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OGH vom 29.03.2001, 6Ob34/01w

OGH vom 29.03.2001, 6Ob34/01w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Dr. Herwig-Rainer H*****, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Verlassenschaftsgläubigerin Melitta Z*****, vertreten durch Dr. Georg Josef Reich, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 636/00y-92, womit der Rekurs der Verlassenschaftsgläubigerin gegen den Beschluss (die Einantwortungsurkunde) des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 7 A 168/97f-82, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem mit einem Antrag nach § 14a Abs 1 AußStrG verbundenen ordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

2. Der weiters erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am verstorbene Rechtsanwalt setzte seine drei Töchter testamentarisch zu Erbinnen ein. Ihre bedingten Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. Der Nachlass ist überschuldet. Aktiven von 2,785.037,63 S stehen Passiven von 6,499.634,42 S gegenüber. Im Verfahren wurde eine Gläubigerkonvokation durchgeführt (§ 813 ABGB). Neben anderen Gläubigern meldete eine Angestellte des Erblassers Abfertigungs- und Gehaltsansprüche von zusammen 185.688 S an. Diese Ansprüche hat sie während des anhängigen Abhandlungsverfahrens gegen die Verlassenschaft auch eingeklagt.

Das Verlassenschaftsgericht erließ am einen "Mantelbeschluss" und die Einantwortungsurkunde. Der Nachlass wurde den Töchtern zu je einem Drittel eingeantwortet.

Das Rekursgericht wies den gegen die Einantwortung erhobenen Rekurs der Dienstnehmerin des Erblassers zurück. Im Verlassenschaftsverfahren sei nicht über Forderungen gegen den Nachlass zu entscheiden. Die Erben seien nicht verpflichtet, einen Konkursantrag zu stellen. Dies könnten die Gläubiger selbst tun (§ 70 KO). Der Erbe habe auch die Möglichkeit, die Nachlassgläubiger außerhalb eines Konkursverfahrens im Sinne des § 815 ABGB zu befriedigen. Nachlassgläubiger hätten im Abhandlungsverfahren nur in hier nicht vorliegenden Fällen eine Beteiligtenstellung.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S nicht übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs zunächst für nicht zulässig, dann aber über Antrag der rekurrierenden Gläubigerin gemäß § 14a AußStrG für zulässig.

Gegen die Zurückweisung ihres Rekurses richtet sich der mit einem Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 14a AußStrG verbundene ordentliche Revisionsrekurs vom , mit dem Antrag, die Einantwortung aufzuheben sowie der am selben Tag erhobene außerordentliche Revisionsrekurs.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist schon wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit eines Rechtsmittels unzulässig. Meritorisch ist nur der mit dem Antrag auf Abänderung des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruchs zutreffend verbundene (§ 14a Abs 1 zweiter Satz AußStrG) ordentliche Revisionsrekurs zu behandeln.

Die Revisionsrekurswerberin steht auf dem Standpunkt, dass hier ihre Beteiligtenstellung deshalb zu bejahen sei, weil sie ihre Gehaltsansprüche gegenüber dem Verstorbenen bei nicht ausreichendem Vermögen der Verlassenschaft als Insolvenz-Ausfallgeld nach dem IESG geltend machen könne. Hiefür sei aber die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Verlassenschaft Voraussetzung. Ein Konkurs käme aber nach der Einantwortung nicht mehr in Frage. Bei Unzulänglichkeit des Nachlasses müsse dem Dienstnehmer der Weg zum Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds offenstehen. Zwar hätte die Rekurswerberin selbst einen Konkursantrag stellen können, sie habe aber von der Unzulänglichkeit der Verlassenschaft nichts gewusst und hätte keine Akteneinsicht erhalten. Leichtfertige Konkursanträge seien in der Praxis "nicht geschätzt". Die Dienstnehmerin benötige eine Aufhebung der Einantwortung, damit sie einen Konkursantrag stellen könne. Zu diesem Rekursvorbringen ist Folgendes auszuführen:

Nachlassgläubiger sind nicht ohne weiteres Beteiligte des Verlassenschaftsverfahrens. Sie erlangen dann Beteiligtenstellung, wenn es zur Absonderung des Nachlasses oder zur Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger kommt, dies aber nur insoweit, als die bekämpfte gerichtliche Verfügung in die ihnen nach den §§ 811, 812 und 815 ABGB zustehenden Rechte eingreift (6 Ob 202/98v mwN). Dem Nachlassgläubiger steht insbesondere kein Rekursrecht gegen Erbserklärungen oder die Einantwortung zu (so schon 3 Ob 521, 522/76). Im außerstreitigen Verfahren hat grundsätzlich nur derjenige Beteiligtenstellung, in dessen subjektive Rechte das Verfahren und die dort ergangenen gerichtlichen Verfügungen eingreifen. Die Rekurswerberin hat weder einen Sicherstellungsantrag noch einen Separationsantrag (§§ 811 f ABGB) gestellt. Die Abhandlung war weder armutshalber abzutun (§ 72 AußStrG) noch wurde der Nachlass wegen überwiegendem Schuldenstand den Gläubigern an Zahlungs Statt überlassen (§ 73 AußStrG). Letzteres wäre nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung schon wegen der Höhe der Verlassenschaftsaktiva nicht möglich gewesen (SZ 68/8).

Die Arbeitnehmeransprüche nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) haben den Konkurs des Dienstgebers oder der Konkurseröffnung gleichzuhaltende Sachverhalte wie Beschlüsse nach § 72 Abs 1 und § 73 Abs 1 AußStrG zur Voraussetzung (§ 1 Abs 1 IESG). Wenn kein unbedeutender Nachlass vorliegt, ist eine kridamäßige Verteilung vom Abhandlungsgericht nicht zu bewilligen. Die Gläubiger haben kein Wahlrecht. Es ist ein förmliches Konkursverfahren über das Nachlassvermögen zu eröffnen (SZ 68/8). Bei Verlassenschaften reicht der Überschuldungstatbestand (§ 67 Abs 1 KO). Die Antragsbefugnis bei einer den Nachlass übersteigenden Schuldenlast bestimmt die KO (§ 74 AußStrG). Neben dem Schuldner (§ 69 Abs 1 KO), also dem Vertreter des Nachlasses, ist der Nachlassgläubiger zur Stellung eines Konkursantrages legitimiert (§ 70 Abs 1 KO; Welser in Rummel ABGB3 Rz 20 zu §§ 797, 798; Eccher in Schwimann ABGB2 Rz 18 zu § 798). Dieses Gläubigerrecht steht auch dem Arbeitnehmer als Gläubiger von Gehaltsforderungen zu (9 ObA 320/99w).

Bei Überschuldung des Nachlasses besteht eine Verpflichtung der Erben zur quotenmäßigen Befriedigung der Gläubiger (§ 815 ABGB) schon ab Abgabe der bedingten Erbserklärung (JBl 1984, 317). Wenn ein Gläubiger damit nicht einverstanden ist, kann er einen Konkursantrag stellen. Nach der Einantwortung ist dies aber nicht mehr möglich (ZBl 1938/153; Kopiunig, Das Verhältnis der §§ 813 ff ABGB zur Konkurseröffnungspflicht bei Überschuldung des Nachlasses, NZ 1993, 97 [104]; Welser aaO), weil die Verlassenschaft als konkursfähige Vermögensmasse nicht mehr existiert (OLG Innsbruck, 1 R 1/95 = ZIK 1995, 63). Nach der Einantwortung bleibt der Erbe allerdings verpflichtet, die Gläubiger quotenmäßig zu befriedigen (§ 815 ABGB; Kopiunig aaO). Auch wenn mit der Einantwortung die Möglichkeit entfällt, den Nachlasskonkurs zu beantragen und den Konkurs zu eröffnen, ist damit eine Beteiligtenstellung des Nachlassgläubigers im Abhandlungsverfahren über die schon angeführten auf die Rechte nach den §§ 811 ff ABGB eingeschränkte Beteiligtenstellung hinaus, nicht zu rechtfertigen. Die Argumentation der Revisionsrekurswerberin läuft darauf hinaus, die von ihr selbst unterlassene Antragstellung auf Eröffnung des Konkurses zu sanieren. Entgegen ihrem Vorbringen war eine Antragstellung durchaus möglich und zumutbar. Die Tatsache der Überschuldung des Nachlasses musste ihr schon auf Grund des ersten Inventars vom (ON 43) bekannt sein. Danach standen rund 2 Mio S Aktiven Passiven von 6,5 Mio S gegenüber. Der mittlerweilige Stellvertreter des Verstorbenen hatte mehrfach über anhängige Prozesse und die Gefahr einer Überschuldung des Nachlasses berichtet. Der Hinweis auf fehlende Akteneinsicht ist materiell unrichtig. Gerade die möglichen Dienstnehmeransprüche nach dem IESG begründeten das rechtliche Interesse der Gläubigerin, die ihre Forderungen schon angemeldet hatte, in den Verlassenschaftsakt Einsicht zu nehmen, ganz abgesehen davon, dass die Akteneinsicht jederzeit mit einer möglichen Sicherstellung der Gläubigerforderungen wirksam begründet hätte werden können. Der nun befürchtete Rechtsverlust hat seine Ursache in der Verletzung der verfahrensrechtlichen Diligenzpflicht der Gläubigerin, die sich erst am zur Stellung eines Konkursantrags entschloss (ON 87). Einem Nachlassgläubiger steht nicht das Recht zu, eine Abhandlung, deren Ziel und Ende in der Einantwortung der Erben besteht, zu verzögern. Es ist nicht Sache des Verlassenschaftsgerichtes, für die Befriedigung der Nachlassverbindlichkeiten zu sorgen (7 Ob 382/97w). Die Rekurswerberin hätte ihre Forderungen im Abhandlungsverfahren jederzeit sicherstellen lassen können. Der Erbe hat die Gläubiger quotenmäßig zu befriedigen. Die Durchsetzung der Gläubigerforderungen fällt allein in die Sphäre der Gläubiger. Für die im Ergebnis angestrebte Aussetzung des Abhandlungsverfahrens bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich ein Gläubiger entschließt, einen Konkursantrag zu stellen, fehlt jede Rechtsgrundlage. Aus der Unterlassung eines möglichen Konkursantrags durch den Nachlassgläubiger selbst kann dessen Beteiligtenstellung im Abhandlungsverfahren auch dann nicht abgeleitet werden, wenn mit der Einantwortung der Erben die Voraussetzungen für Ansprüche nach dem IESG nicht mehr geschaffen werden können. Ob die Ansprüche der Klägerin gegen den Fonds hier tatsächlich nicht mehr durchsetzbar sind, braucht nicht weiter untersucht werden. Die in der Gerichtspraxis mitunter von Verlassenschaftsgerichten (entgegen der zitierten Entscheidung SZ 68/8) über den Fall des § 73 Abs 1 AußStrG hinausgehenden Anordnungen über eine kridamäßige Verteilung eines überschuldeten, aber nicht unbedeutenden Nachlasses (dazu Meyer, Der überschuldete Nachlass, NZ 1979, 79 [93]) werden jedenfalls in der Lehre als analogiefähiger Fall zu § 1 Abs 1 Z 6 IESG angesehen (Liebeg, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz2 Rz 122 zu § 1). Ein solcher über § 73 AußStrG hinausgehender Beschluss wurde vom Abhandlungsgericht nicht gefasst. Allenfalls könnte auch in der materiellrechtlichen Verpflichtung des Erben zur quotenmäßigen Befriedigung der Gläubiger (§ 815 ABGB) ein weiterer analogiefähiger Tatbestand erblickt werden. Zu diesen Fragen braucht hier nicht Stellung genommen zu werden.