Nc 8/82), alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wider den Enteigner L*** V***, vertreten durch das Landesstraßenbauamt Feldkirch, Feldkirch, Widnau 12, wegen Feststellung der Enteignungsentschädigung nach § 47 VbgStrG, infolge der Revisionsrekurse der Enteigneten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom , GZ R 397-399/84-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom , GZ 1 Nc 6/82-28, in Ansehung der von den Revisionsrekursen der Enteigneten betroffenen Teilbeträge teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung am folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Revisionsrekursen der Enteigneten wird stattgegeben. Der angefochtene Beschluß und der Beschluß erster Instanz werden in der Hauptsache aufgehoben, soweit zu 1 Nc 6/82 in Ansehung der 651 m 2 großen Teilfläche des Grundstückes 198 und

zu 1 Nc 8/82 in Ansehung der 710 m 2 großen Teilfläche des Grundstückes 656

über das 100 S/m 2 übersteigende Entschädigungsbegehren bis zum Betrag von 350 S/m 2 sowie zu 1 Nc 7/82 in Ansehung der 780 m 2 großen Teilfläche des Grundstückes 228/2 über das 228 S/m 2 übersteigende Entschädigungsbegehren bis zum Betrag von 350 S/m 2 abgesprochen wurde.

Weiters werden die Beschlüsse der Vorinstanzen im Kostenpunkt aufgehoben.

Im genannten Umfang werden die Rechtssachen zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Vorarlberger Landesregierung hat mit dem Bescheid vom , Ib-332-7/81, auf Antrag des Landes Vorarlberg als Straßenerhalter gemäß den §§ 43 ff des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl. Nr.8/1969, zum Zwecke des Ausbaues der Landesstraße 2 (der Langenerstraße) im Baulos "Umfahrung Langen" das Eigentum an Teilflächen mehrerer in der Katastralgemeinde Langen gelegener Grundstücke zugunsten des Landes durch Enteignung in Anspruch genommen. Davon waren unter anderem folgende Grundeigentümer in Ansehung folgender Grundstücke betroffen:

1.) Der erste Antragsteller und die zweite Antragstellerin, jeweils als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 61 mit den Grundstücken 195, 198 und 2.630

in Ansehung von 651 m 2 aus dem Grundstück 198 mit einem Gesamtausmaß von 11.396 m 2 sowie in Ansehung von weiteren 412 m 2 aus dem Grundstück 195 und 35 m 2 aus dem Grundstück 2.630;

2.) der dritte Antragsteller und die vierte Antragstellerin als gütergemeinschaftliche Eigentümer der Liegenschaft EZ 64 mit dem Grundstück 228/2

in Ansehung von 780 m 2 aus dem Grundstück 228/2 mit einem Gesamtausmaß von 1.504 m 2 und

3.) der fünfte Antragsteller als Eigentümer der Liegenschaft EZ 70 mit den Grundstücken 25, 656, 658, 599, 615, 602/1 und 660/2 in Ansehung von 710 m 2 aus dem Grundstück 656 mit einem Gesamtausmaß von 3.464 m 2 ,

von 320 m 2 aus dem Grundstück 658 mit einem Gesamtausmaß von

4.938 m 2 und

von 10 m 2 aus dem Grundstück 660/2 mit einem Gesamtausmaß von

57.282 m 2 sowie in Ansehung von weiteren Teilflächen aus dem übrigen Gutsbestand der Liegenschaft EZ 70.

Die Entschädigung wurde im Enteignungsbescheid für alle Flächen aus den Grundstücken der Liegenschaften EZ 61 und EZ 64 mit 75 S/m 2 und für die Flächen aus dem Grundstück der Liegenschaft EZ 70 mit 55 S/m 2 bestimmt.

Der Enteignungsbescheid wurde dem ersten Antragsteller am und den übrigen Antragstellern am folgenden Tag zugestellt.

Am langten Anträge der Eigentümer der Liegenschaft EZ 61 (1 Nc 6/82), der Eigentümer der Liegenschaft EZ 64 (1 Nc 7/82) und des Eigentümers der Liegenschaft EZ 70 (1 Nc 8/82) auf gerichtliche Feststellung des Entschädigungsbetrages im Sinne des § 47 Abs.2 VbgStrG beim Erstgericht ein. Dabei stellten die Eigentümer der Liegenschaft EZ 61 ausdrücklich klar, daß ihr Antrag auf gerichtliche Feststellung der Entschädigungssumme sich nicht auf das Grundstück 2.630 beziehe; im Verlauf des Verfahrens zogen sie mit Zustimmung des Antragsgegners ihren Festsetzungsantrag in Ansehung des Grundstückes 195 zurück. Verfahrensgegenstand blieb danach im Verfahren zu 1 Nc 6/82 nur die Festsetzung der Entschädigung für die enteignete Fläche von 651 m 2 aus dem Grundstück 198.

Die Eigentümer der Liegenschaften EZ 61 und 64 vertraten den Standpunkt, daß die Entschädigungsbeträge gemäß § 46 VbgStrG ungeachtet des Umstandes, daß die enteigneten Flächen im Zeitpunkt der Erlassung des Enteignungsbescheides landwirtschaftlich genutzt wurden, unter Berücksichtigung der Preise für Bauland zu bestimmen seien, weil ein Antrag auf Umwidmung in Bauland nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten in der unmittelbaren Nachbarschaft und nach der Meinung des Bürgermeisters reelle Erfolgsaussichten gehabt hätte, die sich bereits im Verkaufswert niedergeschlagen hätten. Der Eigentümer der Liegenschaft EZ 70 machte geltend, sein Grundstück 656 hätte trotz Widmung als landwirtschaftliche Freifläche nach seiner Lage im Kreuzungsbereich Baulandcharakter, seine Grundstücke 658 und 660/2 seien in der Natur große ebene sonnige mehrmahdige Wiesen in günstiger Lage; die Entschädigung der von diesen beiden letztgenannten Grundstücken enteigenten Teilflächen sei mit einem Betrag von 55 S/m 2 wesentlich zu niedrig festgesetzt. Das Land als Straßenerhalter und Enteignungswerber erachtete dagegen im Sinne des § 46 Abs.3 VbgStrG die tatsächliche landwirtschaftliche Nutzung im Sinne einer entsprechenden Widmung als allein ausschlaggebend.

Das Erstgericht verband die drei Entschädigungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Es holte ein Schätzungsgutachten zweier Sachverständiger ein, die ihr schriftliches Gutachten in mündlicher Verhandlung erläuterten, und nahm in einer an Ort und Stelle abgehaltenen Tagsatzung weitere Beweisaufnahmen vor.

Das Erstgericht bestimmte die Entschädigung

1.) der Eigentümer der Liegenschaft EZ 61 für die Teilfläche von 651 m 2 aus dem Grundstück 198,

2.) der Eigentümer der Liegenschaft EZ 64 für die Teilfläche von 780 m 2 aus dem Grundstück 228/2 mit jeweils 350 S/m 2 ,

3.) die Entschädigung des Eigentümers der Liegenschaft EZ 70 für die Teilfläche von 710 m 2 aus dem Grundstück 656 ebenfalls mit 350 S/m 2 und für die Teilflächen von je 320 m 2 aus den Grundstücken 658 und 660/2 mit 100 S/m 2 .

Es sprach den durch denselben Rechtsanwalt vertretenen Antragstellern an Ersatz ihrer Vertretungskosten einen nicht aufgeschlüsselten Gesamtbetrag von 91.435,60 S zu.

Aus den erstrichterlichen Feststellungen ist hervorzuheben:

Die enteigneten Grundflächen liegen in einem Gebiet, für das die Gemeindevertretung einen Flächenwidmungsplan erstellt hat, der von der Landesregierung am genehmigt wurde. Nach diesem Flächenwidmungsplan sind alle oben erwähnten fünf Grundstücke als Freiflächen mit der gesonderten Festlegung als Landwirtschaftsgebiet gewidmet.

Das Grundstück 198 und das Grundstück 228/2 liegen im östlichen Gemeindegebiet im Ortsteil "Vordergschwend". Das erstgenannte Grundstück grenzt im Süden an die Straßentrasse. Das zweitgenannte Grundstück grenzt im Süden an die neue Straßentrasse, im Norden an die alte Straße und im Osten an die Verbindungsstraße. Es befindet sich gegenüber dem Hof der Eigentümer der Liegenschaft EZ 64, die es als Abstellfläche für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte benützten. Beide Grundstücke können mit Strom, Wasser und Telefon versorgt werden, die Ortskanalisation wird in diesem Bereich ausgebaut. Die Eigentümer der Liegenschaft EZ 61 haben bereits einen Antrag auf Umwidmung ihres Grundstückes 198 in Bauland gestellt. Das östlich des Grundstückes 228/2 gelegene Nachbargrundstück wurde von der Gemeindevertretung in Bauwohngebiet umgewandelt. Die drei zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 70 gehörenden Grundstücke befinden sich in dem Bereich, in dem die Landesstraße 4 in die Landesstraße 2 eingebunden wird, und zwar die Grundstücke 656 und 660/2 westlich der Landesstraße 4 und das Grundstück 658 östlich dieser Straße. Auch für diese Grundstücke des fünften Antragstellers sind Anschlußmöglichkeiten für Strom, Wasser und Telefon gegeben. Die Ortskanalisation befindet sich auch im Gebiet dieser Grundstücke im Ausbau. Das westliche Nachbargrundstück des Grundstückes 656 wurde in Bauland umgewidmet.

Ein Landesraumplan ist für das Gebiet, in dem die enteigneten Grundstücke liegen, noch nicht erlassen worden. Nach den bei der Raumplanung durch das Land angestrebten Zielen erachtete der als Sachverständiger für Raumplanung beschäftigte Landesbeamte eine Umwidmung der nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Landwirtschaftsgebiet festgelegten Flächen, in denen die enteigneten Grundstücke liegen, in Bauerwartungsflächen oder Bauflächen "derzeit als nicht vertretbar". Nach der Ansicht des Bürgermeisters seien im Gemeindegebiet "derzeit genügend Baugrundstücke vorhanden"; er persönlich vermochte nicht abzuschätzen, ob und wann die Gemeindevertretung eine Umwidmung von Freiflächen im unmittelbaren Bereich der enteigneten Flächen beschließen würde. Der Ortsschätzer, der gleichzeitig Mitglied der Gemeindevertretung ist, vertrat die Ansicht, daß Anträgen auf Umwidmung in Bauland wie bisher entsprochen werden würde.

Für den Tag der Erlassung des Enteignungsbescheides, den , sind die enteigneten Flächen nach ihrer tatsächlichen landwirtschaftlichen Nutzung (und Nutzbarkeit) unter Bedachtnahme auf die für vergleichbare Gründe auf dem freien Grundstücksmarkt bezahlten Preise entsprechend dem von den Sachverständigen angenommenen "Mittelpreis für landwirtschaftliche Grundstücke von 100 S/m 2 " in folgender Weise zu bewerten: Die 651 m 2 große Teilfläche des 11.396 m 2 großen Grundstückes 198; die 710 m 2 große Teilfläche des 3.464 m 2 großen Grundstückes 656, die

320 m 2 große Trennfläche des 4.938 m 2 großen Grundstückes 658

und die 10 m 2 große Trennfläche des 57.282 m 2 großen

Grundstückes 660/2 jeweils mit 100 S/m 2 ; Die 780 m 2 große Teilfläche des 1.504 m 2 großen Grundstückes 228/2 mit Rücksicht auf Hofnähe und Nutzungsentgang der Restfläche mit 150 S/m 2 . Für den Stichtag wären die enteigneten Flächen der Grundstücke 198, 228/2 und 656 im Falle einer Verwertbarkeit als Bauflächen mit 350 S/m 2 zu bewerten.

Aus diesem Sachverhalt folgerte das Erstgericht: Für die Festsetzung der Entschädigungssumme sei nicht die tatsächliche Verwendung der enteigneten Grundflächen am Bewertungsstichtag, sondern es seien die objektiven, bereits faßbaren Verwendungsmöglichkeiten bestimmend. Nach dem hohen Grad der Erschließung und nach der Widmung der unmittelbaren oder mittelbaren Nachbargründe als Bauflächen könne eine Umwidmung der Grundstücke 198, 228/2 und 656 in absehbarer Zeit nicht ausgeschlossen werden, es sei vielmehr "die Realisierbarkeit einer Verbauung in absehbarer Zeit" zugrunde zu legen. Bei Baulandpreisen zwischen 300 S/m 2 und 600 S/m 2 bestünde kein Bedenken, die Entschädigungsbeträge für die enteigneten Teilflächen der Grundstücke 198, 228/2 und 656 mit 350 S/m 2 festzusetzen. Die enteigneten Teile der Grundstücke 658 und 660/2 seien nach den Preisen vergleichbarer landwirtschaftlicher Gründe zu entschädigen und daher den Ausführungen der Sachverständigen folgend mit 100 S/m 2 .

Das Rekursgericht gab in der Begründung seiner Entscheidung die erstrichterlichen Feststellungen zusammengefaßt wieder, ohne erkennen zu lassen, daß es für seine Beurteilung einen davon abweichenden Sachverhalt heranziehe. Lediglich bei der Festsetzung der Entschädigung für die enteigneten Teile des Grundstückes 228/2 erweiterte das Rekursgericht die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen gegenüber den erstinstanzlichen Feststellungen und führte aus, sich dabei unmittelbar auf die erstinstanzlichen Ausführungen der beiden Sachverständigen zu beziehen.

In rechtlicher Beurteilung verneinte das Rekursgericht in Ansehung der enteigneten Teilflächen der Grundstücke 198, 228/2 und 656 für den Bewertungsstichtag die vom Erstgericht zugrunde gelegte Einstufung als Bau- oder Bauerwartungsland. Es führte aus, der festgestellte Aufschließungsgrad des Gebietes, in dem die enteigneten Flächen gelegen seien, verschaffe diesen noch nicht die Eigenschaft von Bau- oder Bauerwartungsland. Es habe nicht festgestellt werden können, daß eine Umwidmung der in Rede stehenden Grundstücke in Bau- oder Bauerwartungsland behördlich konkret geplant gewesen wäre. Die nach den erstinstanzlichen Feststellungen für eine absehbare Zukunft nicht auszuschließende Umwidmungsmöglichkeit sei für den Bewertungsstichtag noch nicht als ein bereits gesicherter werterhöhender Umstand, sondern bloß als Werterhöhungschance der Liegenschaftseigentümer einzuschätzen, die bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nicht zu veranschlagen sei. Sämtliche verfahrensverfangenen Grundstücke seien für den Bewertungsstichtag als landwirtschaftliche Nutzflächen anzusehen und daher nach dem Wert solcher Gründe zu entschädigen. Gegen die Annahme eines Verkehrswertes von 100 S/m 2 für landwirtschaftliche Gründe in dem in Betracht kommenden Gebiet zum Bewertungsstichtag bestünden nach den Ausführungen der Sachverständigen keine Bedenken.

Zur Festsetzung der Entschädigung für die enteigneten Teile des Grundstückes 228/2 stellte das Rekursgericht folgende besonderen Überlegungen an: Der von den Sachverständigen in ihren Gutachten angesetzte "Zuschlag für Hofnähe" von rund 50 % zum Verkehrswert von 100 S/m 2 sei als solcher nicht berechtigt; zu berücksichtigen wäre lediglich eine Wertminderung des landwirtschaftlichen Betriebes durch den Verlust einer hofnahen Fläche. Durch einen Zuschlag für Hofnähe würde die enteignete Grundfläche eine zweifache "Aufwertung" erfahren, einmal durch den Hofnähezuschlag und ein weiteres Mal durch die Entschädigung für den Nutzwertentgang. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes errechne sich daher bei Zugrundelegung der sonstigen von den Sachverständigen ermittelten Werte der Grundpreis für das Grundstück 228/2 mit 228 S/m 2 (100.000 S angenommene Minderung der restlichen Liegenschaft teilte das Rekursgericht auf 780 m 2 enteigneter Fläche auf und schlug daher zum Verkehrswert von 100 S/m 2 weitere 128 S/m 2 dazu). Die Enteigneten fechten die Rekursentscheidung mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung erster Instanz und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an; sie führen die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung aus. Das Land tritt den Rechtsmittelausführungen der Enteigneten entgegen und strebt insoweit eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Zur Bestimmung der Verfahrensgegenstände ist vorweg festzuhalten: Das Enteignungsverfahren richtete sich nach dem

10. Abschnitt des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl. Nr.8/1969. Die Landesregierung hat als Enteignungsbehörde im Enteignungsbescheid die zu leistende Entschädigung bestimmt. Die Enteigneten haben innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 47 Abs.2 VbgStrG die gerichtliche Festsetzung der Entschädigungsbeträge begehrt. Für das gerichtliche Verfahren sind nach § 47 Abs.3 VbgStrG die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 sinngemäß anzuwenden, soweit das Vorarlberger Straßengesetz selbst nicht etwas anderes bestimmt.

Daraus folgt in rein verfahrensrechtlicher Sicht:

1.) Die gemeinsame Behandlung der drei Anträge auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigungsbeträge nach Art einer Verbindung von Rechtsstreiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ändert nichts an der Selbständigkeit der einzelnen Verfahrensgegenstände. Die Rechtsmittelzulässigkeit ist in Ansehung der Eigentümer der Liegenschaft EZ 61, der Eigentümer der Liegenschaft EZ 64 und des Eigentümers der Liegenschaft EZ 70 jeweils gesondert und unabhängig von den gemeinsam behandelten Anträgen der anderen Enteigneten zu prüfen.

2.) Mangels abweichender Regelung im Vorarlberger Straßengesetz oder im Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 gelten für die Anfechtung rekursgerichtlicher Entscheidungen die allgemeinen Regelungen nach den §§ 14 und 16 AußStrG.

Die Eigentümer der EZ 61 streben in Ansehung der enteigneten

Fläche von 651 m 2 aus dem Grundstück 198 die Feststellung der

Entschädigungssumme mit 350 S/m 2 anstatt mit bloß 100 S/m 2 an

(Unterschiedsbetrag: 651 x 250 S = 162.750 S).

Die Eigentümer der EZ 64 streben in Ansehung der enteigneten

Teilfläche von 780 m 2 aus dem Grundstück 228/2 die Feststellung

der Entschädigungssumme mit 350 S/m 2 anstatt mit 228 S/m 2 an

(Unterschiedsbetrag: 780 x 122 S = 95.160 S).

Der Eigentümer der EZ 70 strebt in Ansehung der 710 m 2 großen

Trennfläche des Grundstückes 656 die Festsetzung der

Entschädigungssumme mit 350 S/m 2 anstatt mit 100 S/m 2 an

(Unterschiedsbetrag: 710 x 250 S = 177.500 S).

Jede dieser Anfechtungen betrifft einen abändernden Teil der Rekursentscheidung und hat einen 2.000 S übersteigenden Anfechtungsgegenstand. Die Revisionsrekurse der Enteigneten sind daher ohne Beschränkung auf die im § 16 Abs.1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe zulässig.

Als Mangel des Verfahrens zweiter Instanz rügen die Enteigneten, daß das Rekursgericht von der Vornahme eines Augenscheines abgesehen habe.

Nach der besonderen Regelung des § 31 EisbEntG 1954 setzt die Berichtigung oder Ergänzung der auf Grund eines Augenscheines zu gewinnenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen die im § 31 Abs.1 EisbEntG 1954 vorgesehene Antragstellung voraus. Ein solcher Antrag führt zu einer, zwar erst durch die Rechtsmittelinstanz verwertbaren, aber dennoch vom Gericht erster Instanz nach den Grundsätzen der Beweissicherung vorzunehmenden Beweisaufnahme. Aus dieser besonderen Verfahrensvorschrift drängt sich die Schlußfolgerung auf, daß im gerichtlichen Verfahren über die Ermittlung einer Enteignungsentschädigung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 ein zwecks Widerlegung oder Ergänzung der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen durchzuführender Augenschein nicht durch das Rechtsmittelgericht aufzunehmen wäre.

Keiner der Beteiligten hat um die Vornahme eines Augenscheines im Sinne des § 31 Abs.1 EisbEntG 1954 angesucht. Das Unterbleiben eines Augenscheines nach Fällung der Entscheidung erster Instanz kann schon aus diesem Grunde keinen Verfahrensmangel darstellen. In dieser Hinsicht wäre dem Rekursgericht entgegen den Rechtsmittelausführungen der Enteigneten keinesfalls vorzuwerfen, selbst die Vornahme eines Augenscheines unterlassen zu haben, sondern höchstens, das Vorliegen des Beweisaufnahmeprotokolles über einen im Beweissicherungsweg durchgeführten Augenschein nicht abgewartet zu haben.

Aus Anlaß der zur Entscheidung vorliegenden Fälle bedarf es keiner Erörterung darüber, ob ein sich mit der erstinstanzlichen Entscheidung zufriedengebender Beteiligter bei sonstigem Ausschluß im weiteren Verfahren genötigt wäre, den Beweissicherungsantrag innerhalb der gegen die erstinstanzliche Entscheidung laufenden Rechtsmittelfrist zu stellen, oder ob ein solcher Beteiligter, der sich erst durch eine aufhebende oder abändernde Rekursentscheidung beschwert erachtet, noch innerhalb der Frist zum Rekurs gemäß § 14 AußStrG die Möglichkeit eines Beweissicherungsantrages habe. Abgesehen davon, daß sich die im Abschnitt III des anwaltlich verfaßten Revisionsrekurses ausgeführte Mängelrüge im Zusammenhalt mit dem Rechtsmitteleventualantrag, dem Rekursgericht die Durchführung eines Augenscheines aufzutragen, einer Umdeutung in einen Antrag nach § 31 Abs.1 EisbEntG 1954 entzieht, ist nicht erkennbar, welche erstinstanzliche Tatsachenfeststellung durch die Ergebnisse eines Augenscheines ergänzt oder richtiggestellt werden sollte.

Im Anschluß an ihre theoretischen Ausführungen im Abschnitt II ihres Revisionsrekurses rügen die Enteigneten der Sache nach als einen Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit, daß das Rekursgericht entgegen einem aus Art.6 MRK abzuleitenden Gebot einer Anhörung der Parteien in billiger Weise unter Hintansetzung der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des Verfahrens die vom Erstgericht durch Beweisaufnahmen gewonnenen Tatsachengrundlagen der Entscheidung verändert habe.

Gemäß § 30 Abs.4 EisbEntG 1954 ist das Rechtsmittelverfahren zweiseitig ausgestaltet; damit ist das Gebot des rechtlichen Gehörs auch im Rechtsmittelverfahren hinreichend gewahrt. Welche Anforderungen an die Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens im Falle einer Ergänzung oder Abänderung der vom Erstgericht aus Beweisaufnahmen gewonnenen tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen zu stellen wären, kann in den zur Entscheidung vorliegenden Fällen unerörtert bleiben, weil entgegen den Rekursausführungen das Gericht zweiter Instanz die erstinstanzlichen Feststellungen als Tatsachengrundlagen übernommen und lediglich einer anderen rechtlichen Würdigung unterzogen hat.

Die Mängelrüge ist aus diesen Erwägungen in keiner Hinsicht berechtigt.

Auch der Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist nicht stichhältig. Das Rekursgericht hat zunächst unter Zitierung einer Literaturstelle seine Rechtsansicht ausgedrückt, daß eine enteignete Grundfläche nur dann als Bauerwartungsland gewertet werden könne, wenn im Enteignungszeitpunkt die Umwidmung von landwirtschaftlicher Fläche in Bauerwartungsland oder Bauland bereits konkret von der Gemeinde geplant gewesen sei und der Grundverkehr dieser bevorstehenden Umwidmung bereits Rechnung getragen habe. Entsprechend dieser vorangestellten Rechtsansicht und Ausdrucksweise führte das Rekursgericht an der von den Enteigneten als aktenwidrig bemängelten Stelle seiner Begründung aus, das Erstgericht habe keine Feststellungen in der Richtung treffen können und dies sei im übrigen auch von den Antragstellern im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet worden, daß die Umwidmung der hier in Rede stehenden Grundstücke von landwirtschaftlichem Grund in Bauland oder Bauerwartungsland von der Gemeinde konkret geplant gewesen oder nun geplant sei.

Ob eine Umwidmung nach dem gemäß § 46 Abs.3 VbgStrG maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des Enteignungsbescheides () bereits erfolgte oder doch wenigstens geplant wurde, ist unerheblich. Daß aber vor diesem Zeitpunkt ein Verfahren zur Änderung des festgestellten Flächenwidmungsplanes auch nur vorbereitet oder die Umwidmung von den Enteigneten beantragt gewesen wäre, kann keinem Beweisergebnis, aber auch wie das Rekursgericht ohne Verstoß gegen den Akteninhalt in einem Zwischensatz festgehalten hat, keinem Vorbringen der Enteigneten in erster Instanz entnommen werden.

Die Frage danach, ob ohne eine konkret bevorstehende Entscheidung über eine Umwidmung der enteigneten Grundflächen als Bau- oder Bauerwartungsland, eine (mehr oder weniger spekulative) Erwartung einer solchen Umwidmung in Käuferkreisen bei der Verkehrswertermittlung zu vernachlässigen oder zu beachten sei, gehört in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung.

Die Enteigneten erachten auch die Darstellung ihres Verfahrensstandpunktes in der rekursgerichtlichen Entscheidung als aktenwidrig.

Die Eigentümer der Liegenschaft EZ 61 haben in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag wörtlich ausgeführt, sie verträten den Standpunkt, "daß ihre Grundstücke nach Baulandpreisen abzulösen (seien) und der Entschädigungsbetrag daher in entsprechender Höhe festzusetzen" sei. Auch der Eigentümer der Liegenschaft EZ 70 sprach in seinem verfahrenseinleitenden Antrag von der "Baulandqualität" seiner Grundflächen. Der Antrag der Eigentümer der EZ 64 ist zwar nicht so bestimmt im Ausdruck, aber in gleicher Weise eindeutig in seinem Sinn. Die beiden Sachverständigen, die im Gutachten für sämtliche Grundstücke einen "Mittelpreis für landwirtschaftliche Grundstücke von S 100/m 2 angenommen" haben, führten weiter aus:

"Sollte eine Bewertung nach Baulandpreisen erfolgen, so wäre nach (ihrer) Auffassung... zum vorgenannten Stichtag ein Mittelwert von S 350/m 2 anzusetzen." Nach Erstattung des Sachverständigengutachtens erklärten die Enteigneten im Zuge der Verhandlung, sie würden sich für das in absehbarer Zeit in Bauland umzuwandelnde Gebiet mit einem Entschädigungsbetrag von 350 S/m 2 zufriedengeben. Das Erstgericht faßte seine Rechtsansicht in dem Satz zusammen, daß der Entschädigungsbetrag für die in Anspruch genommenen Teilflächen nach dem Wert von Bauland festzusetzen sei. Der Verfahrensstandpunkt und die Rechtsansicht der Enteigneten wurde ohne Widerspruch zum Akteninhalt wiedergegeben. Abgesehen davon wurde die angefochtene Entscheidung nicht mit den Verfahrenserklärungen der nunmehrigen Rechtsmittelwerber begründet. Die Wiedergabe der als aktenwidrig gerügten Verfahrenserklärungen diente daher nur dem leichteren Verständnis, stellt aber keine tragende Begründung der Entscheidung dar.

Letztlich erblicken die Enteigneten eine Aktenwidrigkeit darin, daß der vom Erstgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag von 350 S/m 2 dem vollen Preis für Bauland oder Bauerwartungsland entsprochen habe. Die Bedeutung des von den Sachverständigen verwendeten Ausdruckes "Mittelpreis" bedarf im gegebenen Zusammenhang keiner weiteren Erörterung, weil es für die angefochtene Entscheidung, die von keiner höherwertigen Qualifikation der enteigneten Grundflächen als denen von landwirtschaftlichen Flächen ausgeht, einerlei bleibt, ob ein über dem Verkehrswert von landwirtschaftlichen Gründen gelegener Verkehrswert dem vom Bauland, Bauerwartungsland oder von landwirtschaftlichen Flächen entspricht, von denen die Kaufinteressenten allgemein eine künftige Umwidmung erwarten und deshalb bereits einen objektiv ermittelbaren Preis zwischen dem Verkehrswert von landwirtschaftlichen Gründen und dem von Bauerwartungsland zu zahlen bereit waren.

In den Tatsachenfeststellungen und in der Wiedergabe der Verfahrenserklärungen der Beteiligten unterlief dem Rekursgericht in keinem der gerügten Punkte eine für die Entscheidung erhebliche Abweichung von den aktenmäßig beurkundeten Beweis- und Verfahrensergebnissen.

Die Rechtsrüge der Enteigneten ist im Ergebnis berechtigt. Den vorinstanzlichen Entscheidungen haften Feststellungsmängel an:

Die Grundflächen der zu entschädigenden Eigentümer wurden im Sinne des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl. Nr.8/1969, enteignet. Die vom Land als Straßenerhalter und Enteignungswerber zu leistende Entschädigung ist nach § 46 VbgStrG zu ermitteln. Die Entschädigung hat "alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile" der Enteigneten unter Ausschluß der sich aus dem ersten Satz des § 46 Abs.2 VbgStrG ergebenden Wertbestimmungsfaktoren angemessen auszugleichen. Dabei sind nach § 46 Abs.3 VbgStrG "die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des Enteignungsbescheides" für die Bewertung des Enteignungsgegenstandes maßgebend. Die Wertermittlung ist in den zur Entscheidung vorliegenden Fällen daher auf den abzustellen. Alle wertbestimmenden Verhältnisse sind für diesen Zeitpunkt zu ermitteln. Ungeachtet des Umstandes, daß Grundstücke und Grundstücksteile vor allem nach ihrer Geländelage, Bodenbeschaffenheit, ihren Verkehrs- , Versorgungs- und Entsorgungsanschlüssen, ihrer Größe und Konfiguration und der sich daraus sowie aus den rechtlichen Vorschriften ergebenden Vewendungsmöglichkeiten unverwechselbare Eigenheiten darstellen, bildet sich ihr Verkehrswert doch in einer Wechselbeziehung zum jeweiligen Kaufpreis von Grundstücken mit gleichen allgemeinen, nach der Verkehrsauffassung als berücksichtigungswürdig anzusehenden Eigenschaften. Dabei steht im überwiegenden Regelfall die Verwertungsmöglichkeit einer Grundfläche zur Errichtung von Wohn-, Geschäfts- oder Industriebauten einerseits oder zu einer rein land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung andererseits im Vordergrund. Die erwähnten individuellen Eigenschaften jedes einzelnen Grundes werden auch bei Beobachtung eines räumlich begrenzten Marktes für die bloß nach ihrer Verwendungsmöglichkeit als Baugrund oder als landwirtschaftlich nutzbare Fläche umschriebenen Grundstücksarten keinen auf die Flächeneinheit in Quadratmetern bezogenen einheitlichen Preis erkennen lassen, sondern nur einen mehr oder weniger breiten Preisrahmen. Innerhalb eines solchen Rahmens kommen die weiteren preisbestimmenden Umstände zur Auswirkung. Bei jeder Wertermittlung sind die für den erwähnten Preisrahmen sowie die für die nähere Bestimmung innerhalb des Preisrahmens wirksamen Umstände zu erheben und festzustellen. Nur wo es ausgeschlossen ist, die Auswirkung einzelner preisbildender Umstände des zu bewertenden Grundes innerhalb eines ermittelten Preisrahmens zu gewichten, bleibt als Ausweg für die nicht mehr dem Sachverständigen, sondern dem Gericht obliegende Ermittlung der angemessenen Entschädigung, einen "Mittelpreis" heranzuziehen. Eine gerichtliche Entscheidung über ein Entschädigungsbegehren ist nur dann für die Beteiligten und im Anfechtungsfall für die Rechtsmittelinstanzen nachvollziehbar, wenn die Wertbestimmungsumstände in tatsächlicher Hinsicht - regelmäßig auf Grund der Marktbeobachtung und -auswertung durch Sachverständige - dargestellt und die abwägende Beurteilung dieser Umstände in Ansehung des zu bewertenden Grundes offengelegt werden. In dieser Hinsicht liegen Feststellungsmängel vor. Diese sind allerdings nur unter der Voraussetzung erheblich, daß nach den für den Bewertungsstichtag () maßgebenden Verhältnissen eine höhere Bewertung der enteigneten Flächen als nach dem Verkehrswert reiner landwirtschaftlicher Grundstücke angezeigt erschiene. Die Enteigneten haben geltend gemacht, daß die ihnen enteigneten Flächen ungeachtet ihrer Widmung nach dem Flächenwidmungsplan als Freiflächen für Landwirtschaft wie Bauland (oder doch wenigstens Bauerwartungsland) zu entschädigen seien. Soweit sie dabei auf tatsächlich erfolgte Widmungsänderungen nach dem Bewertungsstichtag hinweisen, hat das als solches unberücksichtigt zu bleiben. Für die Bewertung können nur solche Umstände maßgebend sein, die am Bewertungsstichtag bereits wirksam waren, die Erwartung einer künftigen Änderung der Verwendungsmöglichkeit der Grundstücke daher nur, soweit solche Erwartungen auf dem Grundstücksmarkt tatsächlich bereits preisbestimmend gewirkt haben oder mangels konkret heranziehbarer Vergleichspreise gewirkt hätten. Dies könnte unabhängig von einer entgegenstehenden Flächenwidmung der Fall gewesen sein. Besondere Umstände dafür haben die Enteigneten bereits im erstinstanzlichen Verfahren konkret vorgebracht. Es blieb aber bisher unerörtert, wieweit die festgestellte Erschließung und das Interesse von potentiellen Käufern, die später enteigneten Gründe zwecks künftiger Bebauung zu erwerben, unabhängig von dem zum Enteignungsgrund gewordenen Straßenbau vorgelegen wären. Bei der Enteignung von Teilflächen verhältnismäßig großer Grundstücke ist aber vor allem auch danach zu fragen, ob nicht ohne Straßenbau, wenn überhaupt, so doch auch nur ein Teil des gesamten Grundstückes für eine künftige Verwendung als Baugrund in Betracht zu ziehen gewesen wäre und diese Möglichkeit in unveränderter Weise und Wahrscheinlichkeit dadurch erhalten geblieben sei, daß statt des Enteigneten ein anderes entsprechend großes ähnlich beschaffenes Teilstück mit vergleichbaren Eigenschaften umgewidmet werden könnte. In dem zu ergänzenden Verfahren werden die Umstände zu erörtern und festzustellen sein, aus denen sich tatsächlich ergibt oder mit einer für die richterliche Überzeugung hinreichenden Wahrscheinlichkeit annehmen läßt, daß konkret aufgetretene Kaufinteressenten oder hypothetisch anzunehmende Kaufinteressenten wegen der Erwartung einer künftigen Verwendbarkeit der enteigneten Flächen als Baugründe bereits am einen um ein objektiv ermittelbares Ausmaß höheren Kaufpreis als den (für landwirtschaftliche Grundstücke festgestellten Preis) von 100 S/m 2 bezahlt hätten. Destoweniger dabei unmittelbare Tatsachenfeststellungen hinreichen, sondern Schlüsse auf den vermuteten Geschehensablauf notwendig sind, desto bestimmter werden die Schlußfolgerungen und die sie gründenden Tatumstände darzulegen sein.

Die aufgezeigten Feststellungsmängel erlauben derzeit keine abschließende Beurteilung. Die Vorinstanzen werden im weiteren Verfahren allerdings von der Rechtsansicht auszugehen haben, daß die Widmung der enteigneten Grundstücke am Bewertungsstichtag sowie damals etwa bereits gestellte Anträge oder amtswegige Pläne zur Umwidmung nur mittelbar für den festzustellenden Verkehrswert der enteigneten Flächen von Bedeutung sein können; entgegen der rekursgerichtlichen Ansicht darf die Widmung als Freiflächen für Landwirtschaft im Zusammenhang mit einem noch nicht gestellten Umwidmungsantrag und einer noch nicht konkret in Erscheinung getretenen Absicht einer amtswegigen Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht schon dazu herangezogen werden, einen tatsächlich festgestellten oder hypothetisch angenommenen Einfluß der von den Käufern allgemein geteilten Erwartung künftiger Verbauungsmöglichkeit der Gründe auf die Preisbildung als unerheblich auszuschließen.

Das Sachvorbringen der Enteigneten in ihrem Schriftsatz ON 49 ist zwar eine unbeachtliche Erweiterung der Rechtsmittelausführungen. Im Hinblick auf die erforderliche Verfahrensergänzung sei aber zur Frage der Verzinsung und Aufwertung auf die Regelungen nach § 46 Abs.3 und Abs.6 VbgStrG hingewiesen. Daraus ergibt sich mit hinlänglicher Deutlichkeit, daß eine Aufwertung der Entschädigungsbeträge gesetzlich nicht vorgesehen ist und eine Verzinsung nur unter den Voraussetzungen und im Ausmaß des § 46 Abs.6 VbgStrG stattzufinden hat.

Die Entscheidung über das Begehren der Enteigneten auf Ersatz ihrer erstinstanzlichen Verfahrenskosten bleibt der in dem zu ergänzenden Verfahren zu fällenden Entscheidung vorbehalten. Die Entscheidung über den Ersatz der den Enteigneten im Rechtsmittelverfahren erwachsenen Kosten ist in analoger Anwendung des § 52 ZPO der noch ausstehenden, abschließenden Sachentscheidung vorzubehalten (SZ 52/26, wobei im Hinblick auf die Entscheidung des verstärkten Senates vom allerdings die in der Entscheidung SZ 52/26 ausgesprochene abweichende Behandlung der Kosten anwaltlicher Vertretung zu unterbleiben hat). Dazu hat der erkennende Senat mit Rücksicht auf die in jüngster Zeit geäußerten unterschiedlichen Ansichten zum Grund der Kostenersatzpflicht nach § 44 EisbEntG 1954, der gemäß § 47 Abs 3 VbgStrG anzuwenden ist, erwogen:

Nach dem vom Gesetzgeber des Jahres 1878 geregelten System des Verfahrens hat sich die Verwaltungsbehörde auf die Feststellung des Gegenstandes und des Umfanges der Enteignung zu beschränken, sodaß die Parteien mangels außergerichtlicher Einigung wegen der Ermittlung des dem Enteigneten gebührenden Entschädigungsbetrages zur Anrufung des Gerichtes genötigt sind. In den nach dem Bundesstraßengesetz und den diesem Gesetz nachgebildeten Gesetzen geregelten Enteignungsverfahren ist dagegen bereits im Verwaltungsverfahren der Entschädigungsbetrag zu ermitteln (siehe § 47 Abs 1 VbgStrG), sodaß vor der allfälligen Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Enteignungsentschädigung bereits eine behördliche Wertermittlung vorliegt. Es ist hier nicht zu untersuchen, ob dieser Unterschied bereits hinreicht, eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung des § 44 EisbEntG 1954 zu verneinen und eine unechte, nach allgemeinen Auslegungsregeln zu schließende Gesetzeslücke anzunehmen. Über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht abzusprechen. Selbst wenn aber für das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren über einen Antrag auf Neufestsetzung der Enteignungsentschädgung in Anwendung der Kostenregelung nach § 44 EisbEntG 1954 eine Art Veranlasserprinzip angenommen werden sollte, wäre dies für das Rechtsmittelverfahren aus ähnlichen Erwägungen, wie sie im Falle der Kostenersatznorm des § 45a ZPO zum Tragen kommen (vgl SZ 52/140), abzulehnen. Sind die für die Streitbereinigung wesentlichen Tatumstände in dem hiefür vorgesehenen gerichtlichen Ermittlungsverfahren in objektiver Weise erhoben, bedarf es keiner gegenüber den allgemeinen Kostenersatzgrundsätzen abweichenden Begünstigung des Enteigneten. Er nimmt ihm zu Gebote stehende Rechtsmittelmöglichkeiten kostenrechtlich auf eigenes Risiko wahr, sodaß er nach dem allgemein aus § 44 EisbEntG 1954 ableitbaren Grundsatz dem Enteignungswerber zwar auch bei Erfolglosigkeit des Rechtsmittels nicht kostenersatzpflichtig wird (1 Ob 583/82), aber auch keinen Kostenersatzanspruch gegen den Enteignungswerber besitzt (JBl 1983, 93). An dieser Auslegung hält der erkennende Senat - ungeachtet der diesbezüglichen Kritik von Kühne JBl 1983, 623 ff, 626 - fest: Im gerichtlichen Verfahren zur Feststellung der Enteignungsentschädigung steht dem Enteigneten für ein erfolgloses Rechtsmittel kein Kostenersatz zu. Der Ersatzanspruch der Enteigneten hängt daher vom derzeit noch ungewissen Verfahrensausgang ab.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2017:E116947
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAD-59873