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OGH vom 28.02.2018, 6Ob32/18a

OGH vom 28.02.2018, 6Ob32/18a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** K*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei C***** F*****, vertreten durch Huber Partner, Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 500.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 150/17s30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Zutreffend gehen die Parteien und die Vorinstanzen davon aus, dass auf die Bürgschaft deutsches Recht zur Anwendung kommt, zumal dieses in der Bürgschaftserklärung des Klägers mit der Bank vereinbart wurde. Gemäß Art 16 Rom I-VO richtet sich daher auch der Regressanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nach deutschem Recht.

1.2. Dem Obersten Gerichtshof kommt im Bereich des ausländischen Rechts jedoch keine Leitfunktion zu (RIS-Justiz RS0042948 [T1]). Die Revision wäre aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann zulässig, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre oder hiebei grobe Subsumtionsfehler unterlaufen wären, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssten (RIS-Justiz RS0042948 [T21]).

2.1. Der Beklagte behauptet, ein Regressanspruch des Klägers scheitere schon daran, dass die Forderung, die er gegenüber der Bank bezahlt habe, nicht fällig gewesen sei.

2.2. Eine Fälligkeit der Bürgschaftsforderung tritt erst mit Fälligkeit der gesicherten Forderung ein (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB7, § 765 Rn 80a mwN). Allerdings steht im vorliegenden Fall fest, dass der Kreditvertrag im Sommer 2013 „ausgelaufen“ war, was zweifellos zur Folge hatte, dass der Anspruch der Bank auf die Rückzahlung des Kreditbetrags fällig war; dass die Bank den Kreditvertrag „nicht fällig stellte“, war bloß Folge der Zahlung des Klägers. Daher kann keine Rede davon sein, dass der Kläger ohne Grund, also gewissermaßen „freiwillig“, eine noch gar nicht fällige Forderung gegenüber der Bank beglich. Vielmehr ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen, dass dies nach den Verhandlungen mit der Bank notwendig war.

3.1. Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, er sei durch die Zahlung des Klägers von keiner Verbindlichkeit gegenüber der Bank befreit worden, sodass ein Regressanspruch des Klägers nicht bestehe. Hilfsweise macht er weiters geltend, die Vorinstanzen hätten die Höhe des Regressanspruchs falsch ermittelt.

3.2. Im vorliegenden Fall verbürgten sich sowohl der Kläger als auch der Beklagte für die Kreditverbindlichkeiten der Gesellschaft. In der Bürgschaftsurkunde wurde festgehalten, dass die Bürgen durch Leistungen der weiteren Bürgen nicht frei werden und die Bürgen, insoweit in Abweichung von § 769 BGB, für den vollen Betrag ihrer Bürgschaft haften. Eine solche Vereinbarung ist zulässig, hat jedoch nur Wirkungen auf das Außenverhältnis, während das zwischen den Mitbürgen bestehende Ausgleichsverhältnis davon unberührt bleibt (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB7§ 769 Rn 6 mwN aus der BGH-Judikatur; insb BGH IX ZR 40/82).

3.3. Der Ausgleich zwischen mehreren Bürgen richtet sich nach § 774 BGB. Demnach geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen über, soweit dieser den Gläubiger befriedigt. Mitbürgen haften einander nur nach § 426 BGB. Demnach sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Diese Anordnungen bedeuten, dass der leistende Bürge zwar die Forderung des Gläubigers erwirbt, die Bürgschaftsforderungen gegen Mitbürgen allerdings nur entsprechend dem zwischen den Mitbürgen bestehenden Ausgleichverhältnis auf den leistenden Bürgen übergehen (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB7§ 774 Rn 22): Der Bürge, der gegenüber dem Gläubiger geleistet hat, kann sich daher beim Hauptschuldner stets in voller Höhe, bei seinen Mitbürgen jedoch nur nach Maßgabe des zwischen ihnen bestehenden Ausgleichsverhältnisses regressieren (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB7§ 774 Rn 22).

3.4. Nach der Judikatur des BGH erfolgt der Ausgleich zwischen Mitbürgen nach einem Quotenmodell, bei dem das Verhältnis der übernommenen Haftung maßgeblich ist; Teilleistungen kommen damit sämtlichen Mitbürgen im Verhältnis der von ihnen übernommenen Haftung zugute (BGH XI ZR 588/07 ua). Die Mitbürgen sind einander also zur anteiligen Befriedigung des Gläubigers verpflichtet (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB7§ 774 Rn 25 unter Verweis ua auf BGH IX ZR 161/91).

3.5. Dieses Ausgleichsverhältnis gilt aber gemäß § 426 Abs 1 BGB nur dann, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Eine solche andere Vereinbarung kann sich auch aus den Umständen, etwa den geschäftlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten, ergeben (BGH IX ZR 161/91 ua). Mitgesellschafter einer GmbH, die sich für eine Gesellschaftsschuld verbürgt haben, haften im Innenverhältnis zueinander im Zweifel entsprechend ihren Beteiligungsquoten (BGH II ZR 101/88). In einer jüngeren Entscheidung (XI ZR 81/15; s dazu auch die Anm von Looschelders, LMK 2017, 384874) hat der BGH diesen Grundsatz aber mit ausführlicher Begründung für den Fall relativiert, dass sich die Gesellschafter im Außenverhältnis mit unterschiedlichen Höchstbeträgen verbürgen: In diesem Fall seien im Zweifel nicht die Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft, sondern das Verhältnis der Haftungshöchstbeträge maßgeblich.

3.6. Im Fall, dass ein Bürge an den Gläubiger bloß eine Teilleistung erbracht hat, wird oftmals noch nicht feststehen, ob und inwieweit der Gläubiger die übrigen Bürgen auch hinsichtlich der noch offenen Hauptschuld in Anspruch nehmen wird. Dennoch kann sich der leistende Bürge auch in diesem Fall schon bei den Mitbürgen regressieren, weil ihm ein Zuwarten bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht zugemutet werden kann: Der Ausgleich hat grundsätzlich hinsichtlich der gesamten Teilleistung und damit unter Berücksichtigung des auf den leistenden Mitbürgen entfallenden Anteils an der gesamten Hauptschuld zu erfolgen; Entsprechendes gilt für Teilleistungen, die den Anteil des leistenden Bürgen an der gesamten verbürgten Verbindlichkeit nicht übersteigen (BGH VII ZR 216/56; BGH IX ZR 96/85; Habersack in Münchener Kommentar zum BGB7§ 774 Rn 26 mwN aus der BGH-Judikatur). Zusammengefasst können Mitbürgen daher nach jeder Teilleistung Ausgleich verlangen (Rohe in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB44§ 774 Rn 13).

3.7. Dies steht in Zusammenhang damit, dass der Ausgleichsanspruch nicht erst mit der Leistung an den Gläubiger, sondern bereits mit dem Zustandekommen des Gesamtschuldverhältnisses entsteht: Jeder mithaftende Schuldner kann daher schon sogar vor seiner eigenen Leistung an den Gläubiger von den anderen Gesamtschuldnern verlangen, dass sie ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitwirken und es so gar nicht mehr zu einem nachträglichen Ausgleich zu kommen braucht (BGH IX ZR 96/85; im Detail zu diesem Befreiungsanspruch oder Freistellungsanspruch P. Bydlinski in Münchener Kommentar zum BGB7§ 426 Rn 70 ff).

3.8. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird nur dann anerkannt, wenn die Inanspruchnahme der übrigen Mitbürgen durch den Gläubiger bevorsteht und der Hauptschuldner zahlungsunfähig ist (Stadler in Jauernig, BGB16§ 774 Rn 9; BGH III ZR 90/84; OLG Köln 19 U 194/93). Im vorliegenden Fall steht aber nicht fest, dass die Bürgen für die ganze, noch bestehende Hauptschuld in absehbarer Zeit aufkommen werden müssen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die GmbH & Co KG zu einem späteren Zeitpunkt zumindest teilweise den Kredit wird bedienen können; eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (vgl Rohe in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB44§ 774 Rn 13) steht nicht fest. Zudem hat die Bank den Kredit zwischenzeitig wiederum prolongiert bzw einen neuen Kredit vergeben und wurde der Beklagte von der Bank offenbar mittlerweile aus der Haftung entlassen, sodass er von der Bank nicht mehr in Anspruch genommen werden wird. Damit überwiegt aber nach der dargestellten Judikatur das Interesse des Klägers, mit dem Regress nicht bis zur endgültigen Tilgung der Gesamtforderung zuwarten zu müssen.

3.9. Damit erweist sich die Auffassung der Revision, beim Regress sei stets auf die Gesamtverbindlichkeit abzustellen und ein Regress hinsichtlich eines Teilbetrags sei nicht zulässig, als unzutreffend.

4.1. Aber auch die Einwände der Revision gegen die Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs sind nicht zielführend: Stellt man mit dem Berufungsgericht auf die Beteiligungsverhältnisse ab, dann ist entscheidend, dass der Kläger an der GmbH & Co KG „durchgerechnet“ mit 23,2 % und der Beklagte mit 40 % beteiligt sind. Der Kläger hätte dann 36,7 % und der Beklagte 63,2 % der gezahlten 500.000 EUR zu tragen. Allerdings wurden vom Klagsbetrag von 500.000 EUR bereits 200.000 EUR im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgewiesen, sodass das Berufungsgericht das Urteil im zweiten Rechtsgang bloß im Umfang einer Stattgebung von 300.000 EUR aufrecht erhalten konnte.

4.2. Stellt man hingegen auf die Verhältnisse der Haftungshöchstbeträge ab, dann wäre maßgeblich, dass sich der Kläger mit 500.000 EUR und der Beklagte mit 750.000 EUR verbürgt hat. Der Kläger hätte dann 40 % und der Beklagte 60 % zu bezahlen, was zu einer Klagsstattgebung im Umfang von 300.000 EUR führen würde. Nach diesem Modell hat das Erstgericht auch das Urteil im ersten Rechtsgang begründet, was allerdings nur vom Beklagten bekämpft wurde.

4.3. Damit führen in der vorliegenden Konstellation beide Lösungsvarianten letztlich zum gleichen Ergebnis, nämlich dass die nunmehrige Klagsstattgebung des Berufungsgerichts mit 300.000 EUR zutreffend ist. Somit begründet die Nichtbeachtung der BGH-Entscheidung XI ZR 81/15 durch das Berufungsgericht auch keine erhebliche Rechtsfrage, weil sich dies auf das Ergebnis letztlich nicht auswirkt (vgl RIS-Justiz RS0088931).

5.1. Der Beklagte steht schließlich auf dem Standpunkt, die Vorgehensweise des Klägers sei rechtsmissbräuchlich gewesen, weil er die Vereinbarung mit der Bank, nämlich Zahlung von 500.000 EUR bei gleichzeitiger Aufnahme eines Kredits und Eingehen einer Bürgschaft in selber Höhe, nur deshalb getroffen habe, um sich einen Regressanspruch gegen den Beklagten zu verschaffen.

5.2. Der Rechtsmissbrauch wird in Deutschland als Anwendungsfall des § 242 BGB gesehen, wonach der Schuldner verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Eine verpönte unzulässige Rechtsausübung setzt nicht notwendig Verschulden der handelnden Partei voraus, sondern es genügt, dass die Rechtsausübung objektiv gegen Treu und Glauben verstößt; Vorhandensein und Schwere eines Verschuldens sind jedoch im Rahmen der gebotenen umfassenden Interessenabwägung gebührend zu berücksichtigen, bei Fehlen eines zielgerichteten treuwidrigen Verhaltens hat eine umfassende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (Mansel in Jauernig, BGB16§ 242 Rn 35 mzN). Zusammengefasst kann die Ausübung eines Rechts im Einzelfall unzulässig sein, wenn der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen, mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (individueller Rechtsmissbrauch) (Mansel in Jauernig, BGB16§ 242 Rn 37). Unzulässig ist etwa eine Rechtsausübung, mit der der Berechtigte kein sachliches – dauerndes – Eigeninteresse verfolgt, die Rechtsausübung vielmehr nur Vorwand zur Erreichung rechts-(vertrags-)fremder oder unlauterer Zwecke ist (Mansel in Jauernig, BGB16§ 242 Rn 38) sowie die Ausnutzung formaler Rechtspositionen im Widerspruch zu den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen (Mansel in Jauernig, BGB16§ 242 Rn 42). Dies entspricht im Wesentlichen der österreichischen Judikatur, wonach Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegen (RIS-Justiz RS0026265 [T8]) bzw wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265).

5.3. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger durch das gewählte Vorgehen erreichen, dass die Bank keine weiteren Schritte unternimmt, insbesondere stellte die Bank den Kredit gegenüber der Gesellschaft nicht fällig, was auch den Beklagten betrifft, da er an der Gesellschaft mittelbar beteiligt ist. Dass der Kläger angab, er werde dem Beklagten „nichts schenken“ und selbst die Verhandlungen mit der Bank führte, belegt noch nicht, dass bei ihm das Motiv im Vordergrund stand, dem Beklagten zu schaden. Die in der Revision genannten falschen Angaben in der Klage, die zudem im Laufe des Verfahrens ohnehin richtig gestellt wurden, lassen ebenso keine Rückschlüsse darauf zu, in welcher Absicht der Kläger zeitlich davor die Vereinbarung mit der Bank getroffen hat. Dass der Kläger nicht einmal versucht hat, den bezahlten Betrag bei der Gesellschaft als Darlehensnehmerin einzubringen, erklärt sich zwanglos mit deren (derzeitiger) Mittellosigkeit. Im Ergebnis erweist sich daher die Ansicht der Vorinstanzen, die gewählte Vorgangsweise habe für den Kläger zwar auch den Vorteil gehabt, sich eine Regressmöglichkeit gegen den Beklagten zu erhalten, dies sei aber nicht rechtsmissbräuchlich gewesen, nicht korrekturbedürftig.

6. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00032.18A.0228.000

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