OGH vom 12.12.1991, 6Ob635/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Paul Hörner, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei M***** OHG, ***** vertreten durch Dr.Nikolaus Kodolitsch und Dr.Wolfgang Nopp, Rechtsanwälte in Graz, wegen 1,708.350,12 S sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 1,808.350,12 S) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 1 R 200/91-26, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Leoben vom , GZ 4 Cg 40/91-21, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 22.601,73 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 3.766,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Beklagte war seit als offene Handelsgesellschaft mit den beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen Edeltraud L***** und Annelie G***** zu HRA 30/Liezen des Kreis- als Handelsgerichtes Leoben registriert. Laut Eintragung vom ist die Firma erloschen.
Die Beklagte hat in den Jahren 1985 und 1986 im Auftrag der Klägerin für deren Kleinkraftwerk in K***** ein Doppelhakenschütz, das ist eine Vorrichtung zur Veränderung der leistungsbestimmenden Fallhöhe in einem Wasserkraftwerk, hergestellt und geliefert. Wegen gravierender Mängel der von der Beklagten eingebauten Ölhydraulikanlage und der Verriegelungseinrichtung behielt die Klägerin den restlichen Werklohn der Beklagten von 585.000 S ein. Auch die über eine Schadensbehebung am Doppelhakenschütz von der Beklagten in Rechnung gestellte Forderung von 185.263,20 S blieb unbeglichen, weil die Beklagte damit die Mängel nicht behoben habe.
Mit ihrer am beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu AZ 8 Cg 289/86 (später 8 Cg 227/89) eingelangten Klage begehrte die Beklagte von der Klägerin die Zahlung des restlichen Werklohnes und der Rechnungsforderung vom , sohin insgesamt eines Betrages von 770.263,20 S sA. Das Klagebegehren ist im zweiten Rechtsgang mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 8 Cg 227/89-78, abgewiesen worden. Die Reparaturkostenforderung der Beklagten bestehe nicht zu Recht, weil sie nicht zu einer Mängelbehebung geführt habe; im Hinblick auf die bestehenden Mängel des Werkes der Beklagten stehe der Klägerin bis zu deren Behebung das Recht zu, den restlichen Werklohn zurückzubehalten.
Mit der vorliegenden am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten den Ersatz von Mängelfolgeschäden (im wesentlichen Aufwand für Verbesserungen und Ersatz für Stromlieferungsausfälle) im Gesamtbetrag von 586.435,12 S sA (später ausgedehnt um weitere Verbesserungskosten zur Mängelbehebung auf insgesamt 1,708.350,12 S sA: ON 5) und die Feststellung, daß ihr die Beklagte für alle (künftigen) Ansprüche aus der mangelhaften Lieferung des Doppelhakenschütz voll haftbar sei.
Die Beklagte bestritt die ihr zur Last gelegten Mängel des Werkes und erhob gegen das Leistungsbegehren die prozessuale Aufrechnungseinrede mit der ihr gegen die Klägerin zustehenden restlichen Werklohnforderung von 585.000 S und der Reparaturkostenforderung von 185.263,20 S (ON 2). Mit Beschluß vom wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu 8 Cg 289/86 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz geführten Rechtsstreites unterbrochen (ON 3). Am langte der Fortsetzungsantrag der Klägerin ein (ON 5). Daraufhin teilte der damalige Rechtsvertreter der Beklagten dem Erstgericht am mit, daß die Beklagte am im Handelsregister gelöscht worden sei und "daher nicht mehr existiere" (ON 7). Die Beklagte selbst sprach sich im Hinblick auf ihre "Vollbeendigung und Löschung" gegen die Fortsetzung des Verfahrens aus (ON 12). Das Erstgericht schränkte daraufhin das Verfahren auf die Prüfung der Parteifähigkeit der Beklagten ein (ON 14) und stellte sodann fest, daß die Beklagte bereits bei Klagseinbringung am als Personenhandelsgesellschaft voll beendet und damit nicht mehr existent war; zugleich erkannte es das "Verfahren ab Einbringung der Klage für nichtig". Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß Gegenstand des Unternehmens der Beklagten die fabriksmäßige Produktion von Stahlbauteilen gewesen sei. Die Produktionsanlagen hätten sich in W***** befunden. In Wien habe es eine zu HRA 15.996 des Handelsgerichtes Wien registrierte Zweigniederlassung gegeben, die allerdings nur aus einem Büro in der Wohnung der Eltern der beiden Gesellschafterinnen bestanden habe. Mit Kaufvertrag vom habe die Beklagte das gesamte von ihr betriebene Unternehmen mit allen Rechten und Pflichten auf der Grundlage eines zum errichteten Status an die P***** GesellschaftmbH, ***** veräußert. Die Käuferin habe das ihr noch am Tag des Kaufvertragsabschlusses übergebene Unternehmen ab nahtlos unter ihrer Firma fortgeführt. Im Hinblick auf die Unternehmensveräußerung sei zwischen den beiden Gesellschafterinnen der Beklagten eine förmliche Liquidation unterblieben. Die vom Verkauf nicht betroffene Wiener Zweigniederlassung sei so aufgelöst worden, daß die Büroräumlichkeiten wieder als Wohnung benützt wurden. Die Gewerbeberechtigung sei unmittelbar nach dem Verkauf zurückgelegt worden. Zwischen den beiden Gesellschafterinnen der Beklagten bestünden seither keine weiteren gesellschaftsrechtlichen Beziehungen mehr. Edeltraud L***** sei von der Unternehmenskäuferin als Dienstnehmerin übernommen worden; Annelie G***** sei nunmehr in einer anderen Sparte selbständig erwerbstätig.
Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß die Beklagte seit der Unternehmensveräußerung als Gesellschaft voll beendet und damit schon zum Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht mehr parteifähig gewesen sei.
Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem inhaltlich die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ungeachtet der - nur deklarativen - Löschung einer Personenhandelsgesellschaft im Firmenbuch verliere die Gesellschaft ihre Partei- und Prozeßfähigkeit erst mit ihrer Vollbeendigung, die jedoch so lange nicht eintreten könne, als noch verwertbares Gesellschaftsvermögen vorhanden sei. Danach lägen Feststellungsmängel vor, weil (ua) der Verbleib und das Schicksal der Kaufschillingforderung der Beklagten von 7,500.000 S und die vertragliche Übernahme der Haftung für Mängel, Mängelfolge- und Schadenersatzansprüche durch die Käuferin auf der Basis der im Status vom aufscheinenden Rückstellung für Prozeßrisiko (700.000 S) ungeklärt geblieben seien. Ungeachtet dessen ergebe sich aber schon aus dem von der Beklagten vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz angestrengten Aktivprozeß, daß sie zum Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage noch nicht voll beendet war. Die von ihr geltend gemachte Werklohnforderung sei letztlich nur wegen mangelnder Fälligkeit abgewiesen worden, sodaß die Forderung doch nach wie vor bestehe. Dieser (zumindest bedingte) vermögensrechtliche Anspruch der Beklagten stehe neben ihrer Kostenersatzforderung einer Vollbeendigung der Gesellschaft entgegen.
Dagegen wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Parteifähigkeit eines Rechtsgebildes ist eine absolute Prozeßvoraussetzung vom Beginn des Rechtsstreites an bis zu ihrem Ende (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 337). Der Verlust der Parteifähigkeit ist von Amts wegen zu beachten und führt jedenfalls zur Nichtigkeit des Verfahrens ab dem Eintritt der Parteiunfähigkeit. Nach § 157 Abs 1 HGB ist nach der Beendigung der Liquidation einer Offenen Handelsgesellschaft das Erlöschen der Firma von den Liquidatoren zur Eintragung in das Firmenbuch (vormals Handelsregister) anzumelden. Die Löschung der Personenhandelsgesellschaft im Firmenbuch wirkt allerdings nur deklartiv und beeinträchtigt ihre Partei- und Prozeßfähigkeit so lange nicht, als verwertbares Gesellschaftsvermögen noch unverteilt vorhanden ist (Torggler-Kucsko in Straube, HGB Rz 3 zu § 157; GesRZ 1984, 50; ÖBl 1990, 73; WBl 1991, 367). Die Frage, ob eine Gesellschaft während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreites ohne Vorliegen einer Gesamtrechtsnachfolge ihre Parteifähigkeit mit der Folge verlieren kann, daß die Klage unzulässig wird, ist allerdings in jüngster Zeit divergierend beantwortet worden: Die Entscheidung SZ 62/43 vertritt die Meinung, das einmal eingeleitete Verfahren sei auch mit der vollbeendeten Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder nicht, fortzusetzen. Dem gegenüber führt die Entscheidung SZ 62/127 aus, daß die Gesellschaft bei Vollbeendigung als solche erloschen sei; damit habe auch das bestehende Prozeßrechtsverhältnis sein Ende gefunden. Schließlich geht die Entscheidung EvBl 1991/125 = GesRZ 1991, 225 (mit Anmerkung von Dellinger) einen dritten Weg, indem sie zwar der Entscheidung SZ 62/127 folgt, aber die Vollbeendigung - zumindest im Falle der Fortsetzung des Prozesses durch die beklagte Gesellschaft - wegen des von der Gesellschaft weiter verfolgten Interesses an einer für sie positiven Kostenentscheidung nicht eintreten läßt (vgl zu all dem auch Mahr in GesRZ 1990, 148 ff und Dellinger in JBl 1991, 629 ff).
Diese Frage muß hier aber nicht neuerlich entschieden werden. Folgt man nämlich der Entscheidung SZ 62/127, wonach eine Gesellschaft bei Vollbeendigung als solche erloschen ist und damit auch das bestehende Prozeßrechtsverhältnis sein Ende gefunden hat, bleibt immer noch die Frage, ob nicht doch noch verwertbares Gesellschaftsvermögen unverteilt vorhanden ist. Ungeachtet der Frage, ob hiefür der mögliche Kostenersatzanspruch für den Fall der Klagsabweisung überhaupt eine taugliche Grundlage für das Fortbestehen einer gelöschten und (sonst) vermögenslosen Gesellschaft sein könnte (so EvBl 1991/125 entgegen Mahr aaO 152 und Dellinger in GesRZ 1991, 227 f), verweist die letztgenannte Entscheidung doch zutreffend darauf, daß eine Gesellschaft jedenfalls mit der Behauptung, ihr stehe noch ein Anspruch zu (und insoweit habe sie noch Vermögen), einen Aktivprozeß führen kann und insoweit als parteifähig gilt. Macht nämlich die Gesellschaft selbst einen Leistungsanspruch geltend, so kann Vollbeendigung von vornherein nicht eintreten, umfaßt doch dann das Gesellschaftsvermögen wenigstens noch den behaupteten Anspruch und ist somit noch nicht vollständig abgewickelt (Dellinger in JBl 1991, 629 FN 2). Das trifft aber im vorliegenden Fall zu, weil zum Zeitpunkt der Klagseinbringung der Aktivprozeß der Beklagten gegen die Klägerin auf Zahlung des restlichen Werklohnes und der Reparaturkostenforderung vor dem Landesgericht für ZRS Graz noch anhängig war. Diese Forderungen hat die Beklagte gegen den vorliegenden Leistungsanspruch der Klägerin überdies ausdrücklich aufrechnungsweise eingewendet. Die Beklagte war daher weder zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch bei Fortsetzung des Verfahrens vermögenslos, hat doch das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , GZ 8 Cg 227/89-78, keineswegs mit Bindungswirkung festgestellt, daß die Forderungen der Beklagten endgültig nicht bestehen oder erloschen sind, sondern nur ausgesprochen, daß zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Klägerin im Hinblick auf die bis dahin noch nicht verbesserten Mängel des Werkes ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 1052 ABGB zusteht.
So lange daher die compensando-Einrede der Beklagten noch aufrecht erhalten wird, kann die Gesellschaft noch nicht vollbeendet sein. Schon aus diesem Grunde mußte dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben, kommt es doch so lange auf die vom Rekursgericht mit Recht aufgezeigten Feststellungsmängel nicht an, die im übrigen nur zu einer Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses und zu einer neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung hätten führen können.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.