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OGH vom 08.05.2008, 3Ob263/07h

OGH vom 08.05.2008, 3Ob263/07h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Unterbringungssache des Kranken Sebastian P*****, vertreten durch die Patientenanwältin Mag. Christine Müllner-Lachner, Patientenanwaltschaft Geschäftsstelle Salzburg, diese vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wels, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kranken und der Patientenanwältin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 302/07v-59, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 36 Ub 550/04t-57, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs der Patientenanwältin wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs des Kranken wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am geborene und somit volljährige Kranke war vom 17. bis in der geschlossenen Station S 3 (im Folgenden nur Station S 3) der I. Psychiatrischen Abteilung der Christian-Doppler-Klinik Salzburg (Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie) untergebracht. Der an paranoider Schizophrenie leidende Kranke verhielt sich jedenfalls aufgrund massiver Wahnhaftigkeit und Desorientiertheit akut selbst- und fremdgefährlich. Im Zuge seiner Betreuung im geschlossenen Bereich änderte sich sein psychischer Zustand vorerst nicht. Am war er zwischen 07.40 und 08.30 Uhr und am zwischen 07.30 und 09.00 Uhr aufgrund akuter Aggressionshandlungen gegenüber dem Pflegepersonal und einem Mitpatienten fixiert. Das Erstgericht erachtete mit seinem Beschluss ON 21 die Unterbringung des Kranken ab dem , etwa 14.00 Uhr, und die von 14.10 bis 22.20 Uhr an diesem Tag erfolgte Fixierung für unzulässig. Das Rekursgericht erachtete mit seinem Beschluss ON 27 die Unterbringung vom 17. bis , 14.00 Uhr für unzulässig. Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 179/05b vom ON 41 wurden auch die Fixierungen am von 07.40 bis 08.30 Uhr und am von 07.30 bis 09.00 Uhr als nicht dem Gesetz entsprechend erkannt, weil die formellen Vorschriften des § 33 Abs 3 erster Satz UbG über die unverzügliche Verständigung des Vertreters des Kranken von einer Beschränkung der Bewegungsfreiheit nicht eingehalten wurden.

Im dann fortgesetzten Verfahren war nur mehr die allfällige Unzulässigkeit der Heilbehandlung zu prüfen. Dazu liegen folgende Feststellungen vor:

Am beabsichtigte der Kranke, in der Badewanne der Station S 3 „Körperhygiene zu machen". Wegen des heißen Wassers stieg er zuerst gleich wieder aus der Wanne heraus und wartete dann etwas. Nach einigen Minuten stieg er neuerlich in die Wanne und rutschte dabei hinein. Er wollte einen „Härtetest" machen, ist halb gerutscht und halb absichtlich eingetaucht. Um etwa 10.20 Uhr fand ihn der diensthabende Pfleger in der Wanne im etwa 60 Grad heißen Wasser vor; Ursache für das zu heiße Wasser war eine defekte Sicherung der Mischbatterie mit einer Temperaturbegrenzung auf 42 Grad für die Badewanne. Der Kranke erlitt durch das Bad in der Dauer von etwa 10 bis 15 Minuten großflächige Verbrühungen am gesamten Körper. Die diensthabenden Ärzte der Station S 3 verfügten seine unverzügliche Vorstellung an der Landesklinik für Dermatologie, wohin der Kranke in Begleitung eines Pflegers überstellt wurde. Um etwa 10.30 Uhr wurde der Kranke in der Ambulanz der Landesklinik für Dermatologie vorgestellt, es wurde eine 60o Combustio überwiegend 1. und 2. Grades festgestellt. Unter Analgesie mit Dipidolor s.c. und einer Kurzinfusion mit einer Ampulle Novalgin erfolgte die lokale Wundversorgung. Wegen Selbstmordgefahr und Fremdgefährdung wurde der Kranke um 14.00 Uhr zunächst wieder an die Station S 3 rücktransferiert, ein Infusions-, Antibiose- und Analgesieprogramm vorgeschrieben und eine Antikoagulation mit Lovenox eingeleitet. Dabei wurde er von etwa 14.00 Uhr bis 22.20 Uhr fixiert, für die Nacht wurde eine Sitzwache organisiert. Gegen 22.00 oder 23.00 Uhr erfolgte wegen Elektrolytentgleisung (erhöhte Kaliumwerte bei der Blutgasanalyse, Dehydration und renale Retention) und nach weiterer Rücksprache mit den diensthabenden Ärzten der Landesklinik für Dermatologie eine neuerliche Vorstellung an der Dermatologie, wo die weitere Behandlung zunächst stattfand; am wurde der Kranke an die HNO-Wachstation bzw Anästhesie-Intensiv-Station transferiert und drei Tage später an das deutsche Verbrennungszentrum München-Bogenhausen überstellt und dort bis weiter behandelt. Eine weitere Behandlung vom 9. Juni bis erfolgte an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Innsbruck. Nachträglich beurteilt dürften von der Verbrennung ursprünglich etwa 60 % der Körperoberfläche betroffen sein. Die gutachterliche hautfachärztliche Diagnose lautet „St.p. Combustio Grad II und III".

Bereits der Akutverlauf war von einem zumindest milden Verbrennungs-Schock-Syndrom gekennzeichnet. Die Versorgung des Kranken innerhalb der ersten 24 Stunden ist insoweit als fach- und sachgerecht anzusehen, als unverzüglich die Erstversorgung (Abkühlung mit Kaltwasser) und an der dermatologischen Abteilung eine fachärztliche Verbrennungserstversorgung erfolgte. Bei einer Verbrennungsausdehnung von etwa 60 % der Körperoberfläche erfolgte jedoch zunächst keine Aufnahme an einer entsprechend ausgestatteten Fachabteilung. Nach übereinstimmender Literatur ist bei Verbrennungen 2. Grades über 15 bis 20 % der Körperoberfläche ein wesentlich erhöhtes Risiko des Auftretens eines Verbrennungs-Schock-Syndroms gegeben und die Aufnahme in eine Spezialabteilung ist daher indiziert. Die Einschätzung der Ausdehnung und des Grades war zunächst korrekt. Besser hätte jedoch eine sofortige Aufnahme an einer Intensivstation durchgeführt werden sollen; höchstwahrscheinlich wäre es dadurch nicht in vollem Umfang zur späteren Komplikation des Verbrennungs-Schock-Syndroms gekommen, vielleicht hätte sich dadurch auch die Beatmungsphase in Narkose und letztlich der gesamte Heilungsverlauf entsprechend verkürzt. Die gesetzten Maßnahmen haben das akute Schockereignis adäquat behandeln können. Bedingt durch die besondere Situation der Unterbringung war möglicherweise im weiteren Verlauf die Überwachung der Vitalparameter nicht ausreichend. Die Behandlung, die auf der Station S 3 ab 14.00 Uhr durchgeführt wurde, ist aus dermatologischer Sicht grundsätzlich als Erstversorgung zur Gefahrenabwehr geeignet. Die Therapie entspricht einem Standard, der bei schweren Verbrennungen zur Anwendung kommt. Die hochgerechnete Einschätzung von 5 l Ringer-Laktat für die nächsten 24 Stunden könnte etwas gering bemessen gewesen sein, die Behandlung mit Schmerzmitteln erscheint etwas gering dosiert. Die Behandlung des Kranken auf der Station S 3 zwischen 14.00 und 22.00 Uhr war nicht zu seinem Schaden.

Der Kranke stellte (unter anderem) durch die Patientenanwältin den Antrag, die ärztliche Behandlung am von 14.00 Uhr bis 22.20 Uhr auf der geschlossenen Station S 3 für unzulässig zu erklären. Er leide an Komplikationen, die auf eine fehlerhafte Behandlung in den ersten 24 Stunden zurückzuführen seien.

Das Erstgericht erklärte die ärztliche Behandlung des Kranken am von etwa 14.00 bis 22.20 Uhr auf der Station S 3 für zulässig. Die Behandlung sei auch als verhältnismäßig anzusehen. Die Anwendung einer, wenn auch zwangsweisen Sondertherapie zur Behandlung großflächiger Verbrennungen sei notwendig und zweckmäßig, um der mit der Verbrennung einhergehenden Gefahr bzw Gesundheitsschädigung wirksam begegnen zu können. Im Interesse der Gesundheit des Patienten habe hier das Recht auf Selbstbestimmung zurückzutreten, weil in diesem konkreten Fall die Heilung bzw das Recht auf Gesundheit höher zu werten sei als der mit der zwangsweisen Behandlung einhergehende Verlust an Selbstbestimmung. Da die Behandlung zur Hintanhaltung weiterer schwerer gesundheitlicher Schädigungen dringend vorzunehmen gewesen sei, sei eine Zustimmung des Kranken bzw gesetzlichen Vertreters sowie eine allfällige gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich gewesen, sodass das Fehlen einer solchen der Zulässigkeit der Behandlung nicht entgegenstehe. Die Behandlung habe den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft entsprochen, weil eine Standardtherapie für schwere Verbrennungen angewendet worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Kranken die Zulässigerklärung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs infolge der nicht über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Entscheidung nicht zulässig sei. Die Behandlung des Kranken sei verhältnismäßig gewesen, weil diese Beurteilung von den auf der behandelnden Station konkret gegebenen Möglichkeiten abhängig sei. Da sich die Landesklinik für Dermatologie geweigert habe, den Kranken weiter zu behandeln, wobei dieses Verhalten hier nicht rechtlich zu beurteilen sei, sei nur mehr die ärztliche Behandlung auf der geschlossenen Abteilung zur Verfügung gestanden. Aufgrund der dort konkret gegebenen Möglichkeiten, die eben nicht denen einer dermatologischen Intensivstation entsprechen, sei die Behandlung verhältnismäßig gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Patientenanwältin im eigenen Namen ist nicht zulässig, jener des durch die Patientenanwältin vertretenen Kranken, mit dem er den Ausspruch der Unzulässigerklärung der Behandlung in der oben angegebenen Zeit anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Anzuwenden ist im vorliegenden Fall das Bundesgesetz vom über die Unterbringung psychisch Kranker in Krankenanstalten BGBl 1990/155 (Unterbringungsgesetz - im Folgenden nur UbG). Nach den Feststellungen fehlte dem Kranken zum Zeitpunkt der hier relevanten ärztlichen Behandlung seiner Verbrühungen die Urteils- und Einsichtsfähigkeit für eine Behandlung. Nach den Ausführungen im Revisionsrekurs und dem Akteninhalt hatte der volljährige Kranke zu diesem Zeitpunkt auch keinen Sachwalter. Gemäß § 12 Abs 2 UbG entscheidet das Gericht im Verfahren außer Streitsachen; auch im Verfahren nach dem UbG richtet sich die Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Gerichte zweiter Instanz nach den Bestimmungen des AußStrG. Am trat das AußStrG, BGBl I 2003/112, in Kraft; es ist grundsätzlich zufolge § 199 AußStrG auch auf Verfahren anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten anhängig geworden sind (3 Ob 179/05b vom ON 32).

1. Zum Rechtsmittel der Patientenanwältin im eigenen Namen: Gemäß § 14 Abs 1 erster Satz UbG wird der Patientenanwalt mit der Aufnahme eines ohne Verlangen untergebrachten Kranken kraft Gesetzes dessen Vertreter für das Unterbringungsverfahren und zur Wahrnehmung der insbesondere in den §§ 33 bis 39 verankerten Rechte. Wer dabei im Einzelfall Patientenvertreter ist, bestimmt sich nach der Bestellung durch den Vorsteher des zuständigen Bezirksgerichts nach § 13 Abs 1 UbG. Der Patientenanwalt ist ein aus Zweckmäßigkeitsgründen vorgesehener Vertreter des Kranken kraft Gesetzes mit einem durch das Unterbringungsgesetz umschriebenen Wirkungskreis. Sein Rechtsmittel kann daher immer nur Rechtsmittel des von ihm Vertretenen sein, auch wenn es sein Recht ist, Rechtsmittel unabhängig vom Willen des Kranken zu erheben (stRsp, zuletzt 10 Ob 78/07d = EF-Z 2008/18; RIS-Justiz RS0075886). Soweit die Patientenanwältin den Revisionsrekurs ausdrücklich im eigenen Namen erhob - daneben erklärte sie auch ausdrücklich, das Rechtsmittel im Namen des Untergebrachten zu erheben - , ist dieses mangels Rechtsmittellegitimation der Patientenanwältin im eigenen Namen als unzulässig zurückzuweisen.

2. Zum Rechtsmittel der Patientenanwältin im Namen des Kranken, das sich nach der Vorentscheidung nur mehr auf die Zulässigkeit der ärztlichen Behandlung an einem bestimmten Tag bezieht:

a) Zur Rechtslage:

§ 35 lautet: (1) Der Kranke darf nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft ärztlich behandelt werden. Die Behandlung ist nur insoweit zulässig, als sie zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis steht. (2) ...

§ 36 lautet:

(1) Kann der Kranke den Grund und die Bedeutung einer Behandlung einsehen und seinen Willen nach dieser Einsicht bestimmen, so ...

(2) Kann der Kranke den Grund und die Bedeutung einer Behandlung nicht einsehen oder seinen Willen nicht nach dieser Einsicht bestimmen, so darf er, wenn er minderjährig oder ihm ein Sachwalter bestellt ist, dessen Wirkungskreis Willenserklärungen zur Behandlung des Kranken umfaßt, nicht gegen den Willen seines gesetzlichen Vertreters oder Erziehungsberechtigten behandelt werden; besondere Heilbehandlungen einschließlich operativer Eingriffe dürfen nur mit schriftlicher Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder Erziehungsberechtigten durchgeführt werden. Hat der Kranke keinen gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten, so hat auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters das Gericht über die Zulässigkeit der Behandlung unverzüglich zu entscheiden; besondere Heilbehandlungen einschließlich operativer Eingriffe bedürfen der Genehmigung des Gerichtes.

§ 37 lautet: Die Zustimmung und die gerichtliche Genehmigung sind nicht erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, daß der mit der Einholung der Zustimmung oder der Genehmigung verbundene Aufschub das Leben des Kranken gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit des Kranken verbunden wäre. Über die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Behandlung entscheidet der Abteilungsleiter. Dieser hat den gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten oder, wenn der Kranke keinen solchen hat, den Patientenanwalt nachträglich von der Behandlung zu verständigen.

b) Zum Rechtsmittelrecht: Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen ausgesprochen und ausführlich begründet, dass die vom Staat im Unterbringungsgesetz gewährten Rechtsschutzeinrichtungen (insbesondere §§ 35 bis 37 UbG) im Lichte der in den Bestimmungen der EMRK festgelegten Individualrechte dahin auszulegen sind, dass derjenige, der behauptet, in seinen Rechten auf Achtung der Menschenwürde (Art 3 EMRK) sowie in seinem Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art 5 EMRK) verletzt zu sein, auch noch nach Beendigung der gegen ihn gesetzten Maßnahmen, also auch noch nach Aufhebung einer freiheitsbeschränkenden Unterbringung in einer psychiatrischen Abteilung oder nach bereits erfolgter Behandlung oder besonderer Heilbehandlung, ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, ob die Unterbringung oder die an ihm vorgenommene Behandlung zu Recht erfolgte (6 Ob 631/93; 2 Ob 2215/96s = SZ 69/202 = RdM 1997, 15 uva; RIS-Justiz RS0074575). Bei verfassungskonformer Auslegung des UbG im Lichte des Art 13 EMRK unterliegen auch ärztliche Behandlungen ohne oder gegen den Willen des untergebrachten Kranken auch noch nach Beendigung der Unterbringung und der Behandlung der gerichtlichen Kontrolle (stRsp, zuletzt 1 Ob 235/06z = RdM 2007/57 = Zak 2007/233 = EF-Z 2007/88). Es besteht daher das Rechtsmittelinteresse auch noch nach Beendigung der Unterbringung und Behandlung.

c) Zum sachlichen Anwendungsbereich der gerichtlichen Kontrolle: Vorerst ist die Frage zu lösen, ob das UbG auch auf Heilbehandlungen anzuwenden ist, die mit der psychischen Erkrankung nicht im direkten Zusammenhang stehen. Sachlich zuständig zur Entscheidung ist das Unterbringungsgericht über die Zulässigkeit 1. von Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters (§ 33 Abs 3 leg. cit.); 2. einer Einschränkung des Telefonverkehrs oder des Besuchsempfangs, auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters (§ 34 Abs 2 leg. cit.); 3. einer Behandlung bei nicht einsichtsfähigen Personen ohne gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten, auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters (§ 36 Abs 2) sowie 4. über die Genehmigung einer besonderen Heilbehandlung einschließlich operativer Eingriffe bei nicht einsichtsfähigen Kranken ohne gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten (§ 36 Abs 2 leg. cit.). Von Relevanz ist hier nur der dritte Fall, weil eine besondere Heilbehandlung - wie noch darzustellen sein wird - nicht vorliegt. Bei der Überprüfung von Behandlungen - wie hier - handelt es sich insofern um eine nachträgliche (a posteriori) und fakultative Kontrolle, als die Behandlung zunächst ohne Mitwirkung des Gerichts vorgenommen wird (vgl dazu Kopetzki, Unterbringungsrecht2 Rz 722 f).

Grundsätzlich beziehen sich die Vorschriften der §§ 35 bis 38 UbG über ärztliche Behandlung und das diese betreffende gerichtliche Verfahren auf untergebrachte Kranke (RIS-Justiz RS0076092). Kopetzki (aaO Rz 582) vertritt nun die Auffassung, das UbG unterscheide nicht nach der Fachzugehörigkeit einer ärztlichen Behandlung. Es sei daher unrichtig, wenn in der Rechtsprechung mitunter die Auffassung vertreten werde, die §§ 35 ff UbG seien nur auf psychiatrische Behandlungen oder nur auf die Behandlung der psychiatrischen Anlasskrankheit anwendbar (so LG Innsbruck vom , AZ 1 b R 49/91, anders nun dieses Gericht am , AZ 52 R 117/97f). Dies ergebe sich schon aus der Anführung „operativer Eingriffe" in § 36 UbG. Der Oberste Gerichtshof nahm zu dieser Frage noch nicht ausdrücklich Stellung. In der Entscheidung 4 Ob 549/94 (= SZ 67/152 = RdM 1995, 17 [Kopetzki]) „betraf" die dort erfolgte Heilbehandlung (Depotinjektion Cisordinol) die psychiatrische Erkrankung, was unter Umständen eine Überlegung in die Richtung darstellen könnte, dass nur Heilbehandlungen im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen vom UbG erfasst werden. Allerdings sah die Entscheidung 6 Ob 2117/96h (= SZ 69/182 = RdM 1997, 17) die Setzung eines Cava-Katheters zur Vornahme notwendiger Infusionen und Sicherstellung der Ernährung einer an einer Psychose und zahlreichen körperlichen Erkrankungen leidenden Untergebrachten ohne Weiteres als Heilbehandlung im Sinn des UbG an.

Ziel des UbG ist es, auch während der Anhaltung „die Grenzen der Einschränkung der Persönlichkeitsrechte in rechtsstaatlich einwandfreier Form abzustecken" (Kopetzki aaO Rz 721 unter Hinweis auf die RV). Deshalb sehe das UbG einen besonderen gerichtlichen Rechtsweg zur Überprüfung von Behandlungen des Kranken in der Anstalt vor. Angesichts des dargestellten Zwecks des UbG erachtet es der erkennende Senat als sachgerecht, jede Heilbehandlung, die an einem untergebrachten, nicht einsichtsfähigen und (in der Frage seiner Zustimmung zur Behandlung) nicht vertretenen Kranken vorgenommen wird, der gerichtlichen Kontrolle nach den §§ 35 ff UbG zu unterwerfen (so auch JAB, 1202 BlgNR XVII. GP, 4 f und Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz 93). Obwohl im vorliegenden Fall (Behandlung von Verbrennungen) nun keine psychiatrische Heilbehandlung und keine Behandlung der psychiatrischen Anlasskrankheit des Kranken vorlag, sondern die davon unabhängige - wohl aber offenbar durch die psychische Krankheit des Kranken (Bad im brühend-heißen Wasser als „Härtetest") ausgelöste - dermatologische Heilbehandlung, musste sie das Gericht überprüfen. Entgegen dem vom Abteilungsleiter der psychiatrischen Klinik nach wie vor vertretenen Standpunkt ist daher im vorliegenden Fall von einer Heilbehandlung eines untergebrachten Kranken auszugehen.

d) In casu nicht gelöst werden muss die (strittige) Frage, ob ein untergebrachter Kranker, der außerhalb der psychiatrischen Anstalt - hier überdies wegen einer nicht psychiatrischen Krankheit - behandelt wird, unter den Schutz des UbG fällt (vgl dazu Kopetzki aaO Rz 39 und 584, je mwN aus der Lehre), war doch im vorliegenden Fall der Kranke in dem durch den erstgerichtlichen Beschluss festgelegten Zeitraum gerade nicht außerhalb der psychiatrischen geschlossenen Abteilung (Station S 3). Die Weigerung der Ärzte der dermatologischen Abteilung, den Kranken aus den bekannten Gründen dort selbst weiter zu behandeln, erfolgte vor dem strittigen Zeitraum und entzieht sich schon deshalb hier einer weiteren Überprüfung.

e) Eine „besondere Heilbehandlung" liegt nicht vor. Das Gesetz definiert diesen Begriff in § 36 UbG nicht. Nach der Rechtsprechung ist jeweils im Einzelfall abzuwägen (vgl 6 Ob 2117/96h), ob eine „besondere Heilbehandlung" iSd § 36 UbG vorlag. Behandlungen, die die körperliche Integrität des Betroffenen in besonderer Weise beeinträchtigen (etwa „Elektroschocks") werden in diesem Sinn als „besondere Heilbehandlung" anzusehen sein. Bei Behandlungen, mit denen Persönlichkeitsveränderungen verbunden sind, ist zu unterscheiden: Behandlungen, die auf die Heilung (und damit die Veränderung) der kranken Persönlichkeit selbst abzielen, werden nicht schlechthin „besondere Heilbehandlungen" sein. Wenn eine Behandlung aber über das Ziel einer solchen Heilung hinausgeht, wenn sie vorübergehende oder dauernde Veränderungen der Persönlichkeit des untergebrachten Kranken, andere erhebliche Nebenwirkungen oder sonst schwerwiegende Beeinträchtigungen der körperlichen oder psychischen Verfassung nach sich zieht, ist von einer „besonderen Heilbehandlung" auszugehen (4 Ob 549/94 ua; RIS-Justiz RS0076093). Ausgehend von diesen in der Rsp entwickelten Kriterien (vgl auch RIS-Justiz RS0076112, RS0076097) und den hier getroffenen Feststellungen lag in casu entgegen den Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs eine „einfache" Heilbehandlung vor.

f) Nach dem von Kopetzki (aaO Rz 618 ff) dargestellten System hat damit für die „einfache Heilbehandlung" eine „fakultative Gerichtskontrolle ex post" zu erfolgen (Kopetzki aaO Rz 619, 649 ff). Die Prüfungsbefugnis des Unterbringungsgerichts ist dabei auf die Beurteilung der Fragen beschränkt, ob ein psychisch Kranker in einer Anstalt untergebracht werden darf, ob er in seiner räumlichen Bewegungsfreiheit oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden darf und inwieweit - hier relevant - eine medizinische Heilbehandlung zulässig ist (6 Ob 678/94; 6 Ob 242/99b). In diesen beiden Vorentscheidungen war nun nur darüber zu entscheiden, ob (statt inwiefern) eine nicht-psychiatrische Heilbehandlung nötig war und ob die vorgenommene Heilbehandlung den Grundsätzen und Methoden der Wissenschaft entsprach und wozu ein Einsichtsfähiger seine Zustimmung erteilt hätte. Das Unterbringungsgericht hat nur über die Zulässigkeit von Behandlungen bei nicht einsichtsfähigen Patienten vor oder nach - wie hier - Durchführung der Behandlung zu entscheiden. Die Prüfung und Feststellung der Unzulässigkeit einer bestimmten einzelnen medizinischen Maßnahme fällt ebensowenig in seine Entscheidungskompetenz (6 Ob 238/99i = SZ 73/13 = RdM 2001, 24 [Kopetzki]) wie die Überprüfung aller Vollzugsmodalitäten. Eine derartige Ausdehnung der gerichtlichen Kompetenz im Unterbringungsverfahren widerspräche dem Grundsatz der taxativen Aufzählung der gerichtlichen Zuständigkeit über die Kontrolle von ärztlichen Maßnahmen (6 Ob 238/99i; Kopetzki aaO Rz 762). Bereits in der Entscheidung 6 Ob 631/93 wurde ausgesprochen, dass im Rahmen eines nachträglichen Feststellungsverfahrens (nach bereits durchgeführten Maßnahmen) nur überprüft werden kann, ob die im Unterbringungsgesetz normierten Voraussetzungen eingehalten wurden.

Zu prüfen ist daher hier nur, ob der nicht einsichtsfähige Kranke während der hier relevanten Unterbringungszeit bei Anlegung objektiver Maßstäbe nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der (medizinischen) Wissenschaft (so § 35 Abs 1 UbG) ärztlich behandelt wurde (Kopetzki aaO Rz 586 f). Ausgehend von den aufgrund eines Sachverständigengutachtens getroffenen - den Obersten Gerichtshof bindenden - und oben dargestellten Feststellungen der Vorinstanzen entsprach die Behandlung auch auf der Station S 3 diesen Voraussetzungen, erfolgte sie doch nach den Vorgaben der Landesklinik für Dermatologie. Als deren Unzulänglichkeit klar wurde, veranlasste die Station S 3 ohnehin - und daher auch nicht mehr inkriminiert - das Notwendige und Richtige. Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit einer Behandlung entzieht sich die hier von der Patientenanwältin für den Kranken ins Treffen geführte Unterlassung (in casu: unterlassene Belassung des Kranken in der „Spezialklinik" [Landesklinik für Dermatologie] mit einem besseren Heilungsverlauf) einer gerichtlichen Kontrolle im Unterbringungsverfahren. Eine Behandlung ist im Übrigen grundsätzlich nur insoweit zulässig, als sie zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis steht (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0105729 zur Beschränkung der Bewegungsfreiheit; siehe auch 6 Ob 2117/96h). Ob hier eine Heilbehandlung zur Verhinderung von Lebensgefahr iSd § 37 erster Satz UbG vorlag, mag wohl zutreffen, steht aber nicht fest. Abwägungskriterien für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Behandlung sind laut der zu billigenden Ansicht von Kopetzki (aaO Rz 591) die Dringlichkeit der Behandlung sowie die Intensität, Art und Dauer des Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht. Nach der Rechtsprechung fällt unter die Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch die Frage, ob ein gelinderes Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks zur Verfügung gestanden wäre (vgl 6 Ob 546/95). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit (§ 35 Abs 1 UbG) wird das vorliegende Problem einer Behandlung, die überdies weder eine psychiatrische Behandlung noch eine Behandlung der psychiatrischen Anlasskrankheit war, besonders deutlich, soll doch nach dem UbG ein „Übermaß" von Behandlung vom Gericht als nicht zulässig erkannt werden, wogegen es hier nach dem Vortrag im Rechtsmittel erkennbar um ein behauptetes „Zuwenig" an Behandlung des Kranken geht. Der erkennende Senat kommt daher, eingeschränkt auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls, zu folgendem Ergebnis: Wenn weder psychiatrische Behandlungen noch Behandlungen der psychiatrischen Anlasskrankheit vom Unterbringungsgericht im Verfahren nach den §§ 35 ff UbG zu überprüfen sind, ist die nachträgliche Prüfung der Zulässigkeit der Heilbehandlung auf die fehlende Eignung der gewählten Behandlungsmethode als solche beschränkt. Ob dann im konkreten Fall ein „Zuwenig" an nicht-psychiatrischen Behandlungen vorlag, ist nicht im dazu nicht zuständigen Unterbringungsverfahren, sondern ausschließlich in einem allfälligen Arzthaftungsprozess zu klären.

g) Gemäß § 37 letzter Satz UbG hat der Abteilungsleiter den gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten oder, wenn der Kranke keinen solchen hat, den Patientenanwalt nachträglich von der Behandlung zu verständigen. Unbestritten erfolgte hier keine derartige Verständigung. Ob auch dies der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (so Kopetzki aaO Rz 659), kann hier auf sich beruhen. Zu diesem Vorwurf liegt nämlich keine Entscheidung des Erstgerichts vor und musste auch nicht vorliegen. Denn ein derartiger Antrag wurde weder im Antrag ON 1 noch im folgenden erstinstanzlichen Verfahren von der Patientenanwältin gestellt.

Die angefochtene Entscheidung ist demnach zu bestätigen.